JudikaturJustiz7Ob252/99f

7Ob252/99f – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. November 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz B*****, vertreten durch Dr. Christian Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei W***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr. Hannes Paulweber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert S 50.000,--), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. Juni 1999, GZ 1 R 224/99v-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Kufstein vom 15. Februar 1999, GZ 2 C 707/98x-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei habe der klagenden Partei auf Grund und im Umfang des zwischen der klagenden (soll heißen beklagten) und dem verstorbenen Sohn der beklagten (soll heißen klagenden) Partei Herrn Peter B***** abgeschlossenen Kfz-Rechtsschutz- versicherungsvertrages zu Pol.Nr. ***** für den Schadensfall vom 19. 6. 1997 Deckungsschutz zu gewähren, wird abgewiesen."

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die in allen Instanzen mit insgesamt S 27.450,56 (darin enthalten S 3.581,76 USt und S 5.960,-- Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger und seine Ehefrau Katharina B***** sind die je zur Hälfte eingeantworteten Erben ihres am 19. 6. 1997 als PKW-Lenker tödlich verunglückten Sohnes Peter B*****. Dieser hatte für das von ihm gelenkte Fahrzeug bei der beklagten Partei eine Kfz-Rechtsschutzversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 1994) zugrundeliegen. Nach deren Art 5.3 geht der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Versicherungsschutz auf die Erben des Versicherungsnehmers über, wenn der Versicherungsfall vor dessen Ableben eingetreten ist.

Mit der Klage begehrt der Kläger (allein) die Feststellung, dass ihm die beklagte Partei auf Grund und im Umfang des betreffenden Kfz-Rechtsschutzversicherungsvertrages für den Schadensfall vom 19. 6. 1997 Deckungsschutz zu gewähren habe.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur, ob der Kläger im Hinblick darauf, dass er nicht alleine, sondern gemeinsam mit seiner Ehefrau eingeantworteter Erbe seines Sohnes ist, aktiv klagslegitimiert sei.

Das Erstgericht hat dies bejaht und hat, da es auch alle anderen Einwände der Beklagten für nicht stichhältig erachtete, dem Klagebegehren stattgegeben. Der Anspruch auf Deckungszusage sei unteilbar und stelle daher eine Gesamtforderung der Erben dar. Die Beklagte habe den Kläger jedoch als Ansprechpartner im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme des Versicherungsschutzes akzeptiert, da sie vor Klagserhebung ständig nur mit ihm verhandelt habe. Sie habe seine Aktivlegitimation daher stillschweigend genehmigt und könne daher diesen Einwand nun nicht mehr erheben. Im übrigen sei der Kläger auf Grund des Umstandes, dass es sich um ein Feststellungsbegehren handle, jedenfalls zur alleinigen Klagsführung berechtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Es bewertete den Streitgegenstand als mit S 52.000,-- nicht aber S 260.000,-- übersteigend und erklärte die Erhebung der Revision für zulässig. Es könne zwar nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte dadurch, dass sie den Kläger als Ansprechpartner bei den vorprozessualen Verhandlungen akzeptiert habe, dessen Klagslegitimation stillschweigend genehmigt hätte, weil sie nicht verpflichtet gewesen sei, dem Kläger sämtliche materiell-rechtlichen Gründe, die gegen seinen Anspruch sprächen, im Zuge der außergerichtlichen Verhandlungen entgegenzuhalten. Beizupflichten sei aber der Auffassung des Erstgerichts, dass es sich beim vorliegenden Anspruch auf Deckungszusage eines Versicherers um einen unteilbaren handle. Die gegenständliche Leistung der Rechtsschutzversicherung müsse schon deshalb als unteilbar angesehen werden, weil der Versicherer nicht dazu verhalten werden könne, jedem einzelnen Erben Deckung für einen Rechtsstreit zur Hereinbringung seines Teils der Forderung zu gewähren, wodurch sich das Kostenrisiko mit der Anzahl der Erben multiplizieren würde. Richtig habe das Erstgericht auch erkannt, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers gemäß Art 5 Z 3 ARB 1994 auf dessen Erben übergegangen sei. Durch den Übergang einer unteilbaren Forderung an mehrere Gläubiger entstehe eine Gesamthandgläubigerschaft. Gemäß § 890 zweiter Satz ABGB sei ein Schuldner, dem mehrere Gläubiger gegenüberstünden, nicht verpflichtet, die Sache einem einzelnen allein ansprucherhebenden Mitgläubiger ohne Sicherstellung herauszugeben; er könne auf die Übereinkunft aller Mitgläubiger dringen oder die gerichtliche Verwahrung der Sache verlangen. Ohne Nachweis einer Übereinkunft der Mitglieder (soll heißen Mitgläubiger) im Sinne des § 890 zweiter Satz ABGB könne bei einer Gesamthandforderung nur auf gerichtliche Hinterlegung geklagt werden. Damit sei jedoch nicht gemeint, dass der Schuldner die Sache nicht herausgeben müsse. Er habe die Sache sehr wohl herauszugeben, doch nicht an einen einzelnen Mitgläubiger, sondern - mangels Einigung der Gläubiger - für die Gemeinschaft bei Gericht zu hinterlegen. Der Kläger begehre hier jedoch nicht die Leistung selbst, sondern lediglich die Feststellung, dass grundsätzlich Deckungsschutz zu gewähren sei. Da der einzelne Gläubiger auf Leistung durch gerichtlichen Erlag klagen könne, müsse ihm umsomehr zugestanden werden, ein Feststellungsbegehren zu stellen, da durch das über die Klage ergehende Urteil die Befriedigung der übrigen Mitgläubiger nicht gefährdet werde. In jenen Fällen, in denen die Erfüllungshandlung zwangsläufig allen Mitgläubigern in gleicher Weise zustatten komme, bedürfe es keiner materiell-rechtlichen Sicherung des Schuldners nach Art des § 890 ABGB. Ein etwaiges Schutzinteresse des Schuldners vor einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten sei mit den Mitteln des Prozessrechtes wahrzunehmen (SZ 60/122). Auch ergebe sich aus einem Größenschluss, dass dem Gläubiger, der - wenn auch eingeschränkt nach § 890 ABGB - die Leistung der Schuld begehren könne, auch der vorausgehende Schritt der Feststellung der fraglichen Rechtsbeziehung bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen gewährt werden müsse. Der Standpunkt der Beklagten, wonach der Kläger vor Einbringung der Feststellungsklage einer Zession der Ansprüche der zweiten eingeantworteten Erbin bedurft hätte, sei daher unzutreffend.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Da die Rechtsschutzversicherung vor Vermögensnachteilen in Form der Übernahme von Rechtskosten schützt, lässt diese vermögensrechtliche Komponente ihrem Wesen nach einen Übergang des Versicherungsvertrags auf den Erben zu (Harbauer ARB-Kommentar6 360). Wie bereits eingangs ausgeführt, bestimmt Art 5.3. ARB 1994 ausdrücklich, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Versicherungsschutz auf die Erben des Versicherungsnehmers übergeht, wenn der Versicherungsfall vor dessen Ableben eingetreten ist. Gemäß Art 2.1. ARB 1994 gilt im Schadenersatz-Rechtsschutz und im Besonderen in dem im vorliegenden Fall maßgeblichen Schadenersatz-, Straf- und Führerschein-Rechtsschutz für Fahrzeuglenker ("Lenker-Rechtsschutz" - Art 18.2.1.) als Versicherungsfall das dem Anspruch zugrunde liegende Schadenereignis. Als Zeitpunkt des Versicherungsfalles gilt der Eintritt dieses Schadenereignisses. Im Fall eines - der vorliegenden Causa zugrundeliegenden - tödlichen Unfalls des Rechtsschutz-Versicherungsnehmers hat sich mit Eintritt des Versicherungsfalls der latente Gefahrtragungsanspruch gegen den Versicherer bereits zu Lebzeiten des Versicherungsnehmers in einen konkreten Versicherungsanspruch verwandelt, der als Anspruch vermögensrechtlicher Natur nach allgemeinen erbrechtlichen Grundsätzen auf den oder die Erben des Versicherungsnehmers übergeht (vgl Harbauer, Rechtsschutzversicherung6 365). Dass sich dieser Anspruch bei Erbenmehrheit nicht sozusagen vervielfacht, sondern auf alle Erben gemeinsam übergeht, ergibt sich schon aus dem Sinn dieser Bestimmung. Richtig haben die Vorinstanzen daher zunächst erkannt, dass es sich beim gegenständlichen Anspruch auf Deckungszusage um einen unteilbaren Anspruch iSd § 890 ABGB handelt, der vom Versicherungsnehmer und Erblasser gemäß Art 5.3. ARB 1994 auf dessen beide Erben übergegangen ist, die daher Gesamthandgläubiger der beklagten Versicherungsgesellschaft wurden (vgl Hofmeister/Egglmaier in Schwimann2 III Rz 3 zu § 848 ABGB mwN).

Zutreffend hat das Berufungsgericht auch die sich aus dem Umstand der Gesamthandgläubigerschaft gemäß § 890 ABGB grundsätzlich ergebende Konsequenz für die aktive Legitimation zur Erhebung einer Leistungsklage des einzelnen Gläubigers dargestellt: Da der Schuldner, der nicht an alle Gesamthandgläubiger leistet, nur befreit wird, wenn die Leistung tatsächlich allen Gläubigern zugutekommt (SZ 50/151), kann der einzelne Gläubiger Leistung an sich nach hM (nur) verlangen, wenn er Sicherheit leistet, dh die Zustimmung aller anderen Gläubiger nachweist (Apathy in Schwimann2 V Rz 12 zu § 890 ABGB; Gamerith in Rummel2 Rz 4 zu § 890 ABGB; SZ 45/113; JBl 1977, 317; JBl 1980, 318; NZ 1988, 22), etwa in Form einer Inkassozession (JBl 1990, 196) oder Bevollmächtigung (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 289). Die Zustimmung kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erteilt werden (JBl 1990, 196). Ohne sie kann der einzelne Gesamthandgläubiger nur Leistung an alle und gerichtliche Hinterlegung zu Gunsten aller Teilhaber begehren (JBl 1977, 317; JBl 1980, 318; SZ 53/101 = EvBl 1981/20 = ZAS 1983/18 (Selb); RZ 1983/53;

Gschnitzer, Schuldrecht AT2, 251; Grillberger in ÖJZ 1978, 147;

Ehrenzweig/Mayrhofer, Schuldrecht AT 89; Gamerith aaO Rz 3 f zu § 890 ABGB; Koziol/Welser I10, 307; Apathy aaO Rz 13 zu § 890 ABGB). Die Zustimmung ist aber entbehrlich, wenn auch den anderen Gläubigern die Leistung notwendigerweise zugute kommt und ihre Befriedigung daher nicht gefährdet ist (Apathy aaO Rz 14 zu § 890 ABGB mwN), wenn es sich also um Leistungen handelt, die ihrer Natur nach alle Mitgläubiger befriedigen (Räumung, Unterlassung, Wiederherstellung des früheren Zustands, Abgabe von Erklärungen - vgl NZ 1996, 180) oder so oft erbracht werden müssen, als Gläubiger da sind, was etwa für Bucheinsicht oder Rechnungslegung zutrifft (vgl Gamerith aaO Rz 5 zu § 890 ABGB mwH).

Unter Berufung auf JBl 1930, 236 hat nun das Berufungsgericht die Ansicht vertreten, dass dem einzelnen Gesamthandgläubiger, der also auf Leistung durch gerichtlichen Erlag klagen könne, kraft Größenschlusses auch zugestanden werden müsse, ein Feststellungsbegehren zu stellen, da durch das über eine Feststellungsklage ergehende Urteil die Befriedigung der übrigen Mitgläubiger nicht gefährdet werde. In jüngeren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (SZ 53/2; JBl 1980, 545; NZ 1994, 15) wurde allerdings ausgesprochen, dass eine Feststellung des gemeinsamen Rechts von einem Teilhaber allein nicht erwirkt werden könne (zust Apathy aaO Rz 10 zu § 890 ABGB). Dieses Problem muss hier aber nicht weiter vertieft werden, da auch der in JBl 1930, 236 vertretenen Auffassung folgend der einzelne Gläubiger, anknüpfend an die eben wiedergegebenen Grundsätze zur Leistungsklage, jedenfalls nur die Feststellung des gemeinsamen Rechts und nicht eines - wie bereits betont, ihm gar nicht zustehenden - allein auf sich bezogenen Anspruches begehren kann.

Richtig weist nun aber die Revisionswerberin darauf hin, dass das gegenständliche Klagebegehren sich allein auf den Kläger (und nicht wie erforderlich - vgl JBl 1991, 379 [381] - auf beide Erben) bezieht; der Kläger begehrt, wie schon aus dem Spruch ersichtlich, wörtlich die Feststellung: "Die beklagte Partei hat der klagenden Partei auf Grund und im Umfang des zwischen der klagenden (soll heißen beklagten) und dem verstorbenen Sohn der beklagten (soll heißen klagenden) Partei Herrn Peter B***** abgeschlossenen Kfz-Rechtsschutzversicherungs- vertrages zu Pol.Nr. 50858855 für den Schadensfall vom 19. 6. 1997 Deckungsschutz zu gewähren". Ein solches Begehren ist verfehlt bzw unberechtigt, weil es dem Umstand nicht gerecht wird, dass die beklagte Partei durch Leistung an den Kläger als nur einem von zwei Gesamthandgläubigern nicht befreit würde. Irrelevant ist die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung, dass durch dieses Feststellungsbegehren in die Rechte der zweiten Erbin nicht eingegriffen würde.

Die Zustimmung seiner Ehefrau und zweiten Erbin zur Geltendmachung des gegenständlichen Deckungsanspruchs hätte vom Kläger wirksam noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingeholt und nachgewiesen werden können (vgl JBl 1990, 196). Dies ist aber nicht geschehen.

Damit erweist sich der Einwand der Beklagten, dem Kläger mangle es an der aktiven Klagslegitimation als berechtigt, zumal die Gegeneinwände des Revisionsgegners in seiner Revisionsbeantwortung nicht verfangen:

Soweit dort betont wird, dass der Erbengemeinschaft keine Rechtspersönlichkeit zukomme, wird das Wesen einer im gegenständlichen Fall in Ansehung der beiden Erben vorliegenden einheitlichen Streitpartei (§ 14 ZPO) verkannt. Auch der Einwand des Klägers, die Beklagte hätte ihn im Rahmen ihrer Aufklärungspflicht auf die sich aus Art 5 Z 3 ARB 1994 ergebende Notwendigkeit der Erhebung der Deckungsklage durch beide Erben hinzuweisen gehabt; ihr Ablehnungsschreiben erfülle daher nicht die notwendigen Voraussetzungen; ist verfehlt. Nach § 158n VersVG ist zwar der Rechtsschutzversicherer zu einer begründeten Ablehnung verpflichtet. Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich aber, dass damit keine Eventualmaxime geregelt werden sollte (vgl Kronsteiner in Fenyves Kommentar zu den Novellen zum VersVG § 158n Rz 5), Der Rechtsschutzversicherer darf auch erst im Deckungsprozess weitere Gründe nachtragen.

Ohne dass noch auf die weiteren Revisionsausführungen einzugehen wäre, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen daher in Stattgebung des Rechtsmittels der Beklagten im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens aller Instanzen gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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