Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch die Richter Dr. Waldner (Vorsitz), Mag. Stadlmann und Mag. Schellnegger in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren **, ohne Beschäftigung, **, vertreten durch Dr. Peter Fürnschuß, Rechtsanwalt in Stainz, gegen die beklagten Parteien 1. B * , geboren **, **, und 2. C* AG , FN **, **, beide vertreten durch Mag. Gerald Leitgeb, Rechtsanwalt in Stallhofen, wegen Feststellung (Streitwert: EUR 5.000,00), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Endurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 27. Juni 2025, **-39 (Berufungsinteresse: EUR 5.000,00), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien zu Handen des Beklagtenvertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 964,82 (darin EUR 160,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt nicht EUR 5.000,00.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig .
Entscheidungsgründe
Am 10. November 2022 ereignete sich gegen 15:00 Uhr auf der ** in **, Fahrtrichtung **, ein Verkehrsunfall, bei dem die Klägerin ihren PKW mit dem Kennzeichen ** anhalten musste und der vom Erstbeklagten gelenkte und bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherte PKW mit dem Kennzeichen ** auffuhr. Das Alleinverschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalls trifft den Erstbeklagten. Die Klägerin wurde beim Unfall verletzt. Sie erlitt eine Kopfprellung, eine Zerrung der Halswirbelsäule und eine Prellung bzw Abschürfungen im Bereich beider Kniegelenke mit Ausbildung eines Hämatoms im Bereich des linken Kniegelenks.
Spätfolgen aufgrund der unfallskausalen Verletzungen sind mit der in der Medizin möglichen Sicherheit auszuschließen.
Mit der (verbessert) am 22. Mai 2024 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zu ** eingebrachten Mahnklage begehrt die Klägerin , die Beklagten schuldig zu erkennen, ihr EUR 21.440,30 samt 4 % Zinsen ab 3. April 2024 zu bezahlen. Dieses Leistungsbegehren verbindet sie in ihrem Schriftsatz vom 4. Juli 2024 mit dem mit EUR 5.000,00 bewerteten Feststellungsbegehren, wonach die Beklagten ihr für alle künftigen kausalen Schäden aus dem Unfall vom 10. November 2022 zur ungeteilten Hand zu haften haben, wobei die Haftung der Zweitbeklagten betraglich beschränkt auf die Haftpflichtversicherungssumme aufgrund des Versicherungsvertrages sei. Nach mehrfacher Klagseinschränkung und -ausdehnung begehrt die Klägerin von den Beklagten zuletzt EUR 11.394,34 samt Anhang (ON 9, 21, 25). Zur Begründung bringt sie im Wesentlichen und im Berufungsverfahren noch von Relevanz vor, dass angesichts der Schwere der Verletzungen der Klägerin unfallbedingte Spät- und Dauerfolgen keinesfalls auszuschließen seien. Dies auch deshalb, da die Klägerin sich voraussichtlich einer weiteren Operation zur Behandlung der unfallsbedingten Knieverletzung zu unterziehen habe. Hinsichtlich des bei der Klägerin bestehenden neuropathischen Schmerzes handle es sich um keine Dauerfolge im rechtlichen Sinne, sondern um Spätfolgen, weil aufgrund des festgestellten neuropathischen Schmerzes weder abschließend beurteilt werden könne, welche unfallskausalen Operationen allenfalls bei der Klägerin noch notwendig werden, noch im Vorhinein festgestellt werden könne, welche medikamentösen oder physiotherapeutischen Behandlungen notwendig werden. Da dieser neuropathische Schmerz nicht monetär beurteilt werden könne, habe die Klägerin ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, wonach die Beklagten der Klägerin für alle künftigen kausalen Schäden aus dem Unfall zur ungeteilten Hand zu haften hätten.
Die Beklagten bestreiten das Klagsvorbringen, beantragen kostenpflichtige Klagsabweisung und wenden – im Berufungsverfahren von Relevanz – ein, dass das Feststellungsbegehren nicht zuzusprechen sei, zumal aus dem Unfallgeschehen in Zusammenschau mit den erlittenen Verletzungen der Klägerin keinesfalls Spät- und Dauerfolgen resultieren. Insbesondere sei aufgrund der Operation vom 14. Jänner 2025 davon auszugehen, dass keine Dauerfolgen mehr bestehen.
Mit (rechtskräftigem) Teilurteil vom 13. März 2025 spricht das Erstgericht der Klägerin EUR 11.340,89 samt 4% Zinsen ab 3. April 2024 zu und weist das Mehrbegehren von EUR 53,45 samt Anhang ab (ON 34).
Mit dem angefochtenen Endurteil (ON 39) weist das Erstgericht das Feststellungsbegehren ab und verpflichtet die Beklagten zu einem Prozesskostenersatz von EUR 1.247,29 brutto an die Klägerin. Es trifft die eingangs wiedergegebenen, unbekämpft gebliebenen Feststellungen, und führt auf deren Grundlage in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen und im Berufungsverfahren von Relevanz aus:
„Gemäß § 228 ZPO kann auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes geklagt werden, wenn die Klägerin an der Feststellung ein rechtliches Interesse hat. Das Feststellungsinteresse ist zu verneinen, wenn Spätfolgen mit der in der Medizin möglichen Sicherheit ausgeschlossen werden können (RIS-Justiz RS0039018). Das ist hier der Fall. Die bei der Klägerin vorhandenen Dauerschäden, also bereits heute vorhandene Schäden, die voraussichtlich bestehen bleiben, spielen für das Feststellungsinteresse keine Rolle (RIS-Justiz RS0038826 [T4]), sondern waren im Rahmen der Globalbemessung des Schmerzengeldes zu berücksichtigen. Da hier Spätfolgen auszuschließen sind, fehlt das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung.
[…]“
Gegen die Abweisung des Feststellungsbegehrens richtet sich die Berufung der Klägerin (ON 41) aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (einschließlich sekundärer Feststellungsmängel). Sie beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Feststellungsbegehren zur Gänze stattgegeben werde; in eventu wolle mit Aufhebung vorgegangen werden.
Die Beklagten beantragen in ihrer Berufungsbeantwortung (ON 43), der Berufung keine Folge zu geben.
Die Berufung – über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte – ist nicht berechtigt .
1. Mangels einer Beweisrüge hat der erkennende Senat gemäß § 498 Abs 1 ZPO den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt seiner eigenen Entscheidung zugrunde zu legen. Ausgehend davon kommt der Rechtsrüge keine Berechtigung zu.
2.) In dieser macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass das Feststellungsbegehren jedenfalls gerechtfertigt sei, da im Rahmen der Globalbemessung des Schmerzengeldes künftige kausale Schäden, wie Behandlungskosten, Fahrtkosten, Heilbehelfe und Kosten für Medikamente, die über ein Schmerzengeld hinausgehen, nicht berücksichtigt worden seien und demnach ein Dauerschaden - resultierend aus den bei der Klägerin bestehenden neuropathischen Schmerzen - nach wie vor bestehe. Im Übrigen sei – entgegen den rechtlichen Ausführungen des Erstgerichtes - der in beiden Gutachten festgestellte Dauerschaden bei der Klägerin bisher nicht in die Globalbemessung des Schmerzengeldes miteinbezogen worden, da sich die im Teilurteil festgestellten objektivierten Schmerzperioden lediglich auf die unfallskausalen Verletzungen (Kopfprellung, Zerrung der Halswirbelsäule, Prellung bzw. Abschürfungen im Bereich beider Kniegelenke und Bildung eines Hämatoms im Bereich des linken Kniegelenks) samt psychischer Alteration bezogen hätten. Unabhängig davon habe die Klägerin ihr Feststellungsbegehren sowohl auf Spät- als auch auf Dauerfolgen gestützt, weshalb die Zusammenfassung des Klagsvorbringens im Endurteil unvollständig sei und im Sinne eines sekundären Feststellungsmangel nachstehende ergänzende Feststellung begehrt wird:
„Bei der Klägerin zeigt sich eine Vernarbung im Bereich eines Hautnerven unterhalb des linken Kniegelenkes nach chirurgischer Entfernung eines traumatisch bedingten Nervenknotens mit Ausbildung einer gesteigerten Schmerzwahrnehmung im Sinne eines neuropathischen Schmerzes als Dauerfolge.“
3.1.) Eine Feststellungsklage bedarf eines konkreten, aktuellen Anlasses, der zur Hintanhaltung einer nicht bloß vermeintlichen, sondern tatsächlich und ernstlichen Gefährdung der Rechtslage des Klägers eine alsbaldige gerichtliche Entscheidung notwendig macht (RS0039215, RS0039071 [T1]). Im Allgemeinen indiziert das Vorliegen von Dauerfolgen die Möglichkeit, dass das schädigende Ereignis für einen künftigen Schadenseintritt ursächlich sein könnte und rechtfertigt daher ein Feststellungsbegehren (RS0038920). Nur in den Fällen, in denen der Eintritt künftiger Schäden „mit Sicherheit ausgeschlossen“ oder „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen“ oder „mit der in der Medizin möglichen Sicherheit ausschließbar“ ist, fehlt ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung einer potentiellen Haftung für zukünftige Schäden (RS0039018 [T27, T28], RS0038976 [T22]).
3.2.) Demzufolge kann selbst bei Vorliegen von Dauerfolgen ausgeschlossen sein, dass diese zukünftig zu weiteren Schäden führen, sodass - trotz Vorliegens einer Dauerfolge - das Feststellungsinteresse zu verneinen ist (2 Ob 162/05w = ZVR 2006/222 [ Huber ] = RS0038976 [T22]; 9 ObA 22/10s; 2 Ob 146/21s).
3.3.) Im vorliegenden Verfahren haben sowohl der orthopädische Sachverständige Priv. Doz. Dr. D* M.A. als auch die dem Verfahren beigezogene Sachverständige aus dem Fachgebiet plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie Dr. E* gleichlautend ausgeführt, dass Dauerfolgen in Form von Narben und eines Sensibilitätsausfalles beziehungsweise einer lokalen Allodynie (Schmerzüberempfindlichkeit bzw. neuropathischer Schmerz) zwar bestehen, Spätfolgen aufgrund der unfallskausalen Verletzungen jedoch mit der in der Medizin möglichen Sicherheit auszuschließen sind (ON 16,18 und ON 36,23). Aus diesem Grund ist somit auch ausgeschlossen, dass aus der Dauerfolge zukünftig noch Schäden entstehen werden. Der Feststellung des Erstgerichts über den Ausschluss von Spätfolgen wurde das richtige Beweismaß (in der Medizin möglichen Sicherheit) zugrunde gelegt. Wenn sich die Klägerin sohin insofern in Widersprüche verwickelt, als sie hinsichtlich des neuropathischen Schmerzes einmal von Spätfolgen, in der Berufung allerdings erneut von Dauerfolgen spricht, so ist dem entgegenzuhalten, dass trotz bestehender Dauerfolgen (Schmerzüberempfindlichkeit bzw. neuropathischer Schmerz) Spätfolgen mit dem geforderten Beweismaß auszuschließen sind, sodass allein diese kein Feststellungsinteresse begründen (vgl 2 Ob 146/21s). Die Abweisung des Feststellungsbegehrens erweist sich deshalb als zutreffend.
3.4.1.) In Bezug auf den sekundären Feststellungsmangel ist festzuhalten, dass ein solcher nur dann vorliegt, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind, und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RS0053317). Wenn zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen, können diesbezüglich auch keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden (RS0053317 [T1]).
3.4.2.) Im gegenständlichen Fall hat das Erstgericht festgestellt, dass Spätfolgen aufgrund der unfallskausalen Verletzungen mit der in der Medizin möglichen Sicherheit auszuschließen sind. Die von der Klägerin vermisste Feststellung zum Bestehen von unfallskausalen Dauerfolgen seit dem Unfallereignis vom 10. November 2022 ist für die Beurteilung des Feststellungsinteresses unbeachtlich, da im Rahmen des Beweisverfahrens ausgeschlossen werden konnte, dass aus den unfallskausalen Verletzungen zukünftig noch Schäden entstehen werden. Da zum relevierten Beweisthema somit ohnehin Feststellungen getroffen wurden, wenn auch nicht die von der Klägerin gewünschten, liegt der behauptete sekundäre Feststellungsmangel nicht vor.
3.5. Letztlich kann auch die Berufungsbehauptung, die vorliegende Dauerfolge sei bei der Bemessung des Schmerzengeldes nicht berücksichtigt worden, keine andere rechtliche Beurteilung des nur mehr das Feststellungsbegehren behandelnden Endurteils nach sich ziehen. Grundsätzlich ist nämlich die künftige Schmerzen verursachende Dauerfolge bei der anzustellenden Globalbemessung des Schmerzengeldes, also hier beim Leistungsbegehren, zu berücksichtigen (RS0031040) und kann daher keine Grundlage für die Berechtigung des Feststellungsbegehren bilden.
4.) Der Berufung kommt daher insgesamt keine Berechtigung zu.
5.) Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
6.) Bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstandes nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO folgt der erkennende Senat der von der Klägerin vorgegebenen. Unter Bedachtnahme auf das im Rechtsmittelverfahren allein strittige Feststellungsbegehren folgt daraus ein EUR 5.000,00 nicht übersteigender Entscheidungsgegenstand.
7.) Der Unzulässigkeitsausspruch beruht auf § 502 Abs 2 ZPO.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden