JudikaturJustiz6Ob512/86

6Ob512/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Januar 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 30. März 1985 verstorbenen Alois H***, zuletzt wohnhaft gewesen 3553 Schiltern, Untere Straße 24, infolge Revisionsrekurses der erblasserischen Witwe Wilhelmine Leopoldine H***, Gastwirtin, 3553 Schiltern, Untere Straße 24, vertreten durch Dr. Michl Münzker, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Rekursgerichtes vom 8. November 1985, GZ 1 a R 287/85-21, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Langenlois vom 2. August 1985, GZ A 57/85-17, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der am 30.3.1985 verstorbene Alois H*** hinterließ die Witwe Wilhelmine Leopoldine H*** und die Kinder Alois H***, geboren 31.7.1966 und Maria H***, geboren 7.5.1969.

Mit Notariatsakt vom 9.11.1963 hatten die damaligen Brautleute Alois H*** (Erblasser) und Wilhelmine T*** (erbl. Witwe) einen Ehe- und Erbvertrag mit wechselseitigem Testament geschlossen, in dessen Punkt 1. eine das gesamte gegenwärtige wie zukünftige Vermögen umfassende allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden vereinbart wurde.

Mit Notariatsakt vom 12.10.1983 hatte Alois H*** die ihm gehörigen Hälften der Liegenschaften EZ 137, EZ 988, EZ 1171 und EZ 1209, je KG Schiltern, EZ 4499 KG Langenlois und EZ 306 KG Unterreith seiner Ehefrau geschenkt.

Das Erstgericht ordnete gemäß § 92 Abs 2 Z 1 AußStrG die Errichtung eines Inventars und die Vornahme der Schätzung der Nachlaßgegenstände unter Einschluß der Liegenschaften und Liegenschaftsanteile auf Grund des Ehe- und Erbvertrages vom 9.11.1983 an. Das Erstgericht führte aus, diese Liegenschaften bzw. Liegenschaftsanteile seien einzubeziehen, da die in diesem Vertrag vereinbarte allgemeine Gütergemeinschaft durch den nachfolgenden Schenkungsvertrag nicht aufgehoben worden sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der erbl. Witwe, welcher sich gegen die Einbeziehung dieser Liegenschaften - ausgenommen die Hälfte der Liegenschaft EZ 137 KG Schiltern - wandte, nicht Folge. Es ging davon aus, daß der Schenkungsvertrag vom 12.10.1983 im Zeitpunkt der Todfallsaufnahme - ausgenommen die Hälfte der EZ 137 KG Schiltern - im Grundbuch noch nicht durchgeführt worden sei. Durch den Schenkungsvertrag sei die allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden nicht aufgehoben worden. Dem Vertrag sei auch nicht zu entnehmen, daß diese Liegenschaften aus der Gütergemeinschaft auszuscheiden seien. Diesbezüglich enthalte der Vertrag vom 12.10.1983 nichts. Bestehe die Gütergemeinschaft aber noch fort, dann gehörten zum gemeinsamen Vermögen auch die den Gegenstand des Schenkungsvertrages bildenden Liegenschaftshälften des Erblassers. In das Inventar sei zwar gemäß § 97 Abs 1 AußStrG nur jenes Vermögen aufzunehmen, in dessen Besitz sich der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes befunden habe. Da die allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden zwischen dem Erblasser und seiner Witwe nicht aufgehoben worden sei, sei der fortdauernde Wille des Erblassers, sämtliche Sachen des gemeinschaftlichen Vermögens als die seinigen zu behalten, ausreichend erklärt worden. Daß es allenfalls an einem äußerlichen Naheverhältnis des Erblassers zu den Liegenschaften gefehlt habe, würde nicht schaden; angesichts des durch die Aufrechterhaltung der allgemeinen Gütergemeinschaft unter Lebenden erklärten Besitzwillens müßte dann die erblasserische Witwe hinsichtlich der Anteile des Erblassers an den Liegenschaften als dessen Besitzmittlerin angesehen werden.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der erblasserischen Witwe wegen Aktenwidrigkeit und offenbarer Gesetzwidrigkeit mit dem Antrag, den Beschluß dahin abzuändern, daß die unter Punkt 4. des Schenkungsvertrages vom 12.10.1983 genannten Liegenschaften bzw. Liegenschaftsanteile von der Inventierung und Schätzung ausgenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Eine offenbare Aktenwidrigkeit erblickt die Rechtsmittelwerberin in der Annahme des Rekursgerichtes, der Schenkungsvertrag sei im Zeitpunkt der Todfallsaufnahme noch nicht grundbücherlich durchgeführt gewesen. Tatsächlich sei dies noch zu Lebzeiten des Erblassers geschehen.

Ob der Schenkungsvertrag im Zeitpunkt der Todfallsaufnahme bereits grundbücherlich durchgeführt war oder nicht, ist jedoch dann nicht entscheidend, wenn man - wie das Rekursgericht - davon ausgeht, daß diese Liegenschaften und Liegenschaftsanteile weiterhin der allgemeinen Gütergemeinschaft unterlagen. Diese Ansicht ist aber nicht offenbar gesetzwidrig.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde. Es bildet daher nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung eine offenbare Gesetzwidrigkeit (SZ 39/103 uva). Die Frage, ob Liegenschaften, welche nach Abschluß einer allgemeinen, das gegenwärtige und zukünftige Vermögen umfassenden Gütergemeinschaft von einem Ehegatten dem anderen geschenkt wurden, aus dieser Gütergemeinschaft auch ohne besonderen Hinweis im Schenkungsvertrag ausscheiden, ist im Gesetz nicht geregelt. Auch die §§ 1177 ff ABGB, auf welche sich die Rechtsmittelwerberin beruft, sagen dazu nichts. Dem § 104 AußStrG ist nicht ausdrücklich zu entnehmen, daß derartige Liegenschaften nicht in das Inventar aufzunehmen seien. Unter welchen Voraussetzungen die Eigentumsverhältnisse dritter Personen klar erscheinen, ist im Gesetz nicht geregelt (7 Ob 674/77). Daß aber bei Bestehen einer allgemeinen Gütergemeinschaft unter Lebenden, die sich auch auf das künftige Vermögen erstreckt, die Hälfte des Gesamtgutes den Nachlaß des Verstorbenen bildet, wird im Revisionsrekurs nicht bestritten.

Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.