JudikaturJustiz7Ob2352/96z

7Ob2352/96z – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Juli 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing.Harald S*****, und 2. Gabriele S*****, beide vertreten durch Dr.Maximilian Ganzert, Dr.Friedrich W.Ganzert und Dr.Helmut Greil, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagten Parteien 1. Wolfgang K*****, und 2. Theresia K*****, beide vertreten durch Dr.Franz Gütlbauer und Dr.Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, wegen Feststellung (Streitwert S 80.000,--), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 1.Juli 1996, GZ 21 R 316/96m-18, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 16.Februar 1996, GZ 6 C 1134/95f-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit S 6.999,36 (darin S 1.166,56 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind seit März 1992 je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ *****, Grundbuch ***** B*****, Bezirksgericht W*****, bestehend aus dem Grundstück *****. Das Grundstück war ebenso wie die angrenzenden Grundstücke bereits im Februar 1990 von Dipl.Ing.S***** vermessen worden. Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer der nördlich an das Grundstück der Kläger angrenzenden Liegenschaft EZ *****, Grundbuch ***** B*****, Bezirksgericht W*****, bestehend aus dem Grundstück *****. Das Grundstück der Kläger war beim Erwerb bereits im Grenzkataster des Vermessungsamtes W*****, Katastralgemeinde B*****, enthalten. Den Klägern war vom Verkäufer der Liegenschaft lediglich der Bebauungsplan der Gemeinde B***** zur Verfügung gestellt worden. Die Kläger wußten beim Kauf der Liegenschaft nicht, daß diese vermessen und im Grenzkataster eingetragen war. Sie erkundigten sich auch nicht danach und fragten den Verkäufer nicht nach den genauen Grundstücksgrenzen.

Im September 1992 begab sich der Erstkläger zur Gemeinde B*****, um sich dort noch allfällige Planunterlagen zu beschaffen. Am Gemeindeamt wurde dem Erstkläger jedoch nur der Bebauungsplan übergeben, den er ohnedies schon hatte. Weitere Planunterlagen erhielt der Erstkläger am Gemeindeamt nicht. Es wurde ihm gesagt, daß solche nicht zur Verfügung stünden. Betreffend die Grundgrenzen wurde der Erstkläger am Gemeindeamt an die Liegenschaftsnachbarn verwiesen. Man sagte ihm, der Nachbar müsse die genaue Grundgrenze wissen, weil er dort schon gebaut habe. Es müßten dort auch Grenzsteine vorhanden sein. Der Erstkläger fragte damals nicht ausdrücklich nach einer Vermessungsurkunde oder einem Vermessungsplan. Bei einem ein paar Tage danach stattgefundenen Gespräch an Ort und Stelle erklärte der Erstbeklagte dem Erstkläger, daß sich der (beim Grenzpunkt 7181 stehende) Postverteilerkasten an der gemeinsamen Grundgrenze befinde, was aber (was beide damals nicht wußten) nicht den Tatsachen entsprach. Der Erstkläger hatte keine Bedenken dagegen, weil im dortigen Nahbereich keine andere Grenzmarkierung ersichtlich war. Um zu sehen, wie das zu erbauende Wohnhaus an Ort und Stelle situiert sei, nahmen der Erstkläger und sein Vater in der zweiten Novemberhälfte 1992 eine provisorische Auspflockung des Hausgrundrisses vor. Bei dem dabei stattfindenden Gespräch mit dem Erstbeklagten. wurde über die Grundgrenze nicht explizit gesprochen. Damals war aber im Bereich der Verbindungslinie zwischen den Grenzpunkten 7181 und 7208 bereits eine Böschng vorhanden.

Eine Woche vor der Bauverhandlung stellten der Erstkläger und sein Vater die Auspflockung für den Verhandlungstermin auf. Der Erstkläger zog eine Schnur entlang der von ihm angenommenen Grundgrenze zwischen den Grenzpunkten 7181 und 7208. Er ging zunächst von der der Liegenschaft der Kläger nächsten Kante des Postverteilerkastens aus. Der Erstbeklagte, der zufällig dazukam, erklärte, daß sich die Grundgrenze in der Mitte des Postverteilerkastens befinde. Von dort aus spannte der Erstkläger sodann die Schnur. Der Erstkläger meinte, dies wäre die tatsächliche Grundgrenze, dies auch wegen der dort vorhandenen Böschung. Zur Auspflockung des Hauses setzte dann der Erstkläger von der vermeintlichen Grenze einen Abstand von 1 m zur Garage und einen Abstand von 3 m zum Haus an.

Zur Bauverhandlung an Ort und Stelle am 26.1.1993 war auch der Erstbeklagte erschienen. Die vom Erstkläger und seinem Vater vorgenommene Auspflockung des Hausgrundrisses und die Ersichtlichmachung des von ihnen angenommenen Grenzverlaufes entlang der Verbindungslinie zwischen den Grenzpunkten 7181 und 7208 wurde bei der Bauverhanldung von keinem der Beteiligten beanstandet. Der Erstbeklagte entfernte sich noch vor Ende der Verhandlung mit der Bemerkung, keine Einwendungen gegen das Bauvorhaben zu erheben. Eine Vermessung des Grundstückes fand anläßlich der Bauverhandlung nicht statt.

Den Klägern wurde sodann rechtskräftig die Baubewilligung von der Gemeinde B***** am 28.1.1993, Bau *****, erteilt. Grundlage der Baubewilligung waren unter anderem der Einreichplan der Kläger sowie der amtliche Bebauungsplan. Letzterer sah zwischen den Objekten der Streitteile (ohne Berücksichtigung der Garagen) einen seitlichen Abstand von jeweils 3 m zur (vermeintlichen) gemeinsamen Grundgrenze vor. Die im Bebauungsplan für die Liegenschaften der Streitteile eingezeichneten Grenzen waren dort lediglich planlich dargestellt, nicht kotiert oder sonst mit ziffernmäßig bezeichneten Grenzpunkten versehen. Im Einreichplan der Kläger war von der in Richtung des Beklagtengrundstückes gelegenen Garage ein Abstand von dieser zur (vermeintlichen) Grundgrenze von 1 m vorgesehen. In dem Baubewilligungsbescheid wurde den Klägern die Einhaltung der Punkte 1-31 des "Bautechnischen Gutachtens", Beil./I zur Verhandlungsschrift vom 26.1.1993 vorgeschrieben. Punkt 17. dieses Bautechnischen Gutachtens lautete wie folgt: "Für Zwecke der baubehördlichen Überprüfung sind noch vor Baubeginn die Baufluchtlinien entsprechend der Situierung im Bauplan durch den Bauführer in Form eines Schnurgerüstes darzustellen". Bei dem nach dieser Auflage unter anderem zu den Nachbargrundstücken einzuhaltenden Abstand wurde lediglich auf "laut Plan" verwiesen. Unmittelbar vor Baubeginn am 21.4.1993 spannte der Erstkläger bei der angenommenen Grenze zwischen den Grenzpunkten 7181 und 7208 einen Draht und fragte den Beklagten, ob dies so in Ordnung sei. Der Erstbeklagte bejahte dies.

Erstmals im Juni 1993 kamen den Beklagten wegen der Nähe der Mauern des klägerischen Gebäudes zu ihrem Wohnhaus Bedenken. Die Mauern erschienen ihnen auch zu hoch. Wegen der ihrer Meinung nach zu nahen Bauführung gaben sie jedoch der Gemeinde die Schuld. Die Kläger stellten den Rohbau ihres Hauses bis 9.10.1993 fertig. Noch im Oktober 1993 führte der Erstbeklagte Arbeiten im Bereich der Böschung zur Liegenschaft der Kläger hin durch. Dabei ging er selbst ebenfalls von einem Grenzverlauf zwischen den Grenzpunkten 7181 und 7208 aus und spannte eine Schnur zwischen diesen Punkten.

Aufgrund des Schreibens der Beklagten an die Gemeinde B***** vom 26.9.1993, in dem sie sich unter anderem über die zu hoch aufgeführte Garage der Kläger beschwerten, nicht jedoch über eine falsch angenommene Grundgrenze, wurde am 9.11.1993 von der Gemeinde B***** eine Feststellungsverhandlung an Ort und Stelle durchgeführt. Dabei ergab sich, daß für das Projekt der Kläger als Grundgrenze die Verbindungslinie zwischen den Grenzpunkten 7181 und 7208 anstatt richtig zwischen den Grenzpunkten 7209 und 7208, zugrundegelegt worden war.

In der Folge wurde den Klägern mit Bescheid der Gemeinde B***** vom 10.11.1993, Bau *****, die Fortsetzung der Bauausführung untersagt. Den dagegen erhobenen Rechtsmitteln der Kläger war kein Erfolg beschieden. Schließlich wurde den Klägern mit Bescheid der Gemeinde B***** vom 20.10.1994, Bau *****, die Beseitigung des gesamten Wohnhausneubaues mit integrierter Doppelgarage aufgetragen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid vom 29.5.1995 abgewiesen. Über die Vorstellung der Kläger gegen diesen Bescheid entschied das Amt der OÖ Landesregierung am 4.1.1996 dahin, daß der Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Gemeinde B***** zurückverwiesen wurde.

Die von den beiden Beklagten am 22.12.1993 zu ***** des Landesgerichtes W***** wider die Kläger erhobene Klage auf Abbruch eines Bauwerkes wegen titelloser Benützung ihres Grundstückes wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil dieses Gerichtes vom 28.10.1994 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen führte das dortige Gericht an, daß der Beseitigungsanspruch der (dortigen) Kläger auf ihr Eigentumsrecht an der Liegenschaft gestützt worden sei; dieses sei jedoch durch die redliche Bauführung der Beklagten gemäß § 418 letzter Satz ABGB untergegangen.

Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger gegenüber den Beklagten die Feststellung, daß sie je zur Hälfte Eigentümer jener Fläche auf dem Grundstück ***** in der EZ ***** Grundbuch ***** B*****, Bezirksgericht W*****, seien, welche sich aus der Verbindungslinie zwischen den Grenzpunkten 7209, 7208 und 7181 laut Katastralmappe des Vermessungsamtes der KG B***** ergebe. Der Erstbeklagte hätte ihnen vor Beginn ihrer Baumaßnahmen mitgeteilt, daß die gemeinsame Grundgrenze zwischen den Grenzpunkten 7208 und 7181 verlaufe. Der bei der Bauverhandlung anwesende Erstbeklagte habe gegen den dort schon ersichtlichen Grundriß des Hauses der Kläger keinerlei Einwendungen erhoben. Aufgrund der irrtümlichen Annahme der Grundgrenze befinde sich der fertiggestellte Rohbau in seinem nördlichen Teil auf dem Grundstück der Beklagten. Die Kläger hätten jedenfalls gemäß § 418 dritter Satz ABGB durch ihre redliche Bauführung Eigentum an jenem Teil des Grundstückes der Beklagten erworben, welcher von ihnen bebaut worden sei. Der Eigentumserwerb umfasse auch die zur bestimmungsgemäßen Benützung dieses Hauses unentbehrlichen Flächen. Eine analoge Anwendung des § 50 VermG auf den Eigentumserwerb nach § 418 dritter Satz ABGB sei nicht möglich. Die Beklagten hätten zwar zumindestens seit Sommer 1993 Bedenken wegen der Nähe des Bauwerkes der Kläger gehabt, jedoch diese nicht auf die irrtümliche Annahme des Grenzverlaufes aufmerksam gemacht und sich so ihrer Rechte verschwiegen. Das zu ***** des Landesgerichtes W***** erhobene Begehren der Beklagten auf Entfernung jenes Teiles des Hauses der Kläger, das sich auf ihrem Grundstück befinde, sei rechtskräftig abgewiesen worden.

Die Beklagten beantragten die Klagsabweisung. Sie wendeten ein, daß kein gutgläubiger Eigentumserwerb der überbauten Fläche auf ihrem Grundstück durch die Kläger erfolgt sei. Dem Verfahren ***** des Landesgerichtes W***** komme keine Bindungswirkung zu. Die Grundstücke der Streitteile seien vermessen und lägen jeweils Katastergrundstücke im Sinne des Vermessungsgesetzes vor, sodaß die Grenzen feststünden und nicht unbekannt gewesen seien. Die Kläger hätten grob fahrlässig gehandelt, weil sie keine entsprechenden Erhebungen durchgeführt hätten. Bestritten wurde, daß der Erstbeklagte dem Erstkläger einen unrichtigen Grenzverlauf gezeigt habe. Darüberhinaus hätten sich aber die Kläger mit einer solchen angeblich falschen Erklärung nicht zufriedengeben dürfen. Vielmehr hätten sie sich die entsprechenden Unterlagen beim Vermessungsamt insbesondere in der Katastralmappe verschaffen müssen. Gegenstand der Bauverhandlung sei nicht der nun strittige Teil des Grundstückes der Beklagten gewesen. Bei der Bauverhandlung sei ohnedies davon ausgegangen worden, daß der Abstand des Bauwerkes der Kläger 1 m zur Grundgrenze des Grundstückes der Beklagten betrage. Der Erstbeklagte sei davon ausgegangen, daß die Kläger die Grundgrenze überprüft hätten. Den Klägern sei ohnedies die Beseitigung des gesamten Wohnhausneubaues durch die Baubehörde erster Instanz aufgetragen worden. Selbst wenn die Beklagten einem Grenzverlauf, wie er von den Klägern ihrem Hausbau zugrundegelegt worden sei, nicht widersprochen hätten, oder allenfalls der Erstbeklagte eine solche Grundgrenze angegeben habe, sei dies irrtümlich geschehen. Wenn die Beklagten den genauen Grenzverlauf gewußt hätten, hätten sie einer Inanspruchnahme ihres Grundstückes niemals zugestimmt. Im übrigen sei auch eine Ersitzung aufgrund des Vermessungsgesetzes ausgeschlossen, zumal sich beide Grundstücke im Vermessungskataster befänden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es verneinte eine Bindungswirkung des Verfahrens ***** des Landesgerichtes W***** für den gegenständlichen Prozeß, weil die Frage des gutgläubigen Eigentumserwerbs der Kläger im Vorprozeß nur eine Vorfrage, nicht jedoch den Hauptgegenstand gebildet habe. Zufolge § 50 VermG sei die Ersitzung von Teilen eines im Grenzkataster enthaltenen Grundstückes ausgeschlossen. Aus der zu JBl 1994, 476 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes sei ableitbar, daß infolge der zitierten Bestimmung auch ein Eigentumserwerb durch redliche Bauführung an Teilen eines Katastergrundstückes ausgeschlossen sei. Der Sinn des § 50 VermG könne wohl nur darin liegen, das Entstehen von Privatrechten an Teilen von Grundstücken, die im Grenzkataster eingetragen seien, zu verhindern. Abgesehen davon könne den Beklagten kein unredliches Verhalten angelastet werden, weil sie selbst eine irrige Vorstellung über den Grenzverlauf gehabt hätten. Dazu komme, daß die Kläger verpflichtet gewesen wären, sich vor Durchführung des Baues zu vergewissern, ob sie auf eigenem oder fremdem Grund bauten. Wenn sie sich dabei lediglich auf die irrigen Angaben des Erstbeklagten verlassen hätten, könne dies nicht dazu führen, daß sie durch die Bauführung auf fremdem Grund nach § 418 letzter Satz ABGB Eigentum daran erworben hätten.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es bewertete den Wert des Entscheidungsgegenstandes als mit S 50.000,-- übersteigend und erklärte die Erhebung der ordentlichen Revision für zulässig. Auch das Berufungsgericht verneinte die Bindungswirkung der Entscheidung im Vorprozeß ***** des Landesgerichtes W***** für das vorliegende Verfahren. Bei der Entscheidung über den Beseitigungsanspruch der hier Beklagten im Vorprozeß sei der Eigentumserwerb durch eine redliche Bauführung lediglich eine Vorfrage gewesen, deren Lösung nur den Entscheidungsgründen zu entnehmen sei, welche aber für sich allein nicht in Rechtskraft erwachsen könnten. Für die Bindungswirkung sei entscheidend, daß die im Folgeprozeß präjudizielle Vorfrage "Gegenstand", das sei der Urteilsgegenstand, der Entscheidung im Vorprozeß war und nicht etwa eine bloße Vorfrage. Die Frage des Eigentumserwerbs an der strittigen Grundfläche sei im Vorprozeß nicht Urteilsgegenstand, sondern nur Vorfrage gewesen. Aus der Bestimmung des § 50 VermG sei der Ausschluß eines Erwerbes nach § 418 Satz 3 ABGB nicht abzuleiten. Dem stehe der klare Wortlaut des § 44 VermG entgegen. Danach sei der Grundeigentümer unter anderem verpflichtet, dem Vermessungsamt innerhalb von vier Wochen Änderungen der Grenzen gemäß § 418 ABGB zu melden. Den Klägern mangle es jedoch für den Eigentumserwerb nach § 418 letzter Satz ABGB an der erforderlichen Redlichkeit, weil sie es unterlassen hätten, in den Grenzkataster Einsicht zu nehmen bzw die Grenze durch einen Zivilgeometer neu vermessen zu lassen. An die Aufmerksamkeit eines Bauführers sei ein strengerer Maßstab anzulegen als an die Aufmerksamkeit desjenigen, in dessen Eigentum durch die Bauführung eingegriffen werde. Den Beklagten könne nur eine irrige Vorstellung vom Grenzverlauf angelastet werden, nicht aber, daß sie im Wissen über den richtigen Grenzverlauf die Bauführung geduldet hätten. Da zur Frage, ob ein Grundeigentümer sein Eigentumsrecht auch dann verwirke, wenn er von der Inanspruchnahme seines Grundes möglicherweise fahrlässig nichts gewußt habe, keine neuere Judikatur vorliege, sei die Revision zuzulassen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von den Klägern erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Unter der Voraussetzung von § 418 Satz 3 ABGB vollzieht sich der Eigentumserwerb kraft Gesetzes schon durch die Bauführung, ohne daß es einer Aneignungshandlung oder bücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Bauführer bedürfte. Außerbücherlicher Eigentumserwerb des Bauführers an der Baufläche im Sinne des dritten Satzes des § 418 ABGB tritt nur ein, wenn der Grundeigentümer vom Bau weiß, ihn vorwerfbar dennoch nicht untersagt, sich also verschweigt, und der Bauführer redlich ist. Der Eintragungsgrundsatz wird im Falle der redlichen Bauführung auf fremdem Grund durchbrochen, der redliche Bauführer in diesem Fall also außerbücherlicher Eigentümer des betreffenden Grundstückes. Der Bauführer hat unter dieser Voraussetzung Anspruch auf bücherliche Übertragung bzw Einwilligung in die Verbücherung. Im Falle der Grenzüberbauung, bei der nur ein Teil eines Grundstückes betroffen ist, setzt die grundbücherliche Durchführung die Vermessung und Erstellung eines Teilungsplanes voraus (vgl Twaroch in NZ 1996, 80 ff [83 f] mwN). Nähme man, den Klagsangaben folgend, einen solchen Eigentumserwerb durch die redliche Bauführung der Kläger an, so wäre ihnen bereits mit der Überbauung eine Leistungsklage gegenüber den Beklagten möglich gewesen. Das vorliegende Feststellungsbegehren erwiese sich daher als unzulässig. Das Fehlen eines rechtlichen Interesses ist von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen (vgl Rechberger in Rechberger ZPO § 228 Rz 11 und 13 mwN). Entgegen der Lehre ist nach ständiger Judikatur ein unzulässiges Feststellungsbegehren urteilsmäßig abzuweisen (vgl aaO Rz 3). Schon allein aus diesem Grund erwiese sich die Revision als nicht berechtigt.

Zu den Revisionsausführungen:

Verfahrensmängel erster Instanz, die das Berufungsgericht bereits verneint hat, können nicht neuerlich in der Revision geltend gemacht werden (vgl Kodek in Rechberger ZPO § 503 Rz 3 mwN).

Die von den Revisionswerbern vermißte Feststellung über das Wissen der Beklagten über die Entfernung ihres Hauses zur Grundstücksgrenze zielt auf eine andere Beurteilung der Tatfrage ab und erweist sich daher als unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung.

Die Frage der Präjudizialität des zu ***** des Landesgerichtes W***** ergangenen rechtskräftigen Erkenntnisses in bezug auf das vorliegende Verfahren wurde von den Vorinstanzen zutreffend gelöst (§ 510 Abs 3 ZPO).

Das Berufungsgericht hat die zu § 418 Satz 3 ABGB ergangene Rechtsprechung richtig wiedergegeben und den Zusammenhang mit den §§ 49 f VermG zutreffend erfaßt. Der Eigentumserwerb nach § 418 dritter Satz ABGB durch den Bauführer ist von zwei Voraussetzungen abhängig. Diese Bestimmung begünstigt nur den Bauführer, der entschuldbar nicht wußte, daß er auf fremdem Grund baut, gegenüber dem Grundeigentümer, der eine solche Bauführung im Wissen, daß es sich dabei um einen Irrtum des Bauführers über die Eigentumsverhältnisse handelt, duldet.

§ 418 dritter Satz ABGB ist in diesem Sinn vor allem als Sanktion gegen ein unredliches Verhalten des Grundeigentümers gedacht. Für die Verwirkung des Eigentumsrechtes am Grund ist also das Verhalten des Grundeigentümers wesentlich, der in Kenntnis seines eigenen Rechtes zusieht, wie dem Bauführer aus Unkenntnis dieses Rechtes Vermögensnachteile zu erwachsen drohen (vgl JBl 1989, 582). Der Bauführer gilt nur als redlich, wenn er sich (zur Zeit der Bauführung) aus wahrscheinlichen Gründen für den Eigentümer des Grundes oder für bauberechtigt halten konnte oder wenn er entschuldbar über die Eigentumsverhältnisse irrt. Es ist jedenfalls seine Pflicht, sich vor Bauführung zu vergewissern, ob er auf eigenem Grund baut. Diese Vorsichtsmaßnahme ist besonders dann geboten, wenn die Bauführung im engsten Grenzbereich zu einer Nachbarliegenschaft vorgenommen wird. Hätte der Bauführer den Grenzverlauf zur Liegenschaft des Nachbarn den bestehenden öffentlichen Aufzeichnungen (Katastralmappe, Grenzkataster) oder durch Einsicht in den Bauakt klar entnehmen können, so geht die Unterlassung der Einsichtnahme in diese Aufzeichnungen zu Lasten seiner Redlichkeit (vgl MietSlg 34.049; 9 Ob 504/95). Demgegenüber ist zwar auch die Untätigkeit des Grundeigentümers bei der Bauverhandlung, mag sie auch durch einen Irrtum verursacht worden sein, als unentschuldbar zu werten (vgl Twaroch aaO, 83). Daß den Klägern durch einen (unentschuldbaren) Irrtum der Beklagten die Baubewilligung erteilt wurde, ersetzt ihnen jedoch nicht das Erfordernis der Redlichkeit, das sie durch die unterlassene Einsicht in die Katastralmappe bzw den Grenzkataster verwirkt haben. Bei der Beurteilung der Möglichkeiten, den richtigen Grenzverlauf zu erfahren, schadet der Redlichkeit bereits leichte Fahrlässigkeit (vgl 1 Ob 519/96). Die dazu in der Vorentscheidung ***** des Landesgerichtes W***** angenommene Unmöglichkeit, bei der Gemeinde brauchbare Unterlagen über den Grenzverlauf zu erlangen, stellt daher im Gegensatz zu der in der dortigen Entscheidung vertretenen Rechtsauffassung keine ausreichende Erkundung der Kläger dar. Wie das Berufungsgericht bereits zutreffend erkannt hat, ist an die Aufmerksamkeit des Bauführers ein strengerer Maßstab anzulegen als an die Aufmerksamkeit desjenigen, in dessen Eigentum durch die Bauführung eingegriffen wird (vgl MietSlg 34.048, Pimmer in Schwimann ABGB § 418 Rz 4 sowie Auckenthaler in JBl 1994, 444 ff [458 f]).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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