JudikaturOGH

2Ob84/25d – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und Richter in der Verlassenschaftssache nach M*, verstorben am * 2023, *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Verlassenschaft nach G*, vertreten durch Mag. Dr. Stefan Rieder, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 18. Februar 2025, GZ 21 R 416/24b 32, mit welchem der Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 24. Juni 2024, GZ 43 A 278/23f 22, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

[1] Die Verstorbene hat kein T estament errichtet. G esetzliche Erben sind ihre Nichte und ihre beiden Br ü der, wovon einer mittlerweile ebenfalls verstorben ist. Im Verlassenschaftsverfahren legte die Notarin Dr. K * Vollmachten der gesetzlichen Erben zur Durchführung der Abhandlung im schriftlichen Wege vor und gab im Namen der gesetzlichen Erben unbedingte Erbantrittserklärungen zu jeweils einem Drittel der Verlassenschaft ab. Das Erstgericht räumte ihr daraufhin eine Frist zur Abgabe der Vermögenserklärung und Stellung der Schlussantr äge ein.

[2]Später ersuchte der Gerichtskommissär um gerichtliche Prüfung, ob die abgegebenen Erbantrittserklärungen in Hinblick auf § 6a GKG gültig seien, weil die Notarin Dr. K* im Verlassenschaftsverfahren nach der vorverstorbenen Tochter der Verstorbenen als Gerichtskommissärin tätig gewesen sei. Außerdem beantragte der mittlerweile verstorbene Bruder der Verstorbenen die Inventarisierung und Schätzung der Verlassenschaft.

[3] Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Erstgerichtfest, dass die von der Notarin abgegebenen unbedingten Erbantrittserklärungen „in Anbetracht des § 6a GKG“ wirksam seien . Dass dieNotarin in einem anderen Verlassenschaftsverfahren als Gerichtskommissärin tätig gewesen sei, begründe keine Unvereinbarkeit nach § 6a GKG, sodass von der Wirksamkeit der Erbantrittserklärungen auszugehen sei.

[4] Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs der Verlassenschaft des mittlerweile verstorbenen Bruders der Verstorbenen zurück. Die Entscheidung berühr e die Rechtsstellung des Rekurswerbers nicht. Da über die Wirksamkeit einer Prozesserklärung entschieden worden sei, handle es sich um einen v erfahrensleitenden Beschluss, der nicht gesondert angefochten werden könne.

[5] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Verlassenschaft des mittlerweile verstorbenen Bruders der Verstorbenen mit dem Antrag, die Entscheidung des Rekursgerichts dahin abzuändern, dass die Inventarisierung und Schätzung der Verlassenschaft angeordnet wird, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[6] Die Revisionsrekurswerberin macht geltend, dass die angefochtene Entscheidung in ihre Rechtsposition eingreife, weil die unbedingte Erbantrittserklärung mit dem unwiderruflichen Verzicht auf die Errichtung eines Inventars verbunden sei und zu einer unbeschränkten Haftung der Erben für Nachlassverbindlichkeiten führe, sodass es sich um keinen bloß verfahrensleitenden Beschluss handle.

[7] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[8]1. Das Revisionsrekursverfahren gegen die Zurückweisung eines Rekurses im Außerstreitverfahren ist einseitig (RS0120614).

[9] 2 . Nach§ 45 Satz 2 AußStrG sind verfahrensleitende Beschlüsse, soweit nicht ihre selbständige Anfechtung angeordnet ist, nur mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Sache anfechtbar. I m Verlassenschaftsverfahren ist dieseSachentscheidung im Regelfall die Einantwortung (RS0120910 [T 3]). Wohl aber gibt es auch vor der Einantwortung selbständig anfechtbare Beschlüsse, wie etwa Beschlüsse über die Nachlassseparation oder die Veräußerung von Gegenständen aus der Verlassenschaft (RS0120910 [T 5 ]). Auch der Beschluss überden Antrag auf Errichtung eines Inventars ist kein bloß verfahrensleitender Beschluss und deshalb selbständig anfechtbar (2 Ob 229/09d; RS0120910 [T5, T 7, T10 ]). Die Errichtung eines Inventars führt nämlich stets zu einer beschränkten H aftung der Erben gegenüber den Gläubigern d e r Verlassenschaft, selbst wenn sie unbedingte Erbantrittserklärungen abgegeben haben ( RS0015099 ; RS0111972 ).

[10] 3 . Demgegenüber sind v erfahrensleitende Beschlüsse dadurch gekennzeichnet, dass sie bloß der zweckmäßigen Gestaltung des Verfahrens dienen und kein vom Verfahren losgelöstes Eigenlebenhaben (RS0120910 [T 11, T19 ]; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth 2§ 45 AußStrG Rz 6). Nach § 4 0 AußSt r G entfalten solche Beschlüsse auch keine Bindungswirkung, sodass das Gericht siejederzeit abändern und einer geänderten Situation anpassen kann (RS0120910 [T 11, T19 ]). Der Oberste Gerichtshof hat zu 2 Ob 160/20y ausgesprochen, dass der Beschluss, mit dem festgestellt wurde, dass keine widersprechenden Erbantrittserklärungen vorl ä gen, keine Entscheidung „über die Sache“ darstellt , sondern lediglich die Gestaltung des weiteren Verfahrensablaufs betrifft, was einer gesonderten A nfechtbarkeit entgegensteht .

[11] 4 . Die Erbantrittserklärung ist eine Verfahrenshandlung (RS0113461; Nemeth in Schwimann / Kodek 5§ 799 ABGB Rz 3). Sie muss dementsprechend gegenüber dem Verlassenschaftsgericht bzw dem G erichtskomissär abgegeben werden ( Schweda in Fenyves / Kerschner / Vonkilch /Klang 3§ 799 ABGB Rz 3; Bittner / Hawel in Gruber / Kalss / Müller / Schauer , Erbrecht und Vermögensnachfolge 2 § 11 Rz 76). Auch ist ihre Wirksamkeit ausschließlich nach den v erfahrensrechtlichen V orschriften zu beurteilen(RS0113461; Sailer / Terlitza in KBB 7 § 800 ABG B Rz 5). Die Beurteilung der Wirksamkeit einer Erbantrittserklärung ist dementsprechend eine das Verfahren betreffende Entscheidung.

[12] 5 . In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass die Erbantrittserklärung nicht bloß verfahrensrechtliche, sondern auch materiell rechtliche W irkungen entfalte (so etwa Welser, Erbrechts-Kommentar § 800 ABGB Rz 1). Das ist insofern richtig, als dass die Erbantrittserklärung nach § 799 ABGB eine Voraussetzung des Erbschaftserwerbs darstellt. Darüber hinaus richtet sich die Haftung des Erben gemäß §§ 800 f ABGB danach, ob eine unbedingte oder bedingte Erbantrittserklärung abgegeben wurde. Der Erbe erwirbt die V erlassenschaft aber nicht schon aufgrund derErbantrittserkärung, sondern erst durch die nachfolgende Einantwortung (RS0013002; RS0115669). Und auch die unbeschränkte Haftung des Erben für Verbindlichkeiten der Verlassenschaft tritt nicht schon mit der unbedingten Erbantrittserklärung, sondern erst mit der Einantwortung der Verlassenschaft ein (RS0012315).

[13] 6 . Daraus ist ersichtlich, dass die materiell-rechtlichen Wirkungen nicht an die Erbantrittserklärung als solche, sondern an den darauffolgenden Einantwortungsbeschluss geknüpft sind, sodass die Frage der Wirksamkeit einer Erbantrittserklärung keine selbständigen, über das Verfahren hinausgehenden Rechtswirkungen hat. Da die Revisionsrekurswerberin den B eschluss über die Wirksamkeit der abgegebenen Erbantrittserklärungen – soweit nicht schon vorher über ihren Antrag aufInventarisierung und Schätzung der Verlassenschaft entschieden wird – spätestens mit dem Rekurs gegen den Einantwortungsbeschluss, der nach § 178 Abs 1 Z 4 AußStrG auch die Art der abgegebenen Erbantrittserklärung anführen muss, bekämpfen kann, besteht auch keine Rechtsschutzlücke, welche eine gesonderte Anfechtbarkeit dieses der Sachentscheidung vorgelagerten Beschlusses erforderlich machen würde. Eine gesonderte Anfechtbarkeit ist auch deshalb entbehrlich, weil das Gericht an einen solchen Beschluss nach § 40 AußStrG nicht gebunden ist, sodass es die Wirksamkeit der abgegebenen Erbantrittserklärungen, wenn es später über den Antrag auf Inventarisierung oder die Einantwortung entscheidet, auch noch anders beurteilen könnte und dies dann jedenfalls im Rechtsmittelweg überprüft werden könnte.

[14] 7 . Im E rgebnis ist sohin festzuhalten: Die Entscheidung über die Wirksamkeit einer im Verfahren abgegebenen Erbantrittserklärung ist ein verfahrensleitender Beschluss, der nach§ 45 Satz 2 AußStrG nicht selbständig anfechtbar ist . Es war daher die Entscheidung des Rekursgerichts, das den Rekurs zurückgewiesen hat, zu bestätigen.