JudikaturJustiz9ObA53/02p

9ObA53/02p – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Mai 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Stöcklmayer und DI Walter Holzer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sükran D*****, Arbeiterin, *****, vertreten durch Dr. Helmut Grubmüller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W*****GmbH, ***** , vertreten durch Dr. Maximilian Schludermann, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 7.057,21 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. November 2001, GZ 7 Ra 315/01x-39, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 16. Jänner 2001, GZ 15 Cga 219/97b-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 499,39 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 83,23 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 27. 2. 1987 als Vorarbeiterin beschäftigt.

Als im Februar 1997 die fälligen Löhne für September und Dezember 1996 sowie für Jänner 1997 trotz einer mit Nachfristsetzung verbundenen Mahnung unberechtigt aushafteten, richtete die Klägerin (wie andere Mitarbeiter) nach Beratung durch die Arbeiterkammer am 24. 2. 1997 das Schreiben Beil ./A an die Beklagte, das folgenden Wortlaut hat:

"Da Sie meiner Aufforderung zur Bezahlung meines gesamten aushaftenden Entgelts bisher nicht nachgekommen sind, räume ich Ihnen eine letzte Frist bis 3. 3. 1997 ein. Sollten Sie nicht bis zum oben angeführten Termin alle meine berechtigten Ansprüche erfüllen, endet mein Dienstverhältnis mit Ablauf des 3. 3. 1997."

Dieses Schreiben erhielt der Geschäftsführer der Beklagten am 26. 2. 1997.

Am 27. 2. 1997 wurde über das Vermögen der Beklagten der Konkurs eröffnet.

Bei einer Besprechung am 28. 2. 1997 erklärte der Geschäftsführer der Beklagten ua der Klägerin, dass das Unternehmen fortgeführt werde und dass auch jene Mitarbeiter weiterarbeiten sollten, die bereits ihren Austrittswillen erklärt hatten. Über Auftrag des Masseverwalters führte der Geschäftsführer ua mit der Klägerin am 3. 3. 1997 ein weiteres Gespräch, in dem er ihr die Ansicht des Masseverwalters mitteilte, dass es im Falle eines vorzeitigen Austritts Probleme geben könnte und dass unter Umständen die nicht zur Arbeit erscheinenden Mitarbeiter entlassen werden könnten. Der Geschäftsführer riet der Klägerin, sich mit der Arbeiterkammer in Verbindung zu setzen. Spätestens am 3. 3. 1997 erfuhr die Klägerin von der Konkurseröffnung. An diesem Tag erfuhr sie überdies von einer Kollegin, dass die Arbeiterkammer den austrittswilligen Mitarbeitern geraten habe, nach dem 3. 3. 1997 nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen. Von diesem Rat erfuhren auch der Geschäftsführer und der Masseverwalter. Der Masseverwalter hatte zu diesem Zeitpunkt die Austrittsschreiben der Mitarbeiter vom 24. 2. 1997 noch nicht in Händen; er kannte jedoch ihren Inhalt und wusste auch, dass darin der 3. 3. als Austrittstag angegeben war. Der Masseverwalter stellte gegenüber Vertretern der Arbeiterkammer Probleme mit den Ansprüchen der Mitarbeiter und allfällige Entlassungen in Aussicht. Die Vertreter der Arbeiterkammer gaben diese Bedenken nicht an die von ihnen beratenen Mitarbeiter weiter, sondern rieten ihnen zum Austritt.

Für den 3. 3. 1997 kündigte der Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeitern einen Betriebsbesuch des Masseverwalters an. Nachdem der Masseverwalter aber bis 16.00 Uhr nicht erschienen war, gingen die Mitarbeiter nach Hause. Am nächsten Tag erschien die Klägerin - im Vertrauen auf den Rat der Arbeiterkammer - nicht mehr zur Arbeit. Nach den ihr erteilten Rechtsauskünften nahm sie nicht an, dass ihr Austritt unberechtigt oder unwirksam sei.

Als die Klägerin und andere Mitarbeiter am 4. 3. 1997 nicht zur Arbeit erschienen, hoffte der Geschäftsführer zunächst, sie würden Rechtsauskünfte einholen, wieder "zur Vernunft kommen" und am 5. 3. wieder zur Arbeit erscheinen. Eine Aufforderung zum Dienstantritt sprach weder der Geschäftsführer noch der Masseverwalter aus. Als die Arbeitnehmer auch am 5. 3. nicht im Betrieb erschienen, verständigte der Geschäftsführer den Masseverwalter, der daraufhin mit Schreiben vom selben Tag (zugegangen am 7. 3.) die Entlassung wegen Verweigerung der Arbeitsleistung aussprach.

Das Unternehmen der Beklagten wurde während des Konkursverfahrens weitergeführt.

Am 6. 6. 1997 beantragte die Klägerin die Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld, wobei sie die auch in diesem Verfahren eingeklagten Ansprüche geltend machte.

Im Konkursverfahren über das Vermögen der Beklagten kam ein Zwangsausgleich zustande (Quote 20 %), nach dessen rechtskräftiger Bestätigung der Konkurs am 13. 4. 1999 aufgehoben wurde. Mit ihrer am 13. 11. 1997 - also während des Konkursverfahrens - gegen den Masseverwalter eingebrachten Klage begehrte die Klägerin zunächst die Feststellung einer Konkursforderung von S 99.916,86 (ab der Tagsatzung vom 9. 7. 1998 von S 96.916,88) sowie die Zahlung einer Masseforderung von S 192,41. Die Konkursforderung setze sich aus Abfertigung, Kündigungsentschädigung, Sonderzahlung zur Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung, Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration für die Zeit vom 1. 1. bis 26. 2. 1997 sowie aus restlicher Weihnachtsremuneration für 1996 zusammen. Bei der Masseforderung handle es sich um die anteiligen Sonderzahlungen für die Zeit vom 27. 2. 1997 bis zum 3. 3. 1997. Die Klägerin sei berechtigt ausgetreten. Da der Austritt das Arbeitsverhältnis beendet habe, habe sie nicht mehr entlassen werden können.

Der Masseverwalter beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Austritt sei unberechtigt erfolgt, weil der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wegen eines Entgeltrückstandes aus der Zeit vor der Konkursforderung nicht austreten könne. Die Klägerin sei berechtigt entlassen worden, weil sie trotz Aufforderung durch den Geschäftsführer ab 4. 3. 1997 unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im ersten Rechtsgang im vollen Umfang statt. Es erachtete den Austritt als wirksam und berechtigt. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass der Austritt der Klägerin nicht wirksam geworden sei, weil die von ihr in der Austrittserklärung gesetzte Resolutivbedingung ab Konkurseröffnung aus rechtlichen und faktischen Gründen nicht mehr habe eintreten können. Damit sei der Klägerin wohl ein unverschuldeter Irrtum über die Arbeitspflicht zuzubilligen. Dazu und zum Wissenstand des Masseverwalters fehle es aber im Ersturteil an hinreichenden Feststellungen.

Im fortgesetzten Verfahren stellte die Klägerin nach Aufhebung des Konkurses das Klagebegehren auf Leistung (S 97.109,29 sA) um. Eventualiter begehrte sie die Zahlung von S 192,41 sowie die Feststellung, dass ihre Forderung im Konkursverfahren der Beklagten mit einem Betrag von S 96.916,88 als Konkursforderung zu Recht bestanden habe. Sie brachte ergänzend vor, sich ab 4. 3. 1997 in einem Irrtum über ihre Arbeitspflicht befunden zu haben. Jedenfalls habe die Beklagte ein Verschulden getroffen; der Masseverwalter habe seine Fürsorgepflicht verletzt. Ihre Ansprüche aus der unberechtigten Beendigungserklärung des Masseverwalters seien Masseforderungen, die aus dem Verschulden des Gemeinschuldners bzw. des Masseverwalters im Zwangsausgleich nicht berücksichtigt worden seien. Sie könne daher gemäß § 156 Abs 6 KO die Zahlung der vollen Forderung verlangen. Die Beklagte hielt dem entgegen, dass der Masseverwalter Vertretern der Arbeiterkammer erklärt habe, die Mitarbeit der austrittswilligen Mitarbeiter zu brauchen. Dies habe der Geschäftsführer der Beklagten auch der Klägerin gesagt. Überdies sei die behauptete Masseforderung verjährt. Die Klägerin hätte insofern ein Leistungsbegehren erstatten können und müssen, habe dies aber innerhalb der Verjährungsfrist nicht getan.

Im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Klage(haupt)begehren im Umfang von S 92.484,43 sA statt und wies das Mehrbegehren von S 4.624,86 ab.

Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und vertrat folgende Rechtsauffassung:

Da der Austritt der Klägerin nicht wirksam geworden sei, sei das Arbeitsverhältnis durch Entlassung beendet worden. Die Klägerin habe auf den Rat der Arbeiterkammer vertraut. Ihre Meinung, ihr Austritt sei berechtigt, sodass sie nicht mehr zur Arbeit verpflichtet sei, sei ihr nicht vorwerfbar. Der Masseverwalter habe der Klägerin keine Möglichkeit zur Klarstellung gegeben, obwohl er den Hintergrund ihres Fernbleibens gekannt habe. Der Irrtum sei - gemessen am Normzweck des § 82 lit f GewO - unverschuldet und die Entlassung daher nicht berechtigt. Außerdem sei die Entlassung verspätet erfolgt, weil sich der Masseverwalter die Säumigkeit des Gemeinschuldners, der ihn nicht sofort informiert habe, zurechnen lassen müsse. Die Ansprüche der Klägerin auf Abfertigung, Kündigungsentschädigung und Sonderzahlungen sowie auf Urlaubsentschädigung resultierten aus der unberechtigten Entlassung und damit aus einer Rechtshandlung des Masseverwalters. Die Sonderzahlungen für die Zeit vom 27. 2. bis zum 3. 3. 1997 seien Arbeitnehmerforderungen auf laufendes Entgelt für die Zeit nach Konkurseröffnung. Die genannten Forderungen seien daher Masseforderungen, für die § 156 KO nicht zum Tragen komme, sodass die Klägerin trotz des Zwangsausgleichs Anspruch auf den vollen Forderungsbetrag habe. Die restlichen Ansprüche seien Entgeltforderungen aus der Zeit vor der Konkurseröffnung und damit Konkursforderungen. Insofern habe die Klägerin daher nur Anspruch auf Zuspruch der Ausgleichsquote. Ihre Ansprüche seien nicht verjährt, weil sie fristgerecht Insolvenz-Ausfallgeld beantragt habe, sodass die Verjährungsfrist gemäß § 7 Abs 1 IESG unterbrochen sei. Für die Zeit vom 4. 3. bis zum 7. 3. 1997 habe die Klägerin keine Lohnansprüche, sondern eine ihr nicht gebührende Kündigungsentschädigung geltend gemacht. Insofern sei ein allfälliger Lohnanspruch verjährt.

Das nur von der Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und vertrat folgende Rechtsauffassung:

Das Erstgericht habe zu Recht die Wirksamkeit des unter einer Resolutivbedingung gesetzten Austritts der Klägerin wegen der Unmöglichkeit des Eintritts der Bedingung (Zahlung der offenen Entgeltforderung) verneint. Die Klägerin habe dem Ratschlag der Arbeiterkammer vertraut und sich daher in einem unverschuldeten Irrtum über ihre Arbeitspflicht befunden. Mangels ausreichender Aufklärung durch den Masseverwalter könne ihr dieser Irrtum nicht vorgeworfen werden, sodass sich die Entlassung als unberechtigt erweise.

Den Einwand der Verjährung habe das Erstgericht zu Recht verneint. Das ergebe sich aus § 7 IESG, aber auch daraus, dass die Klägerin ihre Forderung im Konkurs angemeldet habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung iS der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachten Aktenwidrigkeiten wurden geprüft. Sie liegen nicht vor. Die Revisionswerberin bekämpft mit den dazu erstatteten Ausführungen in Wahrheit in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Im Übrigen ist zunächst darauf zu verweisen, dass - wie auch die Vorinstanzen richtig erkannt haben - nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs das Austrittsrecht des Arbeitnehmers wegen eines Entgeltrückstandes aus der Zeit vor dem Konkurs nach der Konkurseröffnung nicht gegen den Masseverwalter ausgeübt werden kann. Dies wird mit der Überlegung begründet, dass der Masseverwalter an die Bestimmungen der Konkursordnung gebunden und gar nicht berechtigt ist, die aus der Zeit vor der Konkurseröffnung stammende Arbeitnehmerforderung außerhalb der Abwicklung im Kridaverfahren sofort und vollständig auszuzahlen. Es mangelt daher an dem nach der Rechtsprechung zu § 26 Z 2 AngG zur Verwirklichung des Austrittsgrunds erforderlichen Bewusstsein des Masseverwalters, den Arbeitnehmer in seinen gesetzmäßigen Entgeltansprüchen zu schmälern. An dieser Rechtsauffassung hat der Oberste Gerichtshof trotz der daran geäußerten Kritik (vgl etwa Konecny, Vorzeitiger Austritt im Konkurs wegen eines Entgeltrückstandes, ZIK 1996, 146; Grießer, OGH - Partiell unwirksamer Austritt im Konkurs ?, ecolex 1997, 515; zustimmend hingegen Binder, Austritt vor Konkurseröffnung, ASOK 1996, 7) festgehalten und darauf verwiesen, dass die (vermeintliche) Benachteiligung der Arbeitnehmer für die ihnen genommene Möglichkeit des vorzeitigen Austritts nach Konkurseröffnung wegen "alter" Entgeltrückstände durch die Sicherung ihrer Forderungen nach dem IESG wettgemacht werde; die Bejahung eines derartigen Austrittsrechts liefe der Absicht des IRÄG 1994, die Unternehmensfortführung nach Möglichkeit zu begünstigen, zuwider. Der Fortbestand der Arbeitgeberfunktion des Gemeinschuldners durch den Masseverwalter und die Verfügungsunfähigkeit des Gemeinschuldners änderten nichts daran, dass der Masseverwalter die Entgeltrückstände aus der Zeit vor der Konkurseröffnung nicht in einer gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung der Konkursgläubiger verstoßenden Weise zur Abwendung eines vorzeitigen Austritts begünstigt bezahlen darf (SZ 69/106; EvBl 1997/22; Arb 11.772; RIS-Justiz RS0102119). Die der zitierten Rechtsprechung zugrunde liegende Überlegung, dass der Masseverwalter gar nicht berechtigt ist, die aus der Zeit vor der Konkurseröffnung stammende Arbeitnehmerforderung außerhalb der Abwicklung im Kridaverfahren sofort und vollständig auszuzahlen, muss aber auch - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - bei der Beurteilung der durch die Nichtzahlung der offenen Ansprüche bedingten Austrittserklärung der Klägerin berücksichtigt werden. Es kann nicht außer Betracht bleiben, dass ab Konkurseröffnung für den Arbeitgeber überhaupt kein Spielraum zur Zahlung der Rückstände besteht und ein berechtigter Austritt gar nicht mehr möglich ist. Dies bedeutet aber nicht, dass die Bedingung unzulässig und die gesamte Erklärung daher unwirksam ist, zumal zum für die Beurteilung entscheidenden Zeitpunkt der Abgabe und des Zugangs der Erklärung die Zahlung durch den (noch nicht im Konkurs befindlichen) Arbeitgeber möglich war. Eine am Gebot von Treu und Glauben orientierte Auslegung der Erklärung der Klägerin führt aber zur Erkenntnis, dass sie auf eine (zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung auch gegebene) Situation abgestellt war, in der dem Arbeitgeber die Zahlung der Rückstände rechtlich möglich war. Dafür ist nicht entscheidend, ob die Klägerin diesen Umstand auch wirklich bedacht hat; abzustellen ist vielmehr auf den Empfängerhorizont. Die vor Konkurseröffnung abgegebene Erklärung der Klägerin konnte vom Masseverwalter aber nicht dahin verstanden werden, dass der Austritt auch für den Fall einer geänderten Situation erklärt werden sollte, in der die Zahlung rechtlich unmöglich ist und ein berechtigter Austritt gar nicht in Betracht kommt. So konnte die Erklärung von einem redlichen Erklärungsgegner nicht verstanden werden und so wurde sie vom Masseverwalter auch nicht verstanden, weil es ja sonst nicht erklärbar wäre, dass er vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ausging und dieses in weiterer Folge durch Entlassung beenden wollte (und beendet hat).

Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, dass die Austrittserklärung der Klägerin durch die Konkurseröffnung überholt wurde, keine Wirksamkeit erlangte und das Arbeitsverhältnis nicht beendete, ist daher im Ergebnis zutreffend.

Damit stellt sich die Frage nach der Berechtigung der vom Masseverwalter wegen Verweigerung der Arbeitsleistung ausgesprochenen Entlassung.

Der hier in Betracht kommende Entlassungsgrund des § 82 lit f GewO,

1. Tatbestand, erfasst jedes pflichtwidrige und schuldhafte Nichteinhalten der pflichtgemäßen Arbeitszeit und daher auch das pflichtwidrige und schuldhafte Nichterscheinen zur Arbeit (Kuderna, Entlassungsrecht² 137).

Da dem Arbeitnehmer die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens bewusst sein muss, schließt ein Irrtum über die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens - dies kann auch ein Rechtsirrtum sein - die Schuld aus (Kuderna, aaO 73). Dies gilt aber - insofern ist der Revisionswerberin beizupflichten - nur dann, wenn der Irrtum nicht vorwerfbar ist (Kuderna, aaO 74).

Unter den hier gegebenen besonderen Umständen erweist sich der Irrtum der Klägerin über ihre Arbeitspflicht nicht als vorwerfbar. Soweit die Revisionswerberin dies mit dem Hinweis bestreitet, die Klägerin hätte durch persönliche Erkundigung bei der Arbeiterkammer erfahren, dass diese nicht geraten habe, den Austritt wahrzumachen, weicht sie von den Feststellungen der Vorinstanzen ab: Diese gehen nämlich sehr wohl von einem der Klägerin von einer Kollegin übermittelten Ratschlag der Arbeiterkammer aus, nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen. Überdies steht fest, dass auch der Geschäftsführer und der Masseverwalter von diesem Ratschlag wussten.

Dem kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil damals die erste Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, wonach die Nichtzahlung "alter" Lohnrückstände durch den Masseverwalter den Austrittsgrund des § 26 Z 2 AngG nicht verwirkliche, erst wenige Monate vorher ergangen war. Dessen ungeachtet war - wie den Feststellungen zu entnehmen ist - dem Masseverwalter das Problem - und damit auch die Unrichtigkeit des ihm bekannten Ratschlags der Arbeiterkammer - bewusst. Damit musste ihm aber auch klar sein, dass das Fernbleiben der Klägerin in Befolgung des diese Entscheidungen noch nicht berücksichtigenden Ratschlags der Arbeiterkammer erfolgte und nicht von der Absicht getragen war, trotz aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses die Arbeit zu verweigern. Bei dieser besonders gelagerten Situation hätte daher der Masseverwalter die Klägerin unter Hinweis auf die von ihm richtig erkannte Rechtslage zum Arbeitsantritt auffordern müssen. Dies hat er aber nicht getan. Zum angekündigten Betriebsbesuch ist er nicht erschienen. Richtig ist allerdings, dass der Geschäftsführer über Wunsch des Masseverwalters der Klägerin und ihrer Kollegin erklärte, es könne "unter Umständen" zu Problemen mit ihren Ansprüchen und zu Entlassungen kommen, sie sollten sich daher mit der Arbeiterkammer in Verbindung setzen. Dies kann aber eine Klarstellung der Rechtslage und eine Aufforderung zum Arbeitsantritt durch den Masseverwalter nicht ersetzen, zumal dem Masseverwalter bekannt war, dass die Kontaktnahme der Kollegin der Klägerin mit der Arbeiterkammer zur Empfehlung geführt hatte, nicht zur Arbeit zu erscheinen. Unter diesen besonderen Umständen erweist sich daher die Auffassung des Berufungsgerichtes, mangels eines schuldhaften Verhaltens der Klägerin sei der Entlassungsgrund nicht verwirklicht, als zutreffend.

Der Höhe nach wird der der Zuspruch an die Klägerin von der Revisionswerberin nicht mehr bekämpft.

Damit bleibt nur mehr der Verjährungseinwand der Beklagten zu prüfen. Dazu haben die Vorinstanzen zu Recht auf § 7 IESG verwiesen. Nach dieser Bestimmung werden durch den fristgerechten Antrag auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld Verjährungs- und Verfallsfristen unterbrochen. Die Meinung der Revisionswerberin, diese Norm betreffe nur das Verhältnis zum Bundessozialamt (nunmehr IAF-Service GmbH) ist unzutreffend. Wie der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt hat, wollte der Gesetzgeber durch die Schaffung dieses Unterbrechungsgrundes klarstellen, dass es einer zusätzlichen Klage des Arbeitnehmers zur Wahrung der Verjährungsfrist nicht bedarf (EvBl 1994/166; 8 ObS 212/01m; 738 BlgNR 18. GP, 6; EvBl 1994/166). Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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