11Os11/24p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juli 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Loibl LL.M., BSc als Schriftführer in der Strafsache gegen * H* und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * H*, * Ho*, * Hof*, * P*, * Pi*, * W*, * Sch* und * S* gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 4. Oktober 2023, GZ 25 Hv 102/21f 100, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen – im zweiten Rechtsgang ergangenen (vgl zum ersten: 11 Os 74/22z) – Urteil wurden * H*, * Ho* und * Hof* jeweils des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (II/) sowie * P*, * Pi*, * W*, * Sch* und * S* jeweils des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (I/) schuldig erkannt.
[2] Danach haben – soweit hier von Relevanz und verkürzt wiedergegeben – in H* und ander norts mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz
I/ * P*, * Pi*, * W*, * Sch* und * S* Verantwortliche der Einlagensicherung Austria GmbH durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erstattung von Einlagen, jeweils zu einer Handlung, nämlich zur Erstattung von Einlagen, verleitet, die diese in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte, indem sie die im Urteil konkret und einzeln bezeichneten, von der C* AG ausgegebenen, auf * H*, * Ho* und * Hof* legitimierten „Typ-1-Überbringersparbücher“ der Einlagensicherung Austria GmbH [mit dem von dieser zur Verfügung gestellten Formular] unter Bekanntgabe des Losungsworts vorlegten und dabei ihre im Innenverhältnis vorliegende Verpflichtung zur Ausfolgung des Erlöses an * H*, * Ho* und * Hof* verschwiegen und eine bereits im Zeitpunkt der Schließung der Bank am 14. Juli 2020 bestanden habende Verfügungsberechtigung über die Sparbücher vorspiegelten [US 8] und diese so zur Unterlassung der Prüfung ihrer Anspruchsberechtigung und zur Auszahlung der in den Sparbüchern verbrieften Einlagen in nachangeführter Höhe veranlassten [US 8 f], und zwar
A/ * P* am 3. August 2020 hinsichtlich fünf im Urteil angeführter Sparbücher mit einem Gesamtbetrag von 72.455,32 Euro,
B/ * Pi* am 3. August 2020 hinsichtlich sechs im Urteil angeführter Sparbücher mit einem Gesamtbetrag von 86.228,60 Euro,
C/ * W* am 24. August 2020 hinsichtlich vier im Urteil angeführter Sparbücher mit einem Gesamtbetrag von 56.902,92 Euro,
D/ * Sch* am 24. August 2020 hinsichtlich vier im Urteil angeführter Sparbücher mit einem Gesamtbetrag von 50.468,59 Euro,
E/ * S* am 7. August 2020 hinsichtlich sechs im Urteil angeführter Sparbücher mit einem Gesamtbetrag von 81.463,04 Euro,
II/ * H*, * Ho* und * Hof* gemeinsam zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt nach dem 14. Juli 2020 die unter I/A/ bis E/ Genannten zu den dort jeweils angeführten Taten bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), indem sie ihnen die dort angeführten Sparbücher übergaben und sie zur Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Einlagensicherung Austria GmbH und anschließenden Übergabe des Einlösungserlöses aufforderten [US 7 f], wodurch ein Schaden in der Höhe von insgesamt 347.518,47 Euro herbeigeführt wurde.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Urteil richten sich die gemeinsam ausgeführten, auf § 281 Abs 1 Z 1, 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten.
[4] Die Besetzungsrüge (Z 1) behauptet Ausgeschlossenheit der Vorsitzenden des Schöffengerichts gemäß § 43 Abs 1 Z 3 StPO, weil die im ERV als pdf Datei zugestellte Urteilsausfertigung beim Öffnen als Titel die St Zahl trage und in den Metadaten als Verfasser der Name des fallführenden Staatsanwalts aufscheine, was darauf schließen lasse, dass dieser die schriftliche Urteilsausfertigung verfasst habe und der Kontakt zwischen diesem und der vorsitzenden Richterin „auch schon vor Erstellung der Urteilsausfertigung weit über ein bloßes dienstliches Begegnungsverhältnis hinausging“.
[5] Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass die behaupteten Umstände (St Zahlen beim Öffnen, Name des Staatsanwalts in den Metadaten) lediglich das Ergebnis der – zulässigen (RIS Justiz RS0115236) – EDV mäßigen Übernahme früherer Aktenbestandteile bei der Urteilsverfassung wären. Dass die Urteilsausfertigung durch den Staatsanwalt verfasst worden wäre und deshalb ein Naheverhältnis zwischen diesem und der Vorsitzenden, welches die Ausgeschlossenheit der Letzteren begründet hätte, besteht, kann daraus nicht geschlossen werden.
[6] Soweit die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) widersprüchliche Feststellungen und Erwägungen zur Höhe der aus der gesetzlichen Einlagensicherung bestehenden Ansprüche sowie zum Wissen der Angeklagten um die Sicherung von Einlagen bis zu einem Betrag von 100.000 Euro pro Einleger behauptet, versagt sie schon mangels Bezugs zu einer für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidenden Tatsache. Denn der – den Angeklagten bekannte – Umstand der Sicherung von Einlagen (nur) bis zu einem Betrag von 100.000 Euro war bloß Motiv für die Tatbegehung (vgl RIS-Justiz RS0088761); für die rechtliche Unterstellung von Bedeutung ist hingegen die (vorsätzliche) Vorspiegelung von Tatsachen bezüglich eines den die Sparbücher vorlegenden Angeklagten für Spareinlagen bei der C* AG zukommenden Erstattungsanspruchs (RIS Justiz RS0117722, RS0094010).
[7] Die weitere Rüge behauptet gestützt auf „Z 5 zweiter und vierter Fall iVm Z 9 lit a“ eine unvollständige und unzureichende Begründung der konstatierten Täuschungs- und Bestimmungshandlungen (US 7 f) sowie der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 10 f):
[8] Mit Rechtsausführungen zur wertpapierrechtlichen Einordnung der in Rede stehenden „Kleinbetragssparbücher“ sowie zu den Voraussetzungen für die Geltendmachung der darin verbrieften Forderungen wird ein formaler Begründungsmangel im Sinn der Z 5 nicht aufgezeigt. Soweit die Beschwerde mit der Behauptung des Bestehens eines Anspruchs auf Auszahlung der Einlage ab Innehabung der Sparbücher (samt Kenntnis des Losungsworts) – der Sache nach – eine Täuschung bestreitet (inhaltlich Z 9 lit a), argumentiert sie nicht auf Basis der Urteilsfeststellungen (vgl aber RIS-Justiz RS0099810) zur Vorspiegelung einer Innehabung der Sparbücher bereits im – für das Bestehen von Ansprüchen aus der Einlagensicherung maßgeblichen – Zeitpunkt des Eintritts des Sicherungsfalls am 14. Juli 2020 (US 8, US 10). Inwiefern diese Konstatierungen zur Vorspiegelung einer (bereits) im Zeitpunkt des Eintritts des Sicherungsfalls bestanden habenden, nicht durch Rechte Dritter eingeschränkten Verfügungsberechtigung über die in Rede stehenden Sparbücher die rechtliche Annahme einer Täuschung (der Verantwortlichen der Einlagensicherung Austria GmbH über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erstattung von Einlagen) nicht tragen soll, erklärt die Rüge nicht.
[9] Dem Beschwerdevorwurf (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben die Tatrichter die Angaben des Zeugen * T* nicht unberücksichtigt gelassen (vgl US 11 f, US 13). Die Erörterung rechtlicher Ausführungen des Zeugen unterblieb zu Recht, weil Gegenstand des Zeugenbeweises nur Wahrnehmungen von Tatsachen, nicht jedoch Schlussfolgerungen, Wertungen oder rechtliche Beurteilungen sind (vgl RIS Justiz RS0097540).
[10] Soweit die Beschwerde eine Missachtung von Informations- und Aufklärungspflichten durch die Verantwortlichen der Einlagensicherung Austria GmbH behauptet, Kenntnis der Angeklagten vom Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Erstattung der Einlagen bestreitet und einzelne Erwägungen des Schöffengerichts zur subjektiven Tatseite (vgl US 16 f) kritisiert, argumentiert sie nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung. Gleiches gilt, soweit sie den von * P*, * Pi*, * W*, * Sch* und * S* gegenüber der Einlagensicherung Austria GmbH gesetzten Verhaltensweisen und Erklärungen (vgl US 8, US 10 f) einen anderen Bedeutungsinhalt beimisst als die Tatrichter (US 12, US 17).
[11] Die von der Verteidigung vorgelegten Zeitungsartikel sowie das in der Hauptverhandlung abgespielte ORF Interview des * T* ließen die Tatrichter nicht unerörtert (US 17); dass sie diesen nicht den von den Rechtsmittelwerbern gewünschten Beweiswert zuerkannten, stellt keine Mangelhaftigkeit im Sinn der Z 5 dar (RIS Justiz RS0099455).
[12] Die Konstatierungen zum Täuschungsvorsatz (US 10 f) sind – dem Beschwerdevorwurf (Z 5 vierter Fall) zuwider – nicht unbegründet geblieben. Die Tatrichter haben vielmehr ihre Überzeugung vom Handeln der Angeklagten mit der entsprechenden Intention aus dem objektiven Tatgeschehen, dem Wissen der Angeklagten um die – im Übrigen auch weitgehend bekannte – mit 100.000 Euro gesetzlich festgesetzte Höchstgrenze des Einlagensicherungsanspruchs, der auch für Laien gegebenen Erkennbarkeit der Unzulässigkeit einer Umgehung dieser Grenze sowie der Setzung von Verschleierungshandlungen (US 16 f) mängelfrei erschlossen.
[13] Die Verantwortung der * P* hat das Schöffengericht sehr wohl berücksichtigt, jedoch als unglaubwürdig verworfen (US 13, US 15).
[14] Der weiteren Kritik der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider haben die Tatrichter die Feststellungen zu den Schadenshöhen (US 8 f) und zum darauf bezogenen Vorsatz der Angeklagten (US 10 f) aus der Höhe der Spareinlagen (deren Erstattung begehrt wurde) bzw der Höhe der Auszahlungen (US 17 ff) logisch und empirisch einwandfrei abgeleitet.
[15] Weshalb die Einlagensicherung Austria GmbH hinsichtlich der – unter anderem durch Täuschung über die Verfügungsberechtigung über die Sparbücher am 14. Juli 2020 (dem Tag des Eintritts des Sicherungsfalls [§ 9 Z 2 ESAEG] infolge behördlich verfügter Zahlungseinstellung – vgl US 6) – erfolgten Auszahlungen mit Blick auf § 16 sowie § 7 Abs 1 Z 6 ESAEG und die Stichtagsregelung des § 13 Abs 4 ESAEG Ansprüche auf eine Konkursquote im Insolvenzverfahren der C* AG haben sollte und dies bei der Ermittlung der Schadenshöhe hätte berücksichtigt werden müssen (dSn Z 10 ) , leitet die Beschwerde nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS Justiz RS0116565; vgl im Übrigen 11 Os 74/22z Rz 9 f) .
[16] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Verteidigers – waren die Nichtigkeitsbeschwerden bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.