JudikaturJustiz9ObA86/93

9ObA86/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Mai 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Vera Kremslehner und Mag.Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** Sch*****, Diplomkrankenschwester, ***** vertreten durch Dr.Kurt Klein und Dr.Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Dr.Ilse H*****, praktische Ärztin, ***** vertreten durch Dr.Lothar Troll, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 50.800 sA, infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7.Jänner 1993, GZ 8 Ra 96/92-10, womit infolge Berufung der Beklagten das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 27.April 1992, GZ 33 Cga 46/92-6, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird im Umfang der Abweisung von S 44.450 brutto samt 4 % Zinsen seit 5. Dezember 1991 einschließlich des Kostenausspruches aufgehoben und dem Berufungsgericht insoweit die neuerliche Entscheidung über die Berufung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin war bei der Beklagten als Ordinationshilfe mit 25 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt. Ihr Entgelt betrug brutto S 7.620 mtl. inklusive anteiliger Gefahren- und Bildschirmzulage. Mit 1.8.1991 wurde der Kollektivvertragstarif hinsichtlich des Grundlohns und der Gefahrenzulage angehoben. Die Steuerberatungskanzlei der Beklagten, die auch die Lohnbuchhaltung durchführte, kürzte den Grundlohn entsprechend, um S 500 an Gefahrenzulage auszahlen zu können, so daß der Bruttobetrag jeweils gleich blieb. Der Lohn wurde am 15. eines jeden Monates auf das Gehaltskonto der Klägerin bei der Raiffeisenkasse Graz-Mariatrost überwiesen.

Im Oktober 1991 wurde die Klägerin darauf aufmerksam gemacht, daß ihr um S 156 pro Monat zuwenig ausgezahlt würde. In einer Dienstbesprechung haben die Klägerin und ihre Arbeitskolleginnen die Beklagte auf diesen Umstand hingewiesen. Die Beklagte berief sich jedoch darauf, daß ohnedies alles richtig ausgezahlt werde. Am 26.11.1991 übergab die Klägerin der Beklagten folgendes Mahnschreiben:

Im Oktober und November 1991 haben Sie mein Gehalt einseitig von S 7.620,-- br. auf S 7.464,-- br. gekürzt.

Dieses einseitige Vorgehen ist rechtswidrig. Ich habe Sie daher aufzufordern, mir den Betrag in der Höhe von S 312,-- br. (S 156,-- x 2) vermindert um die gesetzlichen Abgaben bis längstens zum

29. November 1991

um 13.00 Uhr auszuzahlen, widrigenfalls ich vom Recht des vorzeitigen Austrittes gem. § 26 des Angestelltengesetzes Gebrauch machen müßte.

Hierauf kam es zu einer Aussprache zwischen der Lohnbuchhalterin und der Klägerin. Weder damals noch bei einer Aussprache der Streitteile am Vormittag des 29.11.1991 wurde der Klägerin die Nachzahlung des geforderten Betrages zugesagt.

Die Beklagte bot jedoch der Klägerin die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses an, was diese ablehnte, weil sie "ansonsten" mit ihrer Arbeitsstelle zufrieden war. Am 29.11.1991, 12.23 Uhr übergab die Beklagte einen Erlagschein über S 312 mit der Anmerkung "Gehaltsdifferenz laut Forderung mit Vorbehalt" der Steiermärkischen Bank zur Weiterleitung. Der Betrag wurde am 4.12.1991 dem Konto der Klägerin bei der Raiffeisenkasse Graz-Mariatrost gutgeschrieben. Am 29.11. und am 2.12.1991 fragte die Klägerin vergeblich bei ihrem Bankinstitut nach, ob der geforderte Betrag ihrem Konto gutgeschrieben worden sei. Da dies nicht der Fall war trat die Klägerin trotz schriftlicher und mündlicher Aufforderung durch die Beklagte den Dienst nicht wieder an.

Die Klägerin begehrt wegen vorzeitigen Austrittes infolge rechtswidriger Kürzung des Gehaltes für Oktober und November 1991 die Zahlung von Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Weihnachtsgeld im Gesamtbetrag von S 50.800.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe der Klägerin am 26.11.1991, nach der Übergabe des Schreibens vom 25.11.1991 die sofortige Überprüfung der Forderung und die Erfüllung berechtigter Ansprüche zugesagt und dies auch in die Wege geleitet. Am 29.11.1991 habe sie der Klägerin mitgeteilt, daß sie die Überweisung des angesprochenen Betrages auf ihr Konto veranlassen werde, daß aber ihr Anspruch über den geforderten Betrag von S 312 hinausgehe und die Überweisung zusammen mit der Verrechnung des Dezembergehalts nachgeholt würde. Am 29.11.1991 um 12.23 Uhr habe die Beklagte der Steiermärkischen Bankgesellschaft mbH den Überweisungsauftrag über S 312 erteilt. Dennoch sei die Klägerin am darauffolgenden Montag, dem 2.12.1991 nicht mehr zum Dienst erschienen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Klägerin sei wegen der einseitigen rechtswidrigen Herabsetzung des ihr zukommenden Entgeltes bereits ab August 1991 zum Austritt berechtigt gewesen, zumal die Beklagte trotz Geltendmachung der Ansprüche durch die Klägerin darauf beharrt habe, nichts zu schulden und auch die Nachfristsetzung ungenützt ließ. Rechtzeitige Zahlung liege nicht vor.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil hinsichtlich eines Betrages von S 6.350 brutto an Weihnachtsgeld und wies das Mehrbegehren von S 44.450 brutto s.A. ab.

Ohne auf die Beweisrüge der Beklagten einzugehen, vertrat es die Rechtsauffassung, daß bei bargeldloser Überweisung der Tag des Einlangens des Überweisungsauftrages beim kontoführenden Institut des Schuldners entscheidend sei. Bei Gehaltszahlungen, die gemäß § 15 AngG zwingend bis zu einem "Spätesttermin" zu leisten seien, trete allerdings der Verzug des Dienstgebers auch dann ein, wenn der überwiesene Betrag dem Konto des Dienstnehmers nicht rechtzeitig gutgeschrieben werde. Die Beklagte habe jedoch den Überweisungsauftrag noch vor Ablauf der ihr gesetzten Frist bei ihrem kontoführenden Kreditinstitut erteilt. Für die Nachzahlung von Entgeltteilen komme der Schutzzweck des § 15 AngG nicht zum Tragen. Auch habe die Klägerin Zahlung auf ihr Konto nicht zur Bedingung gemacht. Die Beklagte habe daher rechtzeitig innerhalb der gesetzten Nachfrist erfüllt. Im übrigen habe die Klägerin nicht ernstlich annehmen können, daß sie das gebührende Entgelt nicht erhalten würde. Infolge der erkennbaren Bereitschaft der Beklagten zur Zahlung habe sie den Vertrag nicht so schwerwiegend verletzt, daß die Klägerin zum Austritt berechtigt war.

Gegen den abweisenden Teil des Urteiles des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Revisionswerberin macht geltend, daß durch die Schmälerung ihres Gehalts ein rechtswidriger Zustand hergestellt worden sei, der sie solange zum vorzeitigen Austritt berechtigt habe, als er gedauert habe. Im Zeitpunkt des Austritts sei der rechtswidrige Zustand noch nicht beendet gewesen. Die Dienstgeberin wäre verpflichtet gewesen, die Überweisung so rechtzeitig zu veranlassen, daß die Klägerin zum "Spätesttermin" über den rückständigen Betrag hätte verfügen können. Der Schutzzweck des § 15 AngG treffe auch auf die Nachzahlung (kleiner) Gehaltsteile zu. Trotz Geringfügigkeit der Entgeltschmälerung sei der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar gewesen, weil die Beklagte von der Unrichtigkeit der Gehaltszahlung Kenntnis hatte und dennoch die Nachzahlung nicht zusagte.

Diesen Ausführungen ist im wesentlichen zu folgen.

Gemäß § 26 Z 2 AngG ist es als wichtiger Grund anzusehen, der den Angestellten zum vorzeitigen Austritt berechtigt, wenn der Dienstgeber das dem Angestellten zukommende Entgelt ungebührlich schmälert oder vorenthält. Unter "Schmälerung" versteht man die einseitige rechtswidrige Herabsetzung des dem Angestellten zukommenden Entgelts, wobei es gleichgültig ist, ob dies durch Verletzung eines Gesetzes, eines Kollektivvertrages oder einer Einzelvereinbarung geschieht (Martinek-M. und W.Schwarz, AngG7, 568; Arb 6193, 10.471). Allerdings berechtigt nicht jede, sondern nur eine wesentliche Vertragsverletzung, die dem Angestellten die Fortsetzung des Dienstverhältnisses unzumutbar macht, zum vorzeitigen Austritt (Arb 7644, 7838, 9897; 9 Ob A 300/92). Eine einmalige kurzfristige Verzögerung der Entgeltzahlung ist in der Regel nicht als ungebührliches Vorenthalten im Sinne des § 26 Z 2 AngG zu werten, wenn der Arbeitnehmer annehmen kann, er werde das ihm gebührende Entgelt bekommen (EvBl 1953/116; SozM A/d 1037; Arb 10.477; infas A 132/86 = JBl 1987, 63; 9 Ob A 300/92). Im übrigen ist es aber gleichgültig, ob das Entgelt in Benachteiligungsabsicht, aus Nachlässigkeit oder aus Unvermögen des Dienstgebers geschmälert oder zurückgehalten wird (Martinek-M. und W.Schwarz aaO 569; Arb 8297, 9956, 10.147, 10.471). Der Tatbestand ist jedenfalls erfüllt, wenn der Dienstgeber wußte oder infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht hätte wissen müssen, daß seine Vorgangsweise unrechtmäßig ist (Martinek-M. und W.Schwarz aaO 569; Arb 9082; DRdA 1979, 224; Arb 10.471). Durch eine bloß objektive Rechtswidrigkeit, die insbesondere dann vorliegt, wenn über das Bestehen eines Anspruches verschiedene Rechtsmeinungen vertreten werden können und daher der Ausgang eines hierüber zu führenden Rechtsstreites nicht abzusehen war, wird der Tatbestand des § 26 Z 2 AngG nicht erfüllt (Martinek-M. und W.Schwarz aaO 569; Arb 9082, 10.147, 10.471; RZ 1992/40).

Wird durch das Vorenthalten oder die Schmälerung des Entgelts ein rechtswidriger Dauerzustand geschaffen und damit der Austrittsgrund nach § 26 Z 2 AngG immer von neuem verwirklicht, so muß der Dienstgeber jederzeit mit der vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses rechnen. Mit der gelegentlichen Duldung der Säumnis begibt sich der Dienstnehmer seines Austrittsrechts nicht (Martinek-M.u.W. Schwarz 576; Arb 10.535; infas A 119/89). Allerdings darf der Dienstnehmer, der Zahlungsrückstände ausdrücklich oder stillschweigend durch längere Zeit geduldet hat, diesen Umstand nicht zum Anlaß eines plötzlichen Austritts nehmen, also ohne vorherige Ankündigung und damit für den Dienstgeber nicht erkennbar eine weitere Zusammenarbeit ablehnen. Vielmehr muß der Dienstnehmer in einem solchen Fall den Dienstgeber vorher unter Setzung einer, wenn auch kurzen, Nachfrist zur Zahlung des Rückstandes auffordern und kann erst nach fruchtlosem Verstreichen dieser Frist mit Grund austreten (Arb 9530, 9917; 10.218; 10.471). Die Frist muß nur solang sein, daß der Dienstgeber die erforderlichen Dispositionen treffen kann (Arb 10.605).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die Bezüge der Klägerin schon seit 1.August dadurch rechtswidrig geschmälert, daß die von ihr beauftragte Steuerberatungskanzlei den Grundlohn der Klägerin kürzte, um 500,-- S Gefahrenzulagen auszahlen zu können. Diese Schmälerung war ungebührlich, da die Beklagte bei einer Dienstbesprechung auf diesen Umstand aufmerksam gemacht wurde, sich aber darauf berief, daß ohnedies alles richtig ausgezahlt werde und bei diesem Standpunkt bis zum 29.11.1991 blieb, obwohl sie infolge der ihr obliegenden Sorgfaltspflicht jedenfalls nach Erkundigung bei der Lohnbuchhalterin hätte wissen müssen, daß eine solche einseitige Schmälerung des Grundlohns vorgenommen wurde, die unrechtmäßig war.

Die Entgeltschmälerung durch Vorenthalten kollektivvertraglicher Bezugssteigerungen durch mehrere Monate verwirklichte trotz der relativen Geringfügigkeit des vorenthaltenen Betrages den Austrittsgrund des § 26 Z 2 AngG, weil die Beklagte nach den Feststellungen des Erstgerichtes, anders als im Fall infas A 132/86 = JBl 1987, 63 eine Nachzahlung nicht einmal in Aussicht gestellt hat. Die Beklagte kann sich daher auch nicht darauf berufen, daß die Klägerin ohnehin annehmen konnte, daß sie das gebührende Entgelt erhalten werde. Die Beklagte hat zunächst behauptet, daß ohnehin alles richtig ausgezahlt werde. Auch bei der Aussprache der Streitteile am 29.11.1991 gab die Beklagte keine Zusage der Nachzahlung des Betrages ab. Sie bot vielmehr der Klägerin die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses an, woraus die Klägerin schließen mußte, daß die Beklagte ihre Vorgangsweise (Austrittsdrohung unter Nachfristsetzung) mißbillige. Im vorliegenden Fall läßt daher die Nichtzahlung auch relativ geringfügiger Beträge trotz wiederholter Geltendmachung auf die Gleichgültigkeit der Beklagten gegenüber Dienstnehmerrechten und auf das Beharren auf ihrem Standpunkt schließen. Der Klägerin war unter diesen Umständen die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar.

Ob die Klägerin überhaupt verpflichtet war, der Beklagten, die in der Dienstbesprechung eine Nachzahlung abgelehnt hatte, eine Nachfrist zu setzen, kann auf sich beruhen. Jedenfalls war der Austritt der Klägerin nicht überraschend, weil sie der Beklagten eine angesichts der Geringfügigkeit des Betrages angemessene kurze Nachfrist setzte, so daß die Beklagte die Möglichkeit gehabt hätte, die geforderte Nachzahlung durch sofortige Überweisung oder auch bar fristgerecht zu leisten.

Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß für die Nachzahlung von Entgeltteilen der Schutzzweck des § 15 AngG nicht zum Tragen komme, ist in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen. Nach dieser Bestimmung hat die Zahlung des dem Angestellten zukommenden fortlaufenden Gehaltes spätestens am 15. und am Letzten eines jeden Monats in zwei annähernd gleichen Beträgen zu erfolgen. Unter dem fortlaufenden Gehalt im Sinne dieser Bestimmung sind die von vornherein bestimmten festen Geldbezüge, die nach bestimmten Zeiträumen bemessen sind, zu verstehen (Martinek-M. und W.Schwarz aaO 299). Kollektivvertragliche Gehaltserhöhungen fallen unter den Begriff des fortlaufenden Gehaltes und sind daher (soferne der Kollektivvertrag rechtzeitig kundgemacht wird, so daß er vom Dienstnehmer beachtet werden kann) zum selben Zeitpunkt fällig wie das bisherige Gehalt. Die Schutzbestimmung des § 15 AngG bezieht sich daher auch auf derartige Gehaltsdifferenzen.

Die Beklagte kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, die geforderte Bezugsdifferenz noch vor dem Austritt der Klägerin nachgezahlt zu haben.

Zwischen den Streitteilen war bargeldlose Gehaltszahlung vereinbart. Bei dieser Zahlungsweise muß nach Lehre und Rechtsprechung der überwiesene Betrag dem Dienstnehmer am Fälligkeitszeitpunkt zur Verfügung stehen. Die Gutschrift auf das Konto des Angestellten muß spätestens am Fälligkeitstag erfolgt sein (Martinek-M. und W.Schwarz aaO 300 f; Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 195; Koziol in RdW 1985, 148 mwN; RdW 1985, 150; Arb 10.642; 9 Ob A 198/90 ua). Befindet sich der Dienstgeber im Schuldnerverzug, dann ist dieser erst beendet, wenn die geschuldete Leistung beim kontoführenden Geldinstitut als Machthaber des Dienstnehmers einlangt (SZ 46/6), ohne daß es auf den Zeitpunkt der Kontrollgutschrift ankäme (MietSlg. 37.072).

Die Klägerin hat die Auszahlung des rückständigen Betrages bis 29.11.1991 verlangt. Dieses Verlangen war nicht mißverständlich; es bedeutete, daß sie den Betrag bis zum Ende der Nachfrist in ihrer Verfügungsgewalt haben wollte. Die Beklagte hätte daher einen Verzug dadurch vermeiden können, daß sie den Geldbetrag der Klägerin am 29. November vormittags anläßlich der Aussprache persönlich übergeben (oder mit ihr eine andere Vereinbarung getroffen) hätte. Die Überweisung des Betrages am 29.11.1991 um 12,23 Uhr war von vornherein zur Einhaltung der gesetzten Nachfrist nicht geeignet, da die Beklagte den Auftrag nicht an das kontoführende Institut der Klägerin, sondern an eine andere Bank erteilt hat. Auf der Grundlage der Feststellungen des Erstgerichts wäre daher die Rechtssache im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils spruchreif. Die Beklagte hat aber in ihrer vom Berufungsgericht nicht erledigten Beweisrüge geltend gemacht, daß sie der Klägerin am 29.11.1991 zugesagt habe, die geforderte Nachzahlung von 312,-- S ungesäumt zu überweisen. Hätte die Klägerin, die ja wissen müßte, daß eine rechtzeitige Überweisung im Sinne ihres Schreiben vom 25.11.1991 nicht mehr möglich war, daraufhin nicht Barzahlung verlangt, sondern auf eine solche ernstliche Zusage geschwiegen, könnte darin eine Stundung für die erforderliche Überweisungszeit gelegen sein. Das hängt aber von den näheren Umständen ab, unter denen dieses Gespräch stattfand. Eine abschließende Beurteilung dieser Frage ist daher vor der Erledigung der Beweisrüge durch das Berufungsgericht nicht möglich.

Daß eine Erhöhung der Kollektivvertragsbezüge nicht zu einer Verringerung des der Klägerin bisher gebührenden (überkollektivvertraglichen?) Grundlohns führen konnte, mußte der Beklagten auch ohne Rücksprache mit der Ärztekammer klar sein.

Das Urteil des Berufungsgerichtes ist daher zur Erledigung der von der Beklagten im Berufungsverfahren erhobenen Beweisrüge aufzuheben.

Der Vorbehalt der Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.

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