9Ob67/25f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Korn, Dr. Stiefsohn, Mag. Böhm und Dr. Gusenleitner Helm in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei R* eGen, *, vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Mag. Daniela Neuhuber, Mag. Leopold Boyer, Rechtsanwälte in Zistersdorf, gegen die beklagte Partei Mag. *, wegen 1.) 76.953,97 EUR und 2.) 1.310,95 EUR und Räumung, hier wegen Zwischenantrag auf Feststellung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2025, GZ 22 R 246/24t 186, womit das Zwischenurteil des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 10. September 2024, GZ 4 C 133/17s 178, abgeändert und der Zwischenantrag auf Feststellung der klagenden Partei zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird teilweise, und zwar hinsichtlich der Zurückweisung des Zwischenantrags auf Feststellung der klagenden Partei betreffend den gemäß Mietvertrag vom 27. Jänner 1999 ab Jänner 2018 auf die beklagte Partei entfallenden Betriebskostenschlüssel, Folge gegeben, die angefochtene Entscheidung in diesem Umfang aufgehoben und dem Berufungsgericht insoweit die Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Im Übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
[1]Der Beklagte hat von der Klägerin Büroräumlichkeiten gemietet, in denen er eine Rechtsanwaltskanzlei betreibt. Das Bestandobjekt unterliegt unstrittig dem Teilanwendungsbereich des § 1 Abs 4 Z 1 MRG.
[2]Die Klägerin begehrt vom Beklagten in zwei zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren die Zahlung von rückständigem Mietzins seit 1. 8. 2014 und Betriebskosten seit dem Jahr 2016 sowie die Räumung des Bestandobjekts gestützt auf einen qualifizierten Mietzinsverzug nach § 1118 ABGB. Den Betriebskostennachforderungen legte die Klägerin einen gemäß dem Mietvertrag auf den Beklagten entfallenden Betriebskostenschlüssel von 8,92 % bis einschließlich Dezember 2017 und von 7,74 % ab Jänner 2018 (nach Beendigung eines Dachbodenausbaus in dem Gebäude, in dem sich auch die vom Beklagten gemieteten Büroräumlichkeiten befanden) zugrunde.
[3] Der Beklagte bestritt die Klagebegehren, erhob mehrere Gegenforderungen und beantragte jeweils die Klagsabweisung. Zur Betriebskostennachforderung wendete er – unter anderem – die Unrichtigkeit der Betriebskostenabrechnungen hinsichtlich einzelner darin enthaltener Positionen sowie die Unrichtigkeit des von der Klägerin herangezogenen Betriebskostenschlüssels ein.
[4] Die Klägerin stellte mehrere Zwischenanträge auf Feststellung, darunter auch jenen auf Feststellung, dass der auf den Beklagten entfallende Betriebskostenschlüssel gemäß dem Mietvertrag vom 27. 1. 1999 bis inklusive Dezember 2017 8,92 % und ab Jänner 2018 aufgrund des Dachbodenausbaus 7,74 % betreffend das Bestandobjekt betrage. Dieser Umstand sei für die gegenständliche Entscheidung präjudiziell und wirke auch über den konkreten Rechtsstreit hinaus.
[5] Der Beklagte trat diesem Antrag inhaltlich insofern entgegen als er vorbrachte, dass der Aufteilungsschlüssel der Betriebskosten – entgegen der begehrten Feststellung – bis einschließlich Dezember 2017 tatsächlich 7,36 % betragen habe und nach dem Dachbodenausbau ab Jänner 2018 tatsächlich 6,52 % betrage. Zur Zulässigkeit des gegenständlichen Zwischenfeststellungsantrags äußerte sich der Beklagte nicht.
[6] Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil den Betriebskostenschlüssel wie von der Klägerin begehrt fest.
[7] Das Berufungsgericht änderte über Berufung des Beklagten dieses Zwischenurteil dahin ab, dass es den Zwischenfeststellungsantrag der Klägerin zurückwies. Die Klägerin habe keine konkrete Behauptung darüber aufgestellt, warum die Klärung des Betriebskostenschlüssels über den Rechtsstreit hinaus eine rechtlich relevante Bedeutung haben sollte. Der Zwischenfeststellungsantrag sei daher unzulässig gewesen.
Rechtliche Beurteilung
[8]Gegen die Zurückweisung ihres Zwischenantrags auf Feststellung (§ 236 ZPO) durch das Berufungsgericht richtet sich der – vom Beklagten beantwortete – Rekurs der Klägerin. Dieser ist zulässig, aber nur zum Teil berechtigt :
[9]1. Der Beschluss, mit dem das Berufungsgericht aus Anlass einer Berufung den Zwischenantrag auf Feststellung erstmals zurückgewiesen hat, ist analog § 519 Abs 1 Z 1 ZPO mit Rekurs anfechtbar. Dieser Rekurs ist ohne Rücksicht auf eine Wertgrenze und ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig (RS0039705 [T8, T9];9 Ob 30/20g ).
[10]2. Entgegen der in der Rekursbeantwortung vertretenen Ansicht handelt es sich bei der begehrten Feststellung eines bestimmten, „gemäß dem Mietvertrag“ auf den Mieter entfallenden Betriebskostenschlüssels nicht bloß um eine rechtliche Eigenschaft einer Tatsache, sondern um die Vereinbarung der Mietvertragsparteien über einen Bestandteil des zu entrichtenden Mietzinses, und somit um ein im Sinne des § 236 ZPO feststellungsfähiges Rechtsverhältnis.
[11] 3. Die Zulässigkeit eines Zwischenantrags auf Feststellung setzt nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung voraus, dass das strittige Recht oder Rechtsverhältnis für die Entscheidung in der Hauptsache präjudiziell ist und dass die Wirkung der begehrten Feststellung über den konkreten Rechtsstreit hinausreicht (RS0039600). Diese beiden Erfordernisse treten beim Zwischenfeststellungsantrag an die Stelle des rechtlichen Interesses nach § 228 ZPO (5 Ob 38/14w [Pkt 2.]). Sie sind vom Antragsteller darzutun, es sei denn, dass sie aufgrund der Sachlage klar erkennbar sind (RS0039468 ). Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist der Zwischenantrag mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen (7 Ob 62/21z Rz 9). Da ihr Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (RS003944 4 [T4]), begründet die Zurückweisung des Zwischenfeststellungsantrags durch das Berufungsgericht, ohne dass dessen Unzulässigkeit in erster Instanz vom Beklagten vorgebracht oder vom Erstgericht erörtert worden wäre, entgegen der im Rekurs vertretenen Ansicht keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens.
[12] 4. Die Feststellung der zwischen den Streitteilen vereinbarten Grundlage über die Abrechnung der Betriebskosten ist jedenfalls für die Entscheidung über die Höhe der von der Klägerin erhobenen Betriebskostennachforderungen präjudiziell. Zu prüfen ist daher, ob diese Feststellung auch eine über den anhängigen Prozess hinausgehende Wirkung entfaltet. Nach der Rechtsprechung genügt die bloße, nicht näher konkretisierte Behauptung, die begehrte Feststellung wirke über den Rahmen des Rechtsstreits hinaus, ebenso wenig für die Zulässigkeit eines Zwischenfeststellungsantrags wie die bloße theoretische Möglichkeit der Geltendmachung weiterer Ansprüche. Es muss vielmehr nach der konkreten Lage des einzelnen Falls die Präjudizialität der zu klärenden Frage für andere Ansprüche des Antragstellers wahrscheinlich sein (RS0039514 ;RS0039528 ). Dabei ist für die begehrte Feststellung des Betriebskostenschlüssels zwischen den beiden im Feststellungsantrag enthaltenen Zeitabschnitten zu unterscheiden:
[13] 4.1 Zum ab Jänner 2018 geltenden Aufteilungsschlüssel brachte die Klägerin in erster Instanz vor, dass damit im Hinblick auf weitere Abrechnungsperioden zukünftig Konflikte vermieden werden sollten. Im vorliegenden Fall geht schon aufgrund des Umstands, dass sich die Parteien nach wie vor in einem unbefristeten Bestandverhältnis befinden, aus der Sachlage klar hervor, dass die Feststellung des vereinbarten Schlüssels für die Abrechnung der Betriebskosten die Grundlage für spätere Zahlungsansprüche der Klägerin ist. Daran ändert auch das anhängige (jedoch noch nicht abgeschlossene) Räumungsverfahren und die von der Klägerin dort erklärte außerordentliche Kündigung des Bestandverhältnisses nichts. Sowohl bis zu einer (rechtskräftigen) Beendigung des Räumungsverfahrens als auch für den Fall, dass die Klägerin mit ihrem Räumungsbegehren im verbundenen Verfahren nicht durchdringen sollte, ist mit weiteren Betriebskostennachforderungen für künftige Zeiträume ebenso zu rechnen wie damit, dass der Beklagte – ausgehend von seinem bisherigen Prozessstandpunkt – diese bestreiten wird. Der festgestellte (aktuelle) Aufteilungsschlüssel ab Jänner 2018 entfaltet daher über den konkreten Rechtsstreit hinaus Wirkung (vgl1 Ob 8/07v ;1 Ob 130/02b ;5 Ob 61/03m ).
[14] Hinsichtlich der Zurückweisung des Zwischenantrags auf Feststellung der Klägerin betreffend den auf den Beklagten entfallenden Betriebskostenschlüssel ab Jänner 2018 war dem Rekurs somit Folge zu geben und die Entscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben. Insoweit wird sich das Berufungsgericht mit der gegen das Zwischenurteil erhobenen Berufung des Beklagten inhaltlich auseinanderzusetzen haben.
[15] 4.2 Dagegen ergibt sich für den im Zeitraum bis Dezember 2017 geltenden Abrechnungsschlüssel weder aus dem Klagsvorbringen noch aus der Sachlage selbst, inwiefern dieser mit Wahrscheinlichkeit für über diesen Rechtsstreit hinausgehende Ansprüche der Klägerin präjudiziell sein sollte.
[16]Mit ihren Ausführungen im Rekurs – etwa betreffend eine allfällige zukünftige Erweiterung der Nutzfläche durch einen Büroumbau oder eine allfällige Verfolgung von Gegenforderungen durch den Beklagten mit gesonderter Klage – spricht die Klägerin bloß die (nicht ausreichende) theoretische Möglichkeit der Geltendmachung weiterer Ansprüche auf Basis des für die Vergangenheit geltenden Aufteilungsschlüssels an. Aufgrund der Verbindung der beiden hier gegenständlichen Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die Feststellung des Aufteilungsschlüssels wegen der Möglichkeit des Klägers, sich im Räumungsverfahren auf § 33 Abs 3 MRG zu berufen, eine Auswirkung „über den konkreten Rechtsstreit hinaus“ haben sollte.
[17] Hinsichtlich der Zurückweisung des Zwischenantrags auf Feststellung des Betriebskostenschlüssels bis Dezember 2017 kommt dem Rekurs somit keine Berechtigung zu.
[18]5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.