Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart, Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien 6, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Dr. Sebastian Schumacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei N*, vertreten durch Proksch Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Juni 2025, GZ 5 R 22/25d 15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 11. Dezember 2024, GZ 34 Cg 53/24z 9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.639,40 EUR (darin enthalten 439,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1]Der Kläger ist ein nach § 29 Abs 1 KSchG klageberechtigter Verband.
[2] Die Beklagte ist eine der größten Konzertveranstalterinnen Österreichs und richtet in dieser Funktion jährlich ein mehrtägiges Open Air F estival aus.
[3] Der Kläger begehrt, der Beklagten zu untersag en, nachstehende oder sinngleiche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und Vertragsformblättern im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu verwenden und sich auf diese oder sinngleiche Klauseln zu berufen:
„Der Müllpfand beträgt € 20,- (vor Ort in bar zu bezahlen) davon werden euch € 10 auf euer Cashless Band zurück gebucht, wenn ihr einen mindestens halbvollen Müllsack inklusive Beleg bei den Abgabestellen zurück bringt. Wer ein Zelt oder einen Rucksack dabei hat, gilt ungeachtet des Tickets als Camper*in, d.h. es wird Müllsackpfand eingehoben. Keine Rückgabe ohne Pfandbon möglich!“
[4] Weiters begehrt er die Ermächtigung zur Veröffentlichung des dem Klagebegehren stattgebenden Urteilsspruchs.
[5] Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Bei der auf der Homepage der Beklagten unter der Rubrik „FAQ“ verwendeten Klausel zum für die Müllentsorgung zu entrichtenden Entgelthandle es sich um eine vorformulierte Vertragsbedingung, die gegen § 879 Abs 3 ABGB sowie §§ 6 Abs 3, 6c KSchG verstoße. Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil es sich um eine bisher noch nicht beurteilte Klausel handle, die aber regelmäßig für eine größere Anzahl von Verbrauchern bestimmt sei.
[6] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, die Klage abzuweisen.
[7] Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
[8] Die Revisionist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig .
[9] 1. Der Oberste Gerichtshof ist zur Auslegung von AGB Klauseln nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtet hat oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind ( RS0121516 ). Demnach genügt für die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs nicht schon der Umstand, dass es an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu gleichen oder ähnlichen Klauseln mangelt ( RS0121516[T4]). Auch der Umstand allein, dass im konkreten Fall mehrere Personen Verträge mit der Beklagten abgeschlossen haben, die gleichartige Klauseln enthalten, bewirkt nicht die Revisionszulässigkeit nach § 502 Abs 1 ZPO ( RS0042816 [T1]).
[10] Der bloße Verweis der Beklagten auf den Ausspruch des Berufungsgerichts vermag daher die Revisionszulässigkeit nicht zu begründen.
[11] 2. Auch sonst zeigt sie keine erheblichen Rechtsfragen auf.
[12]2.1. AGB und Formblätter im Sinn des § 28 Abs 1 KSchG sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt ( RS0123499 ); gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in der Vertragsurkunde selbst aufgenommen sind, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat ( RS0123499[T2]). Auch auf Websites und deren Subpages enthaltene vorformulierte allgemeine Vertragsbedingungen, die der Verwender den auf diesem Weg mit Verbrauchern abgeschlossenen Verträgen von vornherein zugrundelegen will, unterliegen der Kontrolle gemäß § 28 KSchG ( RS0128261 ).
[13]§ 28 Abs 1 KSchG bezieht sich daher auf gesetz- oder sittenwidrige Vertragsbedingungen, worunter im Kern die Kontrolle von Willenserklärungen zu verstehen ist. Dient ein Satz bloß der Aufklärung des Verbrauchers, ist er grundsätzlich unbedenklich (RS0131601). Dies gilt aber nicht, wenn die Klausel dahin verstanden werden kann, dass der Verbraucher über eine Regelung nicht bloß informiert wird, sondern ihr – durch Akzeptieren der AGB – auch zustimmt (RS0131601 [T4]). Gehen also solche Informationsklauseln über eine bloße Aufklärung des Verbrauchers hinaus und gestalten den Vertragsinhalt – wobei (auch) die Prüfung dieser Frage nach der im Verbandsprozess gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung zu erfolgen hat –, können diese Regelungen Gegenstand der Verbandsklage nach § 28 Abs 1 KSchG sein (RS0131601 [T13]).
[14] Die Frage, ob eine bloße Information ohne Rechtsfolgewillen vorliegt, kann nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und begründet daher abgesehen von einer – hier nicht vorliegenden – zur Wahrung der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung keine erhebliche Rechtsfrage (vgl 5 Ob 149/20b Pkt 3.3. mwN).
[15] Wenn die Vorinstanzen ausgehend von diesen Grundsätzen die auf der Homepage der Beklagten unter der Rubrik „FAQ“ enthaltenen Ausführungen zum für die Müllentsorgung zu entrichtenden Entgelt nicht als bloße Information, sondern dahin verstanden haben, dass die Beklagte damit Rechte und Pflichten der Festivalbesucher regeln wollte, ist dies nicht korrekturbedürftig. Dass die Vereinbarung über die Entrichtung des Entgelts erst später bei Besuch des Festivals zustande kommt, ändert nichts an der Beurteilung, dass diese eben (nur) auf Grundlage und unter Einbeziehung der in den FAQ enthaltenen Regelungen erfolgen soll. Ob der entsprechende Vertragsabschluss schon elektronisch auf der Homepage oder erst später bei Besuch der Veranstaltung erfolgt, ist für die Beurteilung, ob die Beklagte nur unter den in den FAQ genannten Bedingungen kontrahieren will und diese mit Rechtsfolgewillen verbunden sind, nicht entscheidend.
[16]2.2. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind Entgeltklauseln gröblich benachteiligend, durch die standardmäßig zu erbringende Leistungen bzw anfallende Aufwendungen gesondert vergebührt werden sollten, ohne dem Verbraucher einen zusätzlichen Vorteil zu verschaffen. Es wurden Klauseln zur Verrechnung einer Chipgebühr, einer periodischen Servicepauschale oder einer Aktivierungsgebühr in einem Fitnesscenter-Nutzungsvertrag (4 Ob 59/22p; 4 Ob 62/22d; 9 Ob 94/22x), die Verrechnung eines „Green Beitrags“ für die Müllentsorgung und eines „Peak WeekZuschlags“ für Buchungen in der populärsten Reisewoche in einem Maturareisevertrag (9 Ob 18/23x) sowie die Einschreibegebühr in eine Kinderkrippe (9 Ob 68/24a) als gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB angesehen.Dieser Rechtsprechung liegt die Wertung zugrunde, dass die Verrechnung von zusätzlichen Entgelten, denen keine konkreten Zusatzleistungen oder konkrete Kosten gegenüberstehen, die also bloß eine in die AGB „verschobene“ Entgeltverrechnung für ohnehin mit der Erfüllung der Hauptleistung üblicherweise verbundenen Aufwendungen darstellt, gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB ist (RS0123253 [ T6]).
[17] Die Beurteilung der Vorinstanzen, das mit der Klausel im Ergebnis verrechnete Entgelt für die Müllentsorgung sei lediglich eine gesonderte, in die AGB „verschobene“ Abgeltung von einer im Regelfall mit der Erfüllung der vertraglichen Pflichten der Beklagten (Festivalveranstaltung) verbundene Leistung (Müllentsorgung), entspricht den dargelegten Grundsätzen.
[18] Auch mit ihrem Hinweis, dem Entgelt stehe mit der Müllentsorgung eine konkrete Leistung gegenüber jenen Besuchern gegenüber, die das Festival als Camper besuchen, vermag die Beklagte keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung aufzuzeigen. Einerseits bezog sich das Zusatzentgelt auch auf jene Besucher, die – ohne zu campen – lediglich einen Rucksack mitführten und war unabhängig davon zu entrichten, ob auch tatsächlich zu entsorgender Müll produziert wurde. Andererseits konnte nur dann eine teilweise Rückerstattung („Müllpfand“) erfolgen, wenn ein „halbvoller Müllsack“ zurückgegeben wurde, was jene Besucher ohne sachliche Rechtfertigung von der Rückerstattung ausschließt, die keinen oder nur wenig Müll produzieren.
[19]2.3. Da die Klausel schon wegen des Verstoßes gegen § 879 Abs 3 ABGB unwirksam ist, stellen sich Rechtsfragen im Zusammenhang mit §§ 6 Abs 3, 6c KSchG nicht.
[20] 3. Zweck der Urteilsveröffentlichung ist es, über die Rechtsverletzung aufzuklären und den beteiligten Verkehrskreisen Gelegenheit zu geben, sich entsprechend zu informieren, um vor Nachteilen geschützt zu sein ( RS0121963 ; RS0079737 [T29]). In der Regel ist die Urteilsveröffentlichung in einem solchen Umfang zuzusprechen, dass die Verkehrskreise, denen gegenüber die Rechtsverletzung wirksam geworden ist, über den wahren Sachverhalt bzw den Gesetzesverstoß aufgeklärt werden ( RS0121963 [T9]). Wird die rechtswidrige Handlung im Internet begangen, so kann auf Urteilsveröffentlichung im Internet erkannt werden ( RS0116975 ). Suchen aber voraussichtlich nicht alle ehemaligen Kunden eines Unternehmens, die ein objektives Interesse an der Information über dessen Geschäftspraktiken haben, neuerlich die Internetseiten dieses Unternehmens auf, so ist ein Unterlassungsurteil im Regelfall nicht nur dort, sondern auch in einem Printmedium zu veröffentlichen ( 2 Ob 155/16gPkt 5.1.). Der Oberste Gerichtshof hat überdies auch schon ausgesprochen, dass das für die Urteilsveröffentlichung maßgebende berechtigte Interesse (§ 25 Abs 3 UWG iVm § 30 Abs 1 KSchG) bei der Verbandsklage nach dem KSchG darin liegt, dass der Rechtsverkehr bzw die Verbraucher als Gesamtheit das Recht haben, darüber aufgeklärt zu werden, dass bestimmte allgemeine Vertragsklauseln gesetz- bzw sittenwidrig sind. Die zu informierenden beteiligten Verkehrskreise sind demnach bei der Verbandsklage nach dem KSchG nicht nur die aktuellen und potenziellen Kunden der Beklagten (vgl zuletzt 9 Ob 18/23x [Rz 81 mwN]).
[21] Wenn die Vorinstanzen auf dieser Grundlage und unter Hinweis auf die österreichweite Tätigkeit der Beklagten die Veröffentlichung nicht nur auf der Internetseite der Beklagten, sondern auch in einem bundesweiten Printmedium für angemessen erachtet haben, ist dies nicht korrekturbedürftig.
[22] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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