JudikaturJustiz7Ob123/23y

7Ob123/23y – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. August 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* GmbH, *, vertreten durch Metzler Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei G* KG, *, vertreten durch Schärmer + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 140.122,39 EUR sA infolge der (außerordentlichen) Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 31. Mai 2023, GZ 2 R 63/23g 35, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 17. Jänner 2023, GZ 38 Cg 42/22x 30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

In Ansehung der Klagsforderungen von 8.669,28 EUR sA und 9.144,16 EUR sA wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von 140.122,39 EUR sA. Die Beklagte schulde diesen Betrag aus Transportschäden, die aus fünf verschiedenen Transportverträgen resultieren. Die Schadensbeträge beliefen sich auf 41.539,09 EUR sA, 36.679,15 EUR sA, 44.090,71 EUR sA, 8.669,28 EUR sA und 9.144,16 EUR sA. Die Klagsforderungen stünden in einem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang, weil eine ständige Geschäftsverbindung zur Beklagten bestehe.

[2] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

[3] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Klägerin erhob dagegen eine (außerordentliche) Revision, die dem Obersten Gerichtshof vom Erstgericht vorgelegt wurde. Die Aktenvorlage an den Obersten Gerichtshof entspricht nicht der Rechtslage:

[5] 1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, so bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen der Zusammenrechnung nach § 55 Abs 1 JN erfüllt sind. Diese Regelung gilt auch für Rechtsmittelverfahren (§ 55 Abs 4 JN) und damit für den Entscheidungsgegenstand (RS0053096).

[6] 1.1. Eine Zusammenrechnung hat nach § 55 Abs 1 Z 1 JN zu erfolgen, wenn mehrere Ansprüche von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben werden und die Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Fehlt es an einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang, so muss als Entscheidungsgegenstand jeder dieser Ansprüche einzeln betrachtet werden ( RS0042753 ; RS0053096 ). Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Klagssachverhalt abgeleitet werden können ( RS0042766 ). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt etwa dann vor, wenn die Ansprüche aus derselben Rechtsnorm oder demselben Vertrag abgeleitet werden, zum Beispiel aus einem einheitlichen Liefervertrag ( RS0037648 ). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches oder tatsächliches Schicksal haben kann ( RS0037648 [T11, T18, T20] ).

[7] 1.2. Kein Zusammenhang nach § 55 Abs 1 Z 1 JN liegt vor bei Forderungen aus verschiedenen, wenn auch gleichartigen Verträgen (vgl zu Transportfällen: RS0037648 [T 30 ] ; RS0037926 [T 27 , T 31 , T 33 und T34] ), oder bloß aufgrund ständiger Geschäftsverbindung ( RS0037926 [T14, T19, T22] ). Bei der Beurteilung ist vom Klagebegehren auszugehen ( RS0106759 ).

[8] 1.3. Hier behauptet die Klägerin keine Umstände, aus denen ein Zusammenhang der Forderungen aus den jeweiligen von der Klägerin bei der Beklagten beauftragten Transportverträgen ableitbar wäre. Die Entscheidungsgegenstände der aus den einzelnen Transportverträgen geltend gemachten Schadenersatzansprüche sind daher einzeln zu betrachten.

[9] 2.1. Hat das Berufungsgericht – wie hier – ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann gemäß § 505 Abs 4 ZPO eine Revision (die hier nicht vorliegenden Fälle des § 502 Abs 5 ZPO ausgenommen) nur erhoben werden, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt (außerordentliche Revision). Übersteigt der Entscheidungsgegenstand in zweiter Instanz zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR und hat das Berufungsgericht ausgesprochen, die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig, so kann eine Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO (nur) einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde.

[10] 2.2. In Ansehung der Klagsforderungen von 8.669,28 EUR sA und 9.144,16 EUR sA übersteigt der maßgebliche Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR. Das Erstgericht hat daher das Rechtsmittel hinsichtlich dieser Klagsforderungen dem Berufungsgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel als Anträge im Sinn des § 508 Abs 1 ZPO zu werten sind ( RS0109623 ).

[11] 3. Der Akt ist daher dem Erstgericht zurückzustellen.

Rechtssätze
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