8ObA35/25t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Mag. Malesich als Vorsitzende und die Hofräte MMag. Matzka und Dr. Thunhart und die fachkundigen Laienrichter Mag. Elke Wostri (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Nicolai Wohlmuth (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch Mag. Klemens Mayer, Mag. Stefan Herrmann, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, 1082 Wien, Rathaus, vertreten durch Mag. Dieter Kieslinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.914,27 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 24. Juni 2025, GZ 9 Ra 19/25t 29, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Nach § 133 Abs 2 Z 2 Wiener Bedienstetengesetz (WBedG) liegt ein wichtiger Grund, der die Dienstgeberin zur Entlassung berechtigt, unter anderem dann vor, wenn der Bedienstete sich einer Handlung oder Unterlassung schuldig macht, die ihn des Vertrauens der Dienstgeberin unwürdig erscheinen lässt. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fällt unter den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit jede Verhaltensweise, die befürchten lässt, dass der Bedienstete seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen werde, sodass die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet sind (vgl RS0029547; RS0029652; RS0029833). Entscheidend ist, ob das Fehlverhalten als so schwerwiegend angesehen werden muss, dass dem Dienstgeber eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (vgl RS0029095; RS0029323; RS0108229). Ob dies zutrifft, kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und begründet deshalb – von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage (RS0029095 [T18]; RS0103201 [T1]; RS0106298).
[2] 2. Der Kläger war bei der Beklagten als Sachbearbeiter in der Magistratsabteilung 46 beschäftigt und für die Vorbereitung von Straßenverordnungen zuständig. Als vor seinem Wohnhaus abgestellte Motorräder die Zufahrt zu seiner Garage behinderten, erstattete er im Online-Bürgerserviceportal der Beklagten eine anonyme Meldung, mit welcher er die Einrichtung eines gesonderten Motorradparkplatzes anregte. Da der Kläger für dieses Gebiet zuständig war, wurde er von seinem Vorgesetzten mit der Bearbeitung dieser Eingabe betraut, woraufhin über Vorschlag des Klägers eine Sperrfläche und ein gesonderter Motorradabstellplatz verordnet wurden. Nachdem es zu Beschwerden von Anrainern kam und ein Zeitungsbericht einen Amtsmissbrauch vermutete, leitete die Beklagte Ermittlungen ein, die zu einer vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses des Klägers führten.
[3]3. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers steht der Umstand, dass es sich um ein einmaliges Fehlverhalten handelt, der Annahme einer Vertrauensunwürdigkeit nicht entgegen. Es ist zwar richtig, dass beim Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit das Gesamtverhalten des Bediensteten zu berücksichtigen ist (RS0029790; RS0081395). Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits ausgesprochen, dass das Vertrauen auch schon durch eine einzelne Handlung verloren gehen kann, wenn es sich um einen groben Verstoß handelt (vgl RS0029600 [T5]; RS0081395 [T2]).
[4]4. Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass das Verwaltungsverfahren aufgrund der eindeutigen Gesetzeslage auch ohne seine Intervention zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte, ist ihm entgegenzuhalten, dass für den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit nach ständiger Rechtsprechung weder eine Schädigungsabsicht noch ein Schadenseintritt erforderlich ist (RS0029531). Es reicht vielmehr aus, dass die gerechtfertigte Befürchtung besteht, dass die Belange des Dienstgebers durch den Bediensteten gefährdet sind (RS0029652; RS0029833). Die Annahme einer solchen Gefährdung durch die Vorinstanzen ist im vorliegenden Fall schon deshalb nicht korrekturbedürftig, weil der Kläger gegenüber der Beklagten verheimlicht hat, dass die Eingabe von ihm stammte und er ein Eigeninteresse an den von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen hatte, sodass eine unbefangene Beurteilung der Sach- und Rechtslage nicht gewährleistet war.
[5]5. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist bei Dienstnehmern mit einer größeren Vertrauensstellung ein strenger Maßstab hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit anzulegen (RS0029341). Dies gilt ganz besonders für Bedienstete, die in der öffentlichen Verwaltung tätig und mit der Vollziehung der Gesetze betraut sind. Dass die Vorinstanzen den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit nach § 133 Abs 2 Z 2 W BedG bejahten, weil bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers das Ansehen der Beklagten und Vertrauen der Bevölkerung in die Unparteilichkeit der Amtsführung gefährdet wäre, ist daher von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gedeckt.
[6]6. Die außerordentliche Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen. Nach § 510 Abs 3 ZPO bedarf dieser Beschluss keiner weiteren Begründung.