2Ob135/25d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart, Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. D*, und 2. Dr*, beide vertreten durch Dr. Armin Zelinka, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung, Einwilligung, Unterlassung, Wiederherstellung, Entfernung, Herausgabe sowie 61.784,14 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. April 2025, GZ 1 R 2/25s 27, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin begehrt – soweit noch Gegenstand des Revisionsverfahrens – als Eigentümerin des dienenden Grundstücks gegenüber den Beklagten als Servitutsberechtigte (1.) das Erlöschen einer im Rahmen eines Schenkungsvertrags aus dem Jahr 2012 eingeräumten Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens festzustellen, sowie (2.) die Beklagten zu verpflichten, (a) in die Einverleibung der Löschung einzuwilligen, (b) das Gehen, Befahren und Beparken der Servitutsfläche zu unterlassen, (c) den früheren Zustand des Dienstbarkeitswegs wiederherzustellen und (d) 61.784,14 EUR (Benützungsentgelt für die Zeit nach dem [behaupteten] Erlöschen der Dienstbarkeit: 2.500 EUR; Kosten der Errichtung eines neuen Wegs gemäß Schenkungsvertrag: 59.284,40 EUR) zu zahlen.
[2] Das Erstgericht wies das Klagebegehren (insoweit) ab.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands betreffend die in einem rechtlichen Zusammenhang stehenden Feststellungs , Unterlassungs , Einwilligungs und Wiederherstellungsbegehren insgesamt 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision hinsichtlich aller Begehren nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revisionder Klägerin ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig .
[5]1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind sämtliche von der Klägerin im Berufungsverfahren noch geltend gemachten Ansprüche zusammenzurechnen, weil auch das Zahlungsbegehren seine Grundlage in der im Schenkungsvertrag enthaltenen Servitutsvereinbarung aus dem Jahr 2012 bzw deren (behaupteter) Beendigung hat, sodass sämtliche Ansprüche aus einem einheitlichen Vertrag abgeleitet werden (RS0037648; RS0037905). Aufgrund des 30.000 EUR übersteigenden Zahlungsbegehrens wäre nicht nur ein Bewertungsausspruch nicht erforderlich gewesen (vgl RS0042287; RS0042277 [T1]), sondern erübrigt sich auch eine im Fall der Nichtzusammenrechnung notwendig gewesene Aktenrückstellung an das Erstgericht zur Einleitung des Verfahrens nach § 508 ZPO in Bezug auf die vom Berufungsgericht mit 5.000 EUR nicht jedoch 30.000 EUR übersteigend bewerteten Begehren (vgl 7 Ob 162/24k).
[6]2. Wenn sich die Vertragsparteien in der Sache einig sind, gilt ihr übereinstimmender Wille, unabhängig davon, ob die Ausdrucksmittel diesen Willen nach objektiven Kriterien zutreffend wiedergeben (RS0014005). Haben daher beide Teile dasselbe gewollt, mag es auch vielleicht unvollkommen oder mehrdeutig ausgedrückt worden sein, so gilt das Gewollte ohne Rücksicht auf die Erklärungen als Vertragsinhalt (RS0017839; RS0017741 [„natürlicher Konsens“]). Die übereinstimmende Absicht der Parteien im Sinn eines natürlichen Konsenses ist Gegenstand der Tatsachenfeststellung (RS0017882 [T1, T2]).
[7]3. Die Vorinstanzen sind für den Obersten Gerichtshof, der ausschließlich Rechtsinstanz ist (RS0123663 [T2]), in tatsächlicher Hinsicht bindend davon ausgegangen, dass die Vertragsteile im Zusammenhang mit dem vereinbarten Erlöschen der Servitut die Errichtung einer – letztlich nicht gebauten – öffentlichen Straße vor Augen hatten, die für die Servitutsberechtigten „ohne tatsächliche und rechtliche Beschränkungen“ befahrbar wäre. Die Behauptung der Revision, es gebe keine Feststellungen zum wahren Parteiwillen im Zusammenhang mit der Erlöschensvereinbarung ignoriert daher die vom Erstgericht festgestellte übereinstimmende Absicht der Parteien.
[8] Dass – wie schon vom Berufungsgericht ausgeführt – weder die den Beklagten von einem Nachbarn eingeräumte noch die von der Klägerin in Aussicht gestellte alternative Servitut zur Benützung einer errichteten (Privat )Straße den Beklagten eine rechtlich unbeschränkte, Benützung ermöglichen, weil erstere zur Erschließung und Versorgung von vier Wohneinheiten eingeschränkt ist sowie bei Verkauf an einen Bauträger erlischt und letztere sich auf die Versorgung eines Einfamilienhauses mit Ordination und dessen allfälligen Ausbau für den Wohnbedarf von zwei leiblichen Kinder beschränkt, zieht die Revision nicht in Zweifel.
[9]4. Der geltend gemachte Verfahrensverstoß wurde geprüft, er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).