JudikaturOLG Innsbruck

6Bs84/25s – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
14. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Klammer und den Richter Mag. Melichar als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* B*wegen des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB und C* B*wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB über die Berufung des A* B* wegen des Ausspruchs über die Strafe und des C* B* wegen Nichtigkeit sowie der Aussprüche über die Schuld und die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12.2.2025, GZ **-12, nach der am 14.5.2025 in Anwesenheit des Schriftführers Rp Ing. Hollenstein, LL.B., LL.M., der Oberstaatsanwältin Mag. Draschl, des Angeklagten C* B* und des Verteidigers RA Mag. Gaulin, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten A* B* öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung des C* B* wegen Nichtigkeit sowie des Ausspruches über die Schuld wird n i c h t Folge gegeben.

Den Berufungen des A* B* und des C* B* wegen des Ausspruchs über die Strafe wird t e i l w e i s e Folge gegeben und die Höhe des einzelnen Tagessatzes jeweils auf EUR 7,-- herabgesetzt.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Text

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am ** geborene A* B* der Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB und der am ** geborene C* B* des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür A* B* nach § 105 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und C* B* nach § 107 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit 75 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und beide Angeklagte nach § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes wurde jeweils mit EUR 10,-- bestimmt. Gemäß § 43a Abs 1 StGB wurde bei beiden Angeklagten die Hälfte der Geldstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von jeweils drei Jahren bedingt nachgesehen.

Nach dem Schuldspruch haben am 8.8.2024 in **

I.

A* B* E* und F* durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu einer Handlung, nämlich zum Verlassen des Almgebietes zu nötigen versucht, indem er mit erhobenem Bergstock auf E* und F* zulief und äußerte „sie sollen verschwinden, ansonsten gäbe es etwas“;

II.

C* B* F* gefährlich mit der Zufügung zumindest einer Verletzung am Körper bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihm gegenüber äußerte „Sei froh, dass nit aloan am Weg bisch, sinsch Gnade dir Gott hat i die derschlogn und eingwualt- du Gottloser- weil do herobn findet die koa Mensch“ .

Gegen dieses Urteil richten sich die jeweils rechtzeitig angemeldeten Berufungen des Angeklagten A* B* wegen des Ausspruchs über die Strafe und des Angeklagten C* B* wegen Nichtigkeit und der Aussprüche über die Schuld und die Strafe. Während der Erstangeklagte A* B* die Berufung nicht schriftlich ausführte, mündet die fristgerecht schriftlich ausgeführte Berufung des Zweitangeklagten C* B* in die Anträge, das angefochtene Urteil wegen Nichtigkeit, in eventu im Sinne der Schuldberufung aufzuheben und einen Freispruch zu fällen, in eventu die Geldstrafe in Ansehung der Zahl der Tagessätze schuld- und tatangemessen herabzusetzen und gemäß § 43a Abs 1 StGB zu drei Viertel bedingt nachzusehen. Die ursprünglich angemeldete Berufung des A* B* wegen Nichtigkeit und des Ausspruchs über die Schuld wurde in der Berufungsverhandlung zurückgezogen.

Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer Stellungnahme die Ansicht, der Berufung des Zweitangeklagten C* B* wegen Nichtigkeit werde keine Folge zu geben sein, zumal die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht vorlägen. Auch die Schuldberufung des Zweitangeklagten C* B* sei nicht berechtigt. Die Strafberufungen seien mit Ausnahme der Tatsache, dass die Tagessatzhöhe jeweils einer geringfügigen Herabsetzung zugänglich sei, ebenfalls nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Berufung des Zweitangeklagten C* B* wegen Nichtigkeit kommt keine Berechtigung zu.

Geltend gemacht wird zunächst eine Undeutlichkeit der Entscheidungsgründe iSd § 281 Abs 1 Z 5 erster Fall StPO. Undeutlich ist ein Urteil, wenn den Feststellungen nicht klar zu entnehmen ist, welche entscheidende Tatsache das Gericht sowohl auf der objektiven als auch auf der subjektiven Tatseite als erwiesen angenommen hat und aus welchen Gründen dies geschehen ist. Dabei ist stets die Gesamtheit der Entscheidungsgründe und das Erkenntnis in den Blick zu nehmen (vgl RIS-Justiz RS0089983). Entgegen dem Berufungseinwand ist den Urteilsfeststellungen klar zu entnehmen, von welcher Drohung das Gericht ausging (US 5), wobei das Erstgericht auch den Sinn und Bedeutungsinhalt sowie die Ernstlichkeit der Drohung und die subjektive Tatseite konkret feststellte und sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit sämtlichen vorliegenden Beweisergebnissen auseinandersetzte (US 5 ff).

Insoweit der Berufungswerber selbst eine Interpretation der Aussagen der Zeugen E* und F* vornimmt und eigene Überlegungen zum Beweiswert der vom Erstgericht umfassend gewürdigten Verfahrensergebnisse anstellt, erschöpft sich das Rechtsmittel in einem unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO unzulässigen Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung (vgl RIS-Justiz RS0099419).

Die in der Mängelrüge behauptete Aktenwidrigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 fünfter Fall StPO) des festgestellten Wortlautes der Drohung zu den wörtlichen Angaben der beiden genannten Zeugen in der Hauptverhandlung liegt nicht vor. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass zwar der Wortlaut der vom Zweitangeklagten geäußerten Drohung von den Zeugen bei ihren Aussagen vor der Polizei und in der Hauptverhandlung nicht stets wortident wiedergegeben wurde bzw werden konnte, der Sinn- und Bedeutungsinhalt der geschilderten Drohung jedoch stets gleichlautend war. Zudem wird in der Berufungsschrift verkannt, dass ein Urteil nur dann aktenwidrig ist, wenn es in der Beweiswürdigung den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt. Demnach können Feststellungen niemals „aktenwidrig“ sein. Der Fehler nach Z 5 fünfter Fall betrifft immer die Beweiswürdigungsebene ( Kirchbacher, StPO 15§ 281 Rz 61, RIS-Justiz RS0099431, RS0099492).

Der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO, mit welchem der Zweitangeklagte C* B* eine offenbar unzureichende Begründung der inneren Tatseite bemängelt, liegt ebenfalls nicht vor. Offenbar unzureichend ist eine Begründung dann, wenn sie den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht ( Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 281 Rz 444). Sofern der Berufungswerber moniert, das Erstgericht habe die innere Tatseite des Zweitangeklagten mit Handlungen des Erstangeklagten begründet, ist er darauf zu verweisen, dass der Erstrichter die subjektive Tatseite des Zweitangeklagten aus einer lebensnahen Betrachtung des äußeren Sachverhaltes geschlossen hat. Der Schluss von einem gezeigten äußeren Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wollen oder Wissen ist rechtsstaatlich ohne weiteres vertretbar und bei nicht geständigen Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen ( Ratz aaO Rz 452).

Mit der weiteren Kritik an der vom Erstrichter angenommenen Eignung der (in den Entscheidungsgründen) konstatierten Äußerung, bei F* begründete Besorgnisse hervorzurufen, spricht die Mängelrüge keine Tatsachenfeststellung, sondern eine Rechtsfrage an. Die Beurteilung der Eignung der vom Angeklagten geäußerten Drohung begründete Besorgnis einzuflößen (§ 74 Abs 1 Z 5 StGB) entzieht sich als Rechtsfrage einer Bekämpfung aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO (RIS-Justiz RS0092538 [T2]).

Mit Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) kritisiert der Zweitangeklagte die Unterstellung der erstgerichtlichen Konstatierungen unter den Tatbestand des § 107 Abs 1 StGB. Die wortwörtliche Auslegung des vom Erstgericht festgestellten Wortlautes „beschreibe lediglich ein Alternativverhalten in der Vergangenheit, was unter Umständen gewesen wäre, wenn der Kläger nicht allein gewesen wäre. Hiedurch werde jedoch kein (künftiges) Übel angedroht und könne der Angeklagte sohin auch nicht nach § 107 StGB bestraft werden“. Die prozessordnungsgemäße Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes erfordert jedoch striktes Festhalten an den tatsächlich getroffenen Urteilskonstatierungen in ihrer Gesamtheit und die auf dieser Grundlage zu führende Darlegung, dass dem Gericht bei Beurteilung des Urteilssachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen sei. Dem Berufungsvorbringen zuwider hat das Erstgericht auf Basis seiner auch zum Bedeutungsinhalt der ausgesprochenen Drohung (Drohung mit einer Körperverletzung; US 5) getroffenen Konstatierungen den einwandfreien sowie logischen Schluss auf die Eignung der Drohung gezogen, den Adressaten der Drohung, F*, aus Angst vor einer Körperverletzung in Furcht und Unruhe zu versetzen. Insoweit die Berufung argumentiert, dass es sich bei der Drohung des Zweitangeklagten gegenüber F* um eine milieubedingte Unmutsäußerung gehandelt habe, übergeht sie die genau gegenteiligen Urteilsannahmen in den Entscheidungsgründen (US 7) und geht insgesamt nicht vom festgestellten und beweiswürdigend erörterten Sachverhalt aus. Insofern ist die Berufung nicht prozessordnungskonform ausgeführt.

Zur Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld:

Dieser gelingt es nicht, Bedenken des Berufungssenates an der Richtigkeit der dem Schuldspruch zu Punkt I. und II. zugrundeliegenden Sachverhaltsannahmen zu wecken. Der Erstrichter hat schlüssig und lebensnah begründet, warum er nicht der leugnenden Verantwortung der Berufungswerber, sondern den Schilderungen der sie belastenden Zeugen E* und F* gefolgt ist. Er konnte sich einen unmittelbaren Eindruck von sämtlichen Beteiligten verschaffen und hat frei von Widersprüchen ausgeführt, dass die Zeugen E* und F* einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen haben, und auch begründet, warum er den Angaben dieser Zeugen Glauben schenkt. Diese Beweiswürdigung wird ausdrücklich vom Berufungsgericht geteilt. Soweit in der Berufung des Zweitangeklagten Differenzen im Wortlaut der geschilderten Drohung moniert werden, ist darauf hinzuweisen, dass der Kern der Drohung von den Zeugen stets gleichlautend geschildert wurde und aufgrund der zwischen dem Vorfall, der ersten polizeilichen Einvernahme der Zeugen und der Hauptverhandlung verstrichenen Zeit von fünf bis sechs Monaten auch nachvollziehbar ist, dass derartige Drohungen nicht wortident, sondern nur dem Sinn nach entsprechend wiederholt werden können. Dies tut der Glaubwürdigkeit der Zeugen keinen Abbruch. Soweit die Berufung neuerlich damit argumentiert, dass die Drohung wortwörtlich ein fiktives Szenario in der Vergangenheit beschreibe, was gewesen wäre, wenn F* nicht allein gewesen wäre, und eine solche Fiktion einer nicht stattgefundenen Situation keinesfalls eine Ankündigung eines zukünftigen Übels bedeuten könne, ist dem entgegen zu halten, dass sich diese Behauptungen einerseits von dem vom Erstgericht festgestellten Wortlaut der Drohung (US 5) entfernen und andererseits auf den Sinn- und Bedeutungsinhalt, wie er von einem Durchschnittsmenschen verstanden wird, abzustellen ist. Die Ableitung des in der Ankündigung von zumindest einer Körperverletzung gelegenen Bedeutungsinhalts der Äußerungen der Angeklagten ist nicht zu beanstanden.

Da die Beurteilung der Eignung einer Drohung, begründete Besorgnis einzuflößen, eine Rechtsfrage ist, entzieht sie sich einer Bekämpfung im Rahmen einer Schuldberufung (RIS-Justiz RS0092538 [T2]).

Wenn die Berufung des Zweitangeklagten darauf hinweist, dass Drohungen, die der Täter im Zorn ausstößt, im Allgemeinen nicht unter § 107 StGB fallen, ist darauf zu verweisen, dass auch eine im Zorn getätigte Äußerung durchaus mit der Absicht erfolgen kann, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen. Die diesbezüglichen beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichtes sind nicht zu beanstanden.

Zu den Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe:

Soweit der Zweitangeklagte in der Berufung die besonderen Milderungsgründe nach § 34 Abs 1 Z 7, 11 und 12 StGB reklamiert, ist dem zu entgegnen, dass diese Milderungsgründe auf Basis der Urteilskonstatierungen nicht vorliegen und sich auch sonst aus dem Akteninhalt nicht ergeben. Unbesonnen handelt, wer spontan einem augenblicklichen Willensimpuls folgt, der aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen ist und ohne diesen unterdrückt worden wäre. In der meist sich unvermutet ergebenden Tatsituation wird die Gefährlichkeit der Handlung nicht näher bedacht ( Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 34 Rz 18). Schon aufgrund der Tatsache, dass es die Angeklagten waren, die mit den beiden Zeugen E* und F*, welche ihre Ziegen auf die eigenen Weidegebiete zurückholen wollten, von sich aus und ohne Grund in Kontakt getreten sind und es daraufhin zu den Tathandlungen gekommen ist, kann von einer unbesonnenen Handlungsweise im Sinn des § 34 Abs 1 Z 7 StGB nicht ausgegangen werden.

Worin die Umstände liegen, welche einem Strafaufhebungs- oder Strafausschließungsgrund nahekommen würden, vermag die Berufung ebenso nicht zu erklären, wie die Behauptung, dass der Zweitangeklagte die Tat in einem die Schuld nicht ausschließenden Rechtsirrtum (§ 9 StGB) begangen habe.

Die besonderen Strafzumessungsgründe wurden vom Erstgericht zutreffend und vollständig erfasst und sind nur insofern zu korrigieren, als dass der besondere Erschwerungsgrund beim Angeklagten A* B*, dass die Nötigungen zum Nachteil von zwei Personen stattfanden, durch den Erschwerungsgrund des Zusammentreffens zweier strafbarer Handlungen zu ersetzen ist.

Mit Blick auf die genannten und korrigierten besonderen Strafzumessungsgründe und unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung nach § 32 StGB sowie unter Zugrundelegung der Strafdrohung des § 105 Abs 1 StGB sowie des § 107 Abs 1 StGB von jeweils einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen, sind die über die beiden Angeklagten verhängten Geldstrafen jeweils schuld- und tatangemessen und einer Herabsetzung nicht zugänglich.

Die Hälfte der Strafe wurde ohnehin gemäß § 43a Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gesetzlich möglich wäre die bedingte Nachsicht von bis zu drei Viertel der Strafe, dies ist aber spezial- und generalpräventiv hier nicht geboten.

Wie die Oberstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme zutreffend bemerkte, ist jedoch die Tagessatzhöhe der Geldstrafen bei beiden Angeklagten unter Zugrundelegung der jeweils festgestellten persönlichen Verhältnisse und ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (US 3) mit EUR 10,-- zu hoch bemessen und daher unter Heranziehung der Existenzminimumtabelle 1bm als Orientierungshilfe auf EUR 7,-- herabzusetzen. Insoweit waren die Strafberufungen berechtigt.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch angeführte Gesetzesstelle.