JudikaturJustiz6Ob59/06d

6Ob59/06d – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. April 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde P*****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. Josef A*****, 2. Margarita A*****, beide *****, vertreten durch Dr. Gerhard Götschhofer, Rechtsanwalt in Vorchdorf, wegen Duldung (Streitwert 10.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 15. November 2005, GZ 37 R 180/05s-32, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Traun vom 3. Mai 2005, GZ 11 C 2273/03h-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit 732,23 EUR (darin 122,04 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Beklagten sind Eigentümer eines Teiles eines Weges, der zum öffentlichen Wegenetz der Klägerin gehört und von dieser in Bestand genommen wurde. Vertreten durch ihren Bürgermeister begehrt die Klägerin von den Beklagten die Duldung der Asphaltierung dieses Weges. Die Beklagten haben sich dagegen ausgesprochen. Die Beklagten verlangten im Laufe des Verfahrens unter Hinweis auf § 43 Oö GemeindeO von der Klägerin die Vorlage jenes Gemeinderatsbeschlusses, mit dem der Klagevertreter mit der Klagsführung beauftragt worden sei. Fehle es an einem solchen Beschluss, sei die Bevollmächtigung des Klagevertreters unwirksam und das Verfahren nichtig.

Die Klägerin bestritt unter Hinweis auf §§ 56, 58 Oö GemeindeO die Notwendigkeit eines derartigen Beschlusses, weil ihr Bürgermeister nach außen hin vertretungsbefugt sei. Nachdem dieser zunächst erklärt hatte, dennoch für die Herbeiführung eines Gemeinderatsbeschlusses zu sorgen, teilte die Klägerin in weiterer Folge mit, dass der Gemeinderat die Klagsführung nicht genehmigt habe.

Das Erstgericht erklärte das Verfahren ab Zustellung der Klage für nichtig und wies die Klage zurück. Der Abschluss eines Bestandvertrags sei eine Angelegenheit im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Nach § 43 Abs 1 Oö GemeindeO oblägen alle in diesen Wirkungsbereich fallenden Angelegenheiten dem Gemeinderat, soweit sie nicht anderen Organen vorbehalten seien. Eine von dieser Generalkompetenz abweichende Entscheidungskompetenz werde hinsichtlich der Klagsführung der Gemeinde vor ordentlichen Gerichten nicht statuiert. Der Bürgermeister könne die Gemeinde somit in dieser Angelegenheit nicht vertreten. Die Klägerin sei nicht gesetzlich vertreten. Ein Sanierungsversuch nach § 6 ZPO sei gescheitert. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand 4.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei; Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Auslegung der Kompetenzbestimmungen der Oö GemeindeO fehle. Die Klagsführung einer Gemeinde vor ordentlichen Gerichten sei in der Oö GemeindeO nicht geregelt. Maßgeblich sei daher, ob von den dem Bürgermeister zugewiesenen Aufgaben implizit auch die Klagsführung umfasst sei. Dem Bürgermeister sei zwar nach § 58 Abs 2 Z 4 Oö GemeindeO die Verwaltung des Gemeindeeigentums zugewiesen, wozu auch Bestandrechte gehörten. Allerdings zähle die „Veranlassung der Austragung eines Rechtsstreits der Gemeinde" nicht zur laufenden Verwaltung, könnten doch nicht unerhebliche Kosten auflaufen, die zu einer finanziellen Belastung der Gemeinde führen müssten. Sei eine Beschlussfassung des Gemeinderats für die Klagsführung erforderlich, müsse der Gemeinderatsbeschluss dargetan werden; trotz eines Sanierungsversuchs des Erstgerichts habe die Klägerin einen solchen nicht vorlegen können. Sie sei daher nicht gehörig vertreten. Dass der Gemeinderat die Asphaltierung des Weges der Beklagten beschlossen habe, ändere daran nichts, weil darin eine positive Willensbildung in Richtung gerichtliche Durchsetzung des Beschlusses nicht erkannt werden könne. Schließlich könne auch die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts den Nachweis der Beschlussfassung des Gemeinderats nicht ersetzen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig. Dass das Rekursgericht den erstinstanzlichen Beschluss vollinhaltlich bestätigt hat, ändert daran nichts; nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO gilt der Grundsatz der Unanfechtbarkeit von Konformatsbeschlüssen nämlich dann nicht, wenn die Klage - wie hier - ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist (vgl Zechner in Fasching/Konecny² [2005] § 528 ZPO Rz 90 ff). Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

1. Im Hinblick auf § 6 ZPO ist das Fehlen der Prozessvoraussetzung der gesetzlichen Vertretung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (Schubert in Fasching/Konecny² [2002] § 6 ZPO Rz 1 mwN). Gesetzlich nicht gehörig vertreten ist dabei etwa auch eine Gemeinde, wenn nach den für sie geltenden Organisationsvorschriften für die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ein Gemeinderatsbeschluss vorgesehen ist, dieser aber nicht vorliegt. Scheitert ein Sanierungsversuch im Sinne des § 6 Abs 2 ZPO, ist das dennoch von ihr geführte Verfahren für nichtig zu erklären und die Klage zurückzuweisen (vgl 6 Ob 589/82 = JBl 1983, 210 [Böhm]; 7 Ob 109/98z = NZ 1999, 404).

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang meint, der Klagevertreter habe sich ohnehin auf die erteilte Vollmacht berufen, ist sie darauf hinzuweisen, dass diese Berufung nur den Nachweis ersetzt, dass der die Gemeinde nach außen vertretende Bürgermeister auch tatsächlich die Bevollmächtigung des Rechtsanwalts vorgenommen hat. Sie kann aber nicht den Nachweis einer (allenfalls) notwendigen Beschlussfassung des Gemeinderats ersetzen (7 Ob 109/98z; Schubert aaO Rz 9; ebenso VfGH B 3035/95 = Slg 14.574).

2. Die Klägerin ist eine oberösterreichische Stadtgemeinde ohne eigenes Statut; sie unterliegt somit den Organisationsvorschriften der Oö GemeindeO 1990. Nach deren § 43 Abs 1 obliegen dem Gemeinderat alle in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallenden Angelegenheiten, soweit sie nicht ausdrücklich anderen Organen der Gemeinde vorbehalten sind. Nach § 58 Abs 1 vertritt der Bürgermeister die Gemeinde nach außen, nach § 58 Abs 2 Z 4 obliegt ihm (unter anderem) die Verwaltung des Gemeindeeigentums, wozu im Hinblick auf § 67 Abs 1 auch die der Gemeinde zustehenden Bestandrechte an Eigentum Dritter gehören. Nach § 56 Abs 2 Z 11 obliegt dem Gemeindevorstand die Einbringung von Rechtsmitteln gegen verwaltungsbehördliche Entscheidungen einschließlich von Beschwerden an den Verfassungs- und an den Verwaltungsgerichtshof. Die Frage der Einleitung von gerichtlichen Verfahren ist in der Oö GemeindeO nicht geregelt.

3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, es sei ein Beschluss des Gemeinderats erforderlich, wenn die Einleitung oder Fortsetzung eines Rechtsstreits von einer Prozesshandlung der Gemeinde abhänge (RIS-Justiz RS0059247). Diese Entscheidungen ergingen zur nö GemeindeO 1973, die in § 35 Abs 2 Z 16 ausdrücklich (unter anderem) die Einleitung oder Fortsetzung eines Rechtsstreits dem Gemeinderat vorbehält und insofern mit der Oö GemeindeO nicht unmittelbar vergleichbar ist.

Durchaus vergleichbar ist allerdings die Rechtslage in Kärnten. Nach § 34 Abs 2 K-AGO 1998 obliegen dem Gemeinderat alle Aufgaben, die ihm durch Gesetz übertragen sind, und alle nichtbehördlichen Aufgaben des eigenen Wirkungsbereichs, die durch Gesetz nicht einem anderen Organ übertragen sind. Nach § 69 Abs 1 vertritt der Bürgermeister die Gemeinde, nach dessen Abs 3 Satz 2 hat der Bürgermeister in den Angelegenheiten der Verwaltung der Gemeinde als Wirtschaftskörper die laufende Verwaltung zu führen und dem Gemeinderat darüber zu berichten. Der Oberste Gerichtshof hat zu den insofern identen Bestimmungen der Allgemeinen Gemeindeordnung 1982 für Kärnten ausgesprochen, aus dem Zusammenhalt derselben ergebe sich, dass die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts durch die Gemeinde zur Vertretung in einem Schadenersatzprozess nicht durch den Bürgermeister allein erfolgen könne, sondern dass dieser dazu eines Gemeinderatsbeschlusses bedürfe; bei einem Schadenersatzprozess handle es sich nicht um eine Angelegenheit der laufenden Verwaltung (8 Ob 65/84).

4. Diese Überlegungen treffen auch auf die in Oberösterreich geltende Rechtslage zu. Der Bürgermeister vertritt zwar die Gemeinde nach außen, es obliegt ihm auch die Verwaltung des Gemeindeeigentums. Die Generalkompetenz, die keine Ausnahme zu Gunsten des Bürgermeisters hinsichtlich der Einleitung gerichtlicher Verfahren vorsieht, liegt aber beim Gemeinderat. Dass eine Klagsführung auch keine Angelegenheit der laufenden Verwaltung des Gemeindeeigentums ist, hat schon das Rekursgericht dargelegt. Bei Klagen an ordentliche Gerichte hat somit der Bürgermeister einer (den Organisationsvorschriften der Oö Gemeindeordnung 1990 unterliegenden) oberösterreichischen Gemeinde einen Beschluss des Gemeinderats über die Einbringung der Klage und über die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts einzuholen (so auch Putschögl/Neuhofer, Oö Gemeindeordnung 1990³ [2003] 280, 298). Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang auf § 56 Abs 2 Z 11 Oö GemeindeO 1990 und meint, dem Gemeindevorstand obliege die Einbringung von Beschwerden an den Verfassungs- und an den Verwaltungsgerichtshof. Es könne nicht unterstellt werden, dass für Zivilklagen bei ordentlichen Gerichten ein höherer Maßstab, nämlich eine Entscheidung durch den Gemeinderat, verlangt werde; einer Klageerhebung bei einem Bezirksgericht komme weit weniger Bedeutung zu als der Erhebung einer Beschwerde an ein Höchstgericht. Es handle sich um eine „Wertungsfrage".

Mit dieser Argumentation verkennt die Klägerin allerdings, dass der Landesgesetzgeber ganz offensichtlich im Gesamtgefüge der Organisationsvorschriften nicht Beschwerden an den Verfassungs- und an den Verwaltungsgerichtshof eine besondere Bedeutung zuerkennen wollte. Vielmehr geht es in § 56 Abs 2 Z 11 Oö GemeindeO 1990 generell um die (fristgebundene) Einbringung von Rechtsmitteln gegen verwaltungsbehördliche Entscheidungen einschließlich der Beschwerden an die Höchstgerichte. Deren Einbringung sollte offensichtlich im Hinblick auf die Fristgebundenheit erleichtert und anstelle des möglicherweise schwerfälligeren Gemeinderats dem Gemeindevorstand zugewiesen werden. Diese Überlegungen treffen aber auf die Einbringung von Klagen bei ordentlichen Gerichten nicht zu. Im Übrigen liegt eine Genehmigung der Klagsführung durch den Gemeindevorstand der Klägerin ebenso wenig vor.

5. Die Klägerin meint weiters, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs komme es im Hinblick auf das Außenvertretungsrecht des Bürgermeisters grundsätzlich gar nicht auf die internen Organisationsvorschriften an (Zl 2671/78 = VwSlg 10.147/A [verstSenat]; Zl 684/80 = VwSlg 10.479/A; Zl 2002/07/0005); sie führt auch eine zweitinstanzliche Entscheidung und Literaturstellen an.

Nach ständiger und gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind aber die in Organisationsvorschriften von juristischen Personen öffentlichen Rechts enthaltenen Handlungsbeschränkungen der zur Vertretung nach außen berufenen Organe auch im Außenverhältnis wirksam (RIS-Justiz RS0014717). Diese Auffassung entspricht auch der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (etwa B 3035/95 = Slg 14.574). Von ihr abzugehen, bietet der vorliegende Fall keine Veranlassung.

6. Einen Beschluss über die Einbringung der vorliegenden Klage und über die Bevollmächtigung des Klagevertreters hat der Gemeinderat der Klägerin nicht gefasst, sondern im Gegenteil die vorliegende Prozessführung durch den Bürgermeister der Klägerin in deren Namen sogar ausdrücklich nicht genehmigt. Damit mangelt es der Klägerin an der gehörigen gesetzlichen Vertretung.

Soweit die Klägerin ausführt, ihr Gemeinderat habe die Asphaltierung des Weges der Beklagten beschlossen, weshalb mit dieser Beschlussfassung auch die Abwehr von Störungen verbunden wäre, übersieht sie, dass sie einen Aktivprozess führt und nicht Störungen abwehren will. Entgegen der Auffassung der Klägerin „indiziert" der Gemeinderatsbeschluss auf Asphaltierung des Weges auch nicht Maßnahmen auf „Unterbindung". Dies zeigt ja im Übrigen auch der Umstand, dass derselbe Gemeinderat zwar die Asphaltierung des Weges beschlossen, die vorliegende Klagsführung aber nicht genehmigt hat.

7. Das Erstgericht hat in Anwendung des § 51 Abs 1 ZPO der Klägerin den Ersatz der Kosten des Verfahrens erster Instanz auferlegt, weil sie schuldhaft gehandelt habe. Das Rekursgericht hat diese Auffassung geteilt. Soweit die Klägerin im Revisionsrekurs ausführt, „der Entscheidung über den Kostenrekurs" liege eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts zu Grunde, bekämpft sie daher die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen. Dies widerspricht jedoch § 528 Abs 2 Z 3 ZPO, sodass darauf nicht näher eingegangen zu werden braucht.

Dem Revisionsrekurs war der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet auf §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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