JudikaturOLG Innsbruck

6Bs156/25d – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
30. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Klammer und den Richter Mag. Melichar als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit und der Aussprüche über die Schuld und die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 08.04.2025, GZ ** 8, nach der am 30.07.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. Hosp, des Oberstaatsanwaltes Mag. Willam, des Angeklagten und seines Verteidigers RA Mag. Dr. Blum öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wegen Nichtigkeit und des Ausspruches über die Schuld wird n i c h t Folge gegeben.

Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Urteil in der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit nach § 148 erster Fall StGB sowie im Strafausspruch a u f g e h o b e n und in der Sache selbst entschieden:

A* hat durch die im ansonsten unverändert bleibenden Schuldspruch beschriebene Tat das Vergehen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB begangen und wird hiefür nach § 147 Abs 2 StGB in Anwendung des § 39 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 (zwölf) Monaten v e r u r t e i l t .

Gemäß § 43a Abs 3 StGB wird ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von 9 (neun) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren b e d i n g t n a c h g e s e h e n .

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Abwesenheitsurteil wurde der am ** geborene A* des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt und nach dem ersten Strafsatz des § 148 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von neun Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, sodass der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe drei Monate beträgt.

Gemäß § 20 StGB wurde von der Einhebung eines Verfallsbetrags abgesehen und gemäß § 366 Abs 2 zweiter Satz StPO die Privatbeteiligte B* mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Nach dem Schuldspruch hat A*

in ** und andernorts im Zeitraum 07.07.2022 bis 24.04.2023 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) andere durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die immer wieder wiederholte wahrheitswidrige Vorgabe, das geliehene Geld zurückbezahlen zu können und zu wollen, zu nachgenannten Handlungen verleitet, die diese am Vermögen schädigten, wobei insgesamt ein Schaden in einem EUR 5.000,00 übersteigenden Betrag herbeigeführt wurde, indem er gegenüber B* immer wieder angab, er wäre nicht verheiratet, würde zur Begleichung von Schulden Geld benötigen und werde ihr das gesamte Geld zurückbezahlen, im angeführten Zeitraum zu zahlreichen Überweisungen und Geldübergaben in einer Gesamthöhe von EUR 30.001,00 sowie CHF 1.000,00, in deren Höhe B* insgesamt auch in ihrem Vermögen geschädigt wurde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die zugleich mit dem Einspruch gegen das Abwesenheitsurteil durch den Verteidiger angemeldete (ON 10.2) und fristgerecht schriftlich ausgeführte (ON 12.1) Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit und der Aussprüche über die Schuld und die Strafe mit den Anträgen auf Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Strafsache an das Erstgericht, Freispruch des Angeklagten, in eventu auf gänzlich bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe.

In ihrer Stellungnahme erachtet die Oberstaatsanwaltschaft die Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruches über die Schuld als nicht berechtigt, weist allerdings auf einen von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund dergestalt hin, dass die Urteilsannahmen eine (auch) gewerbsmäßige Tatbegehung nicht zu tragen vermögen. Es sei daher das Urteil in dieser rechtlichen Unterstellung aufzuheben und die Strafe neu zu bemessen, wobei auch auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs 1 StGB hingewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruches über die Schuld ist nicht berechtigt.

Mit nominell nicht bezeichnetem Nichtigkeitsgrund moniert der Angeklagte, aufgrund des ergangenen Abwesenheitsurteils sei ihm die Möglichkeit, sich in der Hauptverhandlung zu verteidigen, gesetzwidrig entzogen worden. Eine gerichtliche Vernehmung habe im Ermittlungsverfahren nicht stattgefunden. Zudem sei er im „ersten Verfahrensgang“ unvertreten gewesen. Die Erlassung eines Abwesenheitsurteils erscheine auch mit Blick auf die Verhängung einer teilbedingten Freiheitsstrafe unverhältnismäßig und verletze den Angeklagten in seinem Recht auf ein faires Verfahren nach Art 6 Abs 1 EMRK.

Der gegen das Abwesenheitsurteil eingebrachte Einspruch des Angeklagten wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 30.5.2025, 6 Bs 140/25a, zurückgewiesen, weil der Angeklagte nicht durch ein unabweisbares Hindernis am Erscheinen zur Hauptverhandlung, zu der er ordnungsgemäß geladen worden war, gehindert war (ON 15.3).

Bei der vorgeworfenen Straftat handelt es sich um ein Vergehen. Die Ladung zur Hauptverhandlung wurde dem Angeklagten persönlich zugestellt. Der Angeklagte wurde zum Anklagevorwurf am 09.01.2025 polizeilich vernommen (ON 2.6). Dabei handelt es sich um eine förmliche Vernehmung des Angeklagten als Beschuldigter im Sinn der §§ 164, 165 StPO, welche dem durch Art 6 EMRK auf Verfassungsebene gehobenen Grundsatz des beiderseitigen Gehörs hinreichend Rechnung trägt ( Bauer in Fuchs/Ratz , WKStPO § 427 Rz 8; RISJustiz RS0130532). Ob diese Vernehmung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens durch die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft, einer vertagten Hauptverhandlung oder im Rechtshilfeweg erfolgte, ist dabei ohne Belang. Anlässlich dieser Vernehmung nahm der Angeklagte zum Tatvorwurf, auch zur subjektiven Tatseite, umfassend Stellung.

Die Voraussetzungen für die Durchführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten und die Erlassung eines Abwesenheitsurteiles lagen sohin vor, sodass ein Nichtigkeitsgrund nicht gegeben ist.

Auch die Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld ist nicht berechtigt. Der Angeklagte bestritt bereits anlässlich seiner Einvernahme seine Schuld und gab an, er habe insbesondere nicht mit Betrugsvorsatz gehandelt. Er gestand zu, die aufgelisteten Geldüberweisungen, Bargeld, Möbel und sonstige Einkäufe von der Geschädigten erhalten zu haben. Sie habe ihm diese Dinge allerdings freiwillig gegeben und habe er nicht gewusst, dass sie das Geld wieder zurückerhalten wolle. Sie habe ihm ausgeholfen und er habe ihr „Sex gegeben“. Er habe sie niemals um Geld gefragt oder um Zahlungen gebeten, weil sie genau gewusst habe, dass er nichts zurückzahlen werde können. Er habe auch ein Auto gefunden und ihr davon ein Foto gezeigt. Sie habe es ihm gekauft, damit er regelmäßig zu ihr fahren könne. Er habe dies als Geschenk gesehen. Mittlerweile habe er das Auto verkauft. Bislang habe er nicht gewusst, dass sie das Geld wieder brauche. Es sei dazu nichts vereinbart gewesen. Es wäre lächerlich von ihr, würde sie das Essen und die Geschenke zurückfordern. Er sei dennoch bereit, ihr das Geld zurückzuzahlen, wobei ihm eine Ratenzahlung von EUR 300,-- monatlich möglich wäre. Mehr sehe sie von ihm nicht.

Der Erstrichter hat in einer eingehenden und sorgfältigen Beweiswürdigung dargelegt, warum er nicht der leugnenden Verantwortung des Angeklagten, sondern den Angaben der Zeugin folgte.

Diese Beweiswürdigung begegnet keinen Bedenken. Der leugnenden Verantwortung des Angeklagten stehen nämlich die eindeutigen polizeilichen und gerichtlichen Angaben der Zeugin B* entgegen (ON 2.7 und ON 7), wonach sie mit dem Angeklagten in einer Beziehung gewesen sei, wobei er ihr des Öfteren vorgejammert habe, er brauche Geld, um seine Schulden zu begleichen. Sie habe ihm sehr oft Geld auf sein Konto überwiesen und habe er ihr auch immer versprochen, das Geld zurückzuzahlen. Die größte Summe sei ein Autokauf gewesen, wobei sie ihm das Geld bar übergeben habe. Sie habe nichts von ihm zurückbekommen. Hinsichtlich des Autokaufs habe er ihr gesagt, er werde sein Auto verkaufen und ihr dann das Geld übermitteln. Hiezu legte die Zeugin auch eine Liste bezüglich der Geldübergaben und -überweisungen sowie der Käufe für den Angeklagten vor (ON 2.8). In der Hauptverhandlung betonte sie noch einmal konkret, es habe sich bei allen diesen Zahlungen nicht um Geschenke gehandelt, sondern sei immer die Rede davon gewesen, dass der Angeklagte das zurückzahle. Er habe ihr auch trotz seiner Schulden versichert, die Rückzahlung zu tätigen. Mittlerweile sei sie von ihm kontaktiert worden, wobei er ihr gesagt habe, er wolle alles zurückzahlen.

In der Hauptverhandlung legte die Zeugin Chatverläufe vor, die ihre Angaben untermauern (siehe Beilagen). So schrieb die Zeugin etwa „wann wirst du mir das Geld überweisen, das du mir noch schuldest?“, woraufhin der Angeklagte antwortet „bald mach ich das bitte bisschen noch, danke“. Entgegen seiner Verantwortung bot ihm auch nicht die Zeugin Geld für den Autokauf an, sondern fragte er diese nach Geld für das Auto (Beilagen AS 3). Weiters versicherte er der Zeugin, sie werde ihr Geld bekommen (Beilagen AS 4). Zudem enthält die Beilage auch Nachweise für die vom Angeklagten in objektiver Hinsicht ohnehin nicht bestrittenen Geldüberweisungen (Beilagen AS 6ff).

Daraus ergibt sich deutlich, dass die an den Angeklagten erfolgten Geldüberweisungen und Zahlungen nicht als Geschenke erfolgt sind, sondern unter der Voraussetzung der Rückzahlung. Die erstgerichtlichen Feststellungen auch zur subjektiven Tatseite begegnen daher keinen Bedenken durch den Berufungssenat.

Aus Anlass der Berufung überzeugte sich der Berufungssenat allerdings vom Vorliegen eines von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO, zumal die erstgerichtlichen Feststellungen die angenommene Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung nicht zu tragen vermögen (US 5). Das Erstgericht stellte nämlich anstelle der erforderlichen Absicht (§ 70 StGB) lediglich einen bedingten Vorsatz hinsichtlich der gewerbsmäßigen Begehungsweise fest.

Aus Anlass der Berufung war daher das Urteil in der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit und sohin auch der Strafausspruch aufzuheben und in der Sache selbst zu entscheiden, dass dem Angeklagten nach den insoweit vollständigen Sachverhaltsannahmen das Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB zur Last liegt.

Bei der erforderlichen Neubemessung der Strafe ist zunächst festzuhalten, dass vom Vorliegen der Rückfallsvoraussetzungen nach § 39 Abs 1 StGB auszugehen ist. Der Angeklagte wurde unter anderem mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 24.01.2013, rechtskräftig mit selbem Tag, **, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall, 15 StGB sowie nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wovon zehn Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Aus dem unbedingten Teil der Freiheitsstrafe wurde der Angeklagte am 09.03.2013 bedingt entlassen und diese bedingte Entlassung in der Folge für endgültig erklärt.

Mit weiterem hier relevanten Urteil des Bezirksgerichtes Baden vom 11.10.2017, rechtskräftig seit 17.10.2017, **, wurde der Angeklagte wegen des am 22.06.2016 begangenen Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, welche mit 20.07.2018 vollzogen war. Die nunmehrigen Taten beging er ab 07.07.2022. Es liegen daher die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 Abs 1 StGB vor, wobei eine Rückfallsverjährung nach § 39 Abs 2 StGB nicht eingetreten ist.

Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung die Strafrahmenvorschrift des § 39 Abs 1 StGB zugrunde zu legen (RISJustiz RS0116586 [T6]). Der Strafrahmen des § 147 Abs 2 StGB in Anwendung des § 39 Abs 1 StGB reicht sohin bis zu viereinhalb Jahren Freiheitsstrafe.

Erschwerend wirken sich die Tatwiederholung und vier einschlägige Vorstrafen aus. Zudem ist im Rahmen der allgemeinen Strafbemessungsgrundsätze nach § 32 StGB die die Qualifikationsgrenze mehrfach übersteigende Schadenshöhe aggravierend zu berücksichtigen.

Aufgrund der in der Berufungsverhandlung nachgewiesenen Zahlungen von insgesamt EUR 800,-- an B* ist eine teilweise Schadensgutmachung mildernd zu berücksichtigen (§ 34 Abs 1 Z 14 zweiter Fall StGB).

Ausgehend von den Strafzumessungsgründen und dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat sowie unter Berücksichtigung allgemeiner Strafbemessungskriterien des § 32 StGB ist beim hier zur Anwendung gelangenden Strafrahmen mit Blick auf das Verschlimmerungsverbot aufgrund des nur zu Gunsten des Angeklagten erhobenen Rechtsmittels eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten schuld- und tatangemessen.

Der Anwendung des § 37 StGB, einer Strafenkombination nach § 43a Abs 2 StGB und der gänzlich bedingten Nachsicht der Freiheitsstrafe nach § 43 Abs 1 StGB stehen aufgrund der einschlägigen Vorstrafenbelastung spezialpräventive Gründe entgegen. Wiederum infolge des Verschlimmerungsverbots war nach § 43a Abs 3 StGB ein Teil der Freiheitsstrafe von 9 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch angeführte Gesetzesstelle.