JudikaturJustiz7Ob132/16m

7Ob132/16m – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. August 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer, die Hofrätin Mag. Malesich sowie den Hofrat Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei C*****, vertreten durch Suppan Spiegl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Gegner der gefährdeten Partei A***** G*****, wegen einstweiliger Verfügung gemäß § 382g EO, über den Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 2. Juni 2016, GZ 47 R 117/16b 5, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 18. März 2016, GZ 37 C 291/16g 2, teilweise als nichtig aufgehoben und teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht hat den Antrag der gefährdeten Partei (fortan: Antragstellerin) auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Gegner der gefährdeten Partei (fortan: Antragsgegner) zur Sicherung des Anspruchs der Antragstellerin auf Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre bzw auf Schutz vor Verletzung der Ehre und des wirtschaftlichen Rufs, ab sofort geboten werden sollte, es zu unterlassen,

a) mit der Antragstellerin im Wege über deren Vertreter und MitarbeiterInnen persönlich Kontakt aufzunehmen oder diese zu verfolgen,

b) mit der Antragstellerin im Wege über deren Vertreter und MitarbeiterInnen brieflich, telefonisch oder sonstiger Weise Kontakt aufzunehmen,

c) sich in näher bestimmten Räumlichkeiten sowie im Bereich des Umkreises von 50 m dieses Ortes aufzuhalten, und

d) einen Dritten zur Aufnahme von Kontakten mit der Antragstellerin im Wege über deren Vertreter und MitarbeiterInnen zu veranlassen,

– ohne Einvernahme des Antragsgegners – abgewiesen.

Das Rekursgericht hob aus Anlass des Rekurses den Beschluss des Erstgerichts über das Begehren auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des behaupteten Unterlassungsanspruchs der Antragstellerin auf Verletzung der Ehre und des wirtschaftlichen Rufs als nichtig auf, sprach aus, dass das Bezirksgericht Hernals zur Entscheidung über diesen Antrag unzuständig sei und überwies in diesem Umfang die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Innere Stadt Wien (Spruchpunkt I). Im übrigen Umfang der Antragsabweisung gab das Rekursgericht dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge (Spruchpunkt II). Es sprach weiters aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil – soweit überblickbar – keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob durch ein in Belästigungen und Tätlichkeiten gegenüber Mitarbeitern, Anrainern, Spendern und Klienten der Antragstellerin sowie der Missachtung von Hausverboten bestehendes Verhalten eines Dritten ein Eingriff in die Privatsphäre einer juristischen Person bewirkt werde, der einen Anspruch auf Unterlassung gewähre, und ob ein solcher im Weg des § 382g EO gesichert werden könne.

Nur gegen Spruchpunkt II dieser Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen (Feststellungsmängeln aufgrund) unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Stattgebung des Sicherungsantrags. Hilfsweise stellt die Antragstellerin „im Umfang der Anfechtung“ auch einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist absolut unzulässig.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin stehen die vom Rekursgericht zu Spruchpunkt I und II entschiedenen Anträge in keinem unlösbaren Sachzusammenhang, weshalb die Zulässigkeit der Anfechtung dieser Entscheidungsteile getrennt zu beurteilen ist:

Die Antragstellerin stützt ihren Unterlassungsanspruch inhaltlich erschließbar auf ihr Hausrecht (Eigentum; vgl 5 Ob 21/13v), auf ihren Anspruch auf Privatsphäre (§§ 16, 1328a ABGB) sowie auf den Schutz ihrer Ehre und ihres wirtschaftlichen Rufs (§ 1330 ABGB), also auf mehrere Anspruchsgrundlagen, die (jedenfalls teilweise) den Vortrag unterschiedlicher rechtserzeugender Tatsachen erfordern. Diese unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen zu verschiedenen Rechtsgründen sollen nach Meinung der Antragstellerin jede für sich dem gesamten Sicherungsantrag zum Erfolg verhelfen und das in Anspruch genommene Sicherungsmittel rechtfertigen können. Die Antragstellerin macht also in einem Sicherungsantrag mehrere Ansprüche geltend, die alle auf ein und dasselbe Ziel gerichtet sind. Damit ist kein einheitlicher Sachverhalt, sondern es sind unterschiedliche rechtserzeugende Tatsachen zu verschiedenen Rechtsgründen zu beurteilen (vgl 4 Ob 154/12v = SZ 2012/106). Dieser Sach und Rechtslage hat das Rekursgericht dadurch Rechnung getragen, dass es die für die mehreren Ansprüche unterschiedlichen Zuständigkeiten wahrgenommen (§ 387 Abs 2 und 4 EO; vgl dazu wiederum 4 Ob 154/12v = SZ 2012/106; sowie RIS Justiz RS0045485) und den Sicherungsantrag zu Spruchpunkt I an ein anderes Erstgericht überwiesen hat. Diesen Entscheidungsteil hat die Antragstellerin auch nicht bekämpft.

Die demnach (jedenfalls) betreffend die Spruchpunkte I und II getrennt vorzunehmende Beurteilung der Anfechtungszulässigkeit führt zu folgendem Ergebnis:

Es kann – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – dahin stehen, ob das Rekursgericht hinsichtlich der Entscheidung zu Spruchpunkt I einen Bewertungsausspruch hätte vornehmen müssen, weil die Antragstellerin diesen (selbstständigen) Entscheidungsteil ohnehin nicht bekämpft hat.

Betreffend den (selbstständigen) Spruchpunkt II gilt § 402 Abs 1 Satz 2 EO zufolge § 402 Abs 2 EO nicht, weil dieser Sicherungsantrag ohne Einvernahme des Antragsgegners abgewiesen wurde. Infolge Bestätigung der Antragsabweisung durch das Rekursgericht ist der dagegen erhobene Revisionsrekurs gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO in Verbindung mit § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig (RIS Justiz RS0107345; RS0012260) und daher zurückzuweisen.

Rechtssätze
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