JudikaturJustiz8ObA67/15h

8ObA67/15h – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Februar 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann Prentner und Dr. Weixelbraun Mohr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Harald Kohlruss als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller/Dr. Markus Orgler, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei R***** regGenmbH, *****, vertreten durch Dr. Günter Harasser und Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen 277.960,20 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 268.952,64 EUR brutto sA) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 20. Mai 2015, GZ 15 Ra 26/15h 66, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung zwischen Entgeltansprüchen des Arbeitnehmers und einer eingewendeten Schadenersatzforderung des Arbeitgebers, selbst wenn sie aus einem Verhalten des Arbeitnehmers bei Erbringung seiner Arbeitsleistung resultiert, kein rechtlicher Zusammenhang im Sinn des § 391 Abs 3 ZPO besteht (RIS Justiz

RS0040994 [T6]; siehe auch Deixler-Hübner in Fasching / Konecny ² § 391 ZPO Rz 58 mwN; Rechberger in Rechberger , ZPO 4 §§ 391 392 ZPO Rz 15 mwN). Der rechtliche Zusammenhang fehlt unabhängig davon, ob dem klagenden Arbeitnehmer ein deliktisches Verhalten oder ein Verstoß gegen den Arbeitsvertrag vorgeworfen wird (9 ObA 98/13x).

Auch der Umstand, dass der Schaden durch vorsätzliches Fehlverhalten herbeigeführt wurde, begründet keinen rechtlichen Zusammenhang zwischen Entgeltansprüchen des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis und den als Gegenforderung eingewendeten Schadenersatzansprüchen des Arbeitgebers. Auch in diesem Fall werden die beiden Forderungen weder aus einem einheitlichen Vertrag, noch aus einer einzigen gesetzlichen Vorschrift oder einem einheitlichen, unter einem gleichen rechtlichen Gesichtspunkt zu beurteilenden Lebenssachverhalt hergeleitet (RIS Justiz RS0040994; 9 ObA 189/89 mwN).

Dass wie in der Revision behauptet die ältere Rechtsprechung zunächst Konnexität von Schadenersatzforderungen wegen absichtlicher Schadenszufügung bejaht habe, trifft nicht zu. Richtig ist lediglich, dass die in der Revision genannte Entscheidung 8 ObA 238/95 die im Übrigen im Ergebnis ebenfalls die Zulässigkeit der Erlassung eines Teilurteils bejaht eine derartige Aussage unter Hinweis auf die Entscheidung 9 ObA 180/91 (ARD 4331/4/92) zitiert; bei diesem Zitat handelt es sich aber um ein Fehlzitat, weil die Entscheidung 9 ObA 180/91 diese Frage inhaltlich gar nicht behandelt. Auch aus der Entscheidung 9 ObA 354/98v lässt sich nicht ableiten, dass die bloße Behauptung absichtlicher Schadenszufügung die Erlassung eines Teilurteils unzulässig machen würde. Dass sich die Revisionswerberin auf die jüngere Rechtsprechung nicht stützen kann, erkennt sie selbst.

Die Frage, ob im konkreten Fall die Erlassung eines rechtlich zulässigen Teilurteils zweckmäßig war, ist der Prüfungsbefugnis des Obersten Gerichtshofs entzogen (RIS Justiz RS0040047).

2. Die Auslegung einer Vereinbarung ist in aller Regel eine Einzelfallentscheidung, die nur dann vom Obersten Gerichtshof überprüft werden kann, wenn dem Berufungsgericht eine schwerwiegende Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit einer Korrektur bedarf (RIS Justiz RS0042776; RS0113785; RS0044358; RS0042936 ua). Eine solche Fehlbeurteilung vermag die Revision mit ihren teilweise durch Feststellungen nicht gedeckten Ausführungen nicht aufzuzeigen. Die Auslegung durch das Berufungsgericht entspricht dem Wortlaut der maßgebenden Regelung. Wurde nicht bewiesen, dass für den einen Vertragspartner aus dem Erklärungsverhalten des anderen eine vom Wortlaut des Vertrags abweichende Erklärungsbedeutung zu erschließen war, ist die Absicht der Parteien im Rahmen der rechtlichen Beurteilung allein aus dem Vertrag nach dem objektiven Aussagewert des Textes und dem Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung im Zusammenhalt mit dem Zweck der Vereinbarung zu ermitteln (RIS Justiz RS0017833). Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt eine „Vertragslücke“, also eine planwidrige Unvollständigkeit der vertraglichen Regelung voraus (RIS Justiz RS0017829). Hier entspricht die Auslegung durch das Berufungsgericht dem Wortlaut der maßgebenden Regelung. Eine davon abweichende übereinstimmende Absicht der Parteien ist nicht erwiesen. Das Revisionsvorbringen führt zu alledem hauptsächlich Aussagen von Vorstandsmitgliedern ins Treffen, vermag sich aber auf Feststellungen nicht zu berufen.

3. Dass das Berufungsgericht die gesetzliche und die vertragliche Abfertigung des Klägers „als Einheit“ betrachtet habe, trifft nicht zu. Die Behauptungen der Beklagten über die „Sittenwidrigkeit“ der vom Kläger geltend gemachten Forderung vermögen ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen, weil sie sich letztlich nur neuerlich gegen die Zulässigkeit eines Teilurteils trotz hier eingewendeter Gegenforderungen wegen (behaupteter) vorsätzlicher Schadenszufügung richten.

4. Andere Gründe macht die Revision nicht geltend, weshalb insgesamt keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen war.

Rechtssätze
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