JudikaturJustiz6Ob9/23a

6Ob9/23a – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Februar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. W*, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Wien, wider die beklagte Partei A* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Wolfgang Walter Richter, Rechtsanwalt in Wien, und deren Nebenintervenientin O* GmbH, *, vertreten durch Dumfarth Klausberger Rechtsanwälte GmbH Co KG in Linz, wegen Beseitigung und Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 25. August 2022, GZ 32 R 42/22k-29, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 18. Jänner 2022, GZ 16 C 865/20h-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger ist Eigentümer von Anteilen an einer Liegenschaft, mit denen Wohnungseigentum verbunden ist; die Wohnung befindet sich im obersten Stockwerk.

[2] Für die Liegenschaft sind faktisch (und historisch bedingt) seit vielen Jahrzehnten zwei Hausverwaltungen (jeweils eine GmbH) tätig. Die Nebenintervenientin ist die „Hausverwaltung der oberen Stockwerke“.

[3] Die Beklagte ist ein Kommunikationsanbieter. Sie errichtete im Jahr 2017 nach Vorliegen sämtlicher Genehmigungen auf dem Gebäude eine Sendemastenanlage (Mobilfunkstation), zu der auch ein Klimagerät gehört.

[4] Der Errichtung war vorhergegangen, dass die Wohnungseigentümer im Jahr 2013 im Rahmen eines – gerichtlich unbekämpft gebliebenen – Mehrheitsbeschlusses (mit einer Zustimmung von 95,02 % gemessen an den Miteigentumsanteilen, darunter auch die Rechtsvorgängerin des Klägers) ihre Zustimmung zur Errichtung des Sendemastens „auf dem Dach“ erteilt hatten, wobei den Stimmabgaben damals keine Skizzen oder genaueren technischen Beschreibungen zur Situierung der Sendemastanlage zugrunde lagen. Mit Einverständnis der als „Hausverwaltung der unteren Stockwerke“ tätigen GmbH schloss die Nebenintervenientin infolge dieses Beschlusses und nach einer bautechnischen Begehung im Jahr 2016 namens der Eigentümergemeinschaft mit der Beklagten einen Bestandvertrag über die Nutzung bestimmter Flächen zur Errichtung und zum Betrieb des Sendemastens.

[5] Der Kläger begehrt mit seiner auf die Eigentumsfreiheit gestützten Klage von der Beklagten die Beseitigung dieser Anlagen und die Unterlassung der Nutzung der Liegenschaft in näher bezeichnetem Umfang.

[6] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

[7] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision nachträglich für zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, ob für die Berechtigung der Eigentumsfreiheitsklage eines Wohnungseigentümers nach § 523 ABGB tatsächlich irrelevant ist , ob die Errichtung und Belassung einer Sendeanlage in ihrer konkreten Ausgestaltung durch einen Beschluss der Wohnungseigentümer nach § 24 WEG 2002 gedeckt gewesen sei, wenn ein die Maßnahmen und Ausführungen deckender Bestandvertrag zwischen der Eigentümergemeinschaft, vertreten durch die beiden Hausverwaltungen, und der Beklagten geschlossen w urde .

Rechtliche Beurteilung

[8] Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig:

[9] 1. Auch wenn zu einer konkreten Fallgestaltung ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt, liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vor, wenn entweder das Gesetz selbst eine klare Regelung trifft oder der Streitfall – wie hier – bereits mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann (RS0042656 [ insb T48]; s auch RS0107773 [T3]).

[10] 2. Aus § 20 Abs 1 und § 29 Abs 6 WEG 2002 folgt, dass dem Verwalter sogar in Angelegenheiten der außerordentlichen Verwaltung eine (unbeschränkbare) Formalvollmacht zukommt. Dies hat zur Folge, dass auch eine im Innenverhältnis pflichtwidrig unterlassene Einholung eines Beschlusses der Wohnungseigentümer auf die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften, die der Verwalter im Namen der Eigentümergemeinschaft abgeschlossen hat, grundsätzlich keine Auswirkungen hat (vgl bereits RS0013747 [T8, T9]). Entsprechend halten auch die Gesetzesmaterialien zur WEG-Novelle 2002 fest: „Abgesehen von diesem Ausnahmefall kommt dem Verwalter in allen Bereichen der Verwaltung – also auch bei Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung – unbeschränkbare Vertretungsbefugnis zu; allerdings ist der Verwalter auf dem Gebiet der außerordentlichen Verwaltung im Innenverhältnis gegenüber der Eigentümergemeinschaft gemäß § 29 Abs 6 insofern gebunden, als er in diesem Segment Maßnahmen nur auf Grund eines Beschlusses der Miteigentümer durchführen darf“ (ErläutRV 989 BlgNR 21. GP, 55).

[11] Das Außenverhältnis des Bestandvertrags wäre damit überhaupt nur bei – hier nicht festgestelltem – kollusivem Zusammenwirken von Vertretern der Hausverwaltung und dem Dritten (der Beklagten) berührt. Die – für die Lösung des Rechtsstreits irrelevante und daher auch gar nicht mehr einer Prüfung zu unterziehende – Frage, ob ein „hinreichend bestimmter“ Beschluss der Eigentümergemeinschaft vorgelegen hatte und ob die Anbringung des Klimageräts an der Fassade bzw die konkrete Ausführung mit der mittels Beschluss erteilten Berechtigung „auseinanderklafft“, kann dagegen nur für Konsequenzen im Innenverhältnis relevant sein.

[12] 3.1. Zentral für die Beurteilung des Rechtsstreits ist damit die Frage, ob sich die Beklagte auf einen wirksamen Bestandvertrag berufen kann. Zu dem von den Vorinstanzen angenommen wirksamen Bestehen dieses Vertrags kann der Kläger keine Fehlbeurteilung, insbesondere auch keine für die Entscheidung wesentliche Aktenwidrigkeit (RS0043265), darlegen.

[13] 3.2. Grundsätzlich kann für eine Liegenschaft nur ein einziger Verwalter bestellt werden; eine Parallelverwaltung durch mehrere Verwalter ist nicht zulässig (5 Ob 39/22d [Rz 25]).

[14] Selbst, wenn man mit dem Kläger davon ausginge, dass die Nebenintervenientin („obere Hausverwaltung“) mangels des Anscheins eines Mehrheitsbeschlusses (RS0118451; grundlegend 5 Ob 263/03t) nicht wirksam zur Hausverwalterin bestellt worden wäre, weil gemessen an den Miteigentumsanteilen der gesamten Liegenschaft lediglich eine Minderheit der Eigentümer (die oberen Stockwerke umfassen weniger als die Hälfte der Miteigentumsanteile) für ihre Bestellung stimmen konnte, ändert dies nichts an der dennoch gegebenen rechtswirksamen Vertretung der Miteigentümer bei Abschluss des Bestandvertrags in Bezug auf die gemeinschaftsbezogenen Interessen aller Wohnungseigentümer. Es bestünde nämlich immer noch die Mandatierung der anderen GmbH (der Hausverwaltung der unteren Stockwerke, auf die die anderen Miteigentumsanteile – und damit mehr als die Hälfte – entfallen). Diese ist nach dem vom Erstgericht unbekämpft zu Grunde gelegten Sachverhalt nicht nur für Vermietungen, sondern auch „in allen Verwaltungsangelegenheiten“ durch die Wohnungseigentümer in den Stockwerken bis inklusive dem 4. Stockwerk beauftragt worden. Sie hat in Bezug auf ihre Bestellung den Anschein eines Mehrheitsbeschlusses für sich.

[15] 3.3. Aufgrund der nach außen hin unbeschränkten Formalvollmacht nach § 20 Abs 1 S 2 WEG (möge diese auch im Innenverhältnis auf die Verwaltung der unteren Stockwerke beschränkt gewesen sein) kam dieser GmbH als Hausverwaltung auch die Befugnis zu, weitere Vollmachten zu erteilen (zur Bestellung eines berufsmäßigen Parteienvertreters siehe § 20 Abs 1 S 2, 2. HS WEG; zu sonstigen rechtsgeschäftlichen Vollmachten vgl 5 Ob 252/06d; 7 Ob 46/20w). Infolge der Genehmigung des Vertrags durch sie liegt ein wirksamer, die Eigentümergemeinschaft bindender Bestandvertrag vor.

[16] 4. War (und ist) die Nutzung der Liegenschaft durch die Beklagte nun aber durch diesen Bestandvertrag gedeckt, begegnet die Beurteilung, es liege kein unberechtigter Eingriff vor, keinen Bedenken.

[17] 5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Nebeninterintervenientin hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0035979 [T16]).