JudikaturJustizBsw24130/11

Bsw24130/11 – AUSL EGMR Entscheidung

Entscheidung
15. November 2016

Kopf

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Große Kammer, Beschwerdesache A. und B. gg. Norwegen, Urteil vom 15.11.2016, Bsw. 24130/11.

Spruch

Art. 4 7. Prot. EMRK - Doppelte Sanktionierung eines Steuervergehens.

Zulässigkeit der Beschwerde (einstimmig).

Keine Verletzung von Art. 4 7. Prot. EMRK (16:1 Stimmen).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Der ErstBf. und der ZweitBf. gerieten im Zusammenhang mit dem Verkauf von Firmenanteilen nach einer Steuerprüfung bei einer der am Verkauf beteiligten Firmen im Jahr 2005 ins Visier der norwegischen Steuerbehörden, die den Verdacht hatten, dass die Bf. ihnen ihre Gewinne aus dem Geschäft nicht bekanntgegeben hatten.

Der ErstBf. wurde in diesem Zusammenhang am 14.12.2007 verhaftet und als Beschuldigter vernommen. Am 14.10.2008 wurde er wegen Verstößen gegen § 12-1 Abs. 1 lit. a (Steuerbetrug) bzw. § 12-2 (Schwerer Steuerbetrug) des Steuerbemessungsgesetzes (SBG) 1980 angeklagt.

Am 24.11.2008 änderte die Steuerverwaltung seine Steuerbemessung insbesondere für das Jahr 2002, da er es unterlassen habe, Einkünfte in Höhe von umgerechnet circa € 360.000,– bekanntzugeben. Sie berief sich dabei auf die Steuerprüfung aus 2005, die strafrechtliche Untersuchung und seine Aussagen sowie Dokumente, die von Økokrim (der Behörde zur Untersuchung und Verfolgung von Wirtschafts- und Umweltkriminalität) während ihrer Ermittlungen beschlagnahmt worden waren. Mit Verweis auf § 10-2 Abs. 1 und § 10-4 Abs. 1 SBG verhängte die Steuerverwaltung zudem eine Steuerstrafe von 30?% der geschuldeten Steuer. Der ErstBf. erhob keine Berufung gegen diese Entscheidung und bezahlte sowohl die ausstehende Steuer als auch die Strafe.

Am 2.3.2009 verurteilte das zuständige BG den ErstBf. wegen schwerem Steuerbetrug zu einem Jahr Gefängnis, weil er es in seiner Steuerklärung 2002 unterlassen habe, Einkünfte bekanntzugeben. Bei der Festsetzung der Strafe berücksichtigte das Gericht den Umstand, dass der ErstBf. bereits durch die Verhängung einer Steuerstrafe eine wesentliche Sanktion erhalten hatte. Berufungen des Bf. wurden am 12.4.2010 vom Berufungsgericht und am 27.9.2010 vom OGH abgewiesen.

Im Hinblick auf den ZweitBf. teilten die Steuerbehörden Økokrim nach der Steuerprüfung 2005 im Herbst 2007 mit, dass dieser es versäumt hätte, in seiner Steuererklärung für das Jahr 2002 Einkünfte von umgerechnet circa € 500.000,– bekanntzugeben. Am 5.12.2008 änderte die Steuerverwaltung seine Steuerbemessung und verhängte mit Verweis auf § 10-2 Abs. 1 und § 10-4 Abs. 1 SBG zudem eine Steuerstrafe von 30?% der geschuldeten Steuer. Der ErstBf. bezahlte sowohl die ausstehende Steuer als auch die Strafe und erhob keine Berufung gegen diese Entscheidung, die damit am 26.12.2008 rechtskräftig wurde.

Zwischenzeitlich wurde der ZweitBf. am 11.11.2008 vom Staatsanwalt wegen Verstößen gegen § 12-1 Abs. 1 lit. a bzw. § 12-2 SBG angeklagt, weil er es für die Steuerjahre 2001 und/oder 2002 unterlassen habe, Einkünfte bekanntzugeben. Der Staatsanwalt ersuchte das Stadtgericht Oslo, auf Basis seines Geständnisses ein Urteil in einem summarischen Verfahren zu erlassen. Nachdem der Bf. sein Geständnis widerrufen hatte, brachte der Staatsanwalt am 29.5.2009 eine neue, geänderte Anklage gegen ihn ein.

Am 30.9.2009 verurteilte das Stadtgericht den ZweitBf. wegen schwerem Steuerbetrug zu einem Jahr Gefängnis. Bei der Festsetzung der Strafe berücksichtigte das Gericht den Umstand, dass gegen den ZweitBf. bereits eine Steuerstrafe verhängt worden war. Berufungen des Bf. wurden am 8.7.2010 vom Berufungsgericht und am 29.10.2010 vom OGH ab- bzw. zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Die Bf. behaupteten eine Verletzung von Art. 4 7. Prot. EMRK (Doppelbestrafungsverbot), da sie beide hinsichtlich desselben Delikts nach § 12-1 SBG zweimal verfolgt und bestraft worden wären. Sie wären vom Staatsanwalt beschuldigt und angeklagt worden, dann wären ihnen von den Steuerbehörden Strafsteuern auferlegt worden, die sie bezahlt hätten, und schließlich wären sie von den Strafgerichten verurteilt und bestraft worden.

Zulässigkeit

(55) [...] Die vorliegenden Beschwerden sind nicht offensichtlich unbegründet [...]. Da sie auch aus keinem anderen Grund unzulässig sind, müssen sie für zulässig erklärt werden (einstimmig).

In der Sache

(102) Im Vorbringen der Parteien und der Drittbeteiligten findet sich kaum eine Meinungsverschiedenheit betreffend den bedeutendsten Beitrag, den das Urteil der GK im Fall Zolotukhin/RUS leistete – die Klarstellung der Kriterien für die Beurteilung, ob das Delikt, wegen dem ein Bf. im zweiten Verfahren verfolgt oder bestraft wird, dasselbe (idem) ist wie jenes, in Bezug auf das bereits im ersten Verfahren eine Entscheidung erlassen wurde (Rn. 70-84 des Urteils). Es kam auch zu keiner wesentlichen Uneinigkeit im Hinblick auf die in diesem Urteil dargelegten Kriterien für die Beurteilung, wann eine »endgültige« Entscheidung getroffen wird.

(103) Demgegenüber wurden verschiedene Ansichten geäußert, was die Methode angeht, die zu verwenden ist, um zu entscheiden, ob die Verfahren betreffend die Verhängung von Steuerstrafen »strafrechtlich« iSd. Art. 4 7. Prot. EMRK waren – diese Frage kann Auswirkungen auf die Anwendbarkeit des Verbots der doppelten Verfolgung nach dieser Bestimmung haben.

(104) Zusätzlich gab es widersprüchliche Ansätze [...] insbesondere was das Ausmaß anbelangt, in dem parallele oder doppelte Verfahren unter Art. 4 7. Prot. EMRK erlaubt sein sollten.

Die relevanten Kriterien zur Entscheidung, ob das erste Verfahren »strafrechtlich« war: unterschiedliche Ansätze in der Rechtsprechung

(105) Im Fall Zolotukhin/RUS wendete der GH zur Entscheidung, ob das fragliche Verfahren vor dem Hintergrund von Art. 4 7. Prot. EMRK als »strafrechtlich« angesehen werden konnte, die drei Engel-Kriterien an, die zuvor für die Zwecke von Art. 6 EMRK entwickelt worden waren: (1) die rechtliche Einordnung einer Straftat nach innerstaatlichem Recht; (2) die Natur der Straftat und (3) der Schweregrad der Strafe, welche die betroffene Person Gefahr läuft zu erhalten. Dabei sind das zweite und dritte Kriterium alternativ und nicht notwendigerweise kumulativ anzuwenden, während ein kumulativer Ansatz jedoch nicht ausgeschlossen ist. Das Urteil folgte [damit] nicht – wie es hätte tun können – der Argumentation in einer Reihe von früheren Fällen, die eine nicht abschließende und weitere Auswahl von Faktoren miteinbezog, ohne deren Gewicht anzugeben oder festzulegen, ob sie alternativ oder kumulativ waren. Die Regierungen Frankreichs (als Drittbeteiligte) und Norwegens laden den GH nun ein, mit dem gegenständlichen Urteil die Gelegenheit zu nutzen, die Anwendung des letztgenannten, weiteren Tests zu bestätigen.

(106) Es existieren eine Reihe von Gründen, die für einen solchen interpretativen Ansatz sprechen, insbesondere dass Art. 4 7. Prot. EMRK von seinen Verfassern offenkundig auf Strafverfahren im engeren Sinn gerichtet war und dass er – anders als Art. 6 EMRK, aber wie Art. 7 EMRK – ein nicht derogierbares Recht nach Art. 15 EMRK beinhaltet. Während Art. 6 EMRK sich darauf beschränkt, Garantien für ein faires Strafverfahren bereitzustellen, hat das Verbot der Doppelverfolgung in Art. 4 7. Prot. EMRK im Hinblick auf eine große Reihe an Handlungen bestimmte, potenziell weite Implikationen für die Art der Anwendung des innerstaatlichen Rechts auf strafrechtliche und verwaltungsrechtliche Sanktionen. Letzterer Artikel bringt eine detailliertere Beurteilung des materiellen Strafrechts mit sich, da er erfordert festzustellen, ob die jeweiligen Straftaten dasselbe Verhalten (idem) betrafen. Diese Unterschiede, der fehlende Konsens in den nationalen Systemen der Vertragsstaaten und der unterschiedliche Wille der Staaten, sich an das Protokoll zu binden, sowie der allgemein weite Ermessensspielraum, den die Staaten bei der Entscheidung über ihr Strafsystem und ihre Politik genießen, wären sehr wohl geeignet, eine größere Auswahl an anwendbaren Kritierien zu rechtfertigen, insbesondere mit einer stärkeren innerstaatlich-rechtlichen Komponente, wie sie unter Art. 7 EMRK und vor Zolotukhin/RUS auch unter Art. 4 7. Prot. EMRK verwendet wurde. Das würde daher einen engeren Anwendungbereich bedeuten als unter Art. 6 EMRK.

(107) Auch wenn es zutrifft [...], dass das Urteil Zolotukhin/RUS sich nicht explizit zu dieser Frage äußerte, muss davon ausgegangen werden, dass der GH in diesem Urteil eine bewusste Entscheidung für die Engel-Kriterien als Prüfmodell für die Beurteilung getroffen hat, ob das betreffende Verfahren »strafrechtlich« iSd. Art. 4 7. Prot. EMRK war. Es scheint nicht gerechtfertigt zu sein, im vorliegenden Fall von diesem Ansatz abzugehen, da es in der Tat gewichtige Erwägungen gibt, die für eine solche Wahl sprechen. Der ne bis in idem-Grundsatz ist hauptsächlich mit dem fairem Verfahren befasst, das Gegenstand von Art. 6 EMRK ist und betrifft weniger den Inhalt des Strafrechts als Art. 7 EMRK. Der GH erachtet es im Sinne der einheitlichen Auslegung der Konvention insgesamt gesehen als angemessener, dass die Anwendung des Grundsatzes von denselben, genaueren Engel-Kriterien bestimmt wird. [...]

Schlussfolgerungen aus der bisherigen Rechtsprechung

(120) [...] Zunächst ist festzuhalten, dass [...] es in erster Linie bei den Vertragsstaaten liegt zu entscheiden, wie sie ihr Rechtssystem, einschließlich ihres Strafverfahrens, organisieren. Die Konvention verbietet etwa nicht die Trennung des Vorgangs der Verurteilung in einem Fall in verschiedene Stufen oder Teile, so dass für ein Delikt, das im Sinne der autonomen Bedeutung dieses Begriffs unter der Konvention als »strafrechtlich« zu charakterisieren ist, nacheinander oder parallel verschiedene Strafen verhängt werden. [...]

(121) Nach Ansicht des GH sollten die Staaten berechtigterweise in der Lage sein, auf sozial anstößiges Verhalten (wie Nichtbeachtung der Straßenverkehrsvorschriften oder Nichtzahlung/Hinterziehung von Steuern) komplementäre rechtliche Reaktionen über verschiedene Verfahren zu wählen, die ein zusammenhängendes Ganzes bilden, um unterschiedliche Aspekte des betreffenden sozialen Problems anzusprechen – vorausgesetzt, dass die kumulierten rechtlichen Antworten keine exzessive Last für das betroffene Individuum darstellen.

(122) In Fällen, die eine Frage unter Art. 4 7. Prot. EMRK aufwerfen, ist es Aufgabe des GH zu entscheiden, ob die spezielle gerügte nationale Maßnahme dem Inhalt oder der Wirkung nach eine Doppelverfolgung zulasten des Einzelnen mit sich bringt oder ob sie im Gegenteil das Produkt eines integrierten Systems ist, das es ermöglicht, verschiedene Aspekte des Fehlverhaltens auf vorhersehbare und verhältnismäßige Weise anzusprechen und ein zusammenhängendes Ganzes bildet, so dass das betroffene Individuum dadurch nicht einer Ungerechtigkeit ausgesetzt wird.

(123) Art. 4 7. Prot. EMRK kann nicht die Wirkung haben, dass es den Vertragsstaaten auch in schwerwiegenderen Fällen – wo es angemessen sein kann, den Täter für ein der Nichtzahlung immanentes zusätzliches Element wie betrügerisches Verhalten zu verfolgen, das im »verwaltungsrechtlichen« Steuerbetreibungsverfahren nicht behandelt wurde – untersagt wäre, ihr Rechtssystem so zu organisieren, dass sie die Verhängung einer standardmäßigen Verwaltungsstrafe für unrechtmäßig nicht bezahlte Steuern (wenngleich das eine Strafe darstellen sollte, die für die Zwecke der Garantien eines fairen Verfahrens nach der Konvention als »strafrechtlich« zu qualifizieren ist) vorsehen. Ziel von Art. 4 7. Prot. EMRK ist es, die Ungerechtigkeit zu verhindern, dass eine Person zweimal für dasselbe kriminalisierte Verhalten verfolgt oder bestraft wird. Er macht jedoch Rechtssysteme nicht unrechtmäßig, die einen »integrierten« Ansatz betreffend das fragliche soziale Fehlverhalten und insbesondere einen solchen Ansatz anlegen, der parallele Phasen rechtlicher Reaktionen auf das Fehlverhalten durch verschiedene Behörden und zu unterschiedlichen Zwecken mit sich bringt.

(124) Der GH ist der Ansicht, dass die [bisherige] Rechtsprechung zu parallelen oder doppelten Verfahren [...] eine nützliche Anleitung bietet, um den zu schaffenden gerechten Ausgleich zwischen einerseits der gebührenden Garantie der Interessen des durch den ne bis in idem-Grundsatz geschützten Individuums und andererseits der Berücksichtigung der besonderen Interessen der Gemeinschaft daran, einen abgestimmten regulativen Ansatz in dem betroffenen Bereich anlegen zu können, zu verorten. Bevor er die relevanten Kriterien für die Schaffung des erforderlichen Ausgleichs weiter ausarbeitet, erachtet es der GH für wünschenswert, die Schlüsse klarzustellen, die aus der bestehenden Rechtsprechung gezogen werden können.

(125) Was erstens aus der Anwendung des Tests der »ausreichend engen inhaltlichen und zeitlichen Verbindung« in jüngeren Fällen gegen Finnland und Schweden hervorgeht ist, dass dieser Test nicht bestanden wird, wenn eines der beiden Elemente [...] fehlt.

(126) Zweitens hat der GH in einigen Fällen zunächst eine Prüfung durchgeführt, ob und bejahendenfalls wann eine »endgültige« Entscheidung in einem Verfahren vorlag (die potenziell den Fortgang des anderen Verfahrens hinderte), bevor er den Test der »ausreichend engen Verbindung« anwendete und eine negative Feststellung bezüglich der Frage des »bis« erreichte [...]. Nach Ansicht des GH ist die Frage, ob eine Entscheidung »endgültig« ist, jedoch nicht relevant, wenn es keine wirkliche Verdoppelung von Verfahren gibt, sondern es sich lediglich um eine Kombination von Verfahren handelt, die als ein integriertes Ganzes angesehen werden.

(127) Drittens [...] soll es kein Erfordernis sein, dass miteinander verbundene Verfahren zur gleichen Zeit »endgültig« werden. Dies würde es der betroffenen Person ermöglichen, den ne bis in idem-Grundsatz als Mittel zur Manipulation und Straflosigkeit auszunutzen. In diesem Punkt muss die Schlussfolgerung in Rn. 51 des Falls Nykänen/FIN und in einer Reihe folgender Urteile, dass »beide Verfahren ihrem eigenen getrennten Lauf folgen und unabhängig vom jeweilig anderen endgültig werden« als Tatsachenfeststellung behandelt werden: im geprüften finnischen System bestand keine ausreichende inhaltliche Verbindung zwischen dem Verwaltungs- und dem Strafverfahren, obwohl sie mehr oder weniger zeitgleich durchgeführt wurden. [...]

(128) Viertens kann aus ähnlichen Gründen wie oben angegeben die Reihenfolge, in der die Verfahren durchgeführt werden, nicht entscheidend dafür sein, ob ein doppeltes oder mehrfaches Verfahren unter Art. 4 7. Prot. EMRK erlaubt ist [...].

(129) Zuletzt geht aus einigen [...] Fällen hervor, dass – soweit sie die Verdoppelung von Verfahren betrafen, die verfolgt wurden, ohne dass der Zweck und die verwendeten Mittel ergänzend gewesen wären – der GH nicht geneigt war, sie als parallele oder doppelte Verfahren umfassend zu prüfen, die mit dem ne bis in idem-Grundsatz vereinbar sein könnten [...].

(130) Auf Basis des vorangehenden Überblicks über die Rechtsprechung des GH ist offenkundig, dass im Hinblick auf die Angelegenheiten, die Repressionen sowohl unter Straf- als auch unter Verwaltungsrecht unterworfen sind, die sicherste Form der Gewährleistung der Einhaltung von Art. 4 7. Prot. EMRK ist, in einem geeigneten Stadium ein einzelnes Verfahren vorzusehen, das es ermöglicht, die parallelen Stränge rechtlicher Regelungen der betroffenen Handlung zusammenzubringen, so dass die verschiedenen Bedürfnisse der Gesellschaft betreffend die Reaktion auf die Straftat im Rahmen eines einzelnen Verfahrens behandelt werden können. Dennoch schließt Art. 4 7. Prot. EMRK [...] die Durchführung doppelter Verfahren nicht [...] aus, vorausgesetzt, es sind bestimmte Bedingungen erfüllt. Insbesondere muss der belangte Staat – damit der GH überzeugt ist, dass keine doppelte Verfolgung oder Bestrafung (bis) iSd. Art. 4 7. Prot. EMRK gegeben ist – überzeugend darlegen, dass die fraglichen doppelten Verfahren »inhaltlich und zeitlich ausreichend eng verbunden« waren. Mit anderen Worten muss gezeigt werden, dass sie auf eine integrierte Weise miteinander kombiniert wurden, um ein zusammenhängendes Ganzes zu bilden. Das impliziert nicht nur, dass die verfolgten Zwecke und die zu ihrer Erreichung verwendeten Mittel im Wesentlichen komplementär und zeitlich verbunden sein sollten, sondern auch, dass die möglichen Konsequenzen der derartigen Organisation der rechtlichen Behandlung des betroffenen Verhaltens verhältnismäßig und für die betroffene Person vorhersehbar sind.

(131) Die relevanten Erwägungen aus der Rechtsprechung des GH [...] können wie folgt zusammengefasst werden.

(132) Materielle Faktoren zur Entscheidung, ob eine ausreichend enge inhaltliche Verbindung vorliegt, umfassen:

– ob die verschiedenen Verfahren komplementäre Zwecke verfolgen und daher nicht nur in abstracto, sondern auch in concreto unterschiedliche Aspekte des betreffenden sozialen Fehlverhaltens behandeln;

– ob die Dualität der betroffenen Verfahren in rechtlicher und praktischer Hinsicht eine vorhersehbare Folge desselben strittigen Verhaltens (idem) ist;

– ob die betreffenden Verfahren auf eine Weise durchgeführt werden, damit soweit wie möglich eine Doppelgleisigkeit bei der Sammlung und Würdigung von Beweisen vermieden wird, insbesondere durch angemessene Interaktion zwischen den verschiedenen zuständigen Behörden, um zu bewirken, dass die Sachverhaltsfeststellung in einem Verfahren auch im anderen verwendet wird;

– und vor allem, ob die Sanktion, die im Verfahren, das zuerst rechtskräftig wird, verhängt wird, in demjenigen, das zuletzt rechtskräftig wird, berücksichtigt wird, so dass verhindert wird, dass das betroffene Individuum am Ende eine übermäßige Last tragen muss. Das letztgenannte Risiko wird sich dort nicht sehr wahrscheinlich verwirklichen, wo ein Aufrechnungsmechanismus eingerichtet ist, der dazu bestimmt ist sicherzustellen, dass die Gesamthöhe der verhängten Strafen verhältnismäßig ist.

(133) [...] Das Ausmaß, in dem das Verwaltungsverfahren die Kennzeichen eines gewöhnlichen Strafverfahrens trägt, ist ein wichtiger Faktor. Kombinierte Verfahren werden die Kriterien der Komplementarität und Kohärenz leichter erfüllen, wenn die Sanktionen, die im Verfahren, das formal nicht als »strafrechtlich« eingestuft wird, auf das fragliche Verhalten gerichtet sind und sich daher vom »harten Kern des Strafrechts« unterscheiden [vgl. die Terminologie in Jussila/FIN (GK) zu Art. 6 EMRK]. Das zusätzliche Element, dass dieses Verfahren kein bedeutendes Maß an Stigmatisierung aufweist, macht es weniger wahrscheinlich, dass die Kombination der Verfahren eine unverhältnismäßige Last für die beschuldigte Person mit sich bringt. Umgekehrt erhöht der Umstand, dass das Verwaltungsverfahren stigmatisierende Charakteristika aufweist, die denen eines gewöhnlichen Strafverfahrens weitgehend ähneln, die Gefahr, dass die durch die Sanktionierung des Verhaltens in verschiedenen Verfahren verfolgten sozialen Zwecke eher verdoppelt werden (bis) als dass sie einander ergänzen. [...]

(134) Wo die inhaltliche Verbindung ausreichend stark ist, bleibt die Anforderung einer zeitlichen Verbindung [...] dennoch bestehen und muss ebenfalls erfüllt werden. Dass bedeutet jedoch nicht, dass die beiden Verfahren von Anfang bis Ende gleichzeitig geführt werden müssen. Es soll den Staaten offenstehen, sich dafür zu entscheiden, die Verfahren in Fällen schrittweise zu führen, wo dies durch Interessen der Effizienz und die ordentliche Rechtspflege motiviert ist, diese für verschiedene soziale Zwecke verfolgt werden, und dadurch nicht bewirkt wird, dass der Bf. einen unverhältnismäßigen Schaden erleidet. Wie oben erwähnt, muss die zeitliche Verbindung jedoch stets gegeben sein. Daher muss die zeitliche Verbindung ausreichend eng sein, um den Einzelnen davor zu schützen, Ungewissheit und Verzögerungen und sich hinausziehenden Verfahren ausgesetzt zu sein [...], auch wenn das betreffende nationale System ein »integriertes« System vorsieht, das verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Komponenten trennt. Je schwächer die zeitliche Verbindung ist, desto größer ist die Last für den Staat, jede solche Verzögerung zu erklären und zu rechtfertigen, die seiner Verfahrensführung zurechenbar ist.

Einhaltung von Art. 4 7. Prot. EMRK im vorliegenden Fall?

ErstBf.

Ob die Verhängung der Steuerstrafe strafrechtlicher Natur war (Engel-Kriterien)

(137) Diesbezüglich bemerkt der GH, dass der OGH gegenüber den fortschreitenden Entwicklungen des Konventionsrechts in diesem Bereich achtsam war und sich bemühte, die Entwicklungen in der Rechtsprechung des GH in seine eigenen Entscheidungen zur nationalen Steuergesetzgebung miteinzubeziehen. Daher erklärte der OGH 2002 erstmals, dass die Haftbarmachung für eine Steuerstrafe in Höhe von 30?% eine »strafrechtliche Anklage« iSd. Art. 6 EMRK darstelle. Entgegen früheren Entscheidungen hielt der OGH auch fest, dass eine Steuerstrafe in Höhe von 60?% eine Strafsache iSd. Art. 4 7. Prot. EMRK darstelle; 2004 und 2006 bestätigte er dies auch für die Steuerstrafe in Höhe von 30?%.

(138) In vergleichbaren Fällen gegen Schweden betreffend Steuerstrafen von 40?% und 20?% stellte der GH fest, dass die fraglichen Verfahren »strafrechtlich« waren, und zwar nicht nur im Hinblick auf Art. 6 EMRK, sondern auch für die Zwecke von Art. 4 7. Prot. EMRK.

(139) Vor diesem Hintergrund sieht der GH keinen Grund, um die Feststellung des OGH in Frage zu stellen, wonach das Verfahren, mit dem gegenüber dem ErstBf. die gewöhnliche Steuerstrafe in Höhe von 30?% verhängt wurde, eine »strafrechtliche« Angelegenheit iSd. Art. 4 7. Prot. EMRK betraf.

Ob die Straftaten, wegen denen der ErstBf. verfolgt wurde, dieselben waren wie diejenigen, wegen denen ihm die Steuerstrafe auferlegt wurde (idem)

(141) In Anwendung des harmonisierenden Ansatzes aus dem Fall Zolotukhin/RUS auf die Umstände des vorliegenden Falles stellte der OGH fest, dass die Sachverhaltselemente, welche die Grundlage für die Steuerstrafe und die strafrechtliche Verurteilung bildeten – soweit beide das Versäumnis betrafen, in der Steuererklärung bestimmte Informationen über Einkünfte bekanntzugeben – ausreichend ähnlich waren, um das oben genannte Erfordernis zu erfüllen. Dieser Punkt wird zwischen den Parteien nicht bestritten und der GH sieht trotz des zusätzlichen faktischen Elements des Betrugs in der Straftat keinen Grund, das anders zu sehen.

Ob eine endgültige Entscheidung vorlag

(142) [...] Da er aufgrund der Beurteilung weiter unten überzeugt davon ist, dass inhaltlich und zeitlich eine ausreichende Verbindung zwischen dem Steuerverfahren und dem Strafverfahren bestand, damit sie als einheitliche rechtliche Reaktion auf das Verhalten des ErstBf. angesehen werden können, sieht es der GH nicht für notwendig an, die Frage der Endgültigkeit des separaten Steuerverfahrens näher zu behandeln. Seiner Ansicht nach beeinträchtigt der Umstand, dass das erste Verfahren vor dem zweiten »endgültig« wurde, die Einschätzung der Beziehung zwischen ihnen weiter unten nicht.

Gab es ein Doppelverfahren (bis)?

(144) Die zuständigen nationalen Behörden stellten fest, dass das tadelnswerte Verhalten des ErstBf. zwei Reaktionen erforderte, nämlich eine verwaltungsrechtliche Sanktion nach Kapitel 10 SBG (Steuerstrafen) und eine strafrechtliche nach Kapitel 12 SBG (Strafen), die jeweils einen unterschiedlichen Zweck verfolgten. Wie der OGH in seinem Urteil von Mai 2002 erklärte, diente die verwaltungsrechtliche Strafe eines Steuerzuschlags zur allgemeinen Abschreckung, als Reaktion darauf, dass ein Steuerzahler – vielleicht ohne Schuld – falsche oder unvollständige Steuererklärungen oder Informationen bekanntgegeben hat, und um die beträchtliche Arbeit und die erheblichen Kosten zu kompensieren, welche die Steuerbehörden im Namen der Gemeinschaft auf sich nehmen müssen, wenn sie Prüfungen und Revisionen durchführen, um solche mangelhaften Erklärungen zu identifizieren. Es wurde beabsichtigt, dass diese Kosten in einem bestimmten Umfang von denjenigen getragen werden sollten, die unvollständige oder falsche Informationen geliefert haben. [...] Für den OGH war das Ziel der gewöhnlichen Steuerstrafe zunächst und vor allem, die Wirksamkeit der Pflicht des Steuerzahlers zu steigern, vollständige und korrekte Informationen zu liefern, und die Grundlagen des nationalen Steuersystems als Voraussetzung für einen funktionierenden Staat und somit eine funktionierende Gesellschaft zu gewährleisten. Eine strafrechtliche Verurteilung nach Kapitel 12 andererseits diente nach den Ausführungen des OGH nicht bloß der Abschreckung, sondern hätte auch einen Strafzweck im Hinblick auf dieselbe unsoziale Unterlassung und schloss das zusätzliche Element der Begehung eines schuldhaften Betrugs mit ein.

(145) [...] Im Oktober 2008 klagte Økokrim den ErstBf. im Hinblick auf die Steuerstraftaten an. Am 24.11.2008 änderten die Steuerbehörden seine Steuerbemessung und ordneten ihm gegenüber an, die gegenständliche Steuerstrafe zu bezahlen. Die Entscheidung berücksichtigte unter anderem Aussagen des Erst- und ZweitBf. während ihrer Befragungen im Strafverfahren. Etwas mehr als zwei Monate später, am 2.3.2009, verurteilte das BG den ErstBf. [...] wegen Steuerbetrugs. Der GH erachtet es für besonders wichtig, dass das BG, indem es ihn zu einem Jahr Gefängnis verurteilte, im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des nationalen Rechts über strafrechtliche Verurteilung den Umstand berücksichtigte, dass der ErstBf. bereits durch die Verhängung der Steuerstrafe eine bedeutende Sanktion erlitten hatte. [...]

(146) Unter diesen Umständen sieht der GH als erste Schlussfolgerung keinen Anlass, die Gründe in Zweifel zu ziehen, warum die norwegische Gesetzgebung dafür optierte, das sozial unerwünschte Verhalten der Nichtzahlung von Steuern in einem integrierten dualen (verwaltungsrechtlichen/strafrechtlichen) Verfahren zu regeln, oder warum die zuständigen norwegischen Behörden im Fall des ErstBf. entschieden, den schwerwiegenderen und sozial tadelnswerten Aspekt des Betrugs separat in einem Strafverfahren zu behandeln statt im gewöhnlichen Verwaltungsverfahren.

Zum zweiten war die Durchführung eines Doppelverfahrens mit der Möglichkeit verschiedener kumulierter Strafen für den Bf. vorhersehbar, da dieser von Vornherein gewusst haben muss, dass unter den Umständen des Falles eine strafrechtliche Verfolgung ebenso möglich oder gar wahrscheinlich war wie die Verhängung einer Steuerstrafe.

Drittens scheint klar, dass – wie der OGH festgehalten hat – das Straf- und das Verwaltungsverfahren parallel geführt wurden und miteinander verbunden waren. Die Sachverhaltsfeststellung im einen Verfahren wurde im anderen verwendet, und was die Verhältnismäßigkeit der verhängten Gesamtstrafe anbelangt, so berücksichtigte die im Strafverfahren verhängte Strafe die Steuerstrafe.

(147) Auf Basis der ihm vorliegenden Fakten sieht der GH keinen Hinweis darauf, dass der ErstBf. in Folge der integrierten rechtlichen Reaktion auf sein Versäumnis, Einkünfte offenzulegen und Steuern zu zahlen, irgendeinen unverhältnismäßigen Nachteil oder irgendeine Ungerechtigkeit erlitten hätte. Folglich ist der GH unter Berücksichtigung der obigen Erwägungen (siehe insbesondere die Zusammenfassung in Rn. 132-134) überzeugt, dass – obwohl von zwei verschiedenen Behörden in verschiedenen Verfahren unterschiedliche Sanktionen verhängt wurden – zwischen diesen dennoch eine ausreichend enge Verbindung in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht bestand, um sie als Teil eines integrierten Sanktionsmodells nach norwegischem Recht für das Versäumnis, in einer Steuererklärung bestimmte Informationen über bestimmte Einkünfte offenzulegen, [...] anzusehen.

ZweitBf.

(148) Im Fall des ZweitBf. stellte das Berufungsgericht, das sich auf denselben Ansatz stützte, den der OGH im Fall des ErstBf. verfolgte, zunächst fest, dass die Entscheidung der Steuerbehörde vom 5.12.2008, die anordnete, dass er eine Steuerstrafe von 30?% zahlen müsse, eine »Bestrafung« iSd. Art. 4 7. Prot. EMRK darstelle. Zum Zweiten wäre die Entscheidung durch den Ablauf der Frist zur Erhebung einer Berufung am 26.12.2008 »endgültig« geworden. Drittens hätten die Entscheidung über die Steuerstrafe und die folgende strafrechtliche Verurteilung dieselbe Sache betroffen. Der GH sieht wie im Fall des ErstBf. keinen Grund, im Hinblick auf die erste oder dritte Frage zu einem anderen Schluss zu kommen, oder sich zur zweiten zu äußern.

(149) Zur weiteren Frage, ob ein Doppelverfahren (bis) vorlag [...], bemerkt der GH, dass die zuständigen Behörden wie beim ErstBf. (siehe oben Rn. 144) urteilten, dass ein solches im Fall des ZweitBf. gerechtfertigt war.

(150) Was das einschlägige Verfahren im Einzelnen anbelangt, brachten die Steuerbehörden nach ihrer Steuerprüfung 2005 im Herbst 2007 bei Økokrim auch eine strafrechtliche Anzeige gegen den ZweitBf. ein [...], erhob der Staatsanwalt am 11.11.2008 im Zusammenhang mit seinem Versäumnis, den genannten Betrag [...] bekanntzugeben, Anklage wegen Steuerbetrugs gegen den Bf. [...]. Das Strafverfahren hatte ein relativ fortgeschrittenes Stadium erreicht, als die Steuerverwaltung am 5.12.2008 seine Steuerbemessung änderte [...] und ihm gegenüber die fragliche Steuerstrafe verhängte.

Daher [...] wurden das Strafverfahren und das Steuerverfahren bereits seit der Anzeige der Steuerbehörden an die Polizei im Herbst 2007 und bis zur Entscheidung zur Auferlegung der Steuerstrafe am 5.12.2008 parallel geführt und waren verbunden. Diese Sachlage war ähnlich wie im Fall des ErstBf.

(151) Es trifft – wie auch vom Berufungsgericht festgehalten – zu, dass die neunmonatige Periode zwischen dem Zeitpunkt, an dem die Entscheidung der Steuerbehörden vom 5.12.2008 rechtskräftig geworden war, und der Verurteilung des ZweitBf. am 30.9.2009 durch das Stadtgericht, etwas länger war als die zweieinhalb Monate dauernde Periode im Fall des ErstBf. Wie das Berufungsgericht ebenfalls erklärte, lag dies jedoch am Umstand, dass der ZweitBf. sein Geständnis im Februar 2009 zurückgezogen hatte, so dass er am 29.5.2009 neuerlich angeklagt werden und eine ordentliche streitige Verhandlung anberaumt werden musste. Dieser Umstand, der aus einer Haltungsänderung des ZweitBf. resultierte, kann für sich nicht ausreichen, um das Steuerverfahren und das Strafverfahren zeitlich zu trennen. Insbesondere kann die zusätzliche Zeitspanne vor der strafrechtlichen Verhandlung nicht als unverhältnismäßig oder unangemessen angesehen werden, berücksichtigt man ihren Grund. Was zudem bedeutsam ist, ist der Umstand, dass die Steuerstrafe vom Stadtgericht wie beim ErstBf. bei der Festsetzung der Strafe im Strafverfahren berücksichtigt wurde.

(152) Unter diesen Umständen sieht der GH auch im Fall des ZweitBf. keinen Anlass, die Gründe in Zweifel zu ziehen, warum die norwegischen Behörden entschieden, sein tadelnswertes Verhalten in einem integrierten dualen (verwaltungsrechtlichen/strafrechtlichen) Verfahren zu behandeln. Die Möglichkeit verschiedener kumulierter Strafen muss unter den Umständen vorhersehbar gewesen sein. Das Straf- und das Verwaltungsverfahren wurden parallel geführt und waren miteinander verbunden. Die Sachverhaltsfeststellung im einen Verfahren wurde wiederum im anderen zugrundegelegt und was die Verhältnismäßigkeit der verhängten Gesamtstrafe anbelangt, so wurde bei der Bemessung der Strafe im Strafverfahren die Verwaltungsstrafe berücksichtigt.

(153) Auf Basis der ihm vorliegenden Fakten sieht der GH keinen Hinweis darauf, dass der ZweitBf. in Folge der integrierten rechtlichen Behandlung seines Versäumnisses, Einkünfte offenzulegen und Steuern zu zahlen, irgendeinen unverhältnismäßigen Nachteil oder irgendeine Ungerechtigkeit erlitten hätte. Folglich befindet der GH unter Berücksichtigung der obigen Erwägungen (siehe insbesondere die Zusammenfassung in Rn. 132-134), dass zwischen der Entscheidung über die Steuerstrafe und dem folgenden Strafverfahren eine ausreichend enge Verbindung in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht bestand, um sie als Teil eines integrierten Sanktionsmodells nach norwegischem Recht für das Versäumnis, in einer Steuererklärung Informationen über bestimmte Einkünfte offenzulegen, [...] anzusehen.

Gesamtschlussfolgerung

(154) Vor diesem Hintergrund kann nicht gesagt werden, dass einer der beiden Bf. in Verletzung von Art. 4 7. Prot. EMRK »wegen einer Straftat, wegen der er bereits ... rechtskräftig verurteilt ... worden ist, ... erneut verfolgt oder bestraft« wurde. Der GH stellt daher im vorliegenden Fall keine Verletzung dieser Bestimmung im Hinblick auf einen der beiden Bf. fest (16:1 Stimmen; abweichendes Sondervotum von Richter Pinto de Albuquerque).

Vom GH zitierte Judikatur:

Engel u.a./NL v. 8.6.1976 = EuGRZ 1976, 221

R. T./CH v. 30.5.2000 (ZE)

Nilsson/S v. 13.12.2005

Jussila /FIN v. 23.11.2006 (GK) = NL 2006, 303

Sergey Zolotukhin/RUS v. 10.2.2009 (GK) = NL 2009, 37

Nykänen/FIN v. 20.5.2014

Boman/FIN v. 17.2.2015

Kapetanios u.a./GR v. 30.4.2015

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 15.11.2016, Bsw. 24130/11, entstammt der Zeitschrift "Newsletter Menschenrechte" (NL 2016, 556) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/16_6/A. u. B.pdf

Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.

Rechtssätze
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