JudikaturOLG Innsbruck

11Bs168/25f – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
12. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dampf als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Hagen und Mag. a Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 27.1.2025, GZ **-88, nach der am 12.8.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. a Egger, der Sitzungsvertreterin der Oberstaatsanwaltschaft StA in Mag. a Unterguggenberger-Auer, des Angeklagten und seines Verteidigers RA MMag. Rene Schwetz (für RA Mag. Markus Abwerzger) öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird n i c h t , hingegen jener des Angeklagten t e i l w e i s eFolge gegeben und die Freiheitsstrafe gemäß §§ 31 Abs 1 und 2, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Amtsgerichts Freiburg/Breisgau vom 13.1.2025, rechtskräftig seit 30.1.2025, AZ **, als Zusatz freiheitsstrafe verhängt.

Im Übrigen wird der Berufung des Angeklagten keine Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Adhäsionserkenntnisse sowie einen unbekämpft gebliebenen Beschluss auf Abweisung eines Antrags auf Widerruf der bedingten Entlassung zu ** des Landesgerichts Wiener Neustadt enthält, wurde der am ** geborene A* des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (zu I.), der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (zu II., V. und VI.), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 (erster und dritter Fall) StGB (zu III.) sowie des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 (erster Fall) StGB (zu VI.) schuldig erkannt.

Danach hat er in ** und **

I)

am 29.11.2022 B* C* dadurch, dass er ihr einen wuchtigen Schlag gegen ihren Kopf versetzte, wodurch sie eine Trommelfellperforation links erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt;

II)

zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt um den 21.9.2022 B* C* durch die Äußerung, sie werde die Wohnung nicht lebendig verlassen, wenn sie nicht ihr „Maul“ halte, die er dadurch unterstrich, dass er einen Schraubenzieher in der Hand hielt, mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

III)

um den 8.11.2022 B* C* durch die zusammengefassten Äußerungen, sie solle aufpassen, was sie tue, nicht dass man sie morgen blutig im Wald wieder finde; er schlage ihr alle Zähne heraus, verpasse ihr Narben im Gesicht für den Rest ihres Lebens, er bringe sie alle um, er leere einen Kanister Benzin über ihre Familie, er zünde ihre ganze Familie an und er werde sie so schlagen, dass sie im Koma liege; sie sei zum Schlachten, sie gehöre weg vom Leben, er fühle sich verpflichtet, sie zu beseitigen, er werde sie einbetonieren, gefährlich teilweise mit dem Tode und einer auffallenden Verunstaltung bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

IV)

am 19.8.2023 in ** dadurch, dass er sich aus dem Festhaltegriff der beiden Polizeibeamten RI D* und Insp. E* F*, die im Begriffe standen, ihn nach den Vorschriften des UbG festzunehmen, mit erheblicher Körperkraft losriss und die Flucht ergriff und in weiterer Folge, als er bäuchlings am Boden lag, mit seinen Beinen austrat, Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versucht;

V)

am 19.8.2023 in ** Insp. G* F*, RI H*, Insp. I* sowie Dr. J* durch die wiederholten Äußerungen, dass er sie alle umbringen werde, wenn er wieder draußen sei, mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um diese in Furcht und Unruhe zu versetzen;

VI)

am 14.9.2023 in ** K* durch die Äußerung, er werde ihn auf der Stelle niederschlagen, er sei Straftäter und es sei ihm deshalb egal, mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um diesen in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Hiefür verhängte der Schöffensenat über den Angeklagten in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von 20 Monaten und verurteilte ihn gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens. Gleichzeitig wurde wegen der dem Schuldspruch zu III. und IV. zugrunde liegenden Taten die strafrechtliche Unterbringung des Genannten in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB angeordnet.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten hat der Oberste Gerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss vom 12.6.2025, GZ 14 Os 48/25b-4, zurückgewiesen und den Akt zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet (ON 115.3).

Das Rechtsmittel des Angeklagten mündet in den Antrag, der Berufung Folge zu geben und den Antrag der Staatsanwaltschaft auf strafrechtliche Unterbringung des Angeklagten in ein „forensisch-psychiatrisches“ Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB abzuweisen, in eventu vom Vollzug der Unterbringung vorläufig abzusehen sowie den Strafausspruch aufzuheben, die Strafe neu zu bemessen und eine mildere Strafe zu verhängen (ON 106.2). Demgegenüber zielt die Berufung der Staatsanwaltschaft darauf ab, die verhängte Freiheitsstrafe auf ein schuld- und tatangemessenes Ausmaß zu erhöhen (ON 108.4).

Der Angeklagte machte von seinem Recht, Gegenausführungen zu erstatten, keinen Gebrauch, die Staatsanwaltschaft verzichtete ausdrücklich darauf (ON 108.3, 1).

Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, dass der auf eine Anhebung der Freiheitsstrafe abzielenden Berufung der Staatsanwaltschaft Folge, jener des Angeklagten nur teilweise dahin Folge zu geben sein werde, dass die ausgemessene Sanktion als Zusatzstrafe zur Verurteilung durch das Amtsgericht Freiburg im Breisgau verhängt werde; im Übrigen werde dem Rechtsmittel des Angeklagten nicht Folge zu geben sein.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist nicht berechtigt, jene des Angeklagten dringt teilweise durch.

Der Beantwortung der Berufungen ist voranzustellen, dass die vom Schöffengericht aktenkonform wiedergegebenen Feststellungen zum Vorleben des Angeklagten nach der in der Berufungsverhandlung verlesenen ECRIS-Auskunft aus Deutschland dahingehend zu ergänzen sind, dass der Angeklagte mit Urteil des Amtsgerichts Freiburg/Breisgau vom 13.1.2025, rechtskräftig seit 30.1.2025, AZ **, wegen Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen und Beleidigung nach §§ 185, 194, 52 und 53 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je EUR 10,00 verurteilt wurde. Auf diese Verurteilung ist gemäß §§ 31 Abs 1 und 2, 40 StGB Bedacht zu nehmen, da die gegenständlichen Taten alle vor dem 13.1.2025 begangen worden sind.

Im Rahmen der Strafzumessung wurde das „weitläufige Geständnis“ des Angeklagten sowie der Umstand, dass zum Teil ein Zusatzstrafenverhältnis (§§ 31, 40 StGB) zur Verurteilung durch das Bezirksgericht Kufstein am 27.1.2023 zu ** vorliegt und die Tat zu IV. beim Versuch geblieben ist, mildernd berücksichtigt. Erschwerend wurden drei einschlägige Vorstrafen, das Zusammentreffen von mehreren Vergehen, der lange Tatzeitraum, die teilweise Tatbegehung während anhängigen Verfahrens, die Tatbegehung während offener Probezeit (zu ** des Landesgerichts Innsbruck), die Tatbegehung unter Verwendung einer Waffe (zu II.) und die Tatbegehung zum Nachteil einer Angehörigen (zu Pkt II. und III.) gewertet.

Um der Befürchtung, dass der Angeklagte unter dem maßgeblichen Einfluss seiner psychischen Störung in absehbarer Zukunft weitere gleichgelagerte Taten begehen werde, entgegenzuwirken, sah der Schöffensenat darüber hinaus wegen der dem Schuldspruch zu III. und IV. zugrunde liegenden Taten die strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB für erforderlich an.

Die Strafzumessungsgründe des Schöffengerichts treffen grundsätzlich zu, sie sind jedoch sowohl im erschwerenden als auch im milderndem Bereich zu ergänzen.

Auf der erschwerenden Seite fällt zusätzlich ins Gewicht, dass der Angeklagte die Tathandlungen zu I. und II. zum Nachteil der B* C* für die gemeinsame zweijährige Tochter L* C* wahrnehmbar begangen hat (ZV B* C* in ON 2.8, Seite 6; BV in ON 37, Seite 9; Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 33 Rz 34/2). Überdies ist neben der vom Erstgericht berücksichtigten Tatbegehung zu II. und III. zum Nachteil einer Angehörigen, auch jene zu I. davon umfasst.

Weiters aggravierend ist der Umstand, dass die gefährliche Drohung zu III. mehrfach qualifiziert ist (Drohung mit dem Tod sowie einer auffallenden Verunstaltung).

Darüber hinaus zeigt die Staatsanwaltschaft zutreffend auf, dass der beim Versuch gebliebene Widerstand gegen die Staatsgewalt gegen zwei Beamte gesetzt wurde, was aggravierend ist, da das Tatbild bereits dann erfüllt ist, wenn durch eines der angeführten Mittel auch nur ein Beamter an einer Amtshandlung gehindert wird (RIS-Justiz RS0132341; RS0130193).

Entgegen den Ausführungen im Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft sind die Tatwiederholungen der gefährlichen Drohungen nicht zusätzlich erschwerend, da jede einzelne Tatwiederholung zu einem (eigenständigen) Schuldspruch wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung führte. Dass der Angeklagte die gefährlichen Drohungen zu V. auch gegenüber Dr. J* sowie zu VI. gegenüber K*, sohin Angehörigen des Gesundheits- und Krankenpflegeberufs getätigt hat, ist ebenfalls nicht erschwerend, da das Gesetz weder eine Qualifikation wie bspw in § 83 Abs 3 Z 2 StGB noch einen besonderen Erschwerungsgrund in solchen Fällen vorsieht.

Nicht mildernd ist mit Blick auf die nunmehrige Bedachtnahme auf die dargelegte Verurteilung in Deutschland, dass zum Teil ein Zusatzstrafenverhältnis zur Verurteilung durch das Bezirksgericht Kufstein am 27.1.2023 zu ** vorliegt. Im Übrigen wären die Taten nicht überwiegend vor dem Zeitpunkt dieser Verurteilung gesetzt worden ( Ratzin WK² StGB § 31 Rz 22; Tipold in Leukauf/Steininger StGB 4§ 31 Rz 13; RIS-Justiz RS0090813 [T2, T6 und T8], RS0090555 [insb T3]).

Neben den vom Schöffengericht bereits in Anschlag gebrachten Milderungsgründen ist auch die festgestellte leichtgradig eingeschränkte und hinsichtlich des Tatzeitpunkts im August 2023 etwas höhere Einschränkung der Dispositionsfähigkeit zu berücksichtigen (US 7 und ON 37, 14). Eine massiv eingeschränkte Dispositions- und Diskretionsfähigkeit liegt jedoch dem Vorbringen des Berufungswerbers zuwider mit Blick auf die Ausführungen des Sachverständigen nicht vor (erneut ON 37, 14). Der ins Treffen geführte Ausnahmezustand des Angeklagten, weil Kontaktbeschränkungen zu seinem Kind durch die Kindesmutter als Druckmittel eingesetzt worden seien, begründet über die bereits als mildernd gewertete eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit hinaus keinen weiteren mildernden Umstand.

Ein vollinhaltliches und reumütiges Geständnis liegt der Berufungsbehauptung des Angeklagten zuwider angesichts der Verantwortung zu IV. nicht vor, weshalb das Schöffengericht zu Recht bloß von einem weitläufigen Geständnis ausgegangen ist.

Trotz der überwiegend im erschwerenden Bereich ergänzten Strafzumessungsgründe erweist sich die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze des § 32 StGB sowie nunmehriger Bedachtnahme auf die Verurteilung des Amtsgerichts Freiburg/Breisgau als schuld- und tatangemessen und wird präventiven Strafbemessungskriterien gerecht. Es bedarf den Berufungen zuwider daher weder einer Reduktion noch einer Erhöhung der Freiheitsstrafe. Sie war aber in diesbezüglicher teilweiser Stattgebung der Berufung des Angeklagten als Zusatzstrafe zu verhängen.

Eine von der Berufung des Angeklagten gar nicht angesprochene, auch nur teilweise bedingte Strafnachsicht kommt aufgrund des einschlägig getrübten Vorlebens, der neuerlichen und wiederholten Delinquenz während offener Probezeit und des raschen Rückfalls aus spezialpräventiven Gründen nicht in Betracht.

In Ansehung der angeordneten strafrechtlichen Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB kann lediglich die Gefährlichkeitsprognose Gegenstand der Berufung sein.

Das Schöffengericht traf dazu ua nachstehende Feststellungen: „Der Angeklagte leidet vorrangig an einer dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.2), sowie einer psychischen Verhaltensstörung infolge eines multiplen Substanzmissbrauchs von Tabak, Alkohol, Cannabinoiden und Kokain, in Form eines schädlichen Gebrauchs (ICD-10 F19.1), sohin einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung und stand zu sämtlichen Tatzeitpunkten unter dem maßgeblichen Einfluss dieser psychischen Störung. Lediglich die Dispositionsfähigkeit des Angeklagten war zu sämtlichen Tatzeitpunkten leichtgradig eingeschränkt, die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit war jedoch nicht aufgehoben.

Beim Angeklagte ist nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Taten mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, das er in absehbarer Zukunft – sohin binnen weniger Wochen – unter dem maßgeblichen Einfluss der festgestellten, schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde, nämlich gefährliche Drohungen in Form des Androhens einer Gewalttat mit lebensgefährlicher Verletzung oder Tötung, Einschränkungen der persönlichen Freiheit durch Einsperren, absichtliche, auch schwere Körperverletzungen - aufgrund der unkontrollierten Aggressionen - auch mit Todesfolge. Eine krisenhafte Eskalation ist faktisch jederzeit möglich.“

Nach den unbedenklichen Urteilsannahmen zur Person des Angeklagten, seinem Zustand und nach der Art der Taten (US 7 f), die auf das mehrfach ergänzte und überzeugende psychiatrische Gutachten des Sachverständigen M*, M.Sc. (ON 13, 37 und 80) gestützt werden konnten sowie der in der Berufungsverhandlung verlesenen psychologischen Befunden und des stationären Pflegeberichts von März 2025 bis dato samt dem Schreiben des LKH N* vom 11.8.2025, worin ausgeführt wird, dass aus fachärztlicher und psychologischer Sicht dem gerichtlichen Gutachten vollumfänglich beigetreten wird, begegnet die Annahme der normativen Gefährlichkeit im Sinn des § 21 StGB mit Blick auf die nach dem psychiatrischen Gutachten zu befürchtenden Prognosetaten keinen Bedenken. Dem Berufungsvorbringen, dass der Angeklagte seit rund 16 Monaten keine weiteren strafbaren Handlungen begangen habe, stehen nicht nur die Ausführungen des Sachverständigen, sondern auch die Verurteilung in Deutschland entgegen.

Das von der Berufung des Angeklagten begehrte vorläufige Absehen vom Vollzug der Maßnahme scheitert vorliegend bereits an der unbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe (§ 157a Abs 1 letzter Satz StVG).

Der Ausgang des Berufungsverfahrens hat die im Spruch angeführten Kostenfolgen.