JudikaturOGH

5Ob5/25h – OGH Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
05. August 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. W*, 2. C*, 3. Univ. Prof. DDr. M*, sämtliche vertreten durch Mag. Matthias Waldmüller, Dr. Martin Baldauf Mag. Iris Tinzl, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei C*, vertreten durch Mag. Patrick Maydell, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausschließung eines Wohnungseigentümers (§ 36 WEG), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 7. November 2024, GZ 4 R 145/24p 46, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Das Erstgericht gab der Klage der Mehrheit der Wohnungseigentümer, die Beklagte gemäß § 36 WEG aus der Gemeinschaft auszuschließen, statt.

[2] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[3]Die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[4] 1.Entgegen den Ausführungen der Beklagten hat das Berufungsgericht in seiner Entscheidung iSd § 500 Abs 3 ZPO ausreichend begründet, warum es die ordentliche Revision für nicht zulässig erachtet. Der behauptete Begründungsmangel liegt nicht vor.

[5] 2.Die Beklagte machte in der Berufung geltend, die von den Klägern den Klagevertretern erteilte Vollmacht sei nichtig, weil die Klagevertreter bereits 2002 die Beklagte in einem Aktivprozess gegen den Drittkläger vertreten und dadurch gegen das Doppelvertretungsverbot des § 10 Abs 1 RAO verstoßen hätten. Die Klagevertreter seien daher standesrechtlich an der Vertretung der Kläger gehindert.

[6]Das Berufungsgericht sah darin weder eine Postulationsunfähigkeit noch einen Verstoß gegen die Anwaltspflicht und verneinte daher eine Nichtigkeit iSd § 477 Abs 1 Z 5 ZPO.

[7] In der Revision stützt sich die Beklagte erneut auf den Verstoß der Klagevertreter gegen das anwaltliche Doppelvertretungsverbot, den sie nunmehr als Verfahrensmangel geltend macht. Das Berufungsgericht habe zwar den Nichtigkeitsgrund verneint, sei aber auf den Verfahrensmangel nicht eingegangen. Es handle sich um einen relevanten Verfahrensmangel, der zu einer Neudurchführung des Verfahrens nach Vertreterwechsel führen hätte müssen.

[8]Ein Verstoß gegen das standesrechtliche Doppelvertretungsverbot des § 10 Abs 1 RAO begründet ein Disziplinarvergehen (RS0055342; 1 Ob 231/13x). Selbst die Disziplinarmaßnahme der (vorläufigen) Suspendierung des Rechtsanwalts bringt aber die diesem erteilte Vollmacht und den Auftrag nicht zum Erlöschen (RS0038098; 1 Ob 220/08x; 1 Ob 231/13x).

[9]Schon deshalb ist ein Verfahrensmangel, wie ihn die Beklagte behauptet, nicht zu erkennen. Worin dessen Relevanz gelegen sein soll (dazu RS0043027), versucht sie auch gar nicht erst zu erklären.

[10] 3. Schließlich releviert die Beklagte, die Klage hätte wegen mangelnder Passivlegitimität abgewiesen werden müssen. Sie habe vor Rechtskraft des Urteils ihre Liegenschaftsanteile an ihren Sohn übergeben. Aufgrund der Veräußerung der streitverfangenen Sache vor Rechtskraft des Urteils, sei sie aus dem Verfahren ausgeschieden und hätte die Klage in Entsprechung der Relevanztheorie auf ihren Sohn umgestellt werden müssen.

[11] 3.1.Aus § 406 S 1 ZPO leitet sich ab, dass die Sachund Rechtslage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz für die Entscheidung maßgeblich ist (RS0036969; 1 Ob 62/18a; 6 Ob 190/18m). Tatsachen, die erst nach Verhandlungsschluss erster Instanz eingetreten sind, können daher nicht berücksichtigt werden (3 Ob 216/13f mwN).

[12] 3.2.Nach § 234 ZPO hat die Veräußerung der in Streit verfangenen Sache oder Forderung auf den Prozess keinen Einfluss. Diese Bestimmung stellt insoweit eine Ausnahme gegenüber § 406 ZPO dar, als für die Frage der Aktivund Passivlegitimation der Zeitpunkt der Streitanhängigkeit und nicht jener des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz entscheidend ist (RS0109183; 2 Ob 22/22g; 3 Ob 98/23t).

[13] 3.3. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 14. 8. 2024 wurde die Einverleibung des Mit und Wohnungseigentums des Sohnes der Beklagten an deren Liegenschaftsanteilen aufgrund des Übergabsvertrags vom 4. 7. 2024 bewilligt. Sowohl die schuldrechtliche Verpflichtung als auch der sachenrechtliche Eigentumsübergang erfolgten nach dem Schluss der Verhandlung erster Instanz am 21. 2. 2024.

[14] 3.4.Die Ausschließungsklage ist gegen den auszuschließenden Wohnungseigentümer zu richten. Abzustellen ist ausschließlich auf die dingliche Stellung als Miteigentümer (5 Ob 39/23f). Da die Beklagte sowohl zum Zeitpunkt der Streitanhängigkeit als auch zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz Mit- und Wohnungseigentümerin jener Anteile war, auf die sich die Ausschließungsklage bezieht, gehen ihre erkennbar auf die Bestimmung des § 234 ZPO gestützten Ausführungen ins Leere. Der erst nach dem Schluss der Verhandlung erster Instanz erfolgte dingliche Eigentumsübergang hat auf die hier vorliegende Entscheidung keinen Einfluss.

[15] 4.Die Revision ist daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).