JudikaturJustiz6Ob603/82

6Ob603/82 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Juli 1982

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Schobel, Dr. Melber und Dr. Riedler als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter R*****, vertreten durch Dr. Josef Thaler, Rechtsanwalt in Zell am Ziller, wider die beklagten Parteien 1.) Annemarie S*****, und 2.) Fritz S*****, beide vertreten durch Dr. Walter Anderl, Rechtsanwalt in Mayrhofen, wegen Beseitigung (Streitwert 30.000 S), infolge Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. Januar 1982, GZ 1 R 825, 826/81-19, womit infolge der Berufungen der klagenden Partei und der zweitbeklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 21. September 1981, GZ C 867/80-13, in Ansehung des die erstbeklagte Partei betreffenden Begehrens abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Die Erstbeklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 2.655,42 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Barauslagen 240 S und an Umsatzsteuer 178,92 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer eines Hälfteanteiles der Liegenschaft EZ 651 II ***** mit dem Grundstück Nr. 3288/8. Der zweite Hälfteanteil dieser Liegenschaft steht im Eigentum der Ehefrau des Klägers. Die beiden Beklagten sind Eigentümer je eines Hälfteanteiles der Liegenschaft EZ 665 II ***** mit dem Grundstück Nr. 3288/9. Die Grundstücke Nr. 3288/8 und Nr. 3288/9 grenzen aneinander. Die Grenzlinie beschreibt um ihren westlichsten Punkt (im Lageplan mit "27A" bezeichnet) einen nahezu rechten Winkel und verläuft von dort auf einer Länge von 9,99 m in süd-östlicher Richtung (bis zu dem im Lageplan mit "56A" bezeichneten Punkt). Entlang dieser 9,99 m messenden Grenzlinie steht eine zur Gänze auf den Grundstück Nr. 3288/8 errichtete, 25 cm breite Begrenzungsmauer.

In diese Mauer hat der Zweitbeklagte von der dem Grundstück Nr. 3288/9 zugekehrten Sichtfläche aus in Abständen von etwa 2 m vier mal je zwei Schrauben zur Befestigung L-förmiger, metallener Zaunträger getrieben. Der an diesen Trägern montierte Holzzaun selbst befindet sich zur Gänze im Luftraum über dem Grundstück Nr. 3288/9. Der Kläger begehrte die Verurteilung beider Beklagter zur Entfernung der in der Begrenzungsmauer eingetriebenen Schrauben. Er berief sich dabei auf sein Eigentum und hielt sein Begehren ohne weiteres Vorbringen auch nach der Einwendung aufrecht, ihm fehle wegen des Miteigentums seiner Ehefrau die Klagebefugnis. Zur Haftung der Erstbeklagten behauptete der Kläger ein (gemeinsames) Vorgehen beider Beklagter bei der Anbringung der Zaunbefestigungen. Im Übrigen stützte er sich auf die dargestellten Eigentumsverhältnisse und eine von beiden Beklagten erfolgte Ablehnung der von ihm an sie gerichteten vorprozessualen Aufforderung zur Entfernung der Schrauben. Der Kläger warf den Beklagten Eigenmacht vor und bestritt die Behauptung der Beklagten, er habe die Anbringung der Schrauben gestattet.

Die Beklagten machten eine Einwilligung des Klägers zur Errichtung und Befestigung des Zaunes geltend. Überdies wendeten sie Schikane ein. Die Erstbeklagte erstattete zu ihrer Passivlegitimation in erster Instanz kein besonderes Tatsachenvorbringen. Das Erstgericht wies das gegen die Erstbeklagte gerichtete Begehren ab.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil erster Instanz in dieser Hinsicht im klagsstattgebenden Sinne ab. Dazu sprach es aus, dass der von seiner Entscheidung betroffene Wert des Streitgegenstandes 2.000 S übersteigt.

Es übernahm die erstrichterlichen Feststellungen. Aus diesen ist hervorzuheben:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger oder seine Ehefrau jemals in die Anbohrung ihrer Mauer einwilligten.

Am 4. November 1980 wurden im Auftrag des Zweitbeklagten vier Zaunhalterungen an die Grenzmauer angeschraubt.

Die Erstbeklagte kümmerte sich um die Art und Weise der Zaunbefestigung nicht, sie war während der Montage nicht anwesend und erteilte auch nicht ihre Bewilligung.

Das Erstgericht erachtete den Kläger ungeachtet seines bloßen Hälfteeigentums an der zur Befestigung des Holzzaunes benützten Mauer als selbständig forderungsberechtigt und führte aus: Die Klagsführung stelle für die Ehefrau des Klägers als Miteigentümerin jeweils eine Geschäftsführung im Sinne des § 1037 ABGB dar. Der Zweitbeklagte hafte für die Folgen seiner Eigenmacht ex delicto. Das Beseitigungsbegehren sei nicht schikanös, weil der Kläger letztlich sein (Mit )Eigentum an Grund und Boden verteidige. Eine Beteiligung der Erstbeklagten an der vom Zweitbeklagten, ihrem Ehemann, zu verantwortenden Sachbeschädigung habe der Kläger nicht erwiesen. Das Hälfteeigentum der Erstbeklagten allen mache diese aber aus nachbarrechtlicher Sicht noch nicht haftbar.

Das Berufungsgericht - das die Verurteilung des Zweitbeklagten, die nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, bestätigte - wertete den vom Kläger verfolgten Anspruch als einen solchen zur Abwehr von Eigentumseingriffen. Es legte dar, dass zu einer derartigen, aus § 528 ABGB abzuleitenden Eigentumsfreiheitsklage auch der Eigentümer eines Grundstückes passiv legimiert sei, der auf seinem Grundstück die, sei es auch von einem anderen errichtete, störende Anlage aufrecht erhalte, oder der nicht nachweise, dass er die vorgefallene Störung nicht habe verhindern können. Die Erstbeklagte habe einen solchen, ihr oblegenen Beweis nicht einmal angetreten, sondern vielmehr den Prozessstandpunkt eingenommen, für die Beseitigung der Eingriffsfolgen nicht verantwortlich zu sein.

Im Übrigen teilte das Berufungsgericht im Ergebnis die erstrichterliche Ansicht über die selbständige Anspruchsberechtigung des Klägers, da eine Eigentumsfreiheitsklage, als welche sich die Beseitigungsklage darstelle, auch vom Miteigentümer erhoben werden könne, wenn er sich nur nicht in Widerspruch zu seinen Miteigentümern stelle.

Das Berufungsgericht billigte die erstgerichtliche Beurteilung, dass keine Schikane vorliege. Dazu hob es hervor, dass bei einem Verbleiben der Befestigungsschrauben in der Mauer unter Umständen eine Dienstbarkeit entstehen könnte.

Die Erstbeklagte ficht die sie betreffende Abänderung des Urteiles erster Instanz mit dem Antrag auf dessen Wiederherstellung aus dem Revisionsgrund nach § 503 Z 4 ZPO an.

Der Kläger strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger begehrte als Miteigentümer eines Grundstückes die Entfernung von Schrauben, die vom Nachbargrund aus zur Befestigung eines Holzzaunes in die ausschließlich auf seinem und seiner Ehefrau Grund stehende Begrenzungsmauer ohne Rechtstitel getrieben wurden. Die Vorinstanzen haben die Anspruchsberechtigung des Klägers in Sinne der Rechtsprechung zur Rechtsverfolgung durch einzelne Teilhaber gegen rechtswidrige Eingriffe im das sogenannte Gesamtrecht (JBl 1980, 545; SZ 48/62; JBl 1975/201 uva) zutreffend anerkannt, zumal kein Anhaltspunkt für die Anwendbarkeit besonderer Organisationsvorschriften, die das Klagerecht einem bestimmten Organ zuwiesen (SZ 48/62), oder für eine Übergehung der übrigen Teilhaber (SZ 1/72) vorliegt und keine Rechtsbegründung zugunsten der Gemeinschaft angestrebt wird (EvBl 1974/275, S 603). Dazu führt die Revisionswerberin in ihrem Rechtsmittel auch nichts aus. Ebenso zutreffend haben die Vorinstanzen die Einwendung der Schikane als unberechtigt angesehen, weil den Grundeigentümern auf deren Grund die Begrenzungsmauer an die Grenzlinie herangebaut ist, ein trifftiges Interesse daran zuzubilligen ist, dass ihr Grundstück mit keiner Last nach der Art der in § 487 ABGB genannten belastet ist und künftig einer Vermutung nach § 857 ABGB vorgebeugt wird. Auch zum Schikaneeinwand trägt die Revisionswerberin in ihrem Rechtsmittel nichts mehr vor.

Die Revisionsausführungen zur Passivlegitimation, die der Revisionswerberin nach ihrer Ansicht fehle, sind nicht stichhältig. Nach der festgestellten Art der in der Außenwelt eingetretenen Veränderung stellt sich der Eingriff als titellose und daher eigenmächtige Vorgangsweise dar, wie sie einem Berechtigten aus einer Grunddienstbarkeit im Sinne des § 487 ABGB zustünde. Denn der zur Einfriedung des im Miteigentum der Revisionswerberin stehenden Grundes dienende Holzzaun wurde an die im Eigentum der Grundnachbarn stehende Begrenzungsmauer derart befestigt, dass die Last des Zaunes von der Mauer zu tragen ist. Die Revisionswerberin traf daher, wie das Berufungsgericht im Sinne der herrschenden Rechtsprechung (zuletzt: 1 Ob 680/81; vgl Klang in seinem Komm2, II, 603) zutreffend dargelegt hat, die Behauptungs- und Beweislast dafür, aus bestimmten Umständen außer Stande zu sein, die Folgen des zur Einfriedung ihres Grundes rechtswidrig von ihrem Miteigentümer veranlassten Eingriffes in das Eigentum der Grundnachbarn zu beseitigen. Dass sie am festgestellten Eingriff ihres Ehemannes nicht aktiv mitwirkte, entlastet die Revisionswerberin noch nicht. Es steht fest, dass sie sich um die Art und Weise der Zaunbefestigung nicht kümmerte. Danach liegt es nahe, zumindest ist es aber nicht auszuschließen, dass die Erstbeklagte es ihrem Ehemann überließ, wie er die ihm und ihr gemeinschaftliche Liegenschaft einfriede. Beging er dabei einen Eingriff in fremdes Eigentum besteht dieser rechtswidrige Zustand aufrecht, haftet auch die Erstbeklagte für dessen Beseitigung (und nicht etwa bloß für deren Duldung). Das Berufungsgericht konnte sich entgegen den Revisionsausführungen zur Stützung seiner Ansicht auf die von ihm zitierte Entscheidung EvBl 1965/197, S 292, berufen, weil der für die Negatorienklage gegen Grundeigentümer - wie im vorliegenden Fall - abgeleitete Grundsatz dort auf einen an der verkehrsbehindernden Ablagerung eines Gerätes auf einem Weg nicht aktiv beteiligten Fahrniseigentümer allein aus dem Gedanken der ihm zustehenden Verfügungsmacht angewandt wurde.

Der Revision war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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