JudikaturJustiz7Ob640/76

7Ob640/76 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juli 1976

Kopf

SZ 49/99

Spruch

Soweit § 6 NotwegeG Platz greift, gelten §§ 483 2. Satz und 494 ABGB für die Kosten zukünftiger Erhaltungsarbeiten am gemeinsamen Weg nicht

OGH 29. Juli 1976, 7 Ob 640/76 (KG Steyr R 55/76; BG Steyr 1 Nc 383/75)

Text

Mit dem angefochtenen Beschluß bestätigte das Rekursgericht den Beschluß des Erstrichters, womit dem Antragsteller zur ordentlichen Benützung seiner Grundstücke Nr. 298/1 Baufläche und Nr. 529/13 Garten der EZ 564 KG S die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes über die Grundstücke Nr. 532/3 Wiese, 532/4 Wiese und 529/9 Garten der im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden EZ 790 KG S ohne Auferlegung einer Entschädigung eingeräumt wurde. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen unterblieb nach dem Kauf der jetzt notleidenden Grundstücke im Jahre 1968 die Einverleibung der vertraglich eingeräumten Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes über die auch damals schon als Weg ausgebildeten Grundstücke 532/4 und 532/3 durch ein Versehen des Vertragsverfassers, doch konnte der Antragsteller in der Folge diese Dienstbarkeiten unbehindert ausüben, bis die Antragsgegnerin die belasteten Grundstücke im Versteigerungsweg erwarb. Die Untergerichte verneinten den Eintritt eines Schadens durch die Einräumung des Notweges, weil die Grundstücke 532/3 und 532/4 ohnehin schon als befestigte Straße ausgebildet seien und jener Teil des Grundstückes 529/9, der im Zuge des eingeräumten Notweges begangen und befahren werden müsse, mit einem Betonpflaster versehen sei, vom Antragsteller aber nicht als Abstellplatz verwendet werde. Das Rekursgericht fügte bei, daß den Antragsteller nach § 483 ABGB der durch seine Mitbenützung erhöhte Instandhaltungsaufwand treffen werde, so daß der Antragsgegnerin auch daraus kein Schaden erwachse, und daß überdies durch die Einräumung des Notweges nur jene Rechtslage wieder hergestellt werde, die schon gegenüber der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin bestand und vom Antragsteller auch im Prozeßweg hätte durchgesetzt werden können.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs Folge.

Der angefochtene Beschluß wurde ebenso wie der Beschluß des Erstrichters aufgehoben und die Rechtssache zur weiteren Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der von der Antragsgegnerin erhobene Revisionsrekurs ist nach § 16 AußStrG zu beurteilen, weil diese Bestimmung auch im Verfahren über die Einräumung von Notwegen anzuwenden ist (RZ 1964, 142 u. v. a.). Die geltend gemachte unrichtige rechtliche Beurteilung bildet daher nur unter der Voraussetzung einer offenbaren Gesetzwidrigkeit einen zulässigen Rechtsmittelgrund. Eine derart qualifizierte Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die zur Beurteilung gestellte Frage im Gesetz so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 44/180 u. v. a.). Es genügt allerdings, daß der Revisionsrekurswerber eine solche offenbare Gesetzwidrigkeit dem Inhalt nach geltend macht (SZ 46/107), In diesem Sinne kann der Rekurswerberin zwar nicht dahin gefolgt werden, daß das Begehren des Antragstellers um Einräumung des Notweges gemäß § 2 Abs. 1 NotwegeG unzulässig sei, weil der Mangel der Wegverbindung auf seine eigene auffallende Sorglosigkeit zurückgehe. In der gegenteiligen Beurteilung durch die Untergerichte kann nämlich schon deshalb keine offenbare Gesetzwidrigkeit liegen, weil die Frage, wann auffallende Sorglosigkeit im Sinn des § 2 NotwegeG vorliegt, im Gesetz selbst nicht ausdrücklich geregelt ist (NZ 1962, 13 u. v. a. zuletzt 3 Ob 4, 5/75 und 7 Ob 511/76).

Anders verhält es sich dagegen hier bei der Frage, ob und welche Entschädigung der Rekurswerberin für die ihr durch die Einräumung des Notweges zugefügten Schäden zuzuerkennen ist. Die Vorinstanzen haben die ausdrückliche Bestimmung des § 6 NotwegeG übersehen, wonach jene Mehrauslagen der Wegeerhaltung, die durch die Einräumung der Mitbenützung eines fremden Privatweges verursacht werden, in den Entschädigungsbetrag einzubeziehen sind. Aus dieser Bestimmung folgt zwingend, daß entgegen der Meinung des Rekursgerichtes die §§ 483 zweiter Satz und 494 ABGB für die Kosten zukünftiger Erhaltungsarbeiten an einem solchen gemeinsamen Weg nicht gelten (Ehrenzweig, System[2] I/2, 348 Anm. 53). Der Entschädigungsbetrag muß also insofern auch alle Kosten der zukünftigen Wegerhaltung entsprechend einem angemessenen Anteil des Antragstellers mitberücksichtigen (JBl. 1976, 317). Da die Sachverständigen im vorliegenden Fall eine Entschädigung tatsächlich nur unter der Voraussetzung, daß auch der Antragsteller in Zukunft zur anteilsmäßigen Erhaltung des gut fahrbaren Zustandes der Notwegeflächen verpflichtet werde, für entbehrlich hielten (S. 29 und 34), beruht die entschädigungslose Einräumung des Notweges durch die Vorinstanzen auf einer offenbar unrichtigen Anwendung des Gesetzes.

Daran ändert auch der Umstand nichts, daß nach Ansicht des Rekursgerichtes bloß die frühere Rechtslage wiederhergestellt werden soll, weil der Antragsteller gerade hinsichtlich der künftigen Instandhaltungskosten durch die Einräumung des Notweges anders gestellt wird als im Falle der Durchsetzung eines Servitutsrechtes im Prozeßweg.

Es bedarf demnach einer ergänzenden Feststellung darüber, welche Teile des Notweges vom Antragsteller mitbenützt werden sollen und welche Mehrauslagen der Wegeerhaltung hiedurch zu erwarten sind. Diese Mehrauslagen werden mit einem Entschädigungsbetrag abzugelten sein, weil die laufenden Erhaltungskosten in Hinkunft der Rekurswerberin und allenfalls dritten Servitutsberechtigten zur Last fallen. Bei der Bemessung dieses Entschädigungsbetrages wird im besonderen auch zu prüfen sein, ob nicht gerade die Benützung des Weges durch den Antragsteller, der mit Lastkraftwagen zufährt, besonders ins Gewicht fällt.

Infolge des Vorhandenseins einer direkten Wegverbindung für die Rekurswerberin über das Grundstück 298/3 zu ihrem Garten 529/9 wäre es andererseits denkbar, daß der hintere Teil des Notweges in Hinkunft ausschließlich vom Antragsteller benützt werden soll. In diesem Umfang würden zwar dem Antragsteller gemäß § 3 NotwegeG und §§ 482, 483 erster Satz ABGB die ganzen Kosten der laufenden Erhaltung treffen, doch könnte insoweit eine Entschädigung für den Verlust der Eigennutzung in Frage kommen.

Nach der bereits bezogenen Entscheidung JBl. 1976, 317 wäre im Verfahren nach dem NotwegeG die Erlassung einer Teilentscheidung über den Antrag nicht ausgeschlossen. Von dieser Möglichkeit kann aber nicht Gebrauch gemacht werden, wenn noch für keinen Teil des Notweges der angemessene Entschädigungsbetrag feststeht, weil die Einräumung des Notweges und diese Bestimmung der Entschädigung eine Einheit bilden (§§ 15 Abs. 5 und 17 Abs. 1 NotwegeG).

Bei der somit im Ganzen erforderlichen neuen Entscheidung wird schließlich auf eine genauere Beschreibung des Umfanges des Notweges auf dem Grundstück 529/9 im Sinne des § 15 Abs. 3 NotwegeG (vgl. auch § 10 Abs. 1) zu achten sein.