12Os105/25w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. November 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. SetzHummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi PMM in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Hinteregger in der Strafsache gegen R* L* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 30. Jänner 2025, GZ 16 Hv 17/24d 161, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Nichtannahme der Privilegierung nach § 28a Abs 3 erster Fall SMG zu D./ und demgemäß in dem die Angeklagte * T* betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.
Mit ihrer Berufung gegen den * T* betreffenden Strafausspruch wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Die Entscheidung über die Berufung im Übrigen kommt dem Oberlandesgericht Graz zu.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden
R* L* je eines Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (A./1./), nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (A./2./) und nach § 50 Abs 1 Z 4 WaffG (A./3./), je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG (B./1./) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (B./2./) sowie des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz zweiter Fall SMG (B./3./),
* T* „des“ Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (C./) sowie des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG (D./) und
G* L* des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 2 dritter Fall SMG (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach haben – soweit hier von Bedeutung – in V* vorschriftswidrig
C./ T* von 2018 bis März 2024 Suchtgift, nämlich insgesamt 210 Gramm Cannabis, enthaltend 31,69 Gramm THCA und 2,42 Gramm Delta-9-THC Reinsubstanz (vgl US 11 f iVm ON 76.22 S 3), sohin eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) nicht übersteigende Menge, an drei namentlich genannte Personen überlassen;
D./ T* von 1. Jänner 2020 bis 7. März 2024 Suchtgift (US 11) in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt 4.960 Gramm Cannabis, enthaltend 520,2 Gramm THCA und 39,68 Gramm Delta-9-THC Reinsubstanz (vgl ON 76.22 S 3), sohin 14,98 Grenzmengen, erzeugt, indem sie bei den von R* L* gezogenen Cannabispflanzen durch Abschneiden der Blütenstände und Trocknung mehrmals jährlich Ernten vornahm;
II./ G* L* von 1. Jänner 2020 bis 7. März 2024 Cannabispflanzen zum Zweck der Suchtgiftgewinnung angebaut, indem sie die Cannabispflanzen des R* L* mehrmals goss.
Rechtliche Beurteilung
[3]Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde, die die Staatsanwaltschaft hinsichtlich T* auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO und hinsichtlich G* L* auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10a StPO stützt. Das Rechtsmittel schlägt – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – fehl, bietet aber Anlass zu amtswegigem Vorgehen.
I./ Zur amtswegigen Maßnahme:
[4]Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof zunächst davon (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass das angefochtene Urteil im Schuldspruch D./ mit (nicht geltend gemachter) Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO zum Nachteil der Angeklagten T* behaftet ist.
[5] Nach den Angaben der Angeklagten T* in der Hauptverhandlung habe sie seit fast 13 Jahren regelmäßig Cannabis konsumiert. Im Jahr 2020, als sie von der Cannabisplantage des R* L* erfahren habe, habe sie diesem angeboten, mitzuhelfen und für ihre Hilfe bei Aufzucht und Ernte Cannabis erhalten. Geholfen habe sie, weil sie im Gegenzug Cannabis für ihren Eigenkonsum bezogen habe (ON 137 S 9 ff; vgl auch US 11 und 16).
[6]Diese Verfahrensergebnisse indizieren einen Lebenssachverhalt, bei dessen Bejahung zu D./ die Privilegierung nach § 28a Abs 3 erster Fall SMG zum Tragen käme.
[7] Trotz dieser Indizien (vgl Ratz, WKStPO § 281 Rz 600, 604) hat das Schöffengericht nicht durch Feststellungen geklärt, ob die Genannte an Suchtmittel gewöhnt war (vgl RISJustiz RS0124621) und sie zur Tatzeit in der Absicht handelte, die erhaltene Gegenleistung (im überwiegenden Teil) für den Eigenkonsum zu verwenden (RISJustiz RS0125836, RS0124622). Dieser Feststellungsmangel erfordert die Aufhebung des Urteils (§ 285e StPO) in der Nichtannahme der Privilegierung nach § 28a Abs 3 erster Fall SMG zu D./ wie im Spruch ersichtlich. Darauf war die Staatsanwaltschaft mit ihrer Strafberufung betreffend die Angeklagte T* zu verweisen.
II./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde:
[8] Die – entgegen dem Gebot getrennter Darstellung der Nichtigkeitsgründe (RISJustiz RS0115902) undifferenziert ausgeführte – Mängel- und „Rechtsrüge“ betreffend die Angeklagte T* zielt zu D./ auf die Annahme der Erzeugung einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmenge ab.
[9]Der Erledigung der Mängelrüge ist voranzustellen, dass ein Widerspruch im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO (soweit hier von Bedeutung) dann vorliegt, wenn eine festgestellte Tatsache nach Denkgesetzen oder allgemeiner Lebenserfahrung mit den dazu angestellten Erwägungen nicht in Einklang zu bringen ist (RISJustiz RS0117402 [insbesondere T5]).
[10] Eine solche Unvereinbarkeit mit den Feststellungen zur von T* erzeugten Cannabismenge (US 11 f) zeigt die Beschwerdeführerin mit ihren eigenständigen Beweiswerterwägungen, die angeblich auf Mittäterschaft von R* L* und T* hindeuten, nicht auf. Gleiches gilt für die ins Treffen geführten, angeblich gegen die Zurechnung nur der halben Menge des erzeugten Suchtgifts sprechenden Aussageteile der Angeklagten T*.
[11] Im Übrigen erschöpft sich das Vorbringen in einem Angriff auf die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
[12] Soweit die Rüge (der Sache nach Z 10) abweichende Konstatierungen in Bezug auf die Annahme von Mittäterschaft und die erzeugte Suchtgiftmenge fordert, orientiert sie sich prozessordnungswidrig (RISJustiz RS0099810) nicht am Feststellungssubstrat.
[13] In ihrem zum Nachteil der G* L*ausgeführten Teil reklamiert die Beschwerde (nominell Z 5 zweiter und dritter Fall, der Sache nach Z 10) das Fehlen einer Feststellung, wonach der Vorsatz der Angeklagten beim laut Schuldspruch II./ erfolgten Anbau (§ 27 Abs 1 Z 2 SMG) auf das Inverkehrsetzen einer die Grenzmenge übersteigenden Menge Suchtgift gerichtet war.
[14]Indem sie keine Verfahrensergebnisse aufzeigt, die entsprechende (für die angestrebte Subsumtion nach § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG erforderliche) Konstatierungen konkret indizieren würden (zu den Erfordernissen für die Geltendmachung eines Feststellungsmangels vgl RISJustiz RS0118580; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.191), ist sie nicht prozessordnungskonform ausgeführt.
[15] Der Hinweis darauf, dass eine solche Feststellung vom Erstgericht nicht getroffen worden und „als logische Folge in der Hauptverhandlung abzuklären“ sei, reicht ebenso wenig aus wie die auf den erweiterten Vorsatz auf Inverkehrsetzung des Suchtgifts bezogene Ausführung, G* L* habe aufgrund des zugestandenen Gießens der Cannabispflanzen des R* L* das Ausmaß der Cannabisplantage gekannt.
[16] Aufgrund der erfolglosen Geltendmachung des behaupteten Feststellungsmangels erübrigt sich ein Eingehen auf die Mängelrüge (Z 5 zweiter und dritter Fall).
[17] Die Diversionsrüge (Z 10a) behauptet, dass „nach den Urteilsfeststellungen“ eine Tatbegehung zum persönlichen Gebrauch eines anderen, ohne dass die Angeklagte G* L* daraus einen Vorteil gezogen hätte, „indiziert“ sei.
[18] Vorauszuschicken ist, dass Tatbegehung zum persönlichen Gebrauch eines anderen dann anzunehmen ist, wenn das inkriminierte Verhalten darauf abzielt, einer vom Täter verschiedenen Person (hier) Suchtgift zu verschaffen, damit diese es selbst konsumieren kann ( Hinterhofer/Tomasits in Hinterhofer,SMG 2 § 27 Rz 113 mwN).
[19] Eine in diese Richtung weisende Feststellung hat das Erstgericht nicht getroffen, was die Beschwerde prozessordnungswidrig (RISJustiz RS0099810) übergeht. Vielmehr geht aus dem Urteilssachverhalt nur hervor, dass R* L* das erzeugte Cannabis (auch in den Jahren 2020 bis 2024) verkaufte oder gegen sonstige Gegenleistungen abgab und er das Suchtgift demnach weder selbst konsumierte noch uneigennützig überließ (US 8 f, 13).
[20]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten R* L* (§ 285i StPO).