JudikaturOGH

1Ob19/25p – OGH Entscheidung

Entscheidung
Wirtschaftsrecht
29. April 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Steger als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger, die Hofrätin Mag. Wessely Kristöfel und die Hofräte Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* GmbH, *, vertreten durch MMag. Eva Kathrein, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (richtig gemäß § 6 Abs 2 COFAG NoAG: Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 149.359,69 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. November 2024, GZ 5 R 19/24m 29, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27. November 2023, GZ 4 Cg 73/22t 15, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie lauten:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 148.619,40 EUR samt 4 % Zinsen aus diesem Betrag seit 6. Mai 2023 binnen 14 Tagen zu zahlen.

2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 740,29 EUR samt 4 % Zinsen aus 149.359,69 EUR vom 8. Juni 2022 bis 5. Mai 2023 sowie 4 % Zinsen aus 740,29 EUR seit 6. Mai 2023 zu zahlen, wird abgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 25.130,79 EUR (darin enthalten 2.265,64 EUR USt und 11.537 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 12.098,56 EUR (darin enthalten 490,43 EUR USt und 9.156 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin betrieb bereits vor 2019 drei Tankstellen aufgrund von Tankstellenagenturverträgen mit einem Mineralölunternehmen. Bei diesen V erträgen stellt das Mineralölunternehmen seine Kraftstoffe und technischen Anlagen für das Kraftstoffgeschäft, wie Tanks, Pumpen etc, zur Verfügung. Der Verkauf des Treibstoffs erfolgt im Namen des Mineralölunternehmens . Die technischen Anlagen stehen in dessen Eigentum.

[2] Die Tankstelle in S* wurde bis Ende Mai 2019 von einem Pächter (in der Folge „Vorpächter“) geführt. Auf seiner Tankstelle betrieb er auch eine Waschstraße „samt Staubsauger“ und einen Shop. Er beschäftigte vier Angestellte und war nicht im Besitz einer Tabakwarenkonzession. Er beabsichtigte, im Frühjahr 2019 in Pension zu gehen.

[3] Am 16. 5. 2019 schlossen die Klägerin und das Mineralölunternehmen einen Tankstellenagenturvertrag für diese Tankstelle in S*. Der Tankstellenagenturvertrag zwischen dem Mineralölunternehmen und dem Vorpächter endete mit dessen Pensionierung. Am 29. 5. 2019 übernahm die Klägerin die Tankstelle in S* in vollem Betrieb. Sie übernahm die dort arbeitenden Angestellten und den Kundenstock des Vorpächters. Sie kaufte die Autowaschanlage „samt Staubsauger“ und die Einrichtung, wie Regale, Kühlschrank, Müllanhänger, Reinigungsmaterialien, Geschirr und Streusalz um 10.198,60 EUR. Weiters erwarb sie die im Shop befindlichen Artikel, bestehend aus Autoölen, Automaterialien (Batterien, Ersatzteile, Scheibenreiniger, Autopflegemittel, etc), Autozubehör (wie Warnwesten, Duftbäume, etc), Lebensmittel und Getränke aller Art, Zigaretten, Zigarren, Zigarillos, Schnupftabak, Tabakzubehör, Hygiene- und Kosmetikartikel, Haushaltswaren, einen Alkomat sowie Katzen- und Hundefutter um 49.528,04 EUR.

[4] Der Vorpächter übergab dem Geschäftsführer der Klägerin keine Unterlagen über seinen Umsatz. Die Klägerin und ihr Steuerberater ersuchten den Vorpächter (vor dem Prozess) auch nicht um Übersendung der vorhandenen Unterlagen.

[5] Im August 2019 bekam die Klägerin für die Tankstelle in S* eine „Tabakkonzession“, wodurch Tabakwaren nicht mehr um 20 % teurer als in einer Trafik waren.

[6] Am 24. 8. 2021 beantragte die Klägerin die Gewährung des Fixkostenzuschusses (FKZ) 800.000 in Höhe von 149.359,69 EUR für den Zeitraum Jänner 2021 bis April 2021. Für die Tankstelle in S* erstellte der Steuerberater der Klägerin für den Vergleichszeitraum Jänner 2019 bis April 2019 eine Planungsrechnung und nahm in diesem Zeitraum einen Umsatz von 328.000 EUR an. Dadurch kam die Klägerin zu folgenden Beträgen (für ihre vier Tankstellen):

Umsatz Vergleichszeitraum 2019 1.706.132,08 EUR

Umsatz Betrachtungszeitraum 2021 1.147.985,23 EUR

Umsatzrückgang 32,71 %

[7] Das mit der Prüfung beauftragte Finanzamt erachtete die Angaben im Förderantrag für nicht plausibel, beurteilte den Sachverhalt als Betriebserweiterung statt als Betriebserwerb und kam zu folgenden Umsätzen:

Umsatz Vergleichszeitraum 2019 1.378.132,08 EUR

Umsatz Betrachtungszeitraum 2021 1.147.985,23 EUR

Umsatzrückgang 16,70 %

[8] Am 8. 6. 2022 lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Antrag der Klägerin ab.

[9] Hätte sich die Klägerin vom Vorpächter die Umsätze für den Zeitraum Jänner 2019 bis April 2019 geben lassen, wie sie es im Prozess auch tat, hätte sich ein Umsatzrückgang in diesen Monaten im Jahr 2021 von über 30 % und ein Fixkostenzuschuss von 148.619,40 EUR ergeben.

[10] Die Klägerin begehrt 149.359,69 EUR sA von der Beklagten. Sie habe für den Betrachtungszeitraum 1. 1. 2021 bis 30. 4. 2021 einen Antrag auf Gewährung der zweiten Tranche des Fixkostenzuschusses 800.000 gestellt. Die für den Vergleichszeitraum herangezogene Umsatzsumme habe sich aus den tatsächlichen Umsätzen der drei bestehenden Betriebe in diesem Zeitraum sowie den hypothetischen Planungswerten für die neu erworbene Tankstelle in S* zusammengesetzt. Für diese seien wegen der erst Mitte 2019 erfolgten Inbetriebnahme keine Umsätze für den Vergleichszeitraum zur Verfügung gestanden. Ausgehend von diesen Werten ergebe sich eine Umsatzreduktion von 32,71 %.

[11] Hinsichtlich der Tankstelle in S* liege ein Betriebserwerb und nicht bloß eine Betriebserweiterung vor. Die Heranziehung einer Planungsrechnung sei zulässig gewesen. Vergleichbare Umsatzzahlen des Vorbetreibers seien nicht vorgelegen, weil der Betrieb durch die gewährte Trafik Konzession verändert worden sei. Auch bei Berücksichtigung der tatsächlichen noch vom Vorpächter erwirtschafteten Umsätze im Vergleichszeitraum Jänner bis April 2019 liege der Umsatzrückgang über dem maßgeblichen Schwellenwert von 30 %.

[12] Die Beklagte wendete ein, die Klägerin habe die Voraussetzung eines Umsatzausfalls von mindestens 30 % nicht erfüllt. Ihr Umsatz sei nur um 16,70 % zurückgegangen.

[13] In der Aufnahme der Tätigkeit am Standort S* liege kein Betriebserwerb. Es sei nicht zu einem Eintritt in einen bestehenden, sich auf den Betrieb beziehenden Pachtvertrag gekommen, sondern schlicht ein neuer Pachtvertrag abgeschlossen worden.

[14] Die Heranziehung einer Planungsrechnung sei nicht zulässig gewesen. Eine solche wäre nur dann gestattet, wenn die für die Berechnung des Umsatzausfalls notwendigen Umsätze des Vergleichszeitraums des zugekauften Betriebs nachweislich nicht zur Verfügung stünden.

[15] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin habe für die Tankstelle S* nur eine Planungsrechnung vorgelegt, obwohl es ihr durch Nachfragen beim Vorpächter ein Leichtes gewesen wäre, sich die tatsächlichen Umsatzzahlen des Vergleichszeitraums zu verschaffen und diese dem Antrag zugrunde zu legen. Die Vorlage einer Planungsrechnung für die Tankstelle in S* anstelle der tatsächlichen Umsatzzahlen sei unzulässig gewesen, sodass die Klägerin bereits aus diesem Grund keinen Anspruch auf Gewährung des Fixkostenzuschusses 800.000 habe.

[16] Das Berufungsgerichtbestätigte das Ersturteil. Rechtlich führte es aus, eine Neugründung liege hinsichtlich der Tankstelle S* nicht vor, sodass die Heranziehung einer Planungsrechnung gemäß Punkt 4.4.1 des Anhangs zur VO über die Gewährung eines FKZ 800.000 (RL FKZVO) ausscheide. Die Vorlage einer Planungsrechnung anstelle der tatsächlichen Umsatzzahlen sei unzulässig gewesen, sodass die Klägerin bereits aus diesem Grund keinen Anspruch auf Gewährung eines Fixkostenzuschusses 800.000 habe. Auf die Einordnung als Betriebserwerb oder Betriebserweiterung komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Gleiches gelte für die Frage, ob darüber hinaus eine Verzichtserklärung des Vorpächters erforderlich gewesen wäre sowie die rechtliche Einordnung der FAQ.

[17] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen – abgesehen von Neugründungen – einem Antrag auf COVID 19-Hilfsmaßnahmen Planungsrechnungen zugrunde gelegt werden können, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

[18] Mit ihrer Revision strebt die Klägerin die Klagestattgebung an.

[19] Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[20] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig . Sie ist auch großteils berechtigt .

1. Rechtlicher Rahmen:

[21] 1.1. Gemäß § 3 Abs 1 COFAG Neuordnungs- und Abwicklungsgesetz, Art 1 des BGBl I 2024/86 (kurz COFAG NoAG), das am 19. 7. 2024 in Kraft trat (§ 25 leg cit), sind die in § 2 Abs 9 leg cit angeführten Verordnungen auf Förderanträge, die bis zum Ende der für diese vorgesehenen Fristen eingebracht wurden, weiter anzuwenden. Zu diesen Verordnungen zählt nach § 2 Abs 9 Z 5 COFAG NoAG die Verordnung gemäß § 3b Abs 3 des ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines begrenzten Fixkostenzuschusses bis EUR 800.000 durch die COVID19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO über die Gewährung eines FKZ 800.000; im Folgenden kurz: FKZVO), BGBl II 2020/497 in der jeweils geltenden Fassung.

[22] Mit dem COFAG Sammelgesetz, BGBl I 2024/86, wird unter anderem § 3b ABBAG-Gesetz aufgehoben, dessen Abs 3 bislang die gesetzliche Grundlage für die in § 2 Abs 9 COFAG NoAG aufgezählten Verordnungen des Bundesministers für Finanzen dargestellt hat. § 3 Abs 1 COFAGNoAG stellt klar, dass diese Verordnungen ungeachtet dieser Aufhebung auch weiterhin maßgeblich sind, soweit der Förderantrag fristgerecht eingebracht worden ist (Bericht des Finanzausschusses 2679 BlgNR 27. GP 7; 1 Ob 141/24b [Rz 17]).

[23] 1.2. Gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 COFAG NoAG gehen sämtliche Rechte und Pflichten der COVID 19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) aus Förderanträgen mit 1. 8. 2024 unverändert auf den Bund über. Nach § 6 Abs 2 COFAG NoAG tritt in sämtlichen gerichtlichen Verfahren der COFAG, die vor dem 1. 8. 2024 – wie hier – anhängig geworden sind und die Ansprüche aus Förderanträgen, Förderverträgen oder Rückforderungen aus diesen zum Gegenstand haben, der Bund von Gesetzes wegen an die Stelle der COFAG. Die Parteibezeichnung ist von Amts wegen zu berichtigen.

[24] In diesem Sinn hat das Berufungsgericht die Bezeichnung der Beklagten auf die „Republik Österreich“ (exakt wäre: den Bund), berichtigt.

[25] 1.3. Nach § 1 FKZVO, BGBl II 2020/497 in den Fassungen BGBl II 2021/73, BGBl II 2021/253, BGBl II 2021/478 und BGBl II 2022/112, hat die Gewährung eines Fixkostenzuschusses zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen des COVID 19-Ausbruchs durch die COFAG den Richtlinien gemäß Anhang zu entsprechen.

[26] Der Anhang zu dieser Verordnung (kurz: RL FKZVO), der auf die Klägerin zur Anwendung gelangt, lautet auszugsweise:

RICHTLINIEN

[...]

1 Präambel

[...]

1.3 [...] Der Fixkostenzuschuss (FKZ 800.000) hat der Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten von Unternehmen im Zusammenhang mit der Ausbreitung von COVID 19 zu dienen [...]

3 Begünstigte Unternehmen

3.1 Ein FKZ 800.000 darf nur zu Gunsten von Unternehmen gewährt werden, bei denen sämtliche nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind:

[...]

3.1.7 das Unternehmen erleidet in den antragsgegenständlichen Betrachtungszeiträumen gemäß Punkt 4.2 insgesamt einen Umsatzausfall von mindestens 30%;

[...]

4 Ermittlung und Höhe des FKZ 800.000

[...]

4.2 Definition Umsätze und Umsatzausfall; Umgang mit Lockdown Umsatzersatz und Lockdown Umsatzersatz II in Betrachtungszeiträumen; Verhältnis FKZ 800.000 zu Verlustersatz

4.2.1 Für die Berechnung der Umsätze eines Unternehmens im Sinne dieser Richtlinien ist auf die für die Einkommens- oder Körperschaftsteuerveranlagung maßgebenden Waren- und/oder Leistungserlöse abzustellen. [...]

4.2.2 Bei der Berechnung des Umsatzausfalls sind einer oder mehrere der folgenden Betrachtungszeiträume zu wählen, wobei sich der Umsatzausfall in diesem Fall aus dem Vergleich zu den jeweils entsprechenden Zeiträumen des Jahres 2019 ergibt:

(a) Betrachtungszeitraum 1: 16. September 2020 bis 30. September 2020;

(b) Betrachtungszeitraum 2: Oktober 2020;

(c) Betrachtungszeitraum 3: November 2020;

(d) Betrachtungszeitraum 4: Dezember 2020;

(e) Betrachtungszeitraum 5: Jänner 2021;

(f) Betrachtungszeitraum 6: Februar 2021;

(g) Betrachtungszeitraum 7: März 2021;

(h) Betrachtungszeitraum 8: April 2021;

(i) Betrachtungszeitraum 9: Mai 2021;

(j) Betrachtungszeitraum 10: Juni 2021.

[...]

4.2.3 Der Umsatzausfall wird berechnet, indem die Differenz zwischen der Summe der Umsätze in den antragsgegenständlichen Betrachtungszeiträumen und der Summe der Umsätze in den jeweiligen Vergleichszeiträumen des Jahres 2019 ermittelt wird.

[...]

4.3 Ermittlung und Höhe des FKZ 800.000

4.3.1 Ein FKZ 800.000 wird ab einem Umsatzausfall von mindestens 30% und unter der Voraussetzung, dass der Beihilfebetrag mindestens EUR 500 beträgt, gewährt.

[... ]

4.4 Neugründungen, Erwerbe von (Teil )Betrieben oder Mitunternehmeranteilen und Umgründungen

4.4.1 Unternehmen, die vor dem 1. November 2020 bereits Umsätze gemäß Punkt 4.2.1 (Waren- und/oder Leistungserlöse) erzielt haben, für die aber keine vergleichbaren umsatz- oder ertragsteuerlichen Daten für das Jahr 2019 vorliegen, können die Umsatzausfälle anhand einer Planungsrechnung plausibilisieren und auf dieser Grundlage einen FKZ 800.000 beantragen.

4.4.2 Bei der Ermittlung des Umsatzausfalls und der Fixkosten ist im Fall des Erwerbs oder der Veräußerung von (Teil )Betrieben oder Mitunternehmeranteilen oder im Falle von Umgründungen auf die jeweilige vergleichbare wirtschaftliche Einheit abzustellen. In diesen Fällen ist durch einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Bilanzbuchhalter zu bestätigen, dass

(a) die auf die jeweilige vergleichbare wirtschaftliche Einheit abstellenden Beträge korrekt sind,

(b) der Erwerb, die Veräußerung oder die Umgründung wirtschaftlich begründet ist und insbesondere nicht überwiegend dazu dient, die Anspruchsvoraussetzungen beziehungsweise Grundlagen für die Ermittlung des FKZ 800.000 zu beeinflussen, und

(c) der Rechtsvorgänger gegenüber dem Rechtsnachfolger unwiderruflich darauf verzichtet hat, einen Antrag auf Gewährung des FKZ 800.000 zu stellen beziehungsweise zugesichert hat, die auf den übertragenen (Teil )Betrieb oder Mitunternehmeranteil entfallenden Teile des Umsatzausfalles und der Fixkosten im Rahmen eines von ihm gestellten Antrags auf Gewährung des FKZ 800.000 nicht zu berücksichtigen. Die Beibringung der Bestätigung kann entfallen, wenn der Rechtsvorgänger im Rahmen des Erwerbs- beziehungsweise Umgründungsvorganges untergegangen beziehungsweise verstorben ist.

[...]“

[27] 1.4. Der Verfassungsgerichtshofs hat aufgrund des Antrags des Berufungsgerichts mit Erkenntnis vom 16. 9. 2024, V 44/2024, die Wortfolge „Auf die Gewährung eines FKZ 800.000 besteht kein Rechtsanspruch.“ in Punkt 7.6 der RL FKZVO, BGBl II 2020/497 in der Fassung BGBl II 2021/253, als gesetzwidrig aufgehoben.

[28] 2. Die Beantragung der Gewährung eines FKZ 800.000 gilt als Angebot auf Abschluss eines Fördervertrags mit der (nunmehr) Beklagten, die dieses durch Auszahlung des FKZ 800.000 annimmt (Punkt 5.1 RL FKZVO; Punkt 7.6 RLFKZVO [privatrechtliche Vereinbarung]). Der Staat hat sich daher im Hinblick auf die eingesetzten technischen Mittel (RS0049882) für eine privatrechtliche Fördervergabe entschieden (vgl Eisenberger/Holzmann , Rechtsqualität der COVID19-Förderungsrichtlinien und Rechtsschutzmöglichkeiten bei verweigerter Förderungsvergabe, RdW 2022, 170 [171]; 2 Ob 50/24b [Rz 22]).

[29] 3. Zwar werden Förderungsrichtlinien in der Regel nicht als Verordnungen im Sinn des Art 18 BVG, sondern als Erklärungen im Zusammenhang unter anderem mit einem abzuschließenden Förderungsvertrag verstanden (RS0049862 [T1]), sodass sie als rechtsgeschäftliche Willenserklärungen auszulegen sind und deren objektiver Erklärungswert mit Hilfe der Auslegungsregeln (im Sinn der §§ 914 ff ABGB) zu ermitteln ist (RS0117563 [T6]).

[30] Im vorliegenden Fall ist aber – schon aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 16. 9. 2024, V 44/2024 – nicht zweifelhaft, dass es sich bei der FKZVO um eine Rechtsverordnung im Sinn des Art 18 BVG handelt, sodass für deren Auslegung die §§ 6 ff ABGB maßgeblich sind.

[31]4. Im Rahmen der „Fiskalgeltung der Grundrechte“ ist der Staat (und die anderen Gebietskörperschaften) auch dann an die Grundrechte und daher auch an das aus dem Gleichheitsgrundsatz (Art 2 StGG; Art 7 Abs 1 BVG) abzuleitende Sachlichkeitsgebot (RS0058455) gebunden, wenn er nicht hoheitlich, sondern im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig wird (RS0038110; 2 Ob 50/24b [Rz 27] mwN).

[32] 5. Strittig ist im Revisionsverfahren, ob es sich bei der Unternehmenspacht der Tankstelle in S* um einen Betriebserwerb (so die Klägerin) oder – so der Standpunkt der Beklagten – um eine von der RL FKZVO nicht erfasste „Betriebserweiterung“ handelt. Weiters ist strittig, ob die Gewährung des FKZ 800.000 anhand einer Planungsrechnung gemäß Punkt 4.4.1 RL FKZVO erfolgen kann oder die für den Vergleichszeitraum vorhandenen umsatz oder ertragsteuerlichen Daten des Vorpächters (Rechtsvorgängers) heranzuziehen sind.

6. Zum Erwerb eines (Teil )Betriebs im Sinn des Punktes 4.4 RL FKZVO

[33] 6.1. Die RL FKZVO enthält keine Definition des Begriffs „Erwerbe von (Teil )Betrieben“. Beide Parteien gehen davon aus, dass der Auslegung der RLFKZVO eine steuerliche und damit eine wirtschaftliche Betrachtungsweise (vgl § 21 Abs 1 BAO) zugrunde zu legen ist.

[34] 6.2. Nach der steuerrechtlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs liegt einErwerb eines Betriebs immer dann vor, wenn die erworbenen Wirtschaftsgüter die wesentliche Grundlage des bisherigen Betriebs gebildet haben und an sich geeignet waren, dem Erwerber die Fortführung des übernommenen Betriebs zu ermöglichen. Es muss ein in seinen wesentlichen Grundlagen vollständiger Organismus des Wirtschaftslebens übertragen werden, wobei es nicht entscheidend ist, ob der Erwerber tatsächlich Willens ist, den erworbenen Betrieb unverändert weiterzuführen. Es genügt, dass die insgesamt erworbenen Wirtschaftsgüter objektiv die Fortführung des Betriebs ermöglichen. Dabei ist der zivilrechtliche Titel, der den Erwerber zur Nutzung bestimmter Teile des Betriebsvermögens berechtigt, nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist die tatsächliche Einräumung des Verfügungsrechts in einer Weise, die es ermöglicht, den Betrieb im Wesentlichen unverändert weiterzuführen (VwGH 2009/15/0161 [zu § 10 Abs 5 dritter Teilstrich EStG 1988 in der Fassung BGBl 1989/660]; vgl 2007/15/0098 [zu § 10 Abs 5 EStG 1988 in der Fassung BGBl 1996/201] = VwSlg 8546 F/2010).

[35] Auch ein Pachtbetrieb kann Gegenstand eines Betriebserwerbs sein. Dies selbst dann, wenn der Erwerber nicht unmittelbar in den Pachtvertrag des Veräußerers einzutreten vermag. Aus der Sicht des Betriebserwerbs ist lediglich entscheidend, ob der Erwerber sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen unter Mitwirkung des Veräußerers erlangt. Eine derartige Mitwirkung kann auch in der – im Zusammenhang mit dem Verkauf der Betriebsvorrichtungen erfolgten – bloßen Aufgabe des Bestandrechts durch den Veräußerer gelegen sein, wenn damit der Eintritt des Betriebserwerbers in den Bestandvertrag ermöglicht werden soll (VwGH 90/13/0017 [zu § 10 Abs 2 Z 5 EStG 1972]; 2009/15/0161).

[36]Unter „Übereignung“ im Sinn des § 14 Abs 1 BAO versteht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht. Es kommt nicht auf eine besondere zivilrechtliche Gestaltung an. Maßgebend ist der Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht vom Vorgänger auf den Erwerber. Ein solcher Übergang liegt auch dann vor, wenn der Erwerber des Unternehmens mit dem Bestandgeber der Geschäftsräumlichkeiten einen neuen Mietvertrag abschließt. Wurde die wirtschaftliche Verfügungsmacht überdas Lokal verschafft und kann der Erwerber den Betrieb des Vormieters in diesen Geschäftsräumlichkeiten und mit dem gekauften Inventar fortführen, dann kann von einer Übereignung des Unternehmens ausgegangen werden. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stellt darauf ab, dass ein Erwerb etwa durch Kauf der Geschäftseinrichtung als einer der wesentlichen Geschäftsgrundlagen dann ausreicht, wenn die andere wesentliche Geschäftsgrundlage, das Lokal, lediglich in Bestand genommen wird, sohin der Eigentümer anstatt mit dem vorigen Betreiber des Unternehmens nunmehr mit dem Erwerber der Geschäftseinrichtung einen Bestandvertrag abschließt. Wenn jedoch sowohl das Lokal als auch die Geschäftseinrichtung in Bestand gegeben waren, es sich um einen Pachtvertrag handelt, und nach dessen Auflösung ein neuer Pachtvertrag mit einem anderen Pächter abgeschlossen wird, erwirbt der neue Pächter das Unternehmen oder den Betrieb nicht vom Vorpächter. Durch eine bloße Pacht wird der Pächter noch nicht wirtschaftlicher Eigentümer des gepachteten Betriebs (VwGH 2011/16/0061 [zu § 14 Abs 1 BAO]).

6.3. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise liegt ein Betriebserwerb im Sinn des Punktes 4.4 RL FKZVO vor:

[37] Der Vorpächter der Tankstelle in S* beabsichtigte in Pension zu gehen und suchte einen Nachfolger. Aufgrund der drohenden Schließung der Tankstelle erklärte sich die Klägerin bereit, diese Tankstelle zu übernehmen. Zu diesem Zweck schloss sie mit dem Mineralölunternehmen am 16. 5. 2019 einen Tankstellenagenturvertrag. Aufgrund eines solchen Vertrags hatte bereits der Vorpächter die Tankstelle geführt, der mit seinem Pensionsantritt endete. Ende Mai 2019 übernahm die Klägerin die Tankstelle in vollem Betrieb (vom Vorpächter). Sie übernahm die dort arbeitenden vier Angestellten und den Kundenstock des Vorpächters. Sie kaufte vom Vorpächter die Waschanlage, die Geschäftseinrichtung und die im Shop befindlichen Artikel. Da die Klägerin den Betrieb der Tankstelle in S* im Frühjahr 2019 „in vollem Betrieb“ übernahm und sie nicht bloß einen Tankstellenagenturvertrag mit dem Mineralölunternehmen abschloss, liegt auch nicht der Fall einer bloßen Pacht vor. Vielmehr ist die Übernahme der Tankstelle S* als Betriebserwerb im Sinn der RL FKZVO zu qualifizieren. Der Klägerin wurde ein lebendiger Betrieb, das ist ein in seinen wesentlichen Betriebsgrundlagen vollständiger Organismus des Wirtschaftslebens, übertragen. Die Tankstelle S* als operativ tätiger Betrieb wurde von ihr übernommen und fortgeführt, sodass vom Erwerb eines Betriebs im Sinn der RL FKZVO gesprochen werden kann.

7. Ermittlung des Umsatzverlusts bei Erwerb eines (Teil )Betriebs

7.1. Im Rahmen der – auch für Verordnungen maßgeblichen ( Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB ON 1.02 § 6 Rz 5) – systematischen Interpretation, die darauf abzielt, aus dem Aufbau eines Gesetzes und dem jeweiligen Standort einer Norm Schlüsse auf ihren Anwendungsbereich zu ziehen, spielen gerade vom Gesetzgeber beschlossene Überschriften eine bedeutende Rolle ( Schauer aaO Rz 10; G. Kodek in Rummel/Lukas 4§ 6 ABGB Rz 79). Der in Punkt 4.4.1 RL FKZVO gebrauchte Unternehmensbegriff ist daher im Zusammenhalt mit der für diesen Punkt vom Verordnungsgeber vorgesehenen Überschrift zu lesen. Bei systematisch logischer Betrachtung des gesamten Punktes 4.4 der RL FKZVO nimmt Punkt 4.4.1 auf die Neugründungen und Punkt 4.4.2 auf Erwerbe von (Teil)Betrieben oder Mitunternehmeranteilen und Umgründungen Bezug (2 Ob 50/24b [Rz 34: zu den inhaltsgleichen Punkten 4.5.1 und 4.5.2 der RL VEVO]).

[38] 7.2. Bei der Ermittlung des Umsatzausfalls und der Fixkosten ist im Fall des Erwerbs von (Teil )Betrieben – wie hier im Fall der Tankstelle S* – auf die jeweilige vergleichbare wirtschaftliche Einheit abzustellen. Anders als im Fall von Punkt 4.4.1 RL FKZVO, wonach die Möglichkeit besteht, den Umsatzverlust anhand einer Planungsrechnung zu plausibilisieren, besteht diese Möglichkeit im Fall des Abstellens auf die vergleichbare wirtschaftliche Einheit nicht. Der spätere Erhalt einer Tabaktrafik Konzession durch die Klägerin kann an der „vergleichbaren wirtschaftlichen Einheit“ nichts ändern. Nach der Richtlinie sind daher die tatsächlichen Umsätze der drei bereits 2019 von der Klägerin betriebenen Tankstellen sowie die Umsätze des Vorpächters der Tankstelle S* zugrunde zu legen. Gerade bei einem Betriebserwerb ist es in der Regel ohne größere Schwierigkeiten möglich, die Umsätze des erworbenen Betriebs aus dem Vergleichszeitraum heranzuziehen. Der Klägerin war es nach den Feststellungen auch leicht möglich, vom Vorpächter die Umsätze für den Vergleichszeitraum zu erhalten. Sie war daher nicht berechtigt, eine Planungsrechnung für die Tankstelle S* heranzuziehen.

[39] Ob der Berechnung des Umsatzausfalls für den Vergleichszeitraum die tatsächlichen Umsätze auch dann zugrunde zu legen wären , wenn diese nachweislich nicht zur Verfügung stünden , braucht im gegenständlichen Fall nicht geklärt werden.

[40] 7.3. Zwar hat der Steuerberater der Klägerin bei Ermittlung des Umsatzverlusts eine Planungsrechnung für den (Teil )Betrieb S* für 2019 zugrunde gelegt, ohne dass dies vom Finanzamt oder anlässlich der Ablehnung, die mit dem Argument einer Betriebserweiterung begründet wurde, beanstandet worden wäre. Die Klägerin hat jedoch im erstinstanzlichen Verfahren die tatsächlichen Umsätze des Vorpächters für den Vergleichszeitraum Jänner bis April 2019 beigebracht und das Klagebegehren auch auf diesen Umstand gestützt . Dass eine Berücksichtigung der tatsächlichen Umsatzzahlen des Vorpächters im Gerichtsverfahren nicht zulässig wäre oder (allenfalls) Punkt 5.3.6. der RL FKZVO berücksichtigt werden müsste, hat die Beklagte nicht eingewendet.

[41] Nach den Feststellungen beträgt der Umsatzrückgang unter Zugrundelegung der tatsächlichen Umsätze des Vorpächters der Tankstelle S* für den Zeitraum Jänner 2019 bis April 2019 für die Klägerin (Unternehmen bestehend aus vier Tankstellen) über 30 % und daraus errechnet sich ein Fixkostenzuschuss von 148.619,40 EUR. Da bei der Ermittlung des Umsatzausfalls der tatsächliche Umsatz des Vergleichszeitraums mit dem Umsatz des Betrachtungszeitraums gegenübergestellt wird und daraus ein Umsatzrückgang von über 30 % resultiert, steht der Klägerin der Fixkostenzuschuss in der festgestellten Höhe zu.

[42] 8. Einer Verzichtserklärung des Vorpächters der Tankstelle S* im Sinn des Punktes 4.4.2(c) RL FKZVO bedarf es nicht. Da dieser (noch vor dem Ausbruch der Pandemie) im Frühjahr 2019 in Pension gegangen ist und seine Betriebstätigkeit eingestellt hat, hat er keinen Anspruch auf Gewährung des FKZ 800.000. Seine Situation ist dem in dieser Bestimmung für den Entfall einer solchen Bestätigung genannten Fall gleichzuhalten , dass „der Rechtsvorgänger im Rahmen des Erwerbsvorganges […] untergegangen [...] ist“ .

[43] 9. Der Revision der Klägerin ist daher großteils Folge zu geben. Ihr Begehren besteht in der Höhe von 148.619,40 EUR samt Zinsen ab der Geltendmachung der tatsächlichen Umsätze des Vorpächters mit Schriftsatz vom 5. 5. 2023 zu Recht. Das darüber hinausgehende Begehren ist abzuweisen.

[44]10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs 2 erster Fall ZPO, im Rechtsmittelverfahren in Verbindung mit § 50 ZPO. Die Klägerin ist nur mit einem geringfügigen Teil ihres Anspruchs, dessen Geltendmachung besondere Kosten nicht veranlasst hat, unterlegen. Die Kosten sind auf der Basis des ersiegten Betrags zuzusprechen.