JudikaturOGH

2Ob209/24k – OGH Entscheidung

Entscheidung
Immobilienrecht
29. April 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * verstorbenen D*, über den Revisionsrekurs der erbantrittserklärten Erbin I*, vertreten durch Dr. Werner Pauger, öffentlicher Notar in Gleisdorf, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 30. Oktober 2024, GZ 23 R 316/24d 103, mit welchem der Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichts Melk vom 12. August 2024, GZ 16 A 321/21f 96, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeb en.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen über die Einantwortung w e rden aufgehoben.

Die Rechtssache wird insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Text

Begründung:

[1] Mit letztwilliger Verfügung vom 21. 1. 2013, die ungeachtet der Bezeichnung als „Mein Testament“ keine Erbseinsetzung enthält, ordnete der Verstorbene an, dass seine Ehefrau seine Eigentumswohnung erhalten soll. Die Witwe, der Sohn und die Tochter gaben aufgrund der gesetzlichen Erbfolge bedingte Erbantrittserklärungen zu jeweils einem Drittel der Verlassenschaft ab. D ie Tochter des Verstorbenen behauptet einen über den Erbteil hinausgehenden Pflichtteilsanspruch und stimmte deshalb e iner Amtsbestätigung, mit welcher das Eigentum der Witwe an der Eigentumswohnung i m Grundbuch einverleibt werden hätte können, nicht zu.

[2] Das Erstgericht antwortete die Verlassenschaft den gesetzlichen Erben zu je einem Drittel ein, obwohl sich die Eigentumswohnung des Verstorbenen nach wie vor in der Verlassenschaft befindet. Darüber hinaus stellte das Erstgericht eine Amtsbestätigung für das G rundbuch aus, nach welcher das Alleine igentum der Witwe an der Eigentumswohnung einverleibt werden könne. Da die Tochter bereits 50.000 EUR auf ihren Pflichtteil erhalten habe und ihr zudem ein Drittel de r Verlassenschaft eingeantwortet werde, sei ihr Pflichtteilsanspruch ausreichend sichergestellt, sodass ihr hinsichtlich der Wohnung kein Zurückbehaltungsrecht nach § 764 Abs 2 ABGB mehr zukomme . Die Wirksamkeit des Vermächtnisses, mit welchem der Verstorbene die Eigentumswohnung seiner Ehefrau zugewendet habe, sei nicht bestritten worden und stehe einer Einantwortung der Verlassenschaft nicht entgegen.

[3] Das Rekursgericht bestätigte die Einantwortung der Verlassenschaft, änderte die Entscheidung über die Amtsbestätigung aber dahin ab, dass der auf deren Ausstellung gerichtete Antrag der Witwe abgewiesen wurde. Die Pflichtteilsansprüche der volljährigen und eigenberechtigten Tochter würden einer Einantwortung der Verlassenschaft nicht entgegenstehen. Auch wenn die Wirksamkeit des V ermächtnisses nicht bestritten werde , sei die Ausstellung einer Amtsbestätigung hinsichtlich der Wohnung nicht zulässig, weil nicht alle Erben zugestimmt hätten. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

[4] G egen den Einantwortungsbeschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Tochter , mit dem sie dessen Aufhebung anstrebt.

[5] Die Witwe und der Sohn des Verstorbenen haben trotz Freistellung durch den Obersten Gerichtshof keine Rechtsmittelbeantwortung erstattetet .

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von den gesetzlichen Vorgaben abgewichen ist , er ist dementsprechend auch berechtigt.

[7] 1. Der Revisionsrekurs zeigt zutreffend auf, dass die Voraussetzungen für die Einantwortung nicht vorlagen.

[8] 1.1. Nach § 12 Abs 1 WEG darf der mit dem Wohnungseigentum untrennbar verbundene Mindestanteil außer im Fall einer Eigentümerpartnerschaft zweier natürlicher Personen nicht geteilt werden. Der Grundsatz der Unteilbarkeit des Wohnungseigentums gilt auch in der Erbfolge ( RS0120068 ; Würth / Zingher / Kovanyi , Miet- und Wohnrecht II 23 § 12 WEG Rz 1). Würde der mit dem Wohnungseigentum verbundene Mindestanteil nach den Ergebnissen des Verlassenschaftsverfahrens nach dem Tod des Wohnungseigentümers mehr als zwei natürlichen Personen zufallen, so hat das Verlassenschaftsgericht nach § 12 Abs 2 WEG eine öffentliche Feilbietung des Mindestanteils und des damit verbundenen Wohnungseigentums durch Versteigerung vorzunehmen. Die Versteigerung hat von Amts wegen zu erfolgen (RS0119045). Die Versteigerung richtet sich nach den Regelungen der EO und ist vom Verlassenschaftsgericht durchzuführen (RS0129126).

[9] 1.2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass sich aus dem Umstand, dass die Einantwortung das Intabulationsprinzip durchbricht und den Eigentumsübergang bewirkt, ein Miteigentum von mehr als zwei Personen an einem Mindestanteil aber rechtlich nicht denkbar ist, ergibt, dass bereits vor Einantwortung nach § 12 Abs 2 WEG vorzugehen ist bzw sichergestellt sein muss, dass das Eigentum am Mindestanteil nicht mehr als zwei Personen zufällt (5 Ob 127/94; 6 Ob 92/13t; 2 Ob 113/22i). Diese (besondere) Voraussetzung der Einantwortung im Sinne des § 177 AußStrG ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil sich der Mindestanteil nach wie vor in der Verlassenschaft befindet und durch die Einantwortung auf die Erbengemeinschaft übergehen würde, was der Unteilbarkeit des Mindestanteils widerspricht und zur Aufhebung des Einantwortungsbeschlusses führen muss.

[10] 2. Für das weitere Verfahren wird Folgendes zu beachten sein:

[11] 2.1. Auch wenn das Eigentum am Mindestanteil nicht mehr als zwei Erben zufallen kann, soll die Versteigerung des Mindestanteils im Verlassenschaftsverfahren nur ultima ratio sein (RS0119045). So sieht § 12 Abs 2 WEG ausdrücklich vor, dass die Erben eine Versteigerung durch die Bildung einer eingetragenen Personengesellschaft, die den Mindestanteil als alleinige Eigentümerin übernimmt, vermeiden können. Das Verlassenschaftsgericht oder der Gerichtskommissär muss die Erben daher vor einer Versteigerung des Mindestanteils auf die Möglichkeit der Gründung einer Personengesellschaft hinweisen und ihnen eine solche Vorgehensweise ermöglichen ( AB 1050 BlgNR 21. GP 5 ; RS0119045). Darüber hinaus kann eine Versteigerung durch den Abschluss eines Erbteilungsübereinkommens verhindert werden, welches das Eigentum an der Wohnung einem Erben oder zwei Erben zu gleichen Teilen zuweist ( Höllwerth in Hausmann / Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht 5 § 12 WEG R z 18 ; Würth in Rummel 3 § 12 WEG Rz 3). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht zudem die Möglichkeit einer Erbteilungsklage (2 Ob 113/22i).

[12] 2.2. Im vorliegenden Fall hat der Verstorbene selbst eine Anordnung getroffen, indem er seiner Ehefrau die Wohnung als Vermächtnis zugewendet hat. Dieses Vermächtnis begründet nach § 684 ABGB einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung des Wohnungseigentums. Der im Vermächtnis zum Ausdruck gebrachte Wille des Verstorbenen muss auch im Verlassenschaftsverfahren entsprechend berücksichtigt werden (siehe Likar Peer in Ferrari/Likar-Peer , Erbrecht² Rz 13.7). Die Erfüllung dieses Vermächtnisses darf vom Verlassenschaftsgericht daher auch im Rahmen eines Vorgehens nach § 12 Abs 2 WEG nicht vereitelt werden. Die Durchsetzung des Vermächtnisses ist allerdings dem streitigen Verfahren vorbehalten, wobei die Klage bis zur Einantwortung gegen die Verlassenschaft zu richten ist ( RS0012283 ; RS0045775).

[13] 2.3. Eine analoge Anwendung des Verfahrens über das Erbrecht (§§ 161 ff AußStrG) kommt demgegenüber nicht in Betracht.

[14] Zwar ist dieses Verfahren analog anzuwenden, wenn im Verlassenschaftsverfahren das – die Rechtsstellung des Erben beschränkende und daher nach § 178 Abs 2 Z 1 AußStrG in den Einantwortungsbeschluss aufzunehmende – Bestehen einer Nacherbschaft strittig ist (2 Ob 165/20h). Da auch ein uneigentliches Nachvermächtnis als Beschränkung der Rechte des Erben nach § 178 Abs 2 AußStrG in den Einantwortungsbeschluss aufzunehmen ist, hat der Oberste Gerichtshof zu 2 Ob 104/22s entschieden, dass das Verlassenschaftsgericht auch über das Bestehen und den Umfang eines solchen Vermächtnisses in analoger Anwendung der §§ 161 ff AußStrG zu entscheiden hat (krit dazu Webhofer Neumayr/Webhofer , Auf zum Bezirksgericht, Zak 2023/361 und Tschugguel , Nachvermächtnisstreit analog Erbrechtsstreit, Anm zu 2 Ob 104/22s, EF Z 2023/58 ).

[15] Tragender Grund dieser Entscheidungen war aber der Umstand, dass die Bejahung des geltend gemachten Rechts unmittelbare Auswirkungen auf die Erbenstellung und damit auf die Fassung des Einantwortungsbeschlusses hatte. Hingegen hat der Senat über das Bestehen eines nach § 176 Abs 2 AußStrG sicherzustellenden Pflichtteilanspruchs nicht in einem Verfahren nach den §§ 161 ff AußStrG entschieden, sondern die Parteien insofern – dem Zweck der Sicherstellung entsprechend – auf ein Bescheinigungsverfahren verwiesen (2 Ob 108/24g = RS0135287). Denn die Sicherstellung des Pflichtteilanspruchs ist zwar Voraussetzung für die Einantwortung. Weder der Pflichtteilanspruch noch dessen Sicherstellung hat aber Einfluss auf die Erbenstellung (im Sinn einer uneingeschränkten Gesamtrechtsnachfolge) und damit auf den Inhalt des Einantwortungsbeschlusses. Folgerichtig kommt eine analoge Anwendung des Verfahrens über das Erbrecht nicht in Betracht.

[16] Gleiches gilt im vorliegenden Fall. Denn das Vermächtnis der Witwe ist (wie jedes andere Vermächtnis) nicht in den Einantwortungsbeschluss aufzunehmen, und es besteht auch sonst keine Rechtsgrundlage, aufgrund welcher das Verlassenschaftsgericht über dieses Vermächtnis entscheiden könnte. Die Einantwortung setzt in der vorliegenden Konstellation zwar voraus, dass sich die Wohnung nicht mehr in der Verlassenschaft befindet, hat aber unabhängig davon zu erfolgen, ob die Wohnung der Witwe übertragen oder von einer anderen Person erworben wird. Dem Verlassenschaftsgericht ist es daher verwehrt, über den Anspruch aus dem Vermächtnis zu entscheiden, sodass auch (außer bei Einvernehmen) keine Möglichkeit besteht, der Witwe schon im Verlassenschaftsverfahren das Eigentum an der Wohnung zu übertragen.

[17] 2.4. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht daher vorerst auf eine einvernehmliche Lösung hinwirken müssen ( Höllwerth in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht 5 § 12 WEG Rz 18).

[18] Sollte ein solches Einvernehmen nicht erzielbar sein, wird der Witwe die Möglichkeit einzuräumen sein, die Erfüllung des ihr zugedachten Vermächtnisses durchzusetzen, indem das Gericht eine Frist für die Klagseinbringung setzt. In diesem Prozess wäre gegebenenfalls zu prüfen, ob das Vermächtnis der Witwe einer Kürzung nach § 764 Abs 2 ABGB unterliegt, ob dies auch schon die belangte Verlassenschaft einwenden kann (vgl 1 Ob 652/92 zu § 783 ABGB aF) und wie eine solche Kürzung dann verfahrensrechtlich umzusetzen wäre (vgl 2 Ob 96/14b ).

[19] Die Notwendigkeit einer Fristsetzung ergibt sich daraus, dass das Außerstreitgericht zwar der Witwe die Durchsetzung des Legats ermöglichen muss, zugleich aber verpflichtet ist, bei Untätigbleiben der Witwe durch Versteigerung des Mindestanteils die Voraussetzungen für die Einantwortung zu schaffen. Dass eine unklare Rechtslage in Bezug auf die Wohnung nicht auf Dauer bestehen bleiben kann, folgt auch aus der in § 12 Abs 3 WEG geregelten Vorgangsweise für den Fall einer nach § 12 Abs 2 WEG unzulässigen, aber rechtskräftig gewordenen Einantwortung, die ausdrücklich eine Fristsetzung (durch das dann zuständige Grundbuchsgericht) vorsieht.

[20] 2.5. Da eine Einantwortung unzulässig ist, solange die Wohnung in der Verlassenschaft verbleibt, wird das Verlassenschaftsverfahren im Fall einer Klagsführung nach § 25 Abs 2 AußStrG bis zum Abschluss des streitigen Verfahrens über die Vermächtnisklage zu unterbrechen und der Fortgang des Prozesses im Hinblick auf § 26 Abs 3 AußStrG vom Verlassenschaftsgericht zu überwachen sein. Erst wenn die Witwe eine fristgerechte Klagseinbringung unterlässt, das Verfahren nicht gehörig fortsetzt oder die Klage abgewiesen wird, sodass das Wohnungseigentum in der Verlassenschaft verbleibt, wird das Erstgericht ein Versteigerungsverfahren nach § 12 Abs 2 WEG einzuleiten haben.