JudikaturJustiz8Ob11/23k

8Ob11/23k – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Februar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann Prentner, Mag. Korn, Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. a M*, 2. Dipl. Ing. (FH) M*, beide vertreten durch anwaltschriefl KG in Mödling, gegen die beklagte Partei Mag. a N*, vertreten durch Orsini und Rosenberg Striessnig Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Beseitigung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 1. Dezember 2022, GZ 58 R 128/22d 26, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 27. Juli 2022, GZ 14 C 121/22d-18, Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 917,02 EUR (darin enthalten 152,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Kläger begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, die von ihr genützte Gasleitung, die über die Liegenschaft der Kläger auf die Liegenschaft der Beklagten führt, zu entfernen. Die Liegenschaft sei von ihnen lastenfrei erworben worden. Auf die Gasleitung seien sie nicht hingewiesen worden und habe sich deren Verlauf auch nicht aus dem Grundbuch ergeben.

[2] Die Beklagte bestritt und brachte – soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz – vor, die Kläger hätten schon aufgrund der Lage des vorhandenen Gasbocks der Beklagten Bedenken über die Vollständigkeit des Grundbuchstands haben müssen. Da es sich um eine offenkundige Dienstbarkeit handle, müssten sie diese gegen sich gelten lassen.

[3] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

[4] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies die Klage ab. Ausgehend davon, dass den Klägern bekannt gewesen sei, dass die Liegenschaften erst 2003 durch Teilung entstanden seien und sich der Gasbock der Beklagten direkt vor der Liegenschaft der Kläger vor deren Garage befinde, wäre es an ihnen gelegen gewesen, Nachforschungen darüber anzustellen, ob die Gasleitung über ihre Liegenschaft verlaufe. Es liege eine offenkundige Servitut vor, die die Kläger gegen sich gelten lassen müssten.

[5] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zur Frage zugelassen, ob dadurch, dass der Gasbock nicht auf, sondern unmittelbar vor der Liegenschaft der Kläger situiert sei, die Sorgfaltsanforderungen an eine offenkundige Servitut abgeschwächt seien.

[6] Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Kläger mit dem Antrag, die Entscheidung des Berufungsgerichts dahingehend abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[7] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig .

[9] 1. Eine nicht verbücherte Dienstbarkeit ist gegenüber dem Rechtsnachfolger des Bestellers wirksam, wenn dieser von der Servitut Kenntnis hatte oder hätte haben müssen oder wenn sie offenkundig war (RIS Justiz RS0003028 [T1, T2]). Der redliche Erwerber wird dann nicht geschützt, wenn seine irrige Vorstellung über den Umfang eines fremden Rechts auf – auch nur leichter – Fahrlässigkeit beruht (RS0034776 [T4, T6, T11, T23]). Die Sorgfaltsanforderungen an den Erwerber dürfen zwar nicht überspannt werden, weil sonst das Grundbuch entwertet würde (RS0034776 [T3]), er muss allerdings Nachforschungen anstellen, wenn der indizierte Verdacht besteht, dass die tatsächlichen Besitzverhältnisse nicht dem Grundbuchstand entsprechen (RS0034776 [T13, T22]). Ob eine Erkundigungspflicht besteht, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0107329).

[10] 2. „Offenkundigkeit“ einer Dienstbarkeit ist anzunehmen, wenn im maßgebenden Zeitpunkt der Eigentumsübertragung das tatsächliche Bestehen eines Gebrauchszwecks durch offenkundige Vorgänge oder ersichtliche Anlagen oder Einrichtungen erkennbar war (RS0034803; RS0011633).

[11] 3. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass aufgrund der Situierung des Gasbocks der Beklagten unmittelbar vor der Garage der Kläger und der Kenntnis der Kläger von einer nicht lange zurückliegenden Grundstücksteilung zumindest Nachforschungen über eine mögliche Leitungsführung hätten angestellt werden müssen, hält sich im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.

[12] 4. Wenn die Kläger in der Revision geltend machen, dass die tatsächliche Leitungsführung (um ihr Haus) ungewöhnlich und nicht zu erwarten war, mag dies richtig sein, ist aber nicht von Relevanz. Es geht nicht darum, ob die Kläger vom konkreten Verlauf der Leitungen wussten oder hätten wissen müssen, sondern ob die vorhandenen Anlagen allgemein auf einen Leitungsvorlauf über die Liegenschaft der Kläger hindeuteten.

[13] 5. Auch kann entgegen der Revision von einer Unzumutbarkeit von Nachforschungen nicht gesprochen werden. Unabhängig davon, ob Pläne über den Leitungsverlauf leicht zu erhalten waren, hätten die Kläger sich auch bei der Beklagten diesbezüglich erkundigen können. Dafür dass sie dabei eine falsche Auskunft erhalten hätten, gibt es keine Anhaltspunkte.

[14] 6. Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[15] 7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Rechtssätze
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