JudikaturOGH

14Os48/25b – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Juni 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann, sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Eißler im Verfahren zur Unterbringung des * A* in einem forensisch therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Genannten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 27. Jänner 2025, GZ 33 Hv 129/23k-88, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Innsbruck zu.

* A* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * A* – soweit hier relevant – jeweils eines Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (III) und des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (IV) schuldig erkannt. Zudem ordnete das Erstgericht wegen der dem Schuldspruch zu III und IV zugrunde liegenden Taten die strafrechtliche Unterbringung des Genannten in einem forensisch therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB an (vgl US 13).

[2] Danach hat er in I* und W* unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, nämlich einer dissozialen Persönlichkeitsstörung sowie einer psychischen Verhaltensstörung (US 7),

(III) um den 8. November 2022 * G* durch im Urteil angeführte Äußerungen gefährlich mit dem Tod und einer auffallenden Verunstaltung bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

(IV) am 19. August 2023 dadurch, dass er sich aus dem Festhaltegriff zweier Polizeibeamten, die im Begriff standen, ihn nach dem UbG festzunehmen, mit erheblicher Körperkraft losriss und in weiterer Folge, als er bäuchlings am Boden lag, mit seinen Beinen austrat, Beamte an einer Amtshandlung zu hindern versucht.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen die Anordnung der vorbeugenden Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des A*, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Die Verfahrensrüge (Z 4) richtet sich gegen die Abweisung (ON 80 , 16 ) des Antrags auf „neuerliche Begutachtung“ des A* (gemeint offen sichtlich durch denselben Sachverständigen) zum Beweis dafür, dass bei ihm die „dissoziale Persönlichkeitsstörung samt Verhaltensstörung durch multiplen Substanzmissbrauch“ nicht mehr vorliege (ON 80 , 15 ).

[5] Indem der Antrag das Nichtvorliegen der einer Störung iSd § 21 Abs 2 StGB zu subsumierenden Tatsachen unter Beweis stellen sollte, zielte er auf für die Anordnungsbefugnis entscheidende Tatsachen ab. Die gegen die Abweisung des Antrags gerichtete Beschwerde macht daher der Sache nach Nichtigkeit aus Z 4 iVm Z 11 erster Fall geltend (vgl RIS Justiz RS0118581 [T2]; Haslwanter in WK² StGB Vor §§ 21–25 Rz 9).

[6] Der psychiatrische Sachverständige beantwortete bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung am 27 . Jänner 2025, in der er zuvor auch durch eigene Befragung des A* weitere für die Erstattung von Befund und Gutachten notwendige Informationen erhielt (ON 80, 6 f; vgl 12 Os 80/23s [Rz 7]), sämtliche Fragen des Verteidigers (ON 80 , 11 ff). Der im Anschluss daran gestellte Antrag setzte sich mit den Erläuterungen des Sachverständigen jedoch nicht auseinander und zielte solcherart gar nicht auf eine Überprüfung dieses Gutachtens (vgl zum aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO garantierten Überprüfungsrecht hinsichtlich eines bereits durchgeführten Sachverständigenbeweises RIS Justiz RS0117263; Hinterhofer , WK StPO § 126 Rz 120 und § 127 Rz 30f; Ratz , WK StPO § 281 Rz 351), sondern auf neuerliche Aufnahme des Sachverständigenbeweises durch Vernehmung desselben Sachverständigen (vgl zur Beiziehung des Sachverständigen zur Hauptverhandlung im Regelungsbereich des § 434d Abs 2 StPO 12 Os 80/23s [Rz 6]; allgemein Ratz , Verfahrensführung und Rechtsschutz nach der StPO² Rz 664) in der im Antrag nicht begründeten Erwartung eines für den Antragsteller günstigeren Ergebnisses ab. Dergestalt hatte er eine unzulässige Erkundungsbeweisführung zum Gegenstand, sodass er zu Recht der Abweisung verfiel (vgl RIS Justiz RS0098117, RS0117928 [T 6 ]).

[7] Das (auch das Beweisthema) ergänzende Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde ist mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618).

[8] Allfällige Fehler der Prognoseentscheidung ressortieren im System der Nichtigkeitsgründe in den Regelungsbereich des zweiten Falls des § 281 Abs 1 Z 11 StPO. Konkret liegt Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall dann vor, wenn diese Entscheidung zumindest eine der in § 21 Abs 1 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person und Zustand des Rechtsbrechers sowie Art der Tat) vernachlässigt oder die aus diesen Erkenntnisquellen gebildete Feststellungsgrundlage die Prognoseentscheidung als willkürlich erscheinen lässt (RIS Justiz RS0113980 [T7], RS0118581 [T13]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 715 ff). Indem die Beschwerde (nominell Z 5a) erhebliche Bedenken gegen die Sachverhaltsannahmen zu den Erkenntnisquellen vorbringt, erstattet sie bloß ein Berufungsvorbringen (vgl RIS Justiz RS0113980, RS0099869).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[10] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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