7Ra41/25s – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Kraschowetz-Kandolf (Vorsitz), die Richter Mag. Russegger und Mag. Reautschnig sowie die fachkundigen Laienrichter:innen Färber (aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) und Zimmermann (aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen) als weitere Senatsmitglieder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , Angestellter, **, vertreten durch die Bartl Scala Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei B* GmbH Co KG , **, vertreten durch die Holler Höfler Rechtsanwälte OG in Leibnitz, wegen Entlassungsanfechtung, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. Mai 2025, GZ: **-13, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Die Revision ist nichtnach § 502 Abs 1 ZPO zulässig .
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 1. März 1994 bis 12. März 2025 im Unternehmen der Beklagten als Handelsangestellter im Büro beschäftigt und brachte dabei zuletzt ein monatliches Bruttogehalt in der Höhe von EUR 3.072,00, 14x jährlich, ins Verdienen. Er befand sich in der freiwilligen Abfertigungsversicherung.
Im Rahmen eines Gespräches am 12. März 2025 in der Früh sprach der Geschäftsführer der Beklagten, C*, im Beisein von dessen Ehegattin die Entlassung gegenüber dem Kläger aus. Grund für dieses Gespräch war, dass zwei Dienstnehmerinnen am Nachmittag des Vortags, dem 11. März 2025, den Geschäftsführer der Beklagten persönlich über bestehende verbale und körperliche Übergriffe sexueller Art durch den Kläger informiert hatten. Dem Kläger wurde dabei auch ein mit 12. März 2025 datiertes dahingehendes schriftliches Entlassungsschreiben, welches von beiden Streitparteien unterfertigt wurde, ausgehändigt. Derzeit befindet sich der Kläger wieder in einem neuen sowie aufrechten Angestelltendienstverhältnis bei einem anderen Unternehmen.
Gegenüber zwei Dienstnehmerinnen der Beklagten, D* und E*, kam es während deren Dienstzeit zu verbalen sowie körperlichen Übergriffen sexueller Art durch den Kläger. Diese haben sich auch wegen dieses vom Kläger ihnen gegenüber gesetzten Verhaltens an die zuständige Polizeiinspektion PI ** gewandt.
D*, welche seit 29. April 2024 als Lehrling bei der Beklagten beschäftigt ist, berührte der Kläger beinahe täglich in dessen Büro, als diese dort jeweils in der Früh den Geschäftslokalschlüssel holte, intensiv an deren Gesäßbereich sowie auch mehrmals im Oberschenkelbereich. Ebenso suchte sie der Kläger mehrere Male in den Abteilungen auf, in denen sie gerade tätig war. Dabei kam es immer wieder zu körperlichen Berührungen seitens des Klägers. Einmal streichelte der Kläger diese hierbei auch in deren Vaginalbereich. Ebenso schrieb der Kläger bei einem anderen Vorfall auf eine Bestandsliste in deren Beisein das Wort „anal“ und äußerte sich dann gegenüber dieser, er habe es ein bisschen mit „anal“ und ob diese auch bereit dazu wäre. Bei einem weiteren Vorfall Ende Februar 2025 gab der Kläger im Beisein eines weiteren Dienstnehmers der Beklagten, F*, D* im Bereich der Servicestelle einen „Poklatscher“. Der Kläger fragte zwar hin und wieder bei D* nach, ob dieses Verhalten für sie in Ordnung sei. Diese hat sich jedoch nicht getraut, sich zu wehren, und ließ das Verhalten stumm über sich ergehen, da diese den Kläger als Vorgesetzten ansah und Angst hatte, dadurch eine weitere Lehrstelle zu verlieren.
E* ist seit 1. August 2019 bei der Beklagten beschäftigt, wobei sie zunächst eine Lehre absolvierte und daran anschließend ein Angestelltendienstverhältnis begründete. Der Kläger begann im Jahr 2020, E* beinahe täglich an deren Körper, vorwiegend im Gesäßbereich, zu berühren. Drei bis vier Mal rieb der Kläger hierbei auch seinen Körper an jenen von E*. Nach ein paar Monaten wandte sie sich an ihre Mutter G*, welche sich ebenfalls in einem aufrechten Dienstverhältnis bei der Beklagten befindet. Diese sprach den Kläger daraufhin an und teilte ihm mit, er solle ihre Tochter in Ruhe lassen. Bis zum Jahr 2022 kam es zu keinen weiteren Berührungen seitens des Klägers gegenüber E*. Nachdem diese ihre Lehre 2022 abgeschlossen hatte, fing der Kläger wieder an, sie ständig körperlich zu berühren, indem er deren Gesäß berührte. Ebenfalls äußerte dieser dabei wiederholt Kommentare, er habe nichts gegen einen One-Night-Stand. Im Sommer 2024 suchte der Kläger E* an ihrem Arbeitsplatz auf und fragte unter Hinzufügung, deren Beschützer seien nicht anwesend, was ihrer Ansicht nach Männer am liebsten hätten. Da diese antwortete, es nicht zu wissen, kam der Kläger am späteren Nachmittag des gleichen Tages wiederum zu ihr und teilte ihr dabei mit, dass es ein Blowjob sei, was Männer am meisten mögen und ob sie ihm diesen Gefallen tun würde. Diese erwiderte daraufhin, sich in dessen Gegenwart unwohl zu fühlen. Bei einem weiteren Vorfall im Herbst 2024 zog der Kläger das T-Shirt von E* nach vorne, schaute auf deren Brüste und sagte, „schaut auch nicht so schlecht aus“. Im Februar 2025 fragte der Kläger wiederholt E*, ob sie ihm Fotos von ihrem Po im String schicken könne. Da E* dies stets verneinte, ersuchte sie der Kläger, dies niemandem zu erzählen, da er ansonsten seine Beschäftigung verlieren könne.
E* vertraute sich daraufhin Anfang März F*, einem Dienstnehmer der Beklagten, an, welcher sie informierte, dass der Kläger ebenfalls ähnliche Handlungen gegenüber D* gesetzt hatte. Daraufhin setzten sich D* und G* am Samstag vor dem 11. März 2025 erstmalig gemeinsam zusammen und entschieden, die genannten Vorfälle dem Geschäftsführer der Beklagten zu melden. Frühere Gespräche betreffend die vom Kläger diesen gegenüber gesetzten Handlungen hat es zwischen den beiden nicht gegeben und setzte E* auch erst nach diesem Gespräch ihre Mutter, G*, erneut über das Verhalten des Klägers in Kenntnis.
D* und E* informierten sohin den Geschäftsführer der Beklagten am Nachmittag des 11. März 2025 das erste Mal über die vom Kläger ihnen gegenüber gesetzten Handlungen. Der Geschäftsführer der Beklagten führte daraufhin auch dahingehend Gespräche mit den Dienstnehmern F* und G*. Der Kläger befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht im Unternehmen.
Beim Unternehmen der Beklagten handelt es sich um einen Familienbetrieb mit einem hohen Frauenanteil in der Belegschaft.
Der Klägerbegehrt die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Entlassung und führt zur Begründung im Wesentlichen aus, dass diese sozialwidrig gemäß § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG sei. Es sei davon auszugehen, dass er nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses seine bisherige Lebensweise nicht aufrecht erhalten könne, da aufgrund seines Alters, seiner Ausbildung und Tätigkeit sowie aufgrund der derzeitigen Arbeitsmarktlage ausgeschlossen sei, binnen angemessener Frist einen gleichwertigen Arbeitsplatz zu erlangen. Langfristig wäre er auf Arbeitslosengeld angewiesen. Dabei seien seine vieljährige ununterbrochene Beschäftigungszeit im Betrieb der Beklagten und die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess besonders zu berücksichtigen. Sofern er überhaupt einen gleichwertigen Arbeitsplatz erlangen könne, sei mit erheblichen Einkommenseinbußen zu rechnen. Ihm wäre jegliche Existenzgrundlage genommen. Die Entlassung sei völlig überraschend erfolgt; die ihm gegenüber erhobenen Anschuldigungen seien unrichtig. Ein Entlassungsgrund liege nicht vor. Dem Klägers sei auch keine Möglichkeit eingeräumt worden, zu den Anschuldigungen Stellung zu beziehen. Es hätte auch gelindere Mittel als die Entlassung gegeben. Mit der Entlassung sei auch der Verlust der Abfertigung „alt“ im Ausmaß von zwölf Bruttomonatsentgelten verbunden, was offenbar das Motiv der Beklagten gewesen sei. Insofern sei die Entlassung jedenfalls ungerechtfertigt bzw. unwirksam und beruhe auf verpönten und sittenwidrigen Motiven. Die Entlassung sei auch verspätet erfolgt.
Zu E* habe er ein amikales Verhältnis gehabt, weshalb er ihr gelegentlich scherzhaft einen lockeren freundschaftlichen „Klaps“ auf das Gesäß versetzt habe, wobei dies keinesfalls wöchentlich passiert sei. Sie habe sich niemals gegenüber dem Kläger dahingehend geäußert, dass ihr diese Berührungen unangenehm wären und er damit aufhören solle. Unzutreffend seien Behauptungen, wonach der Kläger mit E* über sexuelle Vorlieben gesprochen habe. Auch weitere Anschuldigungen würden jeglicher Grundlage entbehren und seien frei erfunden. Die Vorwürfe von D* seien völlig überzogen. Gelegentlich habe er ihr einen „Klaps“ auf das Gesäß versetzt, wobei auch dieses Verhalten freundschaftlicher Natur und nicht sexuell motiviert gewesen sei. Behauptete weitere Berührungen hätten nie stattgefunden.
Im Nachhinein tu es dem Kläger leid. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass sein im Spaß gesetztes freundschaftliches Verhalten auch anders ausgelegt werden könne und möglicherweise als Eingriff in die sexuelle Integrität empfunden werde.
Die Beklagtebestreitet und wendet ein, die Entlassung des Klägers sei berechtigt im Sinne des § 27 Z 6 AngG erfolgt, zumal er zumindest weibliche Mitarbeiterinnen im Betrieb massiv sexuell belästigt habe. E* und D* seien massiv sexuell bedrängt worden, dies einerseits durch physische Handlungen in Form des Berührens intimer Körperstellen als auch psychisch durch eindeutige sexuelle Anspielungen und Avancen. Das Verhalten des Klägers sei evident und habe sich in gewisser Weise als zwanghaft herausgestellt. Bereits vor längerer Zeit habe er dieses Verhalten auch gegenüber der Mutter von E* an den Tag gelegt. Auch ein weiterer Mitarbeiter habe dieses realisierte, verpönte Verhalten des Klägers beobachten können. Er habe sein Verhalten auch anlässlich des Entlassungsgesprächs am 12. März 2025 zugegeben.
Mit dem angefochtenen Urteil weist das Erstgerichtdas Klagebegehren auf der Grundlage des eingangs dargestellten, im Wesentlichen unstrittigen Sachverhalts ab. In rechtlicher Hinsicht folgert es, es sei Voraussetzung der Entlassungsanfechtung, dass der betreffende Arbeitnehmer keinen Entlassungsgrund gesetzt habe. In der zu entscheidenden Arbeitsrechtssache sei die Entlassung gegenüber dem Kläger am 12. März 2025 rechtmäßig ausgesprochen worden. Durch sein gegenüber den beiden Dienstnehmerinnen der Beklagten, D* und E*, über fast den gesamten Zeitraum deren Dienstverhältnisses gesetztes Verhalten – beinahe tägliche körperliche Berührungen im Gesäßbereich sowie wiederholt obszöne Anspielungen – habe der Kläger den Entlassungstatbestand des § 27 Z 6 AngG verwirklicht. Diese Handlungen stellten ein die Sittlichkeit in sexueller Beziehung verletzendes Verhalten – sexuelle Belästigungen – gegenüber den beiden genannten Dienstnehmerinnen der Beklagten dar. Ein stillschweigendes „Über-sich-ergehen-lassen“ sei nicht als deren dahingehende Zustimmung zu qualifizieren. Da es sich beim Unternehmen der Beklagten um einen Familienbetrieb mit einem hohen Frauenanteil handle und die sexuellen Belästigungen über einen langen Zeitraum – beispielsweise bei E* von 2020 an – stattgefunden hätten, sowie aufgrund des hohen Altersunterschiedes zwischen dem Kläger und den betroffenen Dienstnehmerinnen und des bestehenden faktischen hierarchischen Verhältnisses zueinander (der Kläger als Angestellter mit langjähriger Diensterfahrung und D* als Lehrling) sei eine Weiterbeschäftigung des Klägers auch für die Zeit der Kündigungsfrist für die Beklagte unzumutbar gewesen. Die Entlassung am 12. März 2025 in der Früh sei auch rechtzeitig ausgesprochen worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung einschließlich der Geltendmachung sekundärer Feststellungsmängel mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel mit einer Berufungsbeantwortung entgegen und beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in Verbindung mit § 2 Abs 1 ASGG in nicht-öffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt.
1. Zum Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens:
Ein primärer Verfahrensmangel im Sinne des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO könnte nur dann vorliegen, wenn das Erstgericht infolge Zurückweisung von Beweisanträgen andere als die vom Beweisführer behaupteten Tatsachen festgestellt hätte ( Pimmer in Fasching/Konecny 3IV/1 § 496 ZPO Rz 57). Demgemäß muss der Rechtsmittelwerber in der Berufung nachvollziehbar aufzeigen, in welcher Hinsicht sich bei Unterbleiben des behaupteten Verfahrensfehlers eine abweichende Sachverhaltsgrundlage ergeben hätte (RS0043039), andernfalls eine nicht gesetzmäßig ausgeführte Mängelrüge vorliegt. Die Frage, ob für die rechtliche Beurteilung weitere Feststellungen zu treffen wären, stellt hingegen eine solche der rechtlichen Beurteilung dar, weshalb sekundäre Feststellungsmängel mit der Rechtsrüge geltend zu machen sind (RS0043304 [T5]; RS0043480 [T8]).
Die unter diesem Berufungsgrund gerügte mangelhafte Feststellungsgrundlage dahingehend, es seien keine Feststellungen zum Vorsatz bzw. zur Verletzungsabsicht des Klägers durch seine Verhaltensweisen getroffen worden, ist daher unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu behandeln.
2. Zum Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung:
Auch unter diesem Berufungsgrund rügt der Berufungswerber das Fehlen von Feststellungen dahingehend, dass er sämtliche ihm angelastete Verhaltensweisen ohne Verletzungsabsicht und nicht vorsätzlich begangen habe und diese keine Verletzung der Würde oder Intimsphäre oder der persönlichen Integrität bezweckt hätten sowie, dass ihm die Mitarbeiterinnen nicht zu erkennen gegeben hätten, dass dieses Verhalten unerwünscht, unangebracht oder anstößig sei. Den Entlassungstatbeständen des § 27 Z 6 AngG sei gemein, dass diese ein vorsätzliches Verhalten bzw. eine Verletzungsabsicht voraussetzten, um die Schwere eines Entlassungsgrundes zu erreichen.
Dem ist Folgendes zu entgegnen:
Die Bestimmung des § 27 Z 6 AngG berechtigt einen Dienstgeber zur Entlassung eines Angestellten, wenn sich dieser Tätlichkeiten, Verletzungen der Sittlichkeit oder erhebliche Ehrverletzungen gegen den Dienstgeber, dessen Stellvertreter, deren Angehörige oder gegen Mitbedienstete zuschulden kommen lässt.
Sexuelle Belästigung liegt nach § 6 Abs 2 Z 1 GlBG vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. Eine sexuelle Belästigung fällt insbesondere unter den Entlassungsgrund der groben Ehrenbeleidigung, da darunter Handlungen und Äußerungen zu verstehen sind, die geeignet sind, die soziale Wertschätzung der Betroffenen durch Verletzung ihrer Intimsphäre und der persönlichen Integrität im Betrieb herabzusetzen und deren Ehrgefühl grob zu verletzen ( RS0105952 [T7]; 8 ObA 70/23m).
Dass eine sexuelle Belästigung einen Entlassungsgrund bildet, noch dazu, wenn sie sich wiederholt ereignet hat, entspricht der ständigen Judikatur. Dazu gehören körperliche Kontakte („Grabschen“), obszöne Anspielungen und Anträge, die erkennbar unerwünscht sind ( Grillberger/Warter in Löschnigg/Melzer, Angestelltengesetz 11 § 27 Rz 160 (Stand 1.6.2021, rdb.at)). Durch derartige sexuelle Übergriffe entsteht ein belastendes Arbeitsklima, das die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen nachhaltig beeinträchtigt. Sehr viele Betroffene erleben sich ohnmächtig und hilflos einer Situation ausgeliefert, in der es für sie keine befriedigende Reaktionsmöglichkeit ergibt. Sie fühlen sich gedemütigt, verletzt und erniedrigt. Sexuelle Belästigungen betreffen den Intimbereich und erzeugen bei den Betroffenen meist Scham und Peinlichkeit. Die meisten Frauen versuchen, die Situation ohne fremde Hilfe zu bewältigen und wählen defensive Formen der Gegenwehr, die das Problem nicht benennen, und versuchen vielfach, die Belästigungen zu ignorieren (vgl dazu ausführlich 9 ObA 112/05t mwN).
Die vom Erstgericht festgestellten – fortgesetzten – Berührungen betreffend den Gesäßbereich, den Oberschenkelbereich, einmal sogar den Vaginalbereich, die getätigten weiteren schriftlichen und mündlichen Äußerungen gegenüber den beiden Dienstnehmerinnen stellen eine sexuelle Belästigung dar, die jedenfalls objektiv geeignet war, eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt zu schaffen. Dass dies von den Betroffenen auch so wahrgenommen wurde, zeigt sich schon darin, dass D* das Verhalten stumm über sich ergehen ließ, woraus der Kläger keine Zustimmung ableiten konnte. In Ansehung der E* wurde er von deren Mutter aufgefordert, ihre Tochter in Ruhe zu lassen. Nachdem der Kläger (nach einer Pause) neuerlich mit Anzüglichkeiten begann, war aus deren Äußerungen für den Kläger ohne jeden Zweifel zu erkennen, dass sie dies nicht wünschte. So erwiderte sie ihm, sie fühle sich in dessen Gegenwart unwohl. Ebenso verneinte sie, ihm Fotos von ihrem Po im String zu schicken. Fest steht weiters, dass der Kläger E* ersuchte, dies niemandem zu erzählen, da er ansonsten seine Beschäftigung verlieren könne. Daraus ist ganz klar erkennbar, dass ihm sein Verhalten bewusst war und er vorsätzlich handelte, sodass es insgesamt keiner weiteren Feststellungen zur subjektiven Tatseite im Zusammenhang mit den - fortgesetzt - sexuellen Belästigungen bedarf.
Gemäß § 6 Abs 1 Z 2 GlBG (2021) haben Arbeitgeber auch dafür zu sorgen, dass die Persönlichkeitssphäre der in den Betrieb eingegliederten Arbeitnehmer:innen nicht durch Belästigungen durch andere Arbeitnehmer:innen beeinträchtigt wird. Dabei handelt es sich um eine Konkretisierung der Fürsorgepflicht ( Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG 2 (2021) § 6 Rz 10 (Stand 1.1.2021, rdb.at)). Der Arbeitgeber hat daher dafür zu sorgen, dass die geschlechtliche Selbstbestimmung, sexuelle Integrität und Intimsphäre der Arbeitnehmer:innen nicht gefährdet wird; sexuelle Belästigung verletzt die Menschenwürde und ist daher inakzeptabel, weshalb das Auftreten einer sexuellen Belästigung im Betrieb eine angemessene Reaktion des Arbeitgebers erfordert ( RS0113529 ). Entscheidend ist, ob das zur Entlassung Anlass gebende Verhalten an sich geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im konkreten Fall zu begründen, weil eine sofortige Abhilfe durch Entlassung erforderlich ist (9 ObA 319/00b).
Angesichts des Zeitraums, in dem die Übergriffe stattgefunden haben, der Art der Übergriffe, der Stellung des deutlich älteren Klägers gegenüber den teilweise noch in einem Lehrverhältnis befindlichen Dienstnehmerinnen, sowie des Umstands, dass bei der Beklagten ein hoher Frauenanteil beschäftigt ist, teilt das Berufungsgericht die Auffassung des Erstgerichts, dass im konkreten Fall der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist nicht zumutbar war.
Die Entlassung erfolgte zu Recht, weshalb der Berufung der Erfolg zu versagen war.
Da es sich bei der vorliegenden Entlassungsanfechtungsklage um eine Rechtsstreitigkeit nach § 50 Abs 2 ASGG handelt, besteht ein Kostenersatzanspruch erst im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof (§ 58 Abs 1 ASGG).
Die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO war nicht zuzulassen, da die Frage, ob eine Entlassungstatbestand hergestellt wurde, regelmäßig von einer Einzelfallbetrachtung abhängt.