JudikaturJustiz8Ob55/19z

8Ob55/19z – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Juli 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann Prentner, Mag. Korn, Dr. Stefula und Mag. Wessely Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch TELOS Law Group Winalek ua Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. L*****, vertreten durch Dr. Gernot Breitmeyer, Rechtsanwalt in Wien, und 2. K*****, geboren am ***** 2001, *****, vertreten durch E*****, dieser vertreten durch Mag. Florian Kuch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 21.333,43 EUR sA und Feststellung (5.000 EUR), über die Revision der zweitbeklagten Partei (Revisionsinteresse: 9.651,72 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. Februar 2019, GZ 12 R 83/18s 70, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Mai 2019, GZ 24 Cg 6/17d 65, Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Über die Kosten des Revisionsverfahrens hat das Erstgericht zu entscheiden.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

2. Richtig ist, dass es einen Verfahrensmangel begründet, wenn das Berufungsgericht von den tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts ohne Wiederholung der Beweisaufnahmen abgeht (RIS Justiz RS0043461).

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht aber nur den Sachverhalt einer anderen rechtlichen Beurteilung unterzogen als das Erstgericht, indem es im Verhalten des Zweitbeklagten einen Beitrag zur Schaffung einer Gefahrenquelle sah, die letztlich zur Verletzung der Klägerin geführt hat. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt daher nicht vor.

3. Nach § 1301 ABGB können für einen widerrechtlich zugefügten Schaden mehrere Personen verantwortlich werden, „indem sie gemeinschaftlich, unmittelbarer oder mittelbarer Weise, durch Verleiten, Drohen, Befehlen, Helfen, Verhehlen udgl oder auch nur durch Unterlassen der besonderen Verbindlichkeit das Übel zu verhindern, dazu beigetragen haben“. Nach § 1302 ABGB haften in einem solchen Falle, wenn die Beschädigung vorsätzlich zugefügt worden ist, alle für einen und einer für alle.

4. § 1302 ABGB stellt zwar bei der Anordnung der Solidarhaftung trotz Bestimmbarkeit der Anteile auf die vorsätzliche Mittäterschaft ab. Die Solidarhaftung ist aber nach der Rechtsprechung auch schon dann gerechtfertigt, wenn zwar kein gemeinschaftlicher Schädigungsvorsatz bestand, zwischen den mehreren Personen aber Einvernehmen über die Begehung einer rechtswidrigen Handlung herrschte und diese Handlung für den eingetretenen Schaden konkret gefährlich war (vgl RS0109825).

Gemeinschaftlichkeit iSd § 1301 ABGB kann also auch dann vorliegen, wenn zwischen den Tätern zwar kein Einvernehmen über die Schädigung gegeben ist, wohl aber über die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens, bei dessen Verwirklichung eine nicht beabsichtigte Schädigung erfolgt (RS0109824).

Der Vorwurf, vorsätzlich gemeinsam ein unerlaubtes Ziel verfolgt zu haben, rechtfertigt es, alle Beteiligten zunächst ohne weitere Prüfung ihrer Kausalität für den entstandenen Schaden verantwortlich zu machen (RS0112574; zuletzt etwa 9 Ob 52/18i).

5. Die Anwendung dieser vom Obersten Gerichtshof zur Haftung von Mittätern entwickelten Grundsätze im Einzelfall stellt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (5 Ob 34/17m).

6. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Zweitbeklagte vom Erstbeklagten auf die Klägerin gestoßen wurde, wodurch diese verletzt wurde. Die unmittelbare Verletzungshandlung wurde daher nicht vom Zweitbeklagten aktiv gesetzt und war von ihm nach den Feststellungen auch nicht zu verhindern. Vorangegangen war dem allerdings ein zwischen den Beklagten (einvernehmlich) übliches spielerisches Hin- und Herstoßen. Vor dem letzten Stoß hatte der Zweitbeklagte den Erstbeklagten gestoßen und damit einen „Gegenangriff“ provoziert und erwartet, der letztlich, wenn auch mit gewisser zeitlicher Verzögerung erfolgte und zum Unfall führte.

Wenn das Berufungsgericht vor diesem Hintergrund die Rechtsauffassung vertritt, dass auch der Zweitbeklagte eine Mitverantwortung an der Gefahrenquelle trägt, die letztlich zur Verletzung der Klägerin führte und aufgrund dieses gemeinschaftlich gesetzten gefährdenden Verhaltens ebenfalls für diese Verletzung einzustehen hat, hält es sich noch im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.

Darauf, ob die letzte Handlung vom Zweitbeklagten hätte verhindert werden können, kommt es letztlich nicht an, weil nach dem Sachverhalt davon auszugehen ist, dass es zu dieser Handlung des Erstbeklagten ohne das vorangehende, Dritte gefährdende „Spiel“ der Beklagten, an dem der Zweitbeklagte gleichwertig beteiligt war, nicht gekommen wäre.

7. Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

8. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 3 ZPO. Das Erstgericht hat die Kostenentscheidung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Streitsache vorbehalten. Daran ist auch der Oberste Gerichtshof gebunden (RS0129336).

Rechtssätze
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