7Ob123/25a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und durch die Hofrätin sowie die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. H*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 5.698 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 30. April 2025, GZ 6 R 35/25v 39, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Perg vom 9. Jänner 2025, GZ 1 C 823/20p 35, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 745,65 EUR (darin enthalten 119,05 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger unterzeichnete am 8. 7. 2015 einen Kaufvertrag mit der Fahrzeughändlerin über einen Audi A4 Avant 2.0 TDI Intense mit einem Kaufpreis von 28.490 EUR. Der im Fahrzeug verbaute Motor des Typs EA189 wurde von der Beklagten entwickelt.
[2] Der Fahrzeughändlerin und dem Kläger war von Anfang an klar, dass dieser das Fahrzeug leasen werde. Am selben Tag übermittelte er einen Leasingantrag an die Leasinggeberin. Am 9. 7. 2015 bestätigte diese gegenüber der Fahrzeughändlerin die Finanzierung. Am 13. 7. 2015 wurde dem Kläger das Fahrzeug übergeben. Am 16. 7. 2015 wurde der Leasingantrag von der Leasinggeberin gegengezeichnet.
[3] Der Kläger begehrt die Zahlung von 5.698 EUR sA an Schadenersatz (Wertminderung), weil das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgeliefert worden sei. Er habe den Leasingvertrag erst nachträglich zum Kaufvertrag abgeschlossen. Aufgrund der Leasingkonstruktion mit einem somit voll wirksamen Kaufvertrag sei ihm durch den Kaufvertragsabschluss ein Schaden entstanden. Selbst wenn ein einheitliches Rechtsgeschäft vorgelegen wäre, sei der Schaden auf ihn verlagert worden. Hilfsweise werde die Klage auf die Leistung überhöhter Leasingraten gestützt. Der Kläger habe aufgrund der Leasingfinanzierung in Summe zumindest 29.518,65 EUR bezahlt. Wäre im Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut gewesen, hätte es um 20 % weniger gekostet und wäre auch die Leasingfinanzierung um denselben Betrag günstiger gewesen. Diese Beträge würden den geltend gemachten Schaden von 20 % des Kaufpreises übersteigen, zumal bei Leasing in Summe mehr zu bezahlen sei als bei einem Barkauf.
[4] Die Beklagte wendet unter anderem ein, die Klage sei unschlüssig, weil der Kläger als Leasingnehmer keinen eigenen Schaden geltend mache.
[5] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Der Kläger als Leasingnehmer könne aufgrund der gewählten Vertragskonstruktion keinen Schaden aus dem Kaufvertrag geltend machen. Kauf- und Leasingvertrag bildeten eine vertragliche Einheit. Aus welchen Gründen eine Schadensverlagerung auf den Kläger erfolgt sei, lasse sich dessen Behauptungen nicht entnehmen. Der hilfsweise auf überhöhte Leasingraten gestützte Schaden sei nicht schlüssig dargelegt. Die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, wie konkret ein Kläger in seinen Klagsbehauptungen den Schaden aufschlüsseln müsse, wenn grundsätzliches Vorbringen betreffend zu viel bezahlter Leasingraten vorliege.
Rechtliche Beurteilung
[7] Da der Klägerin seiner Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:
[8]1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit wurde geprüft. Sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[9]2.1. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung ist bei der Finanzierung des Kaufs eines mit einer Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs durch Leasing danach zu differenzieren, ob ein Kaufvertrag des Leasingnehmers mit dem Fahrzeughändler nur der Spezifikation des Fahrzeugs diente und der Leasinggeber unmittelbar in den Kaufvertrag eintrat oder ob der Leasingvertrag erst nach dem Erwerb des Fahrzeugs (und unabhängig davon) abgeschlossen wurde (4 Ob 21/25d Rz 10; 10 Ob 69/24f Rz 12; 6 Ob 204/24d Rz 4 je mwN). Ausschließlich im letztgenannten Fall erleidet der spätere Leasingnehmer (schon) durch den Abschluss des Kaufvertrags einen aus diesem resultierenden Schaden in seinem Vermögen. Tritt der Leasinggeber dagegen unmittelbar in den Kaufvertrag ein, entsteht daraus nur ihm und nicht dem Leasingnehmer ein Schaden (4 Ob 21/25d Rz 10; 10 Ob 69/24f Rz 12).
[10]2.2. Das Berufungsgericht war der Ansicht, der Kaufvertrag habe im vorliegenden Fall eine Einheit mit dem Leasingvertrag gebildet, sodass der Kaufvertrag nur der Spezifikation des Fahrzeugs gedient habe. Darin ist – auch im Hinblick darauf, dass die Verträge nicht gleichzeitig abgeschlossen wurden – keine aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken (vgl 6 Ob 4/25v [Leasingantrag am nächsten Tag, der in der Folge angenommen wurde]; 4 Ob 21/25d [Leasingantrag am nächsten Tag]; 1 Ob 12/24g [zeitnah mit dem Kaufvertrag abgeschlossener Leasingvertrag]; vgl auch 10 Ob 46/24y; 9 Ob 58/25g Rz 16). Es wurde auch bereits ausgesprochen, dass es auf den Umstand, dass der Leasingantrag von der Leasinggeberin erst angenommen werden musste, nicht ankommt (vgl 1 Ob 9/25t Rz 5; 3 Ob 166/24v Rz 11; 6 Ob 4/25v Rz 9).
[11]2.3. Der Kläger zeigt mit seinen Revisionsausführungen keine grobe Unrichtigkeit auf. Dessen Argumentation konzentriert sich auf das zeitliche Auseinanderfallen der jeweiligen Willenserklärungen, also der Unterfertigung des Kaufvertrags und die Beantragung des Leasingvertrags durch den Kläger einerseits und die Annahme durch den Leasinggeber andererseits. Die Beurteilung, ob Verträge eine rechtliche Einheit bilden, ist allerdings nach dem Gesamtbild aller Umstände vorzunehmen und dabei ist dem Parteiwillen, der Vertragsgestaltung und dem Vertragszweck besondere Bedeutung beizumessen (5 Ob 220/24z Rz 11 mwN). Für den Kläger war hier von Anfang an klar, dass er das Fahrzeug leasen werde. Dementsprechend war bereits im Kaufvertrag mit der Fahrzeughändlerin ein „P* Bank Bonus“ berücksichtigt. Der Kläger unterzeichnete den Kaufvertrag und am selben Tag den Antrag auf Abschluss des Leasingvertrags, der in der Folge auch angenommen wurde. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist damit jedenfalls vertretbar.
[12]2.4. Soweit die Revision auf die Entscheidung 8 Ob 109/23x Bezug nimmt, lag dort ein Sachverhalt zugrunde, wonach der Leasingvertrag erst rund einen Monat nach Abschluss des Kaufvertrags abgeschlossen wurde, womit diese Entscheidung mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht vergleichbar ist (vgl 10 Ob 69/24f Rz 17).
[13]2.5. Vor dem Hintergrund, dass beim Erwerb eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs der Schaden bereits durch den Kaufvertrag eintritt (RS0129706 [T11]), kann in der vorliegenden Konstellation nur dem – unmittelbar in den Kaufvertrag eintretenden – Leasinggeber und nicht (auch) dem Leasingnehmer ein Schaden aus dem Kaufvertrag entstehen. Schäden in Form der Leistung eines überhöhten Kaufpreises können vom Leasingnehmer daher nicht geltend gemacht werden (10 Ob 7/25i Rz 18 mwN).
[14]3.1. Ob der Abschluss eines Leasingvertrags eine „Schadensverlagerung“ bewirkt, also ein „Schaden“ des Fahrzeugs, der typischerweise beim unmittelbar Geschädigten eintritt, im besonderen Fall durch ein Rechtsverhältnis auf einen Dritten überwälzt wird, hängt von der konkreten Vertragsgestaltung ab (1 Ob 9/25t Rz 8 mwN).
[15]3.2. Warum nach der konkreten Vertragsgestaltung eine Verlagerung des Schadens aus dem behaupteten überhöhten Kaufpreis auf den Leasingnehmer erfolgt wäre, zeigt der Kläger mit dem Verweis auf die Tragung des wirtschaftlichen Risikos einer Wertminderung und die Möglichkeit des Ankaufs des Fahrzeugs zum kalkulierten Restwert nicht auf, ebenso wenig mit seiner Bezugnahme auf eine vom Leasingnehmer zu tragende eingeschränkte „objektive Nutzbarkeit“, kann doch die Pflicht zur erstmaligen Verschaffung des ordnungsgemäßen Gebrauchs und zur Übergabe der Sache im bedungenen Zustand nicht auf den Leasingnehmer überwälzt werden (1 Ob 9/25t Rz 9; 10 Ob 65/24t Rz 16; 9 Ob 58/25g Rz 18; 6 Ob 4/25v Rz 12; vgl RS0020735 [insb T8, T16]). Wird das Leasinggut hingegen nach Übergabe an den Leasingnehmer beschädigt – dies ist hier nach den Behauptungen des Klägers nicht der Fall –, ist der Leasingnehmer aktiv zur Geltendmachung des Schadens legitimiert, stellt doch die Verschiebung des Gefahrenrisikos auf den Leasingnehmer ein Wesensmerkmal des Leasingvertrags dar (RS0016625 [T1]; 9 Ob 58/25g Rz 18).
[16]3.3. Mit dem Hinweis auf das unionsrechtliche Effektivitätsgebot zeigt die Revision nicht auf, weshalb bei Beurteilung des Schadenseintritts (aufgrund der Leasingbedingungen) nicht darauf abzustellen wäre, wann der Schädiger dem Leasinggut den Schaden zugefügt habe (9 Ob 58/25g Rz 19). Die Anregung auf neuerliche Befassung des Europäischen Gerichtshofs war nicht aufzugreifen, weil aus der Bedachtnahme auf die bereits geklärten Fragen in der Revision keine stichhaltigen Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts aufgezeigt werden.
[17]4. Zum behaupteten Schaden aus dem Leasingvertrag führte der Kläger in erster Instanz nur allgemein ins Treffen, er habe ein überhöhtes Leasingentgelt (in Summe mehr als den Kaufpreis) bezahlt. Ohne unzulässige Abschalteinrichtung hätte das Fahrzeug um 20 % weniger gekostet und wäre auch die Leasingfinanzierung um denselben Betrag günstiger gewesen. In der Annahme des Berufungsgerichts, dieses Vorbringen reiche zur Dartuung eines konkreten Schadens in Form der Leistung von überhöhten Leasingentgelten nicht aus, liegt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung (vgl 9 Ob 68/25g Rz 17 mwN). Das bloße Vorbringen, der Kläger habe für das Fahrzeug insgesamt (nämlich durch die Leistung der Einmalzahlung, der Leasingraten und des Restwerts an den Leasinggeber) erheblich mehr bezahlt als nur den Kaufpreis, stellt keine schlüssige Behauptung eines Schadens aus dem Leasingvertrag selbst dar (3 Ob 166/24v Rz 9; 10 Ob 69/24f Rz 22; 9 Ob 17/25b Rz 21). Die Revision zeigt auch hier durch ihren Verweis auf das unionsrechtliche Effektivitätsgebot nicht auf, aus welchen Gründen eine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts vorliege und weshalb die schlüssige Behauptung eines Schadens aus dem Leasingvertrag in Anwendung der bisherigen Rechtsprechung jedenfalls ausgeschlossen sei.
[18] 5. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
[19]6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.