JudikaturJustiz9Ob34/20w

9Ob34/20w – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juli 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei B* GmbH in Liquidation, *, vertreten durch MMag. Norbert Amlacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. H* Z*, wegen 2.400.000 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 29. Mai 2020, GZ 13 R 64/20g, 13 R 65/20d, 13 R 66/20a 35, womit die Beschlüsse des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien zu AZ 57 Cg 149/18b vom 10. März 2020 (ON 24), 23. März 2020 (ON 26) und 24. April 2020 (ON 30), bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen die Beschlüsse des Rekursgerichts ON 26 und ON 30 wird zurückgewiesen.

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Rekursgerichts ON 24 wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, mit denen die Klage zurückgewiesen wurde, werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die (verbesserte) Klage unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die – damals unvertretene – Klägerin brachte am 12. 11. 2018 eine Klage, datiert vom 1. 11. 2018, samt Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (inklusive Beigebung eines Rechtsanwalts) beim Erstgericht ein.

Mit Beschluss vom 16. 1. 2020 (ON 20) bewilligte das Erstgericht der Klägerin die Verfahrenshilfe samt Beigebung eines Rechtsanwalts.

Mit Beschluss vom 29. 1. 2020 (ON 23) trug das Erstgericht de r Klägerin gemäß § 84 ZPO unter Hinweis auf die im Verfahren herrschende absolute Anwaltspflicht auf, ihre Klage binnen vier Wochen wie folgt zu verbessern: „Die Klage ist durch die bestellte Verfahrenshelferin (oder eine/-n andere/-n befugte/-n Rechtsanwalt/Rechtsanwältin) im Wege des ERV unter Angabe der obigen Geschäftszahl neu einzubringen, wobei die nach der ZPO für Klagen vorgeschriebene Form- und Inhaltserfordernisse einzuhalten sind.“ Diesem Verbesserungsauftrag, der der bestellten Verfahrenshelferin am 3. 2. 2020 (und der Klägerin am 4. 2. 2020) zugestellt wurde, war die von der Klägerin am 12. 11. 2018 eingebrachte Klage weder im Original noch in Kopie angeschlossen.

Die Klägerin kam dem Verbesserungsauftrag nicht (fristgerecht) nach.

Mit Beschluss vom 10. 3. 2020 (ON 24) wies das Erstgericht die Klage nach erfolglosem Verbesserungsverfahren als zur geschäftlichen Behandlung ungeeignet zurück.

Mit Schriftsatz vom 17. 3. 2020 (ON 25), eingebracht im Wege des ERV, beantragte die Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Verbesserung der Klage. Darin holte sie die versäumte Prozesshandlung (Einbringung der Klage durch einen Rechtsanwalt im ERV) nach.

Mit Beschluss vom 23. 3. 2020 (ON 26) wies das Erstgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab.

Mit Schriftsatz vom 14. 4. 2020 (ON 29) erstattete die Klägerin weiteres Vorbringen zum Wiedereinsetzungsantrag (Adaptierung, Berichtigung und Verbesserung des Wiedereinsetzungsantrags sowie Verbesserung der Klage) und erhob in eventu Rekurs gegen den Verbesserungsauftrag des Erstgerichts vom 29. 1. 2020 (ON 23).

Mit Beschluss vom 24. 4. 2020 (ON 30) wies das Erstgericht diesen Rekurs zurück.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht den gegen die Beschlüsse des Erstgerichts ON 24, ON 26 und ON 30 erhobenen Rekursen der Klägerin nicht Folge.

Der dagegen gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist in Ansehung der damit bekämpften Entscheidungen über die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags (ON 26) und die Zurückweisung des Rekurses gegen den Verbesserungsauftrag (ON 30) absolut unzulässig, in Ansehung der Entscheidungen der Vorinstanzen über die Zurückweisung der Klage (ON 24) hingegen zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zum Revisionsrekurs gegen die bestätigte Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags (ON 26):

Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls (absolut) unzulässig, wenn das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluss zur Gänze bestätigt hat, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Ausnahmebestimmung des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nur formalrechtlich begründete Klagezurückweisungen erfasst (10 ObS 150/13a; 10 ObS 75/15z; 9 ObA 106/19g uva). Die Verweigerung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach ständiger Rechtsprechung einer Zurückweisung der Klage nicht gleichzuhalten (RS0044536 [T1, T4]; RS0112314 [T7, T13]; RS0044487 [T10]). Da beide Vorinstanzen nach inhaltlicher Auseinandersetzung mit den Behauptungen der Klägerin im Wiedereinsetzungsantrag zum Ergebnis kamen, dieser sei nicht berechtigt, liegt ein bestätigender und damit unanfechtbarer Beschluss des Rekursgerichts vor.

2. Zum Revisionsrekurs gegen die bestätigte Zurückweisung des Rekurses gegen den Verbesserungsauftrag (ON 30):

Verbesserungsaufträge können nach § 84 Abs 1 zweiter Satz ZPO durch ein abgesondertes Rechtsmittel nicht angefochten werden, was nach herrschender Rechtsprechung dahin ausgelegt wird, dass ein Verbesserungsauftrag überhaupt nicht bekämpft werden kann. Denn erst die Zurückweisung des nicht verbesserten Schriftsatzes berührt die Interessen des Einschreiters (RS0036243). Da das Rekursgericht dem Rekurs der Klägerin überdies nicht nur wegen Verspätung (Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses am 3. 2. 2020, Einbringung des Rekurses am 14. 4. 2020), sondern auch nach inhaltlicher Überprüfung mangels Rekurszulässigkeit nicht Folge gegeben hat, liegt ein Fall des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO vor (vgl RS0044456), der die Bekämpfung der Rekursentscheidung absolut unzulässig macht.

3. Zum Revisionsrekurs gegen die bestätigte Zurückweisung der Klage (ON 24):

Der Revisionsrekurs ist zulässig (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO [Fall der Zurückweisung der Klage]). Das Revisionsrekursverfahren gegen eine Zurückweisung der Klage vor Streitanhängigkeit ist einseitig (3 Ob 1/19x Pkt 1. mwN; RS0125481 [T6]).

Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin hat das Rekursgericht den von ihr am 14. 4. 2020 erhobenen Rekurs gegen die Zurückweisung der Klage durch das Erstgericht, zugestellt am 12. 3. 2020, – zutreffend (vgl § 1 Abs 1 1. Covid 19 JuBG, BGBl 2020/16, kundgemacht am 21. 3. 2020) – nicht wegen Verspätung zurückgewiesen, sondern weil es die Rechtsauffassung vertrat, dass dem Verbesserungsauftrag nicht fristgerecht nachgekommen sei. Auf den Ablauf der Verbesserungsfrist (bereits am 2. 3. 2020) hatte die Fristunterbrechung durch das 1. Covid 19 JuBG keinen Einfluss.

Zutreffend steht die Revisionsrekurswerberin aber auf dem Standpunkt, dass der Verbesserungsauftrag nicht wirksam erteilt wurde. Dazu ist auszuführen:

Vor den Gerichtshöfen erster Instanz besteht absolute Anwaltspflicht (§ 27 Abs 1 ZPO). Fehlt in diesem Fall die erforderliche anwaltliche Unterfertigung der Klage (vgl § 75 Z 3 ZPO), dann hat das Gericht die Beseitigung dieses Formgebrechens, welches die ordnungsmäßige geschäftliche Behandlung der Klage hindert, von Amts wegen anzuordnen (vgl § 84 Abs 1 ZPO; 7 Ob 510/92).

Zum Zweck der Beseitigung von Formgebrechen kann die Partei vorgeladen oder ihr der Schriftsatz mit der Anweisung zur Behebung der gleichzeitig zu bezeichnenden Formgebrechen zurückgestellt werden (§ 85 Abs 1 ZPO). Korrespondierend dazu sieht § 59 Abs 1 Sätze 2 bis 3 Geo vor, dass entweder der Schriftsatz unter bestimmter Bezeichnung aller anhaftenden Mängel zur Verbesserung zurückzustellen ist oder die Partei, allenfalls im Fernsprechwege, aufzufordern ist, zur Verbesserung innerhalb einer gewissen Frist bei Gericht zu erscheinen. Wenn die Partei die Verbesserung bei Gericht vornimmt, wird dies durch kurzen Amtsvermerk festgehalten. Wenn die Partei der Aufforderung nicht nachkommt, ist ihr der Schriftsatz mit den nötigen Aufträgen zurückzustellen.

Auch Lehre und Rechtsprechung gehen davon aus, dass es für die Wirksamkeit eines Verbesserungsauftrags grundsätzlich erforderlich ist, dass der zu verbessernde Schriftsatz, dem die notwendige anwaltliche Unterfertigung fehlt, dem Einschreiter mit dem Verbesserungsauftrag zurückzustellen ist (§ 85 Abs 1 ZPO „der Schriftsatz“; 10 ObS 53/88; Kodek in Fasching/Konecny 3 II/2 § 85 ZPO Rz 76, 243; Gitschthaler in Rechberger/Klicka , ZPO 5 §§ 84 85 ZPO Rz 17/1 mwN; Ziehensack in Höllwerth/Ziehensack , ZPO Praxiskommentar § 84 ZPO Rz 19; Rechberger/Simotta , Zivilprozessordnung 9 Rz 378; Danzl , Geo 8 § 59 Rz 3 mwN). Dies gilt auch bei Anwaltspflicht für das Fehlen einer Unterschrift des Rechtsanwalts ( Kodek in Fasching/Konecny 3 II/2 § 85 ZPO Rz 78). Der wegen der fehlenden Unterschrift eines Rechtsanwalts mangelhafte Schriftsatz darf vom Gericht erst dann zurückgewiesen werden, wenn ein (wirksamer) Auftrag zur Verbesserung fruchtlos geblieben ist (vgl RS0036631).

Da das Erstgericht den Verbesserungsauftrag mangels Rückstellung der zu verbessernden Klage an den Verfahrenshelfer nicht ordnungsgemäß erteilt hat, begann die Verbesserungsfrist nicht zu laufen, die Verbesserung blieb weiterhin möglich (RS0036264 [T1]). Eine neuerliche Zustellung des Verbesserungsauftrags samt der ursprünglichen Klage ist nunmehr entbehrlich, weil der Verbesserungsauftrag in der Zwischenzeit erfüllt wurde (vgl RS0125146; RS0036403 [T3]).

In Stattgebung des außerordentlichen Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluss des Rekursgerichts, womit ihrem Rekurs gegen die Zurückweisung der Klage durch das Erstgericht nicht Folge gegeben wurde, waren insoweit die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Dem Erstgericht ist die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
5