JudikaturJustiz9Ob117/06f

9Ob117/06f – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Mai 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Margarita B***** und 2. Josef B*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Christian M. Egger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Raimund L*****, vertreten durch Mag. Gerhard Sporer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung einer Dienstbarkeit und Wiederherstellung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt als Berufungsgericht vom 28. April 2006, GZ 18 R 270/05t-40, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 11. Oktober 2005, GZ 3 C 302/00h-33, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen über das Feststellungsbegehren der klagenden Parteien werden aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte ist Eigentümer einer Liegenschaft, auf der ein Bach fließt. Über bzw durch diesen Bach führt in Verlängerung eines Weges (öffentliches Gut) eine Furt. Diese Bachfurt betreffend ist im Grundbuch ua auf der Liegenschaft des Beklagten zugunsten der Liegenschaft der Kläger das Realrecht des Fuß- und Fahrweges gemäß Servitutsbestellungsvertrag vom 12. 6. 1961 eingetragen. Die Kläger bringen in ihrer Klage vor, der Beklagte habe 1997 im Zuge der Verlegung einer Fernwärmeleitung verschiedene Maßnahmen gesetzt, durch die die bis dahin ungestörte Benützung der Furt nicht mehr bzw nur mehr eingeschränkt möglich sei. Er weigere sich, die Hindernisse zu beseitigen, und behaupte nunmehr, das Wegerecht sei erloschen. Die Kläger begehren die Feststellung des aufrechten Bestandes dieser Dienstbarkeit und die Verpflichtung des Beklagten, die Bachfurt und die Uferböschung durch Befestigung des Bachgrundes und Beseitigung abgelagerter Steine so herzustellen, dass ein gefahrloses und hindernisfreies Begehen und Befahren gewährleistet sei. Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Servitut sei im Jahr 1961 unter der Prämisse ihrer Notwendigkeit bestellt worden. Mittlerweile sei sie aber überflüssig geworden, weil die dadurch erschlossene Liegenschaft der Kläger durch eine direkte Wegeverbindung erreichbar sei. Die Kläger haben überdies auf die Ausübung der Dienstbarkeit gemäß § 524 ABGB verzichtet. Gemäß § 1488 ABGB sei die Dienstbarkeit verjährt, weil sich der Beklagte seit September 1995 ihrer Ausübung widersetzt habe, ohne dass die Kläger binnen dreier Jahre die Wiederherstellung der Servitut begehrt haben. All dies wurde von den Klägern bestritten, die am Bestand ihrer Dienstbarkeit festhielten.

Das Erstgericht gab beiden Klagebegehren zur Gänze statt. Auf Grund der von ihm getroffenen Feststellungen verneinte es die Berechtigung der vom Beklagten gegen den Bestand der Dienstbarkeit vorgebrachten Einwände. Er habe daher die von ihm zu verantwortenden Beschränkungen zu beseitigen.

Das Berufungsgericht hob die Entscheidung über das Leistungsbegehren der Kläger auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurück. Insofern sei das Verfahren noch nicht spruchreif, weil hinreichende Feststellungen fehlten und verschiedene Rechtsfragen mit den Parteien zu erörtern seien.

Die Entscheidung des Erstgerichtes über das Feststellungsbegehren wurde hingegen vom Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil in ein dieses Begehren abweisendes Teilurteil abgeändert. Das Berufungsgericht sprach aus, dass gegen dieses Urteil die Revision zulässig sei.

Die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts zur Begründung der Abweisung des Feststellungsbegehrens lassen sich wie folgt zusammenfassen:

§ 523 ABGB regle sowohl die Servitutenklage des Servitutsberechtigten gegen Beeinträchtigungen der Ausübung seines Rechts als auch die Eingentumsfreiheitsklage des Eigentümers gegen die Anmaßung einer Dienstbarkeit. Das Klagebegehren der Servitutenklage gehe - je nach Lage des Falles - auf Feststellung der Dienstbarkeit (nur gegen den Eigentümer der dienenden Liegenschaft), auf Einwilligung in die grundbücherliche Einverleibung des noch nicht eingetragenen Rechts, auf Beseitigung der Beeinträchtigungen bzw Wiederherstellung, auf Unterlassung künftiger Störungen und auf Schadenersatz. Ein Feststellungsinteresse des Servitutsberechtigten ergebe sich nach der Rechtsprechung schon aus § 523 ABGB. Mit einer solchen „materiellrechtlichen" Feststellungsklage, die (nur) im Falle einer Störung des Rechts der Voraussetzungen des § 228 ZPO nicht bedürfe, könne das Begehren auf bücherliche Einverleibung kumuliert werden, das aber oft gar nicht mehr verlangt werde, weil schon das Feststellungsurteil für die Erwirkung der Einverleibung als ausreichend erachtet worden sei.

Im hier zu beurteilenden Ausnahmefall, in dem das Servitutsrecht bereits verbüchert sei, fehle es an einem rechtlich geschützten Interesse des Berechtigten, sein Recht nochmals urteilsmäßig festgestellt zu sehen; vielmehr wäre es Sache des Eigentümers des dienenden Grundstücks, die Eigentumsfreiheitsklage zu erheben, zumal auch gemäß §§ 323 f ABGB die Tatsache der Eintragung die rechtliche Vermutung eines gültigen Titels begründe und daher die Beweislast, dass dies nicht der Fall sei, den Eigentümer des dienenden Grundstücks träfe. Den rechtlichen Interessen der Kläger gegenüber dem Eigentümer des dienenden Grundstücks werde hingegen mit der Servitutenklage in ihrer Ausformung als Klage auf Wiederherstellung des früheren Zustands bzw Beseitigung der Beeinträchtigung, Unterlassung künftiger Störungen oder Schadenersatz vollauf Genüge getan. Mit einer Stattgebung der Feststellungsklage wäre für die Kläger nicht mehr zu gewinnen, als sie ohnedies schon haben, nämlich die Intabulierung ihrer Wegeservitut.

Diese Überlegung führe zur Abweisung des Feststellungsbegehrens mangels Feststellungsinteresses. Im Gegensatz zu anderen Fallkonstellationen sei damit eine Präjudizialitäts- oder Rechtskraftswirkung iS einer inhaltlichen Verneinung des Bestands des Rechtes nicht verbunden.

Gegen dieses Urteil richtet sich Revision der Kläger mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des darin enthaltenen Aufhebungantrags berechtigt.

Nach der seit Jahrzehnten nahezu einhelligen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs leitet sich bei einer gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks gerichteten Servitutenklage der Anspruch auf Feststellung der Dienstbarkeit aus § 523 ABGB ab, sodass für das Feststellungsbegehren die sonst für Feststellungsklagen erforderlichen Voraussetzungen (§ 228 ZPO) nicht gegeben sein müssen (RIS-Justiz RS0012120; RS0038877; RS0011506; RS0012121; zuletzt etwa 1 Ob 230/03k; 7 Ob 126/04m). Diese Rechtsprechung wird auch von der überwiegenden Lehre gebilligt (Klang in Klang II² 600 f; Hofmann in Rummel, ABGB³ Rz 3 und 8; Koch in KBB, § 523 Rz 3; Rechberger/Klicka in Rechberger³ § 228 Rz 12; Fasching in Fasching/Konecny § 228 Rz 33 ff, wobei sich letzterer allerdings gegen den in diesem Zusammenhang verwendeten Begriff der „materiell-rechtlichen" Feststellungsklage wendet, weil das materielle Recht keinen eigenen Feststellungsanspruch schaffe; auch er geht aber davon aus, dass in den mit diesem Begriff umschriebenen Fällen eine gesonderte Prüfung des Feststellungsinteresses entbehrlich ist, weil das materielle Recht Tatbestände konkretisiert, die durch Tatsachen gebildet werden, die gleichzeitig auch das alsbaldige rechtliche Interesse dartun, sodass in deren Behauptung und Beweis auch die Behauptung und der Beweis des Feststellungsinteresses liegt).

Aus dem Umstand, dass es bei den sog. „materiellrechtlichen" Feststellungsklagen des Nachweises des Feststellungsinteresses nicht bedarf, hat aber der Oberste Gerichtshof wiederholt gefolgert, dass bei diesen Klagen das Problem „Feststellungsklage und/oder Leistungsklage" nicht aufzuwerfen ist (RIS-Justiz RS0038877; zuletzt etwa 7 Ob 126/04m).

Bei der vorliegenden Klage handelt es sich unzweifelhaft um eine Servitutenklage iSd § 523 ABGB, zumal nach den (insoweit unwidersprochenen) Klagebehauptungen der Bestand der Servitut strittig ist und die Kläger die Störung ihres Rechtes durch den Beklagten geltend machen. Dennoch erachtet das Berufungsgericht die eben wiedergegebenen Überlegungen, nach denen sich das Feststellungsinteresse des Servitutsklägers aus dem Gesetz ergibt, auf das hier gestellte Feststellungsbegehren nicht anwendbar. Das Berufungsgericht knüpft dabei an den Umstand an, dass im hier zu beurteilenden Fall die Dienstbarkeit bereits im Grundbuch eingetragen ist, was gemäß § 323 ABGB die Vermutung des Rechtes bewirke. Es sei daher Sache des Beklagten, das von ihm behauptete Erlöschen des Rechtes zu beweisen und mittels einer Eigentumsfreiheitsklage die Löschung der Eintragung zu erwirken. Zur Geltendmachung der rechtlichen Interessen des Klägers reiche hingegen das ohnedies gestellte Wiederherstellungsbegehren aus. Durch das Feststellungsbegehren könne er nicht mehr erreichen, als er schon habe, nämlich die Verbücherung seines Rechtes.

Diese Betrachtungsweise wird der Funktion des Feststellungsbegehrens nicht gerecht. Dass nach der Rechtsprechung auf Grund eines Urteils, mit dem das Bestehen einer Dienstbarkeit festgestellt wird, deren Eintragung ins Grundbuch erfolgen kann (RIS-Justiz RS0012126), bedeutet nicht, dass sich die Bedeutung des Feststellungsurteils in der Verbücherung des Rechtes erschöpft (vgl dazu auch die ohnedies von der zweiten Instanz zitierte Rechtsprechung, wonach das Feststellungsbegehren mit dem Begehren auf Einverleibung der Dienstbarkeit verbunden werden kann; RIS-Justiz RS0118963; zuletzt etwa 1 Ob 230/03k). Vielmehr geht es im Verfahren über ein Feststellungsbegehren ganz generell um die Feststellung eines strittigen Rechtes oder Rechtsverhältnisses. Diese Funktion kommt dem Feststellungsbegehren der Kläger auch hier zu, zumal - wie ausgeführt - nach dem Vorbringen beider Parteien ungeachtet des Grundbuchstandes der Bestand der von den Klägerin behaupteten Servitut strittig ist. Die Annahme, der Kläger dürfe - weil sein Recht bereits verbüchert ist - dennoch kein Feststellungsbegehren erheben, weil es Sache des Beklagten sei, eine Eigentumsfreiheitsklage zu erheben, entbehrt einer rechtfertigenden Grundlage und widerspricht dem durch § 523 ABGB normierten „doppelten Klagerecht".

Dass im Bereich des § 228 ZPO dem Kläger das Feststellungsinteresse abgesprochen wird, wenn er eine Leistungsklage erheben kann, deren Erfolg die Feststellung des Rechtsverhältnisses gänzlich erübrigt, trifft zu (Rechberger/Klicka, ZPO³ § 228 Rz 11 und die dort angeführten Nachweise). Daraus ist aber für den Standpunkt des Berufungsgerichtes ebenfalls nichts zu gewinnen, weil sich - wie schon oben ausgeführt - nach herrschender Lehre und Rechtsprechung bei der gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks gerichteten Servitutenklage der Anspruch auf Feststellung der Dienstbarkeit aus § 523 ABGB ergibt, sodass für das Feststellungsbegehren die sonst für Feststellungsklagen erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben sein müssen und die Frage der Zulässigkeit des Nebeneinanders von Leistungsklage und Feststellungsklage nicht zu prüfen ist. Die Begründung der zweiten Instanz für die Abweisung des Feststellungsbegehren der Kläger erweist sich daher nicht als tragfähig. Die Entscheidung über dieses Begehren hängt somit von der Frage ab, ob das zwischen den Parteien strittige Recht besteht oder nicht. Die vom Berufungsgericht in seinem Beschluss über die Aufhebung der Entscheidung über das Wiederherstellungsbegehren vertretene Rechtsauffassung, dass diese Frage noch nicht beurteilt werden kann, wird in der Revision nicht in Frage gestellt. Es erweist sich daher als notwendig, die Entscheidungen der Vorinstanzen über das Feststellungsbegehren aufzuheben und auch in diesem Umfang die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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