JudikaturJustiz8Ob3/23h

8Ob3/23h – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj C* S*, geboren am * 2019, wegen Kontaktrechts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter M* P*, vertreten durch Mag. Niki Zaar, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. November 2022, GZ 48 R 123/22a, 48 R 124/22y 84, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

1. Beschluss vom 17. 7. 2022

Rechtliche Beurteilung

[1] Verfahrensleitende Beschlüsse sind im Rahmen eines Beweisverfahrens getroffene Erledigungen, die der Stoffsammlung bzw der zweckmäßigen Gestaltung des Verfahrens dienen und deren Ziel es ist, die Sachverhaltsgrundlage für die gerichtliche Sachentscheidung zu klären oder zu verbreitern. Sie greifen in der Regel nicht in die Rechtsstellung der Parteien ein und das Gericht ist jederzeit in der Lage, sie abzuändern und einer geänderten Situation anzupassen (8 Ob 61/14z; ua Kodek in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG² I § 45 Rz 6 ff).

[2] Gemäß § 45 Satz 2 AußStrG sind verfahrensleitende Beschlüsse, soweit nicht ihre selbständige Anfechtung angeordnet sind, nur mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Hauptsache anfechtbar (RIS Justiz RS0120910).

[3] Selbstständig anfechtbar sind verfahrensleitende gerichtliche Verfügungen nur dann, wenn sie mit nachteiligen Rechtsfolgen verbunden ist und damit die Rechtsstellung der Partei unmittelbar gefährdet wird (RS0006284).

[4] Wenn das Rekursgericht hier den Auftrag an das Besuchscafe, über die Durchführung der begleiteten Kontakte zwischen Kind und Vater zu berichten, als nicht gesondert anfechtbaren verfahrensleitenden Beschluss qualifiziert und den Rekurs dagegen zurückgewiesen hat, hält sich dies im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung.

[5] Soweit eine rechtliche Beeinträchtigung wegen einer nicht näher spezifizierten Verschwiegenheitspflicht behauptet wird, ist festzuhalten, dass dies nicht konkretisiert wird und im angefochtenen Beschluss überhaupt keine bestimmten Berichtsinhalte und umso weniger die Preisgabe von einer Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Informationen verlangt wurden.

2. Beschluss vom 12. 8. 2022

[6] Die Mutter wendet sich gegen die Häufigkeit der vom Erstgericht dem Vater eingeräumten begleiteten Besuchskontakte und strebt eine zweiwöchige anstatt der festgelegten einwöchigen Frequenz an, außerdem sollen die darüber hinaus vom Erstgericht zweimal wöchentlich eingeräumten Kontakte per Videotelefonie auf einen wöchentlichen Telefonkontakt ohne Video beschränkt werden.

[7] 2.1. Als aktenwidrig bekämpft der Revisionsrekurs die Ansicht des Berufungsgerichts, dass sich die Mutter im Verfahren nie konkret gegen die bewilligten Häufigkeiten und Modalitäten der Kontakte ausgesprochen habe.

[8] Eine Aktenwidrigkeit liegt dann vor, wenn der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolgedessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (RS0043347).

[9] Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Revisionsrekurs stützt sich darauf, das Rekursgericht habe übersehen, dass die Mutter im Besuchscafe angegeben habe, wöchentliche Kontakte nicht wahrnehmen zu können. Damit wird jedoch nur eine unrichtige Interpretation des Parteienvorbringens, aber keine Aktenwidrigkeit behauptet. Wenn die Vorinstanzen diese Angabe der Mutter nach den Umständen als Mitteilung aktueller Verhinderungsgründe, aber nicht als darüber hinausgehende, generelle Ablehnung einer Kontaktregelung mit wöchentlicher Frequenz verstanden haben, ist dies nicht unvertretbar.

[10] Gründe, aus denen die angestrebte Reduktion des Kontaktrechts auf die Hälfte dem Wohl des Kindes entsprechen würde, werden gar nicht behauptet.

[11] 2.2. Gegen die dem Vater eingeräumten zweimal wöchentlichen Kontakte per Videotelefonie wendet sich der Revisionsrekurs zunächst, weil die ursprünglich im Einvernehmen der Eltern festgelegte Uhrzeit nunmehr wegen der geänderten Kindergartenbetreuungszeiten nicht mehr einzuhalten sei, weshalb eine Verlegung um zwei Stunden angestrebt werde.

[12] Im Rechtsmittelverfahren in Außerstreitsachen herrscht grundsätzlich Neuerungsverbot (RS0119918). Das erstmals im Rekurs der Mutter enthaltene Vorbringen, nicht nur – wie dem Erstgericht bekanntgegeben – die Uhrzeit der montäglichen Besuchskontakte, sondern auch jene der Telefonkontakte an Donnerstagen sei wegen längeren Kindergartenbesuchs nicht mehr einhaltbar, ist daher unbeachtlich. Sollte es den Eltern wider Erwarten tatsächlich nicht gelingen, sich einvernehmlich auf eine Verschiebung der Telefonzeit zu verständigen, steht die Möglichkeit eines neuen Antrags an das Erstgericht offen.

[13] Im Übrigen zeigt der Revisionsrekurs auch hinsichtlich der Modalität und Häufigkeit der Telefonkontakte keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[14] Es ist notorisch, dass ein Videotelefonat dem Kind einen intensiveren und lebensnäheren Kontakt mit dem Gesprächspartner bieten kann als ein gewöhnliches Telefonat. Da Videokonferenzen nicht nur über Smartphones geführt werden können, spielt es auch keine entscheidende Rolle, wenn die Mutter behauptet, lediglich ein Tastentelefon zu besitzen. Inwiefern dem Kind eine Reizüberflutung drohen könnte, wenn es zweimal wöchentlich je eine halbe Stunde ein solches Telefonat führen darf, oder damit in seine Erziehung eingegriffen würde, ist nicht nachvollziehbar.

[15] Im Kindeswohl begründete Umstände, die gegen die Anzahl der wöchentlichen Telefonate sprechen würden, werden nicht geltend gemacht.

[16] Mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Rechtssätze
4