JudikaturJustiz7Ob159/12a

7Ob159/12a – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. November 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Kronberger Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagte Partei Aktiengesellschaft d***** W*****, vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwilligung in die Löschung einer Servitut, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Juni 2012, GZ 16 R 62/12y 23, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsverfahren ist strittig, ob der Dienstbarkeitsvertrag, mit dem der Beklagten insbesondere das Recht des Betriebs und der Benutzung eines Industrieanschlussgleises eingeräumt wurde, durch ordentliche Kündigung aufgelöst werden kann.

1. Im Dienstbarkeitsvertrag ist keine Kündigungsmöglichkeit vereinbart. Die Grundsätze für eine vorzeitige Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund gelten für Dienstbarkeiten nur mit Einschränkungen. Ihre Auflösung kann wegen der stärkeren dinglichen Bindung nur „äußerstes Notventil“ sein; die für die Auflösung in Betracht kommenden Gründe müssen ein noch größeres Gewicht haben als jene, die für die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen genügen (RIS Justiz RS0018813; RS0011519; RS0011875 [T7, T8]; Hofmann in Rummel ³ § 524 Rz 2; Koch in KBB³ § 524 ABGB Rz 4; Memmer in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.00 § 520 Rz 9 und § 524 Rz 6; Spath in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 524 Rz 4). Solche Gründe für die vorzeitige Auflösung des Dienstbarkeitsvertrags als „Notventil zur Beseitigung einer untragbar gewordenen Lage“ liegen hier nicht vor. Zutreffend argumentierte das Berufungsgericht, dass der (in der Regel) für obligatorische Dauerschuldverhältnisse geltende Grundsatz der Auflösung durch ordentliche Kündigung umso weniger auf Dienstbarkeiten übertragen werden kann, die sich gerade durch ihre Dinglichkeit und damit ihre erhöhte Festigkeit und Dauerhaftigkeit ( Mayrhofer , Abstehen vom Vertrag aus wichtigem Grund für Dienstbarkeiten?, JBl 1974, 593 [600]) von jenen unterscheiden. Entgegen der Ansicht der Klägerin führt die Vertragsauslegung nach § 914 ABGB nicht dazu, dass sie den Dienstbarkeitsvertrag durch einseitige Erklärung unter Setzung einer angemessenen Frist auflösen kann. Mangels gegenteiliger Vereinbarung kann der Dienstbarkeitsvertrag nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden.

Der Oberste Gerichtshof sprach zwar in der Entscheidung 2 Ob 503/93 aus, dass Dienstbarkeiten auch nach den allgemeinen Grundsätzen erlöschen, „sohin auch durch Kündigung“, ohne zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung zu differenzieren. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass im dort zu beurteilenden „Dienstbarkeitsbestellungsvertrag“ ausdrücklich die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung vereinbart war. Zur generellen „freien Kündbarkeit“ eines Servitutsvertrags enthält diese Entscheidung keine Aussage.

2. Zutreffend verwies das Berufungsgericht weiters darauf, dass der Charakter einer Dienstbarkeit nicht dadurch verloren geht, wenn der Eigentümer der belasteten Sache wie hier die Klägerin auch zu einer Leistung verpflichtet ist, die der Grunddienstbarkeit dienen soll. § 482 ABGB lässt Ausnahmen zu, sodass eine Dienstbarkeit auch reallastartige Elemente enthalten kann (RIS Justiz RS0011573 [T3], RS0011670 [T2]). Die im Dienstbarkeitsvertrag vereinbarte, mit der Dienstbarkeit verbundene Verpflichtung der Klägerin zur Tragung von Kosten für die Überprüfung und Instandhaltung der Eisenbahnanlage rechtfertigt nicht die (ordentliche) Kündigung. Dies ergibt sich schon daraus, dass nicht einmal eine außerordentliche Kündigung eines Dienstbarkeitsvertrags aus besonders wichtigem Grund berechtigt ist, wenn mit dem Eintritt dieses Grundes von Anfang an zu rechnen war, wenn also die als Kündigungsgrund herangezogenen Umstände schon bei Vertragsabschluss bekannt oder doch als wahrscheinlich vorauszusehen waren (3 Ob 550/89 mwN).

3. Die von der Klägerin bloß unter Einhaltung einer Frist ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen sind daher wie die Vorinstanzen richtig ausführten unwirksam.

4. Die außerordentliche Revision ist somit mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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