3Ob34/25h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*, vertreten durch Dr. Milan Vavrousek und andere Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, gegen die beklagte Partei E*, vertreten durch die Reischl - Bernhofer - Schnöll Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen 5.131,14 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 5. Dezember 2024, GZ 21 R 313/24m 35, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 24. Juni 2024, GZ 15 C 429/23w 29, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
[1] Das Berufungsgericht wies das auf Leistung des Deckungskapitals für die Reparatur eines von der Klägerin gekauften Gebrauchtwagens, hilfsweise auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichtete Klagebegehren ab. Es ließ die ordentliche Revision nachträglich mit der Begründung zu, es sei nicht auszuschließen, dass es die schlüssige Zusicherung der Verkehrs und Betriebssicherheit des Fahrzeugs zu Unrecht verneint habe.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die Revisionder Klägerin ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
[3] 1. Vertragsinhalt beim Gebrauchtwagenkauf ist das konkrete Fahrzeug. Der Käufer hat mit den dem Alter und den gefahrenen Kilometern entsprechenden Verschleiß und Abnützungserscheinungen zu rechnen. Das Fahrzeug muss aber – sofern nicht gegenteilig vereinbart – die nach der Verkehrsauffassung gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften haben. Dazu gehört in der Regel auch die Verkehrsund Betriebssicherheit (4 Ob 96/24g mwN). Zudem muss der geschuldete Vertragsgegenstand die ausdrücklich oder stillschweigend zugesicherten Eigenschaften aufweisen (vgl 3 Ob 140/22t).
[4]2. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 9 KSchG ist ein rechtsgeschäftlicher Gewährleistungsausschluss nach § 929 ABGB zulässig (9 Ob 3/09w; 4 Ob 96/24g; 9 Ob 120/24y). Seine Reichweite ist durch Auslegung im Einzelfall nach der Absicht der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs zu ermitteln (RS0016561 [T1]). In der Regel erfasst er auch verborgene Mängel und das Fehlen gewöhnlich vorausgesetzter Eigenschaften (vgl RS0018564 [T6]), nicht aber das Fehlen – auch schlüssig – zugesicherter Eigenschaften (RS0018523 [T3, T8]). Die schlüssige Zusicherung bestimmter Eigenschaften „überlagert“ also selbst einen umfassenden vertraglichen Gewährleistungsausschluss (4 Ob 96/24g).
[5] 3. Die höchstgerichtliche Rechtsprechung, nach der die Fahrbereitschaft eines Gebrauchtwagens – und damit seine Verkehrsund Betriebssicherheit – grundsätzlich als schlüssig zugesichert gilt (RS0018502; RS0110191), und zwar auch in Fällen eines umfassenden Gewährleistungsverzichts bzw Gewährleistungsausschlusses (RS0018502 [T1, T4]; RS0110191 [T1]), bezieht sich auf den Kauf vom gewerblichen Kraftfahrzeughändler.
[6] 4. Ob ein Verkäufer, der – wie hier die Beklagte – nicht gewerblich mit Kraftfahrzeugen handelt, dem Käufer eines Gebrauchtwagens schlüssig die Fahrbereitschaft – und damit die Verkehrsund Betriebssicherheit – zugesichert hat, ist nach den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre zu prüfen. Ob eine Eigenschaft als zugesichert anzusehen ist, hängt nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern davon, was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung des Vertragspartners erschließen durfte. Seine berechtigte Erwartung ist an der Verkehrsauffassung zu messen (RS0114333). Gerade bei der Annahme einer schlüssigen Willenserklärung gemäß § 863 ABGB ist Vorsicht geboten (RS0014157; RS0013947). Sie setzt ein Verhalten voraus, das nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist; es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass der Wille, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen, vorliegt (RS0013947 [T1]).
[7] 5. Von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht nicht abgewichen, indem es eine schlüssige Zusicherung der Verkehrsund Betriebssicherheit des Gebrauchtwagens verneinte. Der Ehemann der Klägerin unternahm vor Ankauf des Fahrzeugs mit dem Ehemann der Beklagten eine Probefahrt. Weder dabei noch anlässlich des Fahrzeugkaufs sprachen die Parteien über den Zustand des Fahrzeugs. Auch die Funktionsweise des Automatikgetriebes und das Fahrverhalten des Fahrzeugs beim Gangwechsel waren kein Thema. Dafür, dass die Beklagte durch ihr eigenes oder ein ihr zurechenbares Erklärungsverhalten eine bestimmte Eigenschaft des Fahrzeugs, insbesondere dessen Verkehrs- und Betriebssicherheit oder eine Mangelfreiheit bis zum Ende der Gültigkeit des „Pickerls“ zusichern wollte, bestehen keine Anhaltspunkte (vgl 4 Ob 96/24g [Rz 17]). DasVorhandensein der Begutachtensplakette nach § 57a KFG („Pickerl“) ist eine bloße Eigenschaft des Kaufgegenstands, die vom Kaufinteressenten nicht per se als Zusage für weitere Eigenschaften interpretiert werden darf (vgl 4 Ob 96/24g [Rz 18]).
[8]Die Entscheidung 4 Ob 11/13s ist hier entgegen der Ansicht der Klägerin nicht einschlägig. Diesem Judikat lag nämlich der Sachverhalt zugrunde, dass der dortige Verkäufer im Gespräch mit dem Kaufinteressenten ausdrücklich bestätigt hatte, dass das Fahrzeug in „tadellosem Zustand“ und „vorschadensfrei“ sei und „alles passe“. Demgegenüber war im vorliegenden Fall der Zustand des Fahrzeugs im Gespräch zwischen den Streitteilen kein Thema. Allein in der allgemeinen Anpreisung in dem auf einer Internetplattform geschalteten Inserat „Aoto ist Top Zustand mit neuen Pickel, Auto hat keine Rost ist Garage Auto“ ist keine über das Vorhandensein des „Pickerls“ hinausgehende schlüssige Zusicherung zum technischen Zustand des Fahrzeugs, insbesondere des Automatikgetriebes zu erblicken.
[9]6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen.