1Ob75/25y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr, Dr. Vollmaier und Dr. Pfurtscheller als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O*, vertreten durch Mag. Martin Divitschek und andere Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Dr. Marco Nademleinsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 6. Februar 2025, GZ 3 R 7/24g 54, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Deutschlandsberg vom 20. Oktober 2022, GZ 101 C 283/20k 33, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.097 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die Streitteile haben am 25. 5. 1996 in der Russischen Föderation die Ehe geschlossen. Diese Ehe wurde in der Russischen Föderation im Jahr 2019 rechtskräftig geschieden. Beide Streitteile sind russische Staatsbürger und hatten ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz in L* auf der im Alleineigentum des Beklagten stehenden, von ihm während aufrechter Ehe „mit eigenen Mitteln“ erworbenen Liegenschaft EZ *. Mit Urteil eines Moskauer Bezirksgerichts vom 16. 10. 2018, in Rechtskraft erwachsen am 14. 2. 2019, in dem über die Aufteilung des Ehevermögens zwischen den Streitteilen abgesprochen wurde, wurde der Klägerin unter anderem das Hälfteeigentum an dieser Liegenschaft zuerkannt.
[2] Die Klägerin begehrt nunmehr, den Beklagten zur Einwilligung in die Einverleibung ihres Hälfteeigentums an der Liegenschaft zu verhalten, hilfsweise ihr Hälfteeigentum an dieser Liegenschaft festzustellen. Ungeachtet des rechtskräftigen Zuspruchs im Rahmen des Aufteilungsverfahrens in der Russischen Föderation weigere sich der Beklagte, in die Einverleibung einzuwilligen. Sie sei aufgrund der rechtskräftigen ausländischen Entscheidung bereits außerbücherliche Hälfteeigentümerin geworden, benötige aber eine grundbücherliche Absicherung.
[3] Der Beklagte hält dem – soweit im Revisionsverfahren von Relevanz – entgegen, aus der russischen Entscheidung ergebe sich kein „direkter Anspruch“ auf grundbücherliche Einverleibung eines Hälfteanteils.
[4] Das Erstgericht gab der Klage statt, dies unter Verweis auf die mit Rechtskraft des Urteils des Moskauer Bezirksgerichts verbindlich erfolgte Aufteilung des Ehevermögens.
[5] Das Berufungsgerichtwies über Berufung des Beklagten das Klagebegehren ab. Die Aufteilungsentscheidung des russischen Gerichts sei nicht anerkennungsfähig. § 97 AußStrG gelte nicht für eine ausländische gerichtliche Entscheidung in einem (nach-)ehelichen Aufteilungsverfahren. Ebenso wenig bestehe zwischen Österreich und der Russischen Föderation ein darauf bezogenes Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen. Das im Rahmen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht am 2. 7. 2019 von Russland und der Europäischen Union unterzeichnete Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sei auf (nach )eheliche Aufteilungsverfahren nicht anzuwenden (Art 2 Abs 1 lit c leg cit).
[6] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob eine rechtskräftige Entscheidung eines Gerichts der Russischen Föderation über die Aufteilung des Ehevermögens mangels Anwendbarkeit des genannten Haager Übereinkommens vom 2. 7. 2019 in Österreich nicht anerkannt werden könne.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die – vom Beklagten beantwortete – Revision der Klägerinist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Darlegung einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Ihre Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
[8] 1. Die Bereichsausnahme des Art 2 Abs 1 lit c des – von der Russischen Förderation zwar unterzeichneten, aber noch nicht ratifizierten – Haager Übereinkommens vom 2. 7. 2019 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang als erheblich erachtete Zulassungsfrage werden in der Revision nicht weiter aufgegriffen. Insbesondere zieht die Klägerin gar nicht in Zweifel, dass die in Rede stehende Entscheidung im russischen Aufteilungsverfahren eine „familienrechtliche Angelegenheit“ im Sinn dieser Bestimmung betrifft und damit vom Übereinkommen nicht erfasst ist.
[9] 2. Auch sonst zeigt die Klägerin in der Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf:
[10] Sie wendet sich ausschließlich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die im Heimatstaat der Streitteile ergangene Aufteilungsentscheidung sei nach dem autonomen österreichischen Recht nicht anerkennungsfähig.
[11] Diese Beurteilung steht indes im Einklang mit dem insoweit eindeutigen nationalen Anerkennungsregime und der dazu ergangenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung.
[12]Soweit die Klägerin generell darauf verweist, dass im AußStrG sehr wohl Regeln zur Anerkennung ausländischer Entscheidungen in spezifischen familienrechtlichen Angelegenheiten statuiert seien, deren grundsätzliche Analogiefähigkeit in der Rechtsprechung anerkannt sei, ist dies zwar zutreffend (vgl 8 Ob 28/15y ErwG 3.3. mwN).
[13]Zu der von der Klägerin konkret ins Treffen geführten Regelung des § 97 Abs 1 AußStrG hat der Oberste Gerichtshof jedoch bereits in der Entscheidung 8 Ob 82/05z ausgesprochen, diese beziehe sich ausdrücklich nur auf Entscheidungen über die Trennung, Ehescheidung oder Ungültigerklärung einer Ehe sowie über die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe, weshalb sie für Aufteilungsentscheidungen nicht einschlägig sei (ebenso Neumayr in Neumayr/Geroldinger, Internationales Zivilverfahrensrecht [7. Lfg 2007] § 97 AußStrG Rz 15 FN 56; Deixler Hübner in Rechberger/Klicka, AußStrG 3 § 97 Rz 2).
[14] Schon angesichts dieser unmissverständlichen Beschränkung des Anwendungsbereichs der Norm (auf Entscheidungen über bestimmte Statuslagen) liegt die Annahme der Klägerin, die Bestimmung sei in Ansehung ausländischer Entscheidungen über die Aufteilung des Ehevermögens planwidrig unvollständig geblieben, so fern, dass es keiner Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs hierzu bedarf (vgl RS0042656 ; RS0042824 ).
[15] Das Vorliegen einer entsprechenden – durch Analogie zu schließenden – Gesetzeslücke wird in der Revision auch nicht näher begründet. Die Klägerin begnügt sich mit dem Hinweis auf einen aus bisherigen Analogieschlüssen ableitbaren Trend in der Rechtsprechung, „im Vertrauen auf die Rechtssicherheit ausländische Entscheidungen in das nationale Recht einfließen zu lassen“ bzw auf eine erkennbare „Intention [des Gesetzgebers] auf Anerkennung ausländischer Entscheidungen“ durch Neueinführung nationaler und staatsvertraglicher Anerkennungstatbestände.
[16]Von der Annahme einer solchen generellen (rechtspolitischen) Tendenz zur immer weitreichenderen Anerkennung ausländischer Entscheidungen lässt sich nun aber noch nicht darauf schließen, dass gerade die geltende Bestimmung des § 97 Abs 1 AußStrG gemessen an ihrer immanenten Teleologie vom Gesetzgeber nicht etwa bewusst auf die darin geregelten Fälle begrenzt wurde, sondern vielmehr (planwidrig) zu eng geraten und daher hinsichtlich ausländischer Aufteilungsentscheidungen ergänzungsbedürftig ist.
[17]Schließlich spricht für die postulierte Analogie auch nicht der Umstand, dass die Rechtsprechung die kollisionsrechtliche Anknüpfung des Rechts der nachehelichen Vermögensaufteilung dem Scheidungsstatut nach § 20 IPRG unterstellt (vgl nur 1 Ob 94/19h ErwG 2.1.; [24. 10. 2024] 1 Ob 58/24xRz 47 mwN): Wieso sich gerade daraus eine hinreichende Sachnähe der Anerkennungsregel des § 97 Abs 1 AußStrG ergeben soll, derentwegen diese Bestimmung als geeignete Analogiegrundlage zur Anerkennung ausländischer Aufteilungsentscheidungen heranzuziehen wäre, legt die Revision nicht nachvollziehbar dar.
[18]3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen ( RS0112296 ; RS0035979 [T16]). Allerdings gebührt ihm Kostenersatz bloß auf Basis der Bemessungsgrundlage von 15.000 EUR. Umsatzsteuer hat der Beklagte (ausdrücklich) keine verzeichnet.