JudikaturJustiz6Ob541/90

6Ob541/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. März 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag.pharm. Maria K***, 1160 Wien, Starkenburggasse 45, 2. Mark Rene J***, derzeit unbekannten Aufenthaltes, beide vertreten durch Dr. Johannes K***, Gebäudeverwalter, 1160 Wien, Starkenburggasse 45, dieser vertreten durch Dr. Hans Kreinhöfner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Jürgen S***, Restaurantbesitzer, 1070 Wien, Spittelberg 12, vertreten durch Dr. Katharina Ruepprecht, Rechtsanwalt in Wien, wegen gerichtlicher Aufkündigung, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 9. November 1989, GZ. 41 R 389/89-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 22. März 1989, GZ. 47 C 252/89, behoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die beiden Kläger, vertreten durch den Hausverwalter Dr. Johannes K***, dieser vertreten durch den Klagevertreter, kündigten dem Beklagten das im Haus Spittelberggasse 3, 1070 Wien, vermietete Geschäftslokal Nr. 1 zum 30. Juni 1988 gerichtlich auf. Der Beklagte erhob gegen die Aufkündigung Einwendungen und brachte unter anderem vor, der Hausverwalter sei vom Zweitkläger nicht bevollmächtigt, es fehle daher an der "Prozeßfähigkeit" der kündigenden Parteien.

Mit Beschluß vom 22. März 1989 erklärte das Erstgericht das bisherige Verfahren für nichtig und erkannte die Erstklägerin schuldig, der beklagten Partei die aufgelaufenen Prozeßkosten zu bezahlen. Es stellte unter anderem fest, daß die Erstklägerin Mehrheitseigentümerin, der Zweitkläger, der in den USA ansässig und dessen Anschrift vom Klagevertreter nicht bekanntgegeben wurde, Minderheitseigentümer des Hauses Spittelberggasse 3 ist. Der Hausverwalter Dr. Johannes K*** verwaltet die gegenständliche Liegenschaft seit dem Jahre 1949. Er wurde mit der Verwaltung mit schriftlicher Vollmacht der Erstklägerin sowie der Rechtsvorgängerin des Zweitklägers vom 1. August 1949 betraut. Ein schriftlicher Nachweis der Bevollmächtigung durch den Zweitkläger, der bisher immer mit der Hausverwaltung einverstanden war, liegt nicht vor. Dem Klagevertreter wurde vom Hausverwalter Prozeßvollmacht zur gerichtlichen Aufkündigung erteilt.

Rechtlich leitete das Erstgericht aus diesem Sachverhalt ab, vor Erlassen einer gerichtlichen Entscheidung müsse den Parteien Gelegenheit gegeben werden, sich zum Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern. Der Zweitkläger sei im Verfahren nicht vertreten, weil trotz gerichtlichen Auftrages vom Hausverwalter keine Vollmacht vorgelegt worden sei. Eine Ladung des unvertretenen Zweitklägers sei mangels Bekanntgabe einer Adresse nicht möglich gewesen. Nach § 477 Abs. 1 Z 4 ZPO sei das Verfahren nichtig, wenn einer Partei die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, durch einen ungesetzlichen Vorgang, insbesondere durch Unterlassung der Zustellung entzogen werde. Das Verfahren sei nichtig, weil die Prozeßvoraussetzung der Vertretungsmacht des Einschreiters nicht vorliege.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Parteien Folge, behob den angefochtenen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 300.000 übersteige. Es führte aus, im vorliegenden Fall sei nicht die Frage des rechtlichen Gehörs im Sinne des § 477 Abs. 1 Z 4 ZPO, sondern jene der ordnungsgemäßen Vertretung oder Ermächtigung zur Prozeßführung entscheidend. Der Hausverwalter sei durch die Erstklägerin als Mehrheitseigentümerin mit der Liegenschaftsverwaltung betraut. Die Verwaltung einer gemeinschaftlichen Sache komme gemäß § 833 ABGB in Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung der Mehrheit zu. Der so bestellte Verwalter sei Machthaber aller Miteigentümer, sogar der überstimmten Minderheit, selbst wenn diese mit seiner Bestellung nicht einverstanden gewesen sei. Im Außenverhältnis könne der Hausverwalter als direkter Stellvertreter alle Miteigentümer im Rechtsstreit vertreten. Er sei im Rahmen der ordentlichen Verwaltung zur Aufkündigung von Mietverträgen berechtigt und könne mit der Prozeßführung auch einen Rechtsanwalt bevollmächtigen. Die zweitklagende Partei sei daher im Verfahren ordnungsgemäß vertreten, ein Nichtigkeitsgrund liege nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Zutreffend hat das Rekursgericht ausgeführt, daß der Verwalter eines gemeinschaftlichen Gutes im Sinne des § 837 ABGB Machthaber aller Miteigentümer, also selbst der überstimmten Minderheit ist und die Interessen aller Teilhaber und nicht nur etwa die der Mehrheit, die ihn bestellte, zu wahren hat. Er ist somit auch Vertragspartner des Minderheitseigentümers, der ihn nicht bestellt hat und hat alle Rechte und Pflichten eines Machthabers im Sinne der §§ 1002 ff. ABGB. Seine Befugnisse umfassen alles, was zur ordentlichen Verwaltung gehört. Sobald ein Verwalter (auch nur von der Mehrheit) bestellt ist, vertritt er alle Miteigentümer gegenüber Dritten im Rahmen der ordentlichen Verwaltung, zu der auch der Abschluß üblicher Mietverträge und deren Aufkündigung zählt. Im Rechtsstreit schreitet er im Namen aller Miteigentümer als direkter Stellvertreter ein (vgl. Gamerith in Rummel2, ABGB, Rz 1 bis 5 zu § 837 mwN). Der vom Verwalter einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft prozeßbevollmächtigte Rechtsanwalt vertritt alle Miteigentümer als Prozeßparteien. Diese bilden im Kündigungsstreit eine unzertrennliche Streitgenossenschaft und sind Prozeßpartei. Deren fehlende oder mangelnde Bezeichnung als Kläger begründet lediglich einen Formmangel, für dessen Behebung das Prozeßgericht von Amts wegen zu sorgen hat (SZ 19/186). Zutreffend wurden daher beide Miteigentümer in der Aufkündigung als klagende Parteien, vertreten durch den Hausverwalter (als deren direkter Stellvertreter) angeführt. Wenn im Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß, welcher wegen der einheitlichen Streitgenossenschaft nur für alle Miteigentümer erhoben werden kann, daher nur die Mehrheitseigentümerin, vertreten durch den Hausverwalter und den Klagevertreter angeführt wurde, so stellt dies bloß eine offensichtliche mangelhafte Bezeichnung der klagenden Parteien dar, die vom Rekursgericht zu berichtigen war. Da eine mangelnde Vertretung des Zweitklägers im Verfahren nicht gegeben ist, wird das Erstgericht das Verfahren fortzusetzen haben. Der Ausspruch über den Vorbehalt der Rekursbeantwortungskosten beruht auf § 52 ZPO.