2Ob160/20y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Parzmayr und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** 2018 verstorbenen Mag. Arch. W***** S*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der erbantrittserklärten Tochter MMag. C***** S*****, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. Juli 2020, GZ 42 R 129/20m 91, womit infolge Rekurses der erbantrittserklärten Tochter MMag. C***** S***** der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 7. Februar 2020, GZ 4 A 355/18a 76, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses wird der Beschluss des Rekursgerichts, soweit dieser die „Feststellung“ des Erstgerichts, dass es von Amts wegen keine Erbunwürdigkeitsgründe prüfe, bestätigt, als nichtig aufgehoben. Der Rekurs wird in diesem Umfang zurückgewiesen.
Insoweit haben die Witwe, der Sohn und die weitere Tochter des Erblassers die Kosten ihrer Rekursbeantwortungen selbst zu tragen.
2. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Entscheidung über den Rekurs im Kostenpunkt und die diesbezüglichen Rekurskosten richtet, als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.
3. Im Übrigen wird der außerordentliche Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der am ***** 2018 ohne Errichtung einer letztwilligen Verfügung verstorbene Erblasser hinterließ seine Ehefrau, einen Sohn sowie zwei Töchter, darunter die Rechtsmittelwerberin.
[2] Im Verlassenschaftsverfahren gaben die Witwe zu einem Drittel und der Sohn zu zwei Neuntel des Nachlasses bedingte Erbantrittserklärungen und die weitere Tochter zu zwei Neuntel des Nachlasses die unbedingte Erbantrittserklärung jeweils aufgrund des Gesetzes ab. Die Rechtsmittelwerberin gab zunächst eine unbedingte Erbantrittserklärung zu zwei Neuntel des Nachlasses, danach eine unbedingte Erbantrittserklärung „im gesetzlichen Ausmaß“ und in der Folge eine unbedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab. Sie behauptete die Erbunwürdigkeit aller präsumtiven Miterben, welche von Amts wegen wahrzunehmen sei. Der Gerichtskommissär legte nach erfolglosem Einigungsversuch die Akten dem Erstgericht zur Entscheidung über das Erbrecht vor.
[3] Mit Schriftsatz vom 11. 11. 2019 erklärte die Rechtsmittelwerberin, bisher lediglich eine unbedingte Erbantrittserklärung „im gesetzlichen Ausmaß“ abgegeben zu haben. Ihr fielen aufgrund der Erbunwürdigkeit der bisher erbantrittserklärten Miterben mangels anderer erbberechtigter Nachkommen die Erbportionen der Witwe und des Sohnes zu. Da die Erbunwürdigkeit von Amts wegen wahrzunehmen sei, lägen keine widersprechenden Erbantrittserklärungen vor; die Erbunwürdigen seien jedoch nicht Parteien des Verlassenschaftsverfahrens. Es werde beantragt, über die Erbunwürdigkeit amtswegig als Vorfrage mit Beschluss abzusprechen.
[4] Eingangs der vom Erstgericht zur Verhandlung über die widerstreitenden Erbantrittserklärungen anberaumten Verhandlung erklärte die Rechtsmittelwerberin, die Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass sei irrtümlich erfolgt, gemeint sei „im gesetzlichen Ausmaß“ gewesen. Eine Verhandlung in der Sache erfolgte daraufhin nicht.
[5] Das Erstgericht fasste einen Beschluss, mit dem es „feststellte“, dass „nunmehr keine widersprechenden Erbantrittserklärungen vorliegen“ (Punkt 1.) und „das Gericht von Amts wegen keine Erbunwürdigkeit prüft“ (Punkt 2.). Weiters verpflichtete es die Rechtsmittelwerberin zum Ersatz der Kosten des Erbrechtsstreits (Punkt 3.).
[6] Das von der Tochter angerufene Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss „in der Hauptsache“, die Kostenentscheidung änderte es hingegen teilweise ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig, der Revisionsrekurs im Kostenpunkt hingegen jedenfalls unzulässig sei.
[7] Das Rekursgericht ging in seiner Begründung zunächst davon aus, dass der erstinstanzliche Beschluss in seinem Punkt 1. nicht angefochten worden sei. Zwar habe die Rekurswerberin den Beschluss formell auch in diesem Punkt bekämpft, mit ihrem Rekursantrag begehre sie aber dieselbe Feststellung bloß unter Weglassung des Wortes „nunmehr“. Da sich die Feststellung des Erstgerichts jedenfalls auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung beziehe, sei kein Unterschied erkennbar.
[8] Im Übrigen führte das Rekursgericht aus, der Versuch der Rekurswerberin, außerhalb eines Verfahrens über das Erbrecht nach den §§ 161 ff AußStrG einen „amtswegigen Erbrechtsstreit“ zu führen, in welchem das Gericht deren strittige Behauptungen zur Erbunwürdigkeit ohne Kostenrisiko zu prüfen hätte, finde im Gesetz keine Deckung. Wenngleich die somit zutreffende Erklärung in Punkt 2. des erstgerichtlichen Beschlusses normalerweise deklarativ sei, erscheine die diesbezügliche Beschlussfassung im Hinblick auf den ausdrücklichen Antrag der Rekurswerberin zur Klarstellung sinnvoll.
[9] Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Tochter, mit dem sie die Feststellung, „dass keine widerstreitenden Erbantrittserklärungen vorliegen“, die Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zur „Durchführung einer amtswegigen Prüfung der Erbfähigkeit/Erbwürdigkeit“ und die Aberkennung der Kostenzusprüche an die Witwe und an ihre Geschwister anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
[10] 1. Aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses ist der Beschluss des Rekursgerichts, soweit er die „Feststellung“ des Erstgerichts betrifft, dass es von Amts wegen keine Erbunwürdigkeitsgründe prüfe, aufzuheben und der Rekurs der Rechtsmittelwerberin insoweit zurückzuweisen :
[11] 1.1 Im Verlassenschaftsverfahren gibt es zwar auch vor der Einantwortung selbständig anfechtbare Beschlüsse. Darunter fallen etwa Beschlüsse, die einen Antrag abschließend erledigen, ohne dass dies der Vorbereitung eines weiteren Beschlusses über die Sache dient, also etwa die Entscheidung über Anträge auf Bestellung eines Kurators für die Verlassenschaft, auf Genehmigung eines Rechtsgeschäfts oder auf Nachlassseparation (2 Ob 64/18b mwN). Ebenso Beschlüsse über nach Errichtung des Inventars gestellte Anträge nach § 166 Abs 2 AußStrG oder einen auf formale Mängel desselben gestützte Anträge nach § 7a GKG (RS0132172) und ein Beschluss, mit dem das Gericht den Antrag auf Errichtung eines Inventars überhaupt abweist (2 Ob 229/09d).
[12] Verfahrensleitende Beschlüsse sind aber nach § 45 Satz 2 AußStrG nur dann selbständig anfechtbar, wenn das ausdrücklich angeordnet ist. Solche Beschlüsse sind der Stoffsammlung dienende Verfügungen (RS0120910) und sonstige den Verfahrensablauf betreffende Maßnahmen. Sie dienen der zweckmäßigen Gestaltung des Verfahrens und haben kein vom Verfahren losgelöstes Eigenleben; das Gericht ist jederzeit in der Lage, sie abzuändern und einer geänderten Situation anzupassen (2 Ob 53/19m; 2 Ob 64/18b mwN). Verfahrensleitende Beschlüsse sind nur dann überprüfbar, wenn sie sich auf die Sachentscheidung ausgewirkt haben. Ihre Kontrolle ist auf ein einziges Rechtsmittel – jenes gegen die Entscheidung über die Sache – beschränkt (2 Ob 64/18b).
[13] 1.2 Mit Punkt 2. seiner Entscheidung stellte das Erstgericht fest, dass es von Amts wegen keine Prüfung von Erbunwürdigkeitsgründen durchführen werde. Es wies damit erkennbar den Antrag der Rechtsmittelwerberin ab, die von ihr hinsichtlich der erbantrittserklärten Miterben behaupteten strittigen Erbunwürdigkeitsgründe ohne Durchführung eines Verfahrens über das Erbrecht (§§ 161 ff AußStrG) zu prüfen. Dieser Beschluss betraf lediglich die Gestaltung des weiteren Verfahrensablaufs. Eine anfechtbare Entscheidung „über die Sache“ (§ 45 AußStrG), im gegebenen Zusammenhang also über das Erbrecht oder die Einantwortung, hat das Erstgericht damit nicht getroffen. Daher war schon der gegen die erstinstanzliche Entscheidung erhobene Rekurs unzulässig. Die Entscheidung des Rekursgerichts ist deshalb aus Anlass des Revisionsrekurses in diesem Umfang aufzuheben, und der Rekurs der Rechtsmittelwerberin ist insoweit zurückzuweisen (RS0121264).
[14] Ein Kostenersatz für die Rekursbeantwortungen findet schon aufgrund von § 185 AußStrG nicht statt.
[15] 2. Eine inhaltliche Erledigung des Rekurses, soweit er sich gegen die „Feststellung“ des Erstgerichts richtete, dass „nunmehr keine widersprechenden Erbantrittserklärungen vorliegen“, kam nicht in Betracht:
[16] 2.1 Unter Punkt 1. seiner Entscheidung hielt das Erstgericht fest, dass seiner Ansicht nach „nunmehr keine widersprechenden Erbantrittserklärungen vorliegen“. Das Rekursgericht war der Ansicht, eine inhaltliche Anfechtung des Beschlusses in diesem Punkt sei nicht erfolgt. Dem widerspricht die Rechtsmittelwerberin in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs.
[17] 2.2 Ob die eine oder die andere Ansicht zutrifft, kann offen bleiben. Hätte das Rekursgericht auch Punkt 1. des erstinstanzlichen Beschlusses als angefochten erachtet, wäre der Rekurs aus demselben Grund zurückzuweisen gewesen, wie er bereits oben in Punkt 1. dieses Beschlusses erläutert worden ist. Denn soweit dem bekämpften Ausspruch entnommen werden konnte, dass das Erstgericht nicht (mehr) beabsichtigt, ein Verfahren über das Erbrecht durchzuführen, ist lediglich die Gestaltung des weiteren Verfahrensablaufs betroffen. Eine anfechtbare Entscheidung „über die Sache“ lag daher auch insoweit nicht vor (vgl 2 Ob 46/18f [ErwGr B 3.1]).
[18] 2.3 Das Rekursgericht hat zwar den Rekurs in diesem Punkt nicht zurückgewiesen. Die Ablehnung seiner förmlichen Behandlung kommt in ihrer verfahrensrechtlichen Bedeutung aber einer Zurückweisung gleich, sodass sie grundsätzlich mit Revisionsrekurs bekämpfbar ist (vgl 7 Ob 109/04m). Allerdings wäre die Rechtsmittelwerberin durch das Unterbleiben einer formellen Zurückweisung des Rekurses aus den obigen Erwägungen nicht beschwert. Es begründet daher keine erhebliche Rechtsfrage, ob der Rekurs gegen den Beschluss des Erstgerichts auch eine Anfechtung dessen Punkt 1. enthielt. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher in diesem Punkt mangels Vorliegens einer zu beurteilenden erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen .
[19] 3. Der Revisionsrekurs, ist soweit er sich gegen die Entscheidung über den Rekurs im Kostenpunkt und die diesbezüglichen Rekurskosten richtet, jedenfalls unzulässig :
[20] Eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs in Kostenfragen ist ausgeschlossen und gemäß § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG jedenfalls unzulässig. Unter „Kostenpunkt“ ist nicht nur die Bemessung der Kosten zu verstehen, sondern auch, ob überhaupt ein Anspruch auf Kostenersatz besteht, wem dieser zusteht, oder die Ablehnung einer Kostenentscheidung (RS0017155; RS0111498). Der Ausschluss eines Rechtsmittels gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über den Kostenpunkt erstreckt sich auf sämtliche Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form über Kosten abgesprochen wird (RS0044233).
[21] Ob im derzeitigen Verfahrensstadium aufgrund weiterhin vorliegender oder zuvor vorgelegener widerstreitender Erbantrittserklärungen eine Kostenentscheidung zu treffen war und ob die Bemessung der Kosten durch die Vorinstanzen zutreffend erfolgte, ist daher einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen. Insoweit ist der Revisionsrekurs als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.