JudikaturJustiz7Ob188/12s

7Ob188/12s – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr.

Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** H*****, vertreten durch Dr. Gregor Rathkolb, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenientin J*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Prof. Dr. Strigl, Dr. Horak, Mag. Stolz Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, wegen 29.518,44 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Juli 2012, GZ 2 R 228/11f 42, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 15. Juli 2011, GZ 47 Cg 302/10d 32, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird im Umfang der Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei und im davon betroffenen Kostenpunkt aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung darüber zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger beabsichtigte, in seinem Eigentum stehende Kunstgegenstände aus Augarten Porzellan von Österreich nach Südafrika zu versenden. Er trat mit dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten telefonisch in Verbindung. Nachdem sich dieser über die nötigen Fremdleistungen erkundigt hatte, bot er dem Kläger die „Überstellung zu einem festen Satz der Beförderungskosten“ in der Höhe von 1.500 EUR an, womit der Kläger einverstanden war. Der Mitarbeiter der Beklagten wusste, dass Kunstgegenstände zu transportieren waren, ohne dass ihm der genaue Wert bekannt war. Die Beklagte hatte für die Verpackung, Abholung und Verladung zu sorgen. Die Gegenstände aus Porzellan wurden in zwei Kartons mit einem Holzverschlag als Kantenschutz an Unter und Oberseite mit Diagonalverstärkung verwahrt. Die Beklagte beauftragte die Nebenintervenientin, mit der sie in ständiger Geschäftsbeziehung steht, mit der Durchführung des Transports. Diese bediente sich der T***** Airlines als Luftfrachtführerin, die das Gut vom 17. 10. 2008 bis 18. 10. 2008 während des Flugs von Wien über Istanbul nach Johannesburg in Verwahrung hatte. Am Flughafen Johannesburg langten die Kartons ohne Holzverschläge ein. Die Arbeiter der Luftfrachtführerin hatten sie während des Luftwegs auf nicht feststellbare Weise entfernt. Mangels Kantenschutzes wurden die in einem Karton befindlichen Kunstgegenstände „Steigender Hirsch“, eine Vase sowie ein Lampenfuß zerstört. Der genaue Schadensort und zeitpunkt ist nicht feststellbar. Das Gewicht der beschädigten Kunstgegenstände betrug ca 30 kg. Während der Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der Nebenintervenientin kam es bisher noch zu keinem Schadensfall.

Das Erstgericht traf weiters folgende Negativfeststellung:

Nicht festgestellt werden kann, ob der Kläger seitens der Beklagten, insbesondere anlässlich der Telefonate zwischen dem Kläger und dem Zeugen S*****, über die Möglichkeiten des Abschlusses einer Transportversicherung aufgeklärt wurde .“

Der Kläger begehrt den Ersatz des Schadens und die Rückzahlung des Entgelts für die Versendung der Gegenstände. Die Beklagte sei ein renommiertes Unternehmen, das ausdrücklich auch Transporte von Kunstgegenständen anbiete. Als Sachverständige auf dem Gebiet des Kunsttransports habe sie auch deren Wert erkannt. Ein Mitarbeiter der Beklagten habe dem Kläger mitgeteilt, dass eine Versicherung im Gesamtpreis eingeschlossen sei. Die Beklagte habe die Kunstgegenstände vertragswidrig so mangelhaft verpackt, dass das Transportgut zum Teil völlig zerstört in Johannesburg angekommen sei.

Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung. Das Transportgut sei dem Stand der Technik entsprechend verpackt worden. Falls die Ware ohne Verpackung in Südafrika angekommen sei, so sei dies auf zolltechnische Maßnahmen zurückzuführen. Als Spediteurin habe die Beklagte nicht für den Beförderungserfolg einzustehen, sondern hafte bloß für Auswahlverschulden. Bei der Spedition zu fixen Kosten sei Frachtrecht anzuwenden. Die Haftung nach dem MÜ sei auch bei grober Fahrlässigkeit auf 17 Sonderziehungsrechte (SZR) pro kg beschränkt. Dem Kläger sei von einem Mitarbeiter der Beklagten ausdrücklich die Möglichkeit des Abschlusses einer Transportversicherung angeboten worden, wovon er nicht Gebrauch gemacht habe. Es treffe ihn am Eintritt des Schadens das Alleinverschulden. Die Haftung der Beklagten sei auch nach § 429 Abs 2 UGB ausgeschlossen.

Die Nebenintervenientin schloss sich im Wesentlichen dem Vorbringen der Beklagten an. Die von ihr beauftragte T***** Airlines habe die Luftbeförderung ordnungsgemäß ausgeführt.

Im ersten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Klagebegehren unter (unbekämpfter) Abweisung eines Mehrbegehrens von 1.000 EUR sA im Umfang von 29.518,44 EUR sA statt. Das Berufungsgericht hob die klagsstattgebende Entscheidung auf, weil die Berufungswerber (die Beklagte und die Nebenintervenientin) zu Recht gerügt hätten, das Erstgericht habe ohne Erörterung mit den Parteien der Klage aus einem vom Kläger nicht geltend gemachten Rechtsgrund stattgegeben. Der Kläger habe im erstinstanzlichen Verfahren kein Vorbringen dazu erstattet, dass er nicht hinreichend über die Möglichkeit des Abschlusses einer Transportversicherung aufgeklärt worden sei, die Beklagte dadurch vertragliche Nebenpflichten schuldhaft verletzt habe, er bei entsprechender Aufklärung eine solche Versicherung abgeschlossen hätte und der Schaden durch diese gedeckt gewesen sei. Der vom Erstgericht in Verletzung des § 405 ZPO herangezogene Rechtsgrund der „Nichteindeckung einer Transportversicherung“ vermöge daher die Klagsstattgebung nicht zu rechtfertigen. Die überschießenden Feststellungen seien vom Berufungsgericht nicht zu berücksichtigen und auf die dazu aufgeworfenen Rechtsfragen sei nicht einzugehen. Das Erstgericht habe sich aber wegen seiner unrichtigen Rechtsansicht mit den Klagsbehauptungen und den Einwendungen der Beklagten nicht auseinandergesetzt und dazu auch keine Feststellungen getroffen.

Im zweiten Rechtsgang ergänzte der Kläger , dass er aufgrund der Sachkunde der Beklagten davon habe ausgehen können, dass für den Transport eine ausreichend hohe Transportversicherung abgeschlossen werde, die Transportverpackung das zu transportierende Kunstgut ausreichend schütze und der sicherste Transportweg gewählt werde (kein Umweg über Istanbul). Die Beklagte habe die nötige und verkehrsübliche Aufklärung unterlassen und ihn nicht über die Möglichkeit des Abschlusses einer Transportversicherung aufgeklärt.

Die Beklagte verwies darauf, dass dem Transportgewicht von 30 kg eine Entschädigung von maximal 570 EUR entspreche. Der vom Kläger geltend gemachte Betrag überschreite den Haftungshöchstbetrag um das 52 fache. Der Kläger habe eine Wertdeklaration unterlassen.

Die Nebenintervenientin schloss sich dem Vorbringen der Beklagten an.

Das Erstgericht gab der Klage im Umfang von 1.073,35 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 28.475,09 EUR sA ab. Im Fall einer Fixkostenspedition sei ausschließlich Frachtrecht anzuwenden. Die Beklagte habe damit keine Verpflichtung, den Kläger auf Versicherungsmöglichkeiten hinzuweisen. Das MÜ sei anwendbar, weil der Schaden während des Lufttransports entstanden sei und sowohl der Abgangsort als auch der Bestimmungsort in den Hoheitsgebieten von zwei Vertragsstaaten liege. Auf den Zwischenstopp in der Türkei komme es nicht an. Die Haftungsbegrenzung orientiere sich am Gewicht der betroffenen Frachtstücke. Dem Kläger stünden 573,35 EUR zu. Die Beklagte habe dem Kläger auch die dem beschädigten Frachtgut zuzuordnenden Transportkosten als verlorenen Aufwand zu ersetzen, die gemäß § 273 ZPO mit einem Drittel der Frachtkosten, sohin mit 500 EUR festgesetzt würden.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien nicht Folge. Zur Berufung des Klägers führte es aus, dass ein Spediteur grundsätzlich nicht verpflichtet sei, ohne Weisung eine Transportversicherung abzuschließen. Eine Belehrungspflicht könne sich nur in Ausnahmefällen ergeben, so etwa bei erkennbarer Unerfahrenheit des Auftraggebers. Die Parteien hätten aber eine Spedition zu festen Spesen vereinbart, sodass die Beklagte gemäß § 413 Abs 1 UGB ohnehin ausschließlich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers habe. Den Frachtführer träfen je nach Ausgestaltung des Frachtvertrags nur Nebenpflichten, die das zu transportierende Objekt beträfen. Im Zweifel sei der Frachtführer nach österreichischem Recht nicht zum Abschluss von Versicherungen verpflichtet. Auf Grund der unterschiedlichen Hauptleistungspflichten im Speditions und im Frachtvertrag gebe es auch keine Warnpflichten. Das Erstgericht habe zutreffend eine Beratungspflicht des Frachtführers über Versicherungsmöglichkeiten verneint. Ohne sich mit dem dazu geltend gemachten Verfahrensmangel auseinander zusetzen, meinte das Berufungsgericht daher, es bedürfe aus rechtlichen Erwägungen keiner weiteren Feststellungen zu diesem Thema.

Das Erstgericht habe zu Recht die Bestimmungen des MÜ auf den multimodalen Frachtvertrag angewendet. Österreich habe das Übereinkommen 2004, Südafrika 2007 ratifiziert. Dass die Türkei nicht Mitglied des MÜ sei, schade im Sinn von Art 1 MÜ nicht, weil es nur auf den vereinbarten Abgangs und Bestimmungsort ankomme, gleichviel ob eine Unterbrechung der Beförderung stattfinde oder nicht.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu den Fragen fehle, ob im Fall einer Fixkostenspedition bei Vereinbarung typischer Pflichten eines Spediteurs Speditionsrecht anzuwenden sei, und ob den Frachtführer bei erkennbar wertvollem Transportgut die nebenvertragliche Pflicht zur Aufklärung über Versicherungsmöglichkeiten treffe.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

Einleitend ist festzuhalten, dass Gegenstand des Revisionsverfahrens nur mehr die Rechtsfrage ist, ob die Beklagte als Fixkostenspediteur Aufklärungs- und Beratungspflichten „über Versicherungsmöglichkeiten“ trifft und ob die Beklagte bejahendenfalls trotz der Haftungsbeschränkungen des MÜ für ihren Beratungsfehler (unbeschränkt) haftet.

Der Einwand der Beklagten und der Nebenintervenientin, die Vorinstanzen hätten sich im zweiten Rechtsgang nicht mit den nun als erheblich bezeichneten Rechtsfragen befassen dürfen, ist nicht überzeugend. Das Berufungsgericht hob im ersten Rechtsgang das Urteil des Erstgerichts nach § 496 Abs 1 Z 3 ZPO auf.

Durch die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils ist das Verfahren in den Stand vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurückgetreten. Die Parteien haben somit alle Befugnisse, die in einem erstinstanzlichen Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt zukommen (RIS Justiz RS0042458). Sie haben insbesondere das Recht, zu den von der Aufhebung betroffenen Teilen des Verfahrens neues Vorbringen zu erstatten (RIS Justiz RS0042441). Nur die Beantwortung jener Fragen, die vom Rechtsmittelgericht, das die Aufhebung verfügt hat, auf der Grundlage des gegebenen Sachverhalts bereits abschließend entschieden wurden, kann auf Grund neuer Tatsachen nicht mehr in Zweifel gezogen werden. Abschließend erledigte Streitpunkte können im fortgesetzten Verfahren somit nicht mehr aufgerollt werden (RIS Justiz RS0042031, RS0042411).

Das Berufungsgericht hat sich inhaltlich mit der vorliegenden Rechtsfrage (Anspruchsgrundlage) mangels Vorbringens des Klägers im ersten Rechtsgang gerade nicht befasst. Über das Klagebegehren wurde mangels Feststellungen des Erstgerichts noch nicht abgesprochen. Es liegt also hinsichtlich der erheblichen Rechtsfragen kein erledigter Streitpunkt vor. Der Kläger konnte im zweiten Rechtsgang sein Vorbringen, auf das er seinen Anspruch gründen will, ergänzen. Die Vorinstanzen haben daher (implizit) zu Recht dieses Vorbringen zugelassen und sich damit im zweiten Rechtsgang auseinandergesetzt.

Das Erstgericht vertrat die in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9. 3. 2011 erörterte Rechtsansicht, dass die Beklagte nach Frachtrecht keine Aufklärungs und Beratungspflichten habe. Im Hinblick darauf wies es die noch offenen Beweisanträge zurück, traf aber dennoch die oben kursiv gedruckte Negativfeststellung. In der Berufung rügte der Kläger die Nichtdurchführung seiner Beweisanträge zu diesem Beweisthema als Verfahrensmangel. Das Berufungsgericht ließ wie bereits dargelegt die Entscheidung über den Verfahrensmangel unter Hinweis darauf unerledigt, dass es auf diese Feststellungen gar nicht ankomme, weil die Beklagte als Fixkostenspediteurin keine Aufklärungs und Beratungspflichten über Versicherungsmöglichkeiten habe.

Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen kommt diesen Feststellungen aber sehr wohl Entscheidungsrelevanz zu:

Weder der Spediteur noch der Frachtführer sind verpflichtet, das Gut ohne Auftrag selbständig zu versichern (zum Spediteur: Schütz in Straube 4 § 407 UGB Rz 33; Csoklich in Jabornegg/Artmann 2 , § 407 UGB Rz 33; zum Frachtführer: Csoklich in Jabornegg/Artmann ², § 425 Rz 16; Czerwenka in MünchKomm², § 407 dHGB Rn 71; Fremuth/Thume , Kommentar zum Transportrecht, § 407 dHGB Rn 51 je mwN). Den Spediteur trifft aber die Pflicht, die Interessen des Versenders zu fördern, weshalb er auch verpflichtet ist, den Versender, soweit ersichtlich notwendig, zu beraten ( Koller , Transportrecht 7 , § 459 dHGB Rn 41). Auf Grund der Sorgfalts und Interessenwahrungsverpflichtung wurde dies auch bereits von der Rechtsprechung bei erkennbar wertvollen Gütern (8 Ob 692/88; 5 Ob 517, 518/81) und bei besonderen Gefahren der Versendung, wie etwa bei einer Seeversendung (1 Ob 503/96, 1 Ob 517/52) gefordert (in RIS Justiz RS0028725). Weiters wird die Beratungspflicht bei erkennbarer Unerfahrenheit des Auftraggebers (OLG Schleswig 6 U 80/83) bejaht ( Csoklich , Einführung in das Transportrecht, S 82; ders in Jabornegg/Artmann 2 , § 407 UGB Rz 33; Schütz aaO, § 407 UGB Rz 33).

Im vorliegenden Fall liegt unstrittig eine Spedition zu fixen Kosten nach § 413 UGB (Spedition zu festen Spesen) vor. Hat sich der Spediteur mit dem Versender über einen bestimmten Satz der Beförderungskosten geeinigt, so hat er ausschließlich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers (§ 413 Abs 1 UGB). Damit wird zwingendes Frachtrecht unabdingbar ( Csoklich in Jabornegg/Artmann², §§ 412, 413 UGB Rz 11; Helm in Großkommentar 4 §§ 412, 413 dHGB [aF] Rz 122). Dies ist angesichts der mit einer Fixkostenspedition verbundenen Gefahr, dass der Spediteur entgegen der ihn treffenden Interessenwahr-nehmungspflicht nicht den besten, sondern im Interesse der Gewinnmaximierung den billigsten Frachtführer aussucht, sowie verbunden mit der nach der Liberalisierung bei sämtlichen Verkehrsträgern bestehenden Unübersichtlichkeit des Marktes sachgerecht ( Csoklich in Jabornegg/Artmann² , §§ 412, 413 Rz 11).

Zur alten Rechtslage in Deutschland, die der geltenden österreichischen entsprach, wurde vertreten, dass das ausschließliche Anwenden von Frachtrecht der Interessenlage bei der Fixkostenspedition nicht voll gerecht werde, weil sich der Tätigkeitsbereich des Spediteurs nicht auf den bloßen Abschluss von Beförderungsverträgen mit Frachtführern beschränke. Praktisch bedeute dies, dass erhebliche Teile des Speditionsrechts auf einem anderen Weg trotz der ausschließlichen Verweisung auf Frachtrecht angewendet werden müsse. Dies gelte vor allem für typisch speditionelle Nebenpflichten, die die Fixkostenvereinbarung nicht aufhebe ( Helm aaO Rn 123 f).

Nach der geltenden deutschen Rechtslage ist in § 459 dHGB geregelt, dass eine wirksame Fixkostenvereinbarung nur hinsichtlich der Beförderung dem Frachtrecht unterliegt. Damit ist nun im Sinn der Lehre und Rechtsprechung klargestellt, dass die speditionellen Pflichten grundsätzlich aufrecht bleiben und Frachtrecht nur für die Beförderung eingreift (vgl P. Bydlinski , MünchKomm², § 459 dHGB Rn 36 f).

Dazu wurde erwogen:

Auch wenn nach § 413 UGB auf den Fixkostenspediteur ausschließlich Frachtrecht anzuwenden ist, darf auch für den österreichischen Rechtsbereich nicht übergangen werden, dass der Unternehmer bei der Kontaktaufnahme zwischen ihm und dem Kunden in seiner Eigenschaft als Spediteur auftritt. Dadurch entstehen bereits vor und nebenvertragliche Schutz und Sorgfaltspflichten eines Spediteurs. Im Vorfeld der Beauftragung muss noch nicht feststehen, ob die Parteien letztlich einen Speditionsvertrag mit oder ohne Fixkostenvereinbarung schließen werden. Die Anwendung des Frachtrechts ergibt sich erst aus dem Abschluss der Vereinbarung der fixen Kosten. Auch der bereits dargelegte Zweck der Bestimmung des § 413 UGB spricht dafür, dass sich die Anordnung der Geltung des Frachtrechts auf die Leistungen bezieht, die der Spediteur wie ein Frachtführer erbringt, nicht jedoch jene für den Spediteur typischen Leistungen. Der in § 413 UGB geregelte Vertrag wird im Gesetz auch nicht als „Frachtvertrag“ bezeichnet, sondern (weiterhin) als „Speditionsvertrag“, was indiziert, dass er mehr ist als ein „reiner“ Frachtvertrag, nämlich ein Speditionsvertrag mit der Besonderheit, dass der Spediteur (zusätzlich) selbst als Frachtführer tätig wird. Der Fixkostenspediteur hat damit die Beratungs und Aufklärungspflichten über die Haftungen nach Transportrecht und die Möglichkeiten diese auszuschließen wie der „reine“ Spediteur.

Die Beklagte hat nie bestritten, dass der Kläger als unerfahrener Konsument mit ihr in Kontakt trat und dass sie selbst ausdrücklich die Versendung von Kunstgegenständen anbietet. Schon aus den Umständen des Vertrags (privater Transport der konkreten Gegenstände) ist erkennbar, dass der Kläger in Speditions und Frachtsachen nicht erfahren ist. Nach den Feststellungen verpflichtete sich die Beklagte nicht nur, den Transport auszuführen, sondern übernahm auch das Abholen, die Verpackung und Verladung des Transportgutes. Den Mitarbeitern der Beklagten war bekannt, dass Kunstgegenstände transportiert werden sollten, was indiziert, dass die Ware um ein Vielfaches mehr wert ist als dies dem sich aus ihrem Gewicht ergebenden Haftungshöchstbetrag entspricht. Dies musste den Mitarbeitern der Beklagten umso mehr bewusst sein, weil sie den Transport von Kunstgegenständen ausdrücklich anbietet. Sowohl wegen der erkennbaren Unerfahrenheit des Klägers als auch wegen des zu vermutenden Werts des Transportgutes trifft die Beklagte schon im Vorfeld die Pflicht, über Haftungsbeschränkungen aufzuklären und über Möglichkeiten zu beraten, wie diese ausgeglichen werden können. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten den Kläger (insbesondere bei einem geplanten Lufttransport) auch darauf aufmerksam machen müssen, dass der Wert der Kunstgegenstände für den Haftungsumfang im Schadensfall von Relevanz ist und dass es empfehlenswert ist, diesen anzugeben.

Nach Art 22 Abs 3 MÜ haftet nämlich der Luftfrachtführer bei der Beförderung von Gütern für Zerstörung, Verlust, Beschädigung oder Verspätung nur bis zu einem Betrag von 17 (ab 30. 12. 2009 [BGBl III 2010/11]: 19) SZR für das Kilogramm. Diese Beschränkung gilt nicht, wenn der Absender bei der Übergabe des Frachtstücks an den Luftfrachtführer das Interesse an der Ablieferung am Bestimmungsort betragsmäßig angegeben und den verhängten Zuschlag entrichtet hat. In diesem Fall hat der Luftfrachtführer bis zur Höhe des angegebenen Betrags Ersatz zu leisten, sofern er nicht nachweist, dass dieser höher ist als das tatsächliche Interesse des Absenders an der Ablieferung am Bestimmungsort (7 Ob 111/12t). Die Wert oder Interessendeklaration gemäß Art 22 Abs 3 MÜ ist zunächst ein einseitiger Akt des Absenders bei Übergabe des Frachtguts an den Luftfrachtführer (RIS Justiz RS0128315).

Vom Vorbringen des Klägers ist nicht nur die Behauptung umfasst, er sei nicht über die Möglichkeit des (unmittelbaren) Abschlusses einer Transportversicherung durch ihn selbst aufgeklärt worden. Er hat auch den Vorwurf erhoben, er sei von der Beklagten dahin informiert worden, dass im Gesamtpreis eine Versicherung eingeschlossen sei. All dies inkludiert auch den Vorwurf, die Beklagte habe ihn nicht auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, durch Angabe des Werts der Kunstgegenstände und Entrichtung eines allenfalls geforderten Zuschlags eine Haftung der Beklagten im Sinn des Art 22 MÜ zu erreichen. Darüber hätte ihn die Beklagte in Erfüllung ihrer vorvertraglichen, speditionellen Nebenpflicht aufklären müssen.

Sie kann sich dabei nicht auf die Haftungsbeschränkungen nach dem MÜ berufen. Zwar wurde schon zur Beförderung von Reisegepäck ausgesprochen, dass Art 29 MÜ ausdrücklich auch Schadenersatzansprüche unter anderem aus „Vertrag“ regelt und damit auch etwaige - nach dem anwendbaren nationalen Recht gegebene - vertragliche Nebenpflichten, zB die Aufklärung über die Möglichkeit der Wertdeklaration erfasst, sodass etwaige Ansprüche wegen desselben wirtschaftlichen Schadens nur „unter den Voraussetzungen und mit den Beschränkungen“ des MÜ geltend gemacht werden können (10 Ob 47/12b). Es gründen die Ansprüche hier eben nicht aus einer dem MÜ unterliegenden Haftung aus einem Frachtvertrag, sondern aus den Ansprüchen aus Verletzung von speditionellen Pflichten. Auf die Frage, für welche Ansprüche die Haftungsbeschränkungen nach dem MÜ wirken, ist daher nicht weiter einzugehen.

Um die Rechtssache abschließend beurteilen zu können, bedarf es der Feststellungen, ob der Kläger von den Mitarbeitern der Beklagten umfassend über „Versicherungsmöglichkeiten“, das heißt über Möglichkeiten, wie verhindert werden kann, dass der Absender allfällige Transportschäden weitgehend selbst tragen muss, aufgeklärt wurde. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, ob er sich für eine Versicherung oder einen Zuschlag entschieden und die dafür nötigen Kosten übernommen hätte. Kann der Kläger den Beweis erbringen, dass die Mitarbeiter des Beklagten die Aufklärung unterließen, so ist der Beklagten ein haftungsbegründendes Verhalten anzulasten. Gelingt ihm aber der (positive) Beweis nicht, dann konnte der Kläger als Beweispflichtiger ein anspruchbegründendes rechtswidriges schuldhaftes Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten nicht beweisen und sein Schadenersatzanspruch bestünde nicht zu Recht. Das Berufungsgericht wird sich daher im fortzusetzenden Verfahren mit dem vom Kläger gerügten Verfahrensmangel in diesem Sinn auseinandersetzen müssen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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