11Os73/25g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9. September 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der RechtspraktikantinSchurich LL.M., LL.M. als Schriftführerin in der Strafsache gegen * A* wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 13. März 2025, GZ 37 Hv 123/24a 34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurde * A* im zweiten Rechtsgang (zum ersten vgl 11 Os 66/24a) des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat sie sich im Zeitraum von 2. Jänner 2022 bis 31. Juli 2023 in S* ihr als „Shopleiterin“ des Geschäfts „S*“ anvertraute Güter der S* GesmbH im 5.000 Euro übersteigenden Wert von 143.181,87 Euro mit dem Vorsatz zugeeignet, sich oder einen Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem sie „zuvor am Lottoterminal aktivierte Rubbel und Brieflose ohne Kundenauftrag und Bezahlung“ (US 3: nach dem Öffnen bzw Aufrubbeln) einlöste und sich die Gewinne selbst ausbezahlte oder ausbezahlen ließ.
Rechtliche Beurteilung
[3]Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.
[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde die Angeklagte durch die Abweisung (ON 33 S 2 6 ) von in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträgen (ON 33 S 2 4 f ) nicht in ihren Verteidigungsrechten verletzt.
[5] Beantragt wurde die
1/ „Beischaffung der Stundenliste der anderen Mitarbeiterinnen, zum Beweis dafür, dass Frau A* zu den in der Liste in ON 2.15 angeführten Zeiten nicht alleine im Geschäftslokal war“, und
2/ „Beischaffung der Kassaauswertung in Bezug auf die Auszahlungen der Gewinne aus der Beilage ON 2.15 zum Beweis dafür, dass die Auszahlungen nicht von Frau A* durchgeführt wurden“, zumal „bei der Auszahlung“ „ein Code eingegeben werden“ „muss, aus dem ersichtlich ist, wer die Auszahlung tatsächlich tätigte“.
[6] Der unter Beweis zu stellende Umstand muss nämlich unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der Antragstellung bereits vorliegenden Beweisergebnisse unter Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabs in der Lage sein, die zur Feststellung entscheidender Tatsachen anzustellende Beweiswürdigung maßgeblich zu beeinflussen (RISJustiz RS0116987, RS0099769).
[7] Weshalb die nach den Verfahrensergebnissen (vgl ON 3 S 7 und ON 33 S 25) im Unternehmen vorhandenen Zeiterfassungslisten mit Blick auf die Angaben der Zeugin * K* (ON 33 S 21 ff; ON 2.11 S 4 ff, ON 3 S 7 sowie ON 14 S 26 f jeweils iVm ON 33 S 27) zur ohnehin auf deren Basis erstellten Auswertung und Visualisierung (ON 2.15, ON 2.16) der Häufigkeit und Dichte von Gewinnauszahlungen in der „Spätschicht“ von einzelnen Mitarbeiterinnen geeignet sein sollten, eine die Täterschaft der Angeklagten ernsthaft in Frage stellende (durchgehende) Anwesenheit anderer Mitarbeiterinnen während der Spätschichten der Angeklagten zu belegen (vgl auch ON 14 S 7 f, 11, 14, 20 f; ON 33 S 2, 6, 15 f), ließ der Antrag zu 1/ nicht erkennen .
[8] Das Antragsvorbringen zu 2/ ließ offen , weshalb fallkonkret bloß anhand des bei einer Gewinnau szahlung eingegebenen C odes („Kassiernummer“) in der „Kassaauswertung“ festgestellt werden könnte, we r tatsächlich die (jeweils) registrierte A uszahlung vorgenommen hat, wenn dafür nach den vorliegenden Verfahrensergebnissen (vgl ON 33 S 26 f) ohne Weiteres auch anderen Mitarbeiterinnen zugeordnete Codes eingegebenwerden konnten (RIS-Justiz RS0099189 [T24, T30]).
[9] Mit ihrer eigenständigen Bewertung von (durchaus gewürdigten; US 4 ff) Verfahrensergebnissen – insbesondere von Passagen der Aussagen der Zeugin * K* (betreffend Abläufe bei der Aktivierung von Lospaketen; ON 14 S 27) sowie der Zeugin M* (betreffend einen unregelmäßigen Verbleib im Geschäft auch nach dem Ende ihres Dienstes ; ON 14 S 21) – gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit von Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen zu wecken (zum Anfechtungsgegenstand vgl RISJustiz RS0119583, RS0118780, RS0099674).
[10] Gleiches gilt für die Überlegung, dass – mit Blick auf die Listen ON 2.15 und ON 2.16 und die Angaben des Zeugen A* – „kein einziges Beweisergebnis“ für eine zwischen 17:00 Uhr und 19:00 Uhr erfolgte Aktivierung von Lospaketen ohne Kundenauftrag und für ein Aufrubbeln von Losen in diesem Zeitraum sowie weiters dafür bestehe, dass es sich bei den in ON 2.15 und ON 2.16 aufgelisteten und den von der Angeklagten in der Trafik Sc* eingelösten Losen um (un )„verkaufte oder gestohlene handelte“. Solcherart behauptet die Tatsachenrüge nämlich nur das angebliche Fehlen aktenkundiger Beweisergebnisse für die Schuld der Angeklagten, nicht aber gegen ihre Schuld sprechende Tatumstände (RISJustiz RS0128874; zur Zulässigkeit einer Ableitung von Tatsachenfeststellungen aus Indizien siehe im Übrigen RIS-Justiz RS0098471).
[11]Mit der – aus der leugnenden Einlassung der Angeklagten entwickelten – weiteren Argumentation (Z 5a), es sei „lebensfremd“, dass die Genannte „im Glauben, videoüberwacht zu werden, aktivierte Rubbellose ohne Bezahlung an sich nimmt und im selben Geschäft einlöst“, kritisiert die Tatsachenrüge nur erneut die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
[12] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach auch Z 10) reklamiert das Fehlen einer ausreichenden Feststellungsbasis zum ausschließlichen Gewahrsam der Angeklagten an den im Geschäft befindlichen Brief- und Rubellosen.
[13] Nach den Urteilskonstatierungen (US 2 ff) war die als „Shopleiterin“ des Geschäfts „S*“ tätige Angeklagte mit sämtlichen organisatorischen Tätigkeiten wie Kass a abrechnung, Erstellen von Personalplänen, Warenbestellung, Bestellen und Aktivieren von Losen und Verkauf im Geschäft befasst und zum Zeitpunkt der Tathandlungen (faktische Zueignung von aktivierten Brief- und Rubbellosen durch deren Entnahme und Öffnen bzw Aufrubbeln ohne Bezahlung; vgl Stricker in WK 2StGB § 127 Rz 176, 179; SalimiSbgK § 127 StGB Rz 154, 158 ff und § 133 Rz 78 f, 91) jeweils alleine im Dienst. Die sonst im Geschäft tätigen ( US 3) Mitarbeiterinnen * H* und * M* waren (aus dem Gesamtkontext hinreichend deutlich erkennbar; vgl auch US 4 f; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 19) den Anweisungen der Angeklagten unterworfen. * K*, der aus „menschlichem Versagen“ der „Falschbestand nicht aufgefallen war“ (US 6), fungierte im Unternehmen S* GesmbH zwar als „unmittelbare Vorgesetzte“ (US 3) der angeklagten Geschäftsleiterin („Shopleiterin“) des Geschäftslokals „S*“, war jedoch (aus dem Gesamtkontext noch hinreichend deutlich erkennbar) nicht laufend und unmittelbar mit der Aufsicht und Kontrolle im Geschäft befasst (US 3 f iVm ON 2 S 4 und ON 14 S 25 f sowie ON 33 S 21).
[14] Weshalb dieser Urteilssachverhalt in seiner Gesamtheit kein ausreichendes Sachverhaltssubstrat zu einem Alleingewahrsam der Angeklagten zu den Tatzeitpunkten und zum Ausschluss von aktuelle m (gleichrangige n oder übergeordnete n ) Mitgewahrsam der übrigen Genannten zum Ausdruck bringen sollte, lässt die Beschwerde offen (vgl RISJustiz RS0093781 [T11, T13, T14]; Stricker in WK 2StGB § 127 Rz 105 f, 110 f, 113 ff; Salimi in WK 2StGB § 133 Rz 28, 35 f, 38, 49 und 63 ; Kienapfel/Schmoller BT II 2 § 133 Rz 28; Leukauf/Steininger/ Messner StGB 4 § 127 Rz 3 1 ff und 40 sowie § 133 Rz 3a und 12d; Michel Kwapinski/Oshidari, StGB 15 § 133 Rz 11).
[15] Die Kritik, es fehle auch in subjektiver Hinsicht an einer ausreichenden Feststellungsbasis, übergeht die insofern maßgeblichen (auf US 4 getroffenen) Konstatierungen und legt ferner nicht dar, welche darüber hinausgehenden Feststellungen zum Wissen und Wollen der Angeklagten aus Beschwerdesicht noch erforderlich gewesen wären (RISJustiz RS0095939, RS0099620).
[16] Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten w ar daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentliche nBeratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über dieBerufung folgt (§ 285i StPO).
[17]Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.