JudikaturJustiz7Ob173/17t

7Ob173/17t – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Juni 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Handelsges.m.b.H., *****, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. S***** S.A., *****, Panama, 2. C***** Ltd., *****, USA, 3. D***** LTD, *****, Ukraine, wegen 210.000 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 30. August 2017, GZ 1 R 56/17p 13, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 20. März 2017, GZ 62 Cg 8/17i 10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von 210.000 EUR sA an Schadenersatz. Sie habe über ihre Tochtergesellschaft „A*****“ Bio-Weizen aus der Ukraine gekauft, der in zwei Bargen (schwimmenden Containern) auf der Donau nach Wien transportiert worden, dort jedoch nach dem Auflaufen auf eine Sandbank weit verspätet, schwer durchfeuchtet und mit Rattenbefall angekommen sei. „A*****“ habe ihr sämtliche Ansprüche abgetreten.

Zur internationalen und örtlichen Zuständigkeit brachte die Klägerin zusammengefasst vor, dass über die insgesamt drei Ladungen drei Schiffsfrachtscheine (Bills of Lading) vom 22. 9. und 26. 9. 2015 ausgestellt worden seien. Diese seien von der drittbeklagten Agentin der Barge vertragsgemäß im Auftrag der Erstbeklagten gezeichnet worden. Die Erstbeklagte hafte der Klägerin als Transporteurin aus dem Frachtschein. Nach den hier anzuwendenden Hamburger Regeln könne das Gericht am Entladehafen, also in Wien, örtlich zuständig gemacht werden. Zum selben Ergebnis komme man nach der ebenso anzuwendenden CMNI („Convention de Budapest relative au contract de transport de marchandises en novaigation intérieure“). Diese, in der Ukraine seit 1. 1. 2015 anwendbare Konvention sei auf alle Frachtverträge anzuwenden, nach denen der Ladehafen oder Übernahmeort und der Löschhafen oder Ablieferungsort in zwei verschiedenen Staaten liege, von denen mindestens einer Vertragspartei des Übereinkommens sei. Das Übereinkommen sehe allerdings keinen besonderen Gerichtsstand vor. Als Entladehafen und Erfüllungsort sei aber nach den Schiffsfrachtscheinen und im River Transport Agreement Wien vereinbart.

Die Erstbeklagte sei die Frachtführerin nach dem River Transport Agreement und ein Handelsunternehmen, sodass eine Handelssache vorliege. Die Zweitbeklagte sei als Schiffs- und Bargeneigentümerin die ausführende Frachtführerin und hafte ebenso wie die Erstbeklagte aus den Schiffsfrachtscheinen und dem River Transport Agreement, sie sei gemäß § 93 JN Streitgenossin der Erstbeklagten. Auch der Entladehafen in Wien sei Ort der Schadenszufügung gemäß § 92a JN, weil die in den Laderaum eingedrungenen Ratten bis dorthin Schäden angerichtet hätten. Die Zweitbeklagte hafte der Klägerin überdies für die Beschädigung ihrer Sache deliktisch, sodass sich die Zuständigkeit ihr gegenüber auch aus § 90 JN ergebe. Die Drittbeklagte habe die Schiffsfrachtscheine als Agentin gezeichnet und über alle in die Verträge eingesetzten Firmenstempel der Erst- und Zweitbeklagten verfügt. Die Erstbeklagte sei vermögenslos, die Zweitbeklagte formal aufgelöst, sodass die Drittbeklagte selbst aus den Schiffsfrachtscheinen hafte und sich die Zuständigkeit ihr gegenüber aus §§ 88, 90, 92a und 93 JN sowie den Hamburger Regeln ergebe. Die Drittbeklagte hätte ein wirksames Rechtsgeschäft am Erfüllungsort vermitteln sollen und hafte für die sorgfältige Auswahl des Frachtführers und demnach wegen der Beauftragung von Unternehmen, die ihren Sitz tatsächlich woanders hätten bzw Registrierungsfehler aufwiesen. Im River Transport Agreement werde überdies im letzten Punkt „Streitigkeiten“ auf das Abkommen über die allgemeinen Verfrachtungsbedingungen im internationalen Güterverkehr auf der Donau („Bratislavaer Abkommen“) verwiesen.

Das Erstgericht wies die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit a limine zurück. Es war rechtlich der Ansicht, dass die Hamburger Regeln nur auf „Seefrachtverträge“ und daher nicht auf ausschließlich über Binnengewässer geführte Transporte anzuwenden seien.

Das Budapester Abkommen („CMNI“) enthalte keine Zuständigkeitsbestimmung.

Mangels anwendbarem internationalen Übereinkommen sei die internationale Zuständigkeit nach § 27a JN zu beurteilen, wobei die Wahlgerichtsstände nach §§ 88, 90 oder 92a JN in Frage kämen.

Auch § 90 JN beziehe sich auf „Seefrachtgeschäfte“ und sei auf Flusstransporte nicht anzuwenden.

Für den Gerichtsstand der Schadenszufügung gemäß § 92a JN reichten die Angaben der Klägerin nicht aus, um den Schadensort (Auflaufen auf eine Sandbank) zu bestimmen. Die Behauptungen der Klägerin, dass aufgrund des Öffnens von Ladeluken zu einem Zeitpunkt vor Ankunft im Entladehafen Wien Ratten eindringen und Schäden hätten anrichten können, weshalb Wien als Ort der Schadenszufügung anzusehen sei, überzeuge nicht.

Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts gemäß § 88 JN richte sich nach der Übereinkunft der Parteien. Zur Erstbeklagten verweise die Klägerin auf das River Transport Agreement, in dem nicht ausdrücklich ein Erfüllungsort bestimmt sei. Die vereinbarte Leistung, nämlich der Transport der Ware vom Be- zum Entladehafen, müsse über die gesamte Transportstrecke erbracht werden. Die Angabe des Zielhafens begründe nicht den Erfüllungsort und auch der in Österreich liegende Transportabschnitt sei nur ein sehr geringer Teil der Gesamtstrecke.

Das River Transport Agreement verweise für Streitigkeiten aus dieser Vereinbarung auf das Bratislavaer Abkommen, das in seinem Art 16 Z 3 für Klagen aus dem Frachtvertrag von der Zuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz des Beklagten ausgehe. Die Parteien hätten damit die Zuständigkeit des Gerichts am Sitz der Erstbeklagten vereinbart. Auch für die Beurteilung der Zuständigkeit hinsichtlich der Zweit- und der Drittbeklagten sei aus dem River Transport Agreement nichts zu gewinnen.

Aus den vorgelegten Bills of Lading ergäbe sich ebenfalls kein Erfüllungsort.

Die Zweitbeklagte, von der lediglich eine „operative Adresse“ in Riga, Lettland, bekannt sei, habe die Klägerin als laut Auskunft des KSV „verwaltungstechnisch aufgelöst“ bezeichnet. Dies reiche hinsichtlich der Zweitbeklagten für die Annahme eines Unternehmenssitzes in Lettland und damit für die Anwendung der EuGVVO nicht aus.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge und schloss sich dabei im Wesentlichen der Rechtsansicht des Erstgerichts an. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zu beantworten gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von den bisherigen Zurückweisungsgründen aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der – mangels Streitanhängigkeit einseitige (§ 521a Abs 2 iVm Abs 1 ZPO; 1 Ob 215/16y; 7 Ob 63/16i; 7 Ob 111/16y; RIS Justiz RS0125481 [T6]) – Revisionsrekurs ist zulässig, weil insbesondere zu § 90 JN keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt; er ist aber nicht berechtigt.

1. Die Klägerin meint, § 49 Abs 2 Z 7 JN („Streitigkeiten zwischen Reedern, Schiffern … und ihren Auftraggebern …“) betreffe nur lokale Streitigkeiten, denn der Reeder sei der Schiffseigentümer, der mit der Vermietung des Schiffes sein Geld verdiene; § 90 JN beziehe sich demgegenüber auf Streitigkeiten aus dem Frachtgeschäft an sich, weshalb alle Rechtssachen, die nicht von § 49 Abs 2 Z 7 JN erfasst seien, der Zuständigkeitsregel des § 90 JN unterlägen. Dieser nicht belegten Rechtsansicht der Klägerin ist nicht zu folgen:

1.1. Nach dem – die sachliche Zuständigkeit betreffenden – § 49 Abs 2 Z 7 JN gehören ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands vor die Bezirksgerichte die Streitigkeiten zwischen Reedern, Schiffern, Flößern, Fuhrleuten oder Wirten und ihren Auftraggebern, Reisenden und Gästen über die aus diesen Verhältnissen entspringenden Verpflichtungen. Dieser Zuständigkeitstatbestand wird nach herrschender Ansicht – gerade entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin – dahin verstanden, dass er auch jene Streitigkeiten erfasst, die im Fünften Buch des UGB über den Seehandel geregelt sind. Es handelt sich dabei um alle Arten von Streitigkeiten aus Seefrachtverträgen, deren Abschluss, Gültigkeit, Durchführung und den daraus abgeleiteten Ersatz- und Regressansprüchen ( Simotta in Fasching/Konecny 3 § 49 JN Rz 104; Gaeta , Gerichtliche Zuständigkeiten in streitigen Seeschifffahrtssachen, ZVR 1992, 356 [357]; Mayr in Rechberger 4 § 49 JN Rz 12).

1.2. Nach dem – die hier relevante örtliche Zuständigkeit betreffenden – § 90 JN können Streitigkeiten aus der Schiffsmiete, aus dem Dienstverhältnisse der Schiffsmannschaft und aus Seefrachtgeschäften auch bei dem Gerichte des Orts angebracht werden, in welchem sich der Beklagte aufhält, wo die Ware abgeliefert werden soll, wo der Transport des Reisenden zu beendigen ist oder wo die Reise abgebrochen wird. Der hier alleine in Frage kommende Anknüpfungspunkt der „Seefrachtgeschäfte“ wird – wiederum entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin – nach herrschender Ansicht als mangels Küstenanbindung Österreichs für unanwendbar erachtet ( Simotta in Fasching/Konecny 3 § 90 JN Rz 1; Gaeta , Gerichtliche Zuständigkeiten in streitigen Seeschifffahrtssachen, ZVR 1992, 356 [358]; Mayr in Rechberger 4 § 90 JN Rz 1). Dies steht im Einklang mit der schon allgemein einleuchtenden Begriffsbedeutung, die mit „Seefrachtgeschäft“ ein „den Transport von Gütern mit Schiffen auf hoher See betreffendes Geschäft“ (Duden-online) verbindet. Ein Rechtsgeschäft, das – wie hier von der Klägerin behauptet – einen Binnenschifffahrtstransport betrifft, ist daher kein „Seefrachtgeschäft“ im Sinn des § 90 JN. Die Klägerin kann daher diesen Wahlgerichtsstand nicht in Anspruch nehmen.

2. Die Klägerin ist der Rechtsansicht, sich deshalb auf § 92a JN stützen zu können, weil im Zielhafen in Wien Ratten an Bord gewesen seien und jedenfalls auch dort (noch) Schäden an der Ladung verursacht hätten. Der Zielhafen Wien sei daher als ein Erfolgsort des Schadens nach § 92a JN relevant.

2.1. Streitigkeiten über den Ersatz des Schadens, der aus der Tötung oder Verletzung einer oder mehrerer Personen, aus einer Freiheitsberaubung oder aus der Beschädigung einer körperlichen Sache entstanden ist, können gemäß § 92a JN auch bei dem Gericht angebracht werden, in dessen Sprengel das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist.

2.2. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und den Gesetzesmateralien zu dieser durch die ZVN 1983 eingeführten Bestimmung (ErläutRV 669 BlgNR 15. GP 39) hat sich der Gesetzgeber von den verschiedenen Möglichkeiten der näheren Umschreibung des Schadensorts – entweder des Orts, an dem das schädigende Verhalten gesetzt worden ist, an dem es seine schadensauslösende Wirkung zeigte oder an dem der Schaden eingetreten ist – für die erste Möglichkeit entschieden (2 Ob 157/04h). Bei einem Auseinanderfallen von Handlungsort und Erfolgsort ist daher allein der Ort maßgeblich, an dem das schädigende Verhalten, hier das von der Klägerin behauptete Auflaufen auf eine Sandbank, gesetzt wurde. Der Ort, an dem das schädigende Verhalten seine schadensauslösende Wirkung zeigte oder an dem der Schaden eingetreten ist, hat außer Betracht zu bleiben (RIS Justiz RS0046720; so auch Mayr in Rechberger 4 § 92a JN Rz 2). Die von der Klägerin ins Treffen geführte gegenteilige Lehrmeinung hat der Oberste Gerichtshof bereits ausdrücklich abgelehnt (2 Ob 157/04h).

2.3. Der von der Klägerin angesprochenen Entscheidung 9 Ob 130/03p lag kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, weil dort die schädigende Handlung, nämlich der mangelhafte Transportvorgang selbst, über die gesamte Strecke anhielt. Da der hier behauptete schadenstiftende Handlungsort, nämlich das Auflaufen auf eine Sandbank, nicht bekannt ist und die Klägerin eine Unterlassung einer Handlungspflicht im Zielhafen nicht nachvollziehbar behauptet hat, kann sie sich nicht erfolgreich auf den Wahlgerichtsstand nach § 92a JN berufen.

3. Die Klägerin stützte sich auf die zur Zweitbeklagten angegebene „operative Adresse“ in Lettland und die Gerichtsstände nach Art 7 Z 1 und Z 2 EuGVVO 2012. Die Anwendbarkeit der EuGVVO 2012 haben die Vorinstanzen im vorliegenden Kontext aber schon deshalb zutreffend verneint, weil die Klägerin einen „Wohnsitz“ der Zweitbeklagten im Sinn des Art 63 Abs 1 EuGVVO 2012 im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats (hier: Lettland) nicht nachvollziehbar behauptet hat:

3.1. In der Klage hat die Klägerin ausgeführt, dass die Zweitbeklagte „verwaltungstechnisch aufgelöst“ sei und „an der operativen Adresse in Riga“ geführt werde. Später hat die Klägerin über gerichtliche Aufforderung ihre Angaben dahin ergänzt, dass die Parteifähigkeit der Zweitbeklagten im Verfahren erst zu klären sei und diese „zu ihrer Situation einer US-Gesellschaft mit Zustellanschrift in Riga selbst Aufklärung bringen“ müsse.

3.2. Ein „Wohnsitz“ der Zweitbeklagten im Sinn des Art 63 Abs 1 EuGVVO 2012 im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats kann aus diesen Behauptungen der Klägerin nicht abgeleitet werden. Das Vorliegen notwendiger Zuständigkeitsvoraussetzungen ist im Allgemeinen auch nicht von Amts wegen zu prüfen, sondern von den Parteien zu behaupten und unterliegt – wie vom Rekursgericht zutreffend erkannt – dem Neuerungsverbot (RIS Justiz RS0053062). Auf einen Gerichtsstand nach Art 7 EuGVVO 2012 kann sich die Klägerin daher ebenfalls nicht erfolgreich stützen und zwar auch insofern nicht, als sie sich in diesem Zusammenhang noch zusätzlich auf die Konnossemente (Bills of Lading) beruft.

4. Die Klägerin will weiters den Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 88 Abs 1 JN in Anspruch nehmen:

4.1. Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Vertrags, auf Erfüllung oder Aufhebung desselben sowie auf Entschädigung wegen Nichterfüllung oder wegen nicht gehöriger Erfüllung können nach § 88 Abs 1 JN bei dem Gerichte des Ortes erhoben werden, an welchem der Vertrag nach Übereinkunft der Parteien vom Beklagten zu erfüllen ist. Die Vereinbarung muss urkundlich nachgewiesen werden.

4.2. Der Gerichtsstand nach § 88 Abs 1 JN ist nur bei ausdrücklicher und urkundlich nachweisbarer Vereinbarung des Erfüllungsorts gegeben, also jedenfalls dann nicht, wenn mangels einer sich von den übrigen Parteienvereinbarungen deutlich abhebenden, bestimmten, direkt auf die Festlegung eines Erfüllungsorts gerichteten Vereinbarung der Erfüllungsort aufgrund materiell-rechtlicher Vorschriften, zB gemäß § 905 ABGB aus der Natur des Geschäfts, ermittelt werden muss (RIS Justiz RS0046717). Die Vereinbarung muss ausdrücklich und direkt die Bestimmung des Erfüllungsorts bezwecken; es darf nicht dem Gericht überlassen bleiben, den Erfüllungsort unter Anwendung des materiellen Rechts zu bestimmen (vgl Simotta in Fasching/Konecny 3 § 88 JN Rz 9). In diesem Sinn begründet die Angabe eines Ablieferungsorts im Frachtbrief keinen Erfüllungsort, weil damit nur der Bestimmungsort (das geographische Ende der Transportstrecke) festgelegt wird. Der Frachtbrief mit einem darin enthaltenen Ablieferungsort begründet somit keinen urkundlichen Nachweis über den Erfüllungsort des Frachtvertrags (2 Ob 1185/29 = Zbl 1930/124, 303; Simotta in Fasching/Konecny 3 § 88 JN Rz 10).

4.3. Auch aus der Vereinbarung über den Flusstransport („River Transport Agreement“) ist dazu für die Klägerin (im Verhältnis zur Erstbeklagten) im Ergebnis nichts zu gewinnen. Die Klägerin gesteht nämlich im Revisionsrekurs zunächst selbst zu, dass dort die Unterschrift der Erstbeklagten „nachgemacht“ worden sei, womit es schon an einer gültigen Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten im Sinn des § 88 Abs 1 JN fehlt. Die dort formulierte Passage, mit der offensichtlich nur der Gegenstand des Frachtauftrags festgelegt wird, nämlich: „Der Charterer (die Klägerin) betraut den Frachtführer (die Erstbeklagte) mit dem Transport von Bio-Weizen als Bulkware vom Hafen R*****, Ukraine zum Hafen Wien, Österreich.“, ist überdies keine Vereinbarung, die ausdrücklich und direkt die Bestimmung des Erfüllungsorts bezweckt.

4.4. Soweit die Klägerin auch Ansprüche aus den Konnossementen selbst geltend machen und insoweit den dort festgelegten Ablieferungsort als „Erfüllungsort“ qualifiziert haben will, gilt neuerlich, dass es sich dabei aus den schon zuvor genannten Gründen um keine Vereinbarung handelt, die ausdrücklich und direkt die Bestimmung des Erfüllungsorts im Sinn des § 88 Abs 1 JN bezweckt. Eine Zuständigkeit nach Art 7 Z 1 EuGVVO 2012 kommt aus den zu 3.2. genannten Gründen nicht in Frage und im Übrigen sind Konnossemente nicht geeignet, den (autonom auszulegenden) Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach der EuGVVO (2012) gegenüber dritten Personen, die nicht im Papier genannt sind, dies betrifft hier die Erst- und Zweitbeklagte, auszulösen, weil es sich im Verhältnis zu Dritten um keine freiwillig eingegangene vertragliche Verbindung handelt (EuGH 27. Oktober 1998, C 51/97, Réunion eropéenne SA u.a. gegen Spliethoff's Bevrachtingskantoor BV und Kapitän des Schiffes Alblasgracht V002 “). Im Ergebnis liegt daher auch ein Erfüllungsgerichtsstand, insbesondere nach § 88 Abs 1 JN, nicht vor.

5. Die Klägerin ist letztlich der Ansicht, sie könne ohne jeden Zweifel auch den Gerichtsstand nach den Hamburger Regeln in Anspruch nehmen, der ebenfalls zum Erstgericht führe. Dieser Einschätzung ist wiederum nicht zu folgen:

5.1. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1978 über die Beförderung von Gütern auf See („Hamburg Regeln“, BGBl 1993/836) gilt unter den in Art 2 (Anwendungsbereich) näher genannten Voraussetzungen für sogenannte „Seefrachtverträge“ („contracts of carriage by sea“) über die Beförderung zwischen zwei verschiedenen Staaten.

5.2. In der „explanatory note“ des UNCITRAL-Sekretariats wird in den Ausführungen zum Anwendungsbereich des Abkommens die Wendung „by sea“ nicht näher erläutert (Rz 11 13). Mankabady (in Comments on the Hamburg Rules, in Mankabady (Hrsg), The Hamburg Rules on the Carriage of Goods by Sea (1978) 27 [39]) führt dazu aus: „The words 'by sea' could be interpreted so as to exclude carriage of goods through lakes and rivers. If this is correct, a carriage through lakes and rivers could not be covered by definition 6.“ Im Bericht des UNCTAD Sekretariats zur „UN Conference on Trade and Developmant“ aus 1991 (TD/B/C.4/315/Rev. 1, S 98) wird zur Definition des Seefrachtvertrags nach Art 1 Z 5 der Hamburger Regeln erläutert: „As only a few national legal systems draw a clear distinction between carriage by sea and by inland waterway, the term 'by sea' should not be interpreted too restrictively. Likewise, the phrase 'from one port to another' [...] should not be interpreted too restrictively. The purpose of those words is to support the reference to sea transport. Thus, a port may include a port on an inland waterway.“ Diese Ansicht unterstützt den Standpunkt der Klägerin im vorliegenden Kontext jedenfalls nicht, legt sie doch ebenfalls nahe, dass zumindest ein Konnex zur Seeschifffahrt bestehen muss. Ein solcher fehlt hier aber gänzlich, weil kein Teil der Wegstrecke am Meer zurückzulegen war.

5.3. Auch der österreichische Gesetzgeber geht davon aus, dass „Gegenstand des Übereinkommens die Regelung des internationalen Seeguttransports, also des Seefrachtverkehrs zwischen zwei verschiedenen Staaten“ (sei) (ErläutRV 919 BlgNR 18. GP 37). Dieses Verständnis liegt schließlich auch den dazu vorliegenden Lehrmeinungen zugrunde, die traditionell zwischen Binnenschifffahrt und Seeschifffahrt unterscheiden und die Hamburger Regeln nur im Seefrachtrecht berücksichtigen (vgl Zehetbauer/Motter , Nationales und Internationales Transportrecht [2017] 309 ff; Herda , Zu den Geheimnissen des Transportrechts, ecolex 2015, 628 [629]; Schütz/Schärmer , Transportrecht [2013] 157 f). Die Klägerin kann sich daher zur Begründung der internationalen österreichischen Zuständigkeit auch nicht auf die Hamburger Regeln stützen.

6. Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass das Gesetz über das Verfahren in Binnenschifffahrtssachen vom 30. Jänner 1937 (dRGBl I S 97/1937) sowie die vierte Durchführungsverordnung (DVO) dazu vom 26. Juni 1941 (dRGBl I S 351/1941) Schadenersatzansprüche aus Binnenschifffahrtsunfällen betrifft (s dazu auch RIS Justiz RS0113343). Auf Basis dieser Rechtsgrundlage ist aber für die Zuständigkeit ebenfalls auf den – hier nicht bekannten – Ort abzustellen (s dazu auch 2.3.), „in dessen Bezirk sich der Vorfall ereignet hat“ (§ 1 Abs 1 Z 1, § 3 Abs 1 BinnSchVG) und es würde überdies an der sachlichen Zuständigkeit des Erstgerichts fehlen (vgl dazu auch Mayr in Rechberger 4 § 52 JN Rz 2).

7.1. Die Vorinstanzen haben die Klage daher zutreffend mangels internationaler Zuständigkeit zurückgewiesen. Dem Revisionsrekurs muss daher ein Erfolg versagt bleiben.

7.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 40 ZPO.

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