JudikaturOGH

9Ob58/25g – OGH Entscheidung

Entscheidung
Schadenersatzrecht
27. Mai 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 5.080 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht vom 17. Februar 2025, GZ 13 R 234/24w 18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Neusiedl am See vom 12. September 2024, GZ 6 C 428/24p 12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 597,52 EUR (darin 95,40 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger schloss mit einer Fahrzeughändlerin am 18. 8. 2011 einen Kaufvertrag über ein von der Beklagten hergestelltes Fahrzeug zu einem Kaufpreis von 25.000 EUR ab. Der Kaufvertrag enthält keine Zahlungsbedingungen, eine Anzahlung auf den Kaufpreis wurde nicht vereinbart und vom Kläger auch nicht geleistet. Noch vor dem vereinbarten Liefertermin am 24. 10. 2011 stellte der Kläger an die P* Bank AG einen mit 20. 9. 2011 datierten Antrag auf Abschluss eines Leasingvertrags. In den AGB ist unter anderem festgehalten, dass die P* Bank AG Eigentümerin des Leasingobjekts ist und der Leasingnehmer (der Kläger) das Leasingobjekt im Falle der Direktbelieferung vom Kunden durch Besitzergreifung für die Leasinggeberin erwirbt. Das Leasingobjekt steht und verbleibt im Eigentum der Leasinggeberin. Der Leasingantrag wurde von der Leasinggeberin (unstrittig) am 25. 10. 2011 angenommen.

[2] Der Kläger leistete an die Leasinggeberin eine Anzahlung (Vorauszahlungsdepot) von 10.500 EUR und in weiterer Folge 48 monatliche Leasingraten von je 127,26 EUR und sechs Leasingraten von je 346,01 EUR. Nach 54 Monaten kaufte der Kläger das Fahrzeug zum kalkulierten Restwert von 9.969,55 EUR an. eine Ankaufsverpflichtung hatte nicht bestanden. Die Kosten für das gesamte Leasing betrugen daher 28.559,75 EUR.

[3] Der Kläger begehrte von der Beklagten 5.080 EUR sA an Schadenersatz (Wertminderung), weil im Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung implementiert sei. Aufgrund der gegenständlichen Leasingkonstruktion (Finanzierungsleasing in Form eines Eintrittsleasings) sei ihm durch den Kaufvertragsabschluss ein Schaden entstanden. Selbst wenn ein einheitliches Rechtsgeschäft vorgelegen wäre, trage der Kläger zumindest den Schaden des zu viel gezahlten Kaufpreises, weil letztlich der Kläger „den Leasingvertrag, der auf Basis eines überhöhten Kaufpreises berechnet wurde, geleistet habe“.

[4] Die Beklagte bestritt die aktive Klagslegitimation und den Eintritt eines Schadens beim Kläger und beantragte Klagsabweisung.

[5] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kaufvertrag und der zur Finanzierung des Fahrzeugkaufs nach Abschluss des Kaufvertrags, aber noch vor Übergabe des Fahrzeugs abgeschlossenen Leasingvertrag bildeten eine Einheit. Da der ursprüngliche Kaufvertrag ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs gedient habe und die Leasinggeberin in den Kaufvertrag eingetreten sei, habe der Kläger den geltend gemachten Schaden nicht schlüssig behauptet.

[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass der Kläger als Leasingnehmer auf Grund der gewählten Vertragskonstruktion keinen Schaden aus dem abgeschlossenen Kaufvertrag geltend machen könne. Der hilfsweise auch auf überhöhte Leasingraten gestützte Schaden sei nicht schlüssig dargelegt. Das unter Bezugnahme auf den Gesamtleasingbetrag erstattete Vorbringen, der Kläger habe damit erheblich mehr als den Kaufpreis bezahlt, genüge nicht, weil dem Leasing immanent sei, dass damit höhere Beträge als bei einer Einmalzahlung einhergingen. Nach der Rechtsprechung könne der Kläger seine Aktivlegitimation auch nicht mit der Judikatur zu Substanzschäden begründen, weil diese nur Fälle betreffe, bei denen – anders als im vorliegenden Fall – das Leasinggut nach Übergabe an den Leasingnehmer beschädigt werde.

[7]Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht aufgrund eines Antrags nach § 508 Abs 1 ZPO des Klägers nachträglich zugelassen, weil die Frage der „Zeitnähe“ von Kauf und Leasingvertrag im Hinblick auf die Qualifikation als Finanzierungsleasing mit vertraglicher Einheit von Kaufvertrag und dazu abgeschlossenem Leasingvertrag vom Obersten Gerichtshof noch nicht abschließend beurteilt worden sei.

[8] In seiner dagegen gerichteten Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung , die Revision des Klägers als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10]Die Revision des Klägers ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts – nicht zulässig; sie kann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Die hier maßgeblichen Rechtsfragen sind durch den Obersten Gerichtshof bereits geklärt. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

[11] 1.Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach zu vergleichbaren Sachverhaltskonstellationen in Zusammenhang mit der Finanzierung des Kaufs eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs durch Leasing Stellung genommen und dazu ua zuletzt in den Entscheidungen 9 Ob 17/25b und 10 Ob 7/25i unter Hinweis auf die bisherige Judikatur zusammengefasst ausgeführt:

[12] 1.1. Es ist zu differenzieren, ob ein Leasingvertrag erst nach dem Erwerb (und unabhängig davon) abgeschlossen wurde oder ob der (gleichzeitig abgeschlossene) Kaufvertrag nur der Spezifikation des Fahrzeugs diente und die Leasinggeberin unmittelbar in den Kaufvertrag eintrat:

[13] Diente ein Kaufvertrag nicht ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs für den Abschluss eines Finanzierungsleasingvertrags, sondern kam zunächst ein zivilrechtlich voll wirksamer Kaufvertrag (nach den Prozessbehauptungen zu einem überhöhten Preis) zustande und wurde erst nachträglich zur Finanzierung des (nach Leistung einer Anzahlung) restlichen Kaufpreises ein Leasingvertrag (einschließlich Übertragung des Eigentums am Fahrzeug vom Leasingnehmer an den Leasinggeber) geschlossen, wird im Abschluss des Kaufvertrags ein schlüssig geltend gemachter Schaden gesehen und die Aktivlegitimation des Klägers bejaht.

[14] Beabsichtigte der Kläger hingegen von Anfang an, den Erwerb des Fahrzeugs über Leasing zu finanzieren und diente der von ihm mit dem Händler geschlossene Kaufvertrag daher ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs, das letztlich der Leasinggeber erwerben und dem Kläger zum Gebrauch überlassen sollte, dann bilden der Kaufvertrag und der Leasingvertrag eine vertragliche Einheit. In diesen Konstellationen wird die schlüssige Geltendmachung eines Schadens aus diesem Kaufvertrag (mangels anderer Behauptungen des Klägers) regelmäßig verneint, weil nur dem – unmittelbar in den Kaufvertrag eintretenden – Leasinggeber und nicht (auch) dem Leasingnehmer ein Schaden aus dem Kaufvertrag entstehen kann.

[15] 1.2.Wenn das Berufungsgericht im konkreten Einzelfall unter Bedachtnahme auf die soeben dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze die Aktivlegitimation des Klägers zur Geltendmachung eines Schadens aufgrund eines überhöhten Kaufpreises verneinte, so bedarf diese rechtliche Beurteilung keiner Korrektur. Bei der vorliegenden Vertragskonstruktion (Abschluss eines Kaufvertrags ohne Vereinbarung von Zahlungsbedingungen und Anzahlung) war zu keinem Zeitpunkt der Kläger, sondern – wie aus dem festgestellten Sachverhalt gefolgert werden kann – schon ursprünglich (von vornherein beabsichtigt [vgl 7 Ob 88/23a Rz 11]) die Leasinggeberin zur Zahlung des Kaufpreises aus dem Kaufvertrag verpflichtet. Der Kläger behauptete auch nicht, zur Zahlung des Kaufpreises an die Fahrzeughändlerin verpflichtet gewesen zu sein. Er leistete auch nur der Leasinggeberin eine Vorauszahlung.

[16] Richtig ist, dass der Leasingvertrag und der Kaufvertrag, wenn sie nach den dargestellten Grundsätzen eine vertragliche Einheit bilden, in der Regel gleichzeitig abgeschlossen werden. Eine bestimmte zeitliche Konnexität zwischen den beiden Verträgen ist aber keine unbedingte Voraussetzung für die Annahme einer vertraglichen Einheit, sondern bloß ein (weiterer) Umstand, der bei der Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen ist. Wenn das Berufungsgericht in der zeitlichen Abfolge des Geschehens (Abschluss des Kaufvertrags am 18. 8. 2011; Stellung des Leasingantrags am 20. 9. 2011, noch vor dem vereinbarten Liefertermin am 24. 10. 2011; Annahme des Leasingantrags durch die Leasinggeberin am 25. 10. 2011, auch wenn nach der vom Kläger vorgelegten Urkunde ./T der Leasingvertrag bereits am 20. 10. 2011 zu laufen begann), keine entscheidenden gegen die Annahme eines einheitlichen Vertrags sprechenden Kriterien sah, bewegt sich diese Entscheidung im Rahmen des den Gerichten eingeräumten Beurteilungsspielraums bei der Vertragsauslegung.

[17] 2.Zum behaupteten Schaden aus dem Leasingvertrag führte der Kläger in erster Instanz nur allgemein ins Treffen, er habe aufgrund der Malversationen der Beklagten zu viel Leasingentgelt (in Summe mehr als den Kaufpreis) bezahlt, wobei der – anhand der relativen Berechnungsmethode unter Bedachtnahme auf den Minderwert des Fahrzeugs im Ankaufszeitpunkt zu ermittelnde – überhöhte Kaufpreis in dem von ihm insgesamt geleisteten Entgelt jedenfalls enthalten sei und als Minus begehrt werden könne. In der Annahme des Berufungsgerichts, dieses Vorbringen reiche zur Dartuung eines konkreten Schadens in Form der Leistung von überhöhten Leasingentgelten nicht aus (idS zuletzt etwa 9 Ob 17/25b Rz 21; 10 Ob 7/25i Rz 24 mwN), liegt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

[18] 3.Ob der Abschluss eines Leasingvertrags eine „Schadensverlagerung“ bewirkt, also ein „Schaden“ des Fahrzeugs, der typischerweise beim unmittelbar Geschädigten eintritt, im besonderen Fall durch ein Rechtsverhältnis auf einen Dritten überwälzt wird, hängt von der konkreten Vertragsgestaltung ab (1 Ob 9/25t Rz 8 mwN). Mit seiner erstinstanzlichen Behauptung unter Bezugnahme auf eine inhaltlich nicht näher dargelegte Bestimmung im Leasingvertrag (zu der das Erstgericht keine Feststellungen getroffen hat und auf die die Revision auch nicht mehr reflektiert), den Kläger als Leasingnehmer habe das Risiko von Mängeln am Fahrzeug getroffen und er trage das Risiko des zufälligen Untergangs, sowie das Risiko der eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit, zeigt der Kläger nicht auf, warum nach der konkreten Vertragsgestaltung eine Verlagerung des Schadens aus dem behaupteten überhöhten Kaufpreis auf den Leasingnehmer erfolgt wäre. Nach herrschender Rechtsprechung kann die Pflicht zur erstmaligen Verschaffung des ordnungsgemäßen Gebrauchs und zur Übergabe der Sache im bedungenen Zustand als Hauptpflichten des Leasinggebers (RS0020739; RS0020735 [T1]), nicht auf den Leasingnehmer überwälzt werden (10 Ob 7/24p Rz 18; 1 Ob 9/25t Rz 9; RS0020735 [insb T8, T16]). Wird das Leasinggut hingegen nach Übergabe an den Leasingnehmer beschädigt – dies ist hier nach den Behauptungen des Klägers nicht der Fall –, ist der Leasingnehmer aktiv zur Geltendmachung des Schadens legitimiert, stellt doch die Verschiebung des Gefahrenrisikos auf den Leasingnehmer ein Wesensmerkmal des Leasingvertrags dar (RS0016625 [T1]; 7 Ob 128/23h Rz 10 ua).

[19]An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Auch mit dem Hinweis auf das unionsrechtliche Effektivitätsgebot zeigt die Revision nicht auf, weshalb bei einer vorsätzlich sittenwidrigen Schadenszufügung – sei es gemäß § 1295 Abs 2 ABGB oder § 1311 iVm §§ 146 ff StGB – (aufgrund der Leasingbedingungen) nicht darauf abzustellen wäre, wann der listig Irreführende dem Leasinggut den Schaden zugefügt habe.

[20]Die Revision des Klägers ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[21]Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen ( RS0035979 [T16]).