JudikaturJustiz6Ob44/66

6Ob44/66 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Februar 1966

Kopf

SZ 39/29

Spruch

Wenn das Erstgericht eine bestimmte Tatsache auf Grund der Aussage eines Zeugen und einer Partei als erwiesen angenommen hat, das Berufungsgericht die Zeugenaussage aber nicht für glaubwürdig hält, bildet die Nichtwiederholung der Parteienvernehmung einen Mangel des Berufungsverfahrens

Entscheidung vom 16. Februar 1966, 6 Ob 44/66

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

Die Klägerin behauptet, Wilhelm J., ihr damaliger Ehegatte, habe sich am 8. Juli 1950 verpflichtet, die ihr durch seine Überwachung durch ein Detektivinstitut entstandenen Kosten von 10.000 S zu bezahlen. In der Folge habe er diese Verpflichtung auch wiederholt anerkannt. Mangels Zahlung beantragt sie Verurteilung des Beklagten, seines Alleinerben, zur Zahlung von 10.000 S s. A.

Das Erstgericht erkannte mit Teilurteil, die Klagsforderung bestehe mit 10.000 S zu Recht. Der Beklagte sei schuldig, vorbehaltlich der Gegenforderung des Beklagten, der Klägerin den Betrag von 10.000 S zu bezahlen. Es stellte im wesentlichen fest, der damalige Gatte der Klägerin habe im Jahre 1950 gegen die Klägerin des vorliegenden Verfahrens eine Ehescheidungsklage eingebracht. Diese sei aber ebenso wie die von der Klägerin gegen ihren Gatten und Rosa Sch. eingebrachten Privatanklage zurückgezogen worden. Im Zuge dieses Vergleiches habe sich der Gatte der Klägerin verpflichtet, u. a. einen Beitrag zu den ihr aufgelaufenen Detektivkosten von 10.000 S bis 10. Dezember 1950 zu bezahlen. Da in der Folge gutes Einvernehmen zwischen den Ehegatten bestanden habe und der Gatte der Klägerin auch in finanziellen Schwierigkeiten gewesen sei, habe sie ihre Forderung nicht betrieben. Auch nachdem es am 13. September 1960 schließlich zur Ehescheidung gekommen war, sei das Einvernehmen weiter gut gewesen. Auch in dieser Zeit habe der Vater des Beklagten, dessen Alleinerbe der Beklagte sei, wiederholt seine Schuld anerkannt.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, infolge Anerkennung der Schuld auch nach der Ehescheidung könne die Frage der Formbedürftigkeit des Vergleiches auf sich beruhen. Es sei infolge dieser Anerkennung auch die Einwendung des Beklagten der Verjährung nicht berechtigt. Die eingeklagte Forderung bestehe vorbehaltlich der geltend gemachten Gegenforderung zu Recht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und änderte das Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Es nahm nach teilweiser Beweiswiederholung eine Anerkennung der Schuld nicht als erwiesen an.

Rechtlich führte es aus, wenn auch im Hinblick auf das bestandene Eheverhältnis die Verjährung erst mit der Ehescheidung begonnen habe, so sei für den vorliegenden Anspruch doch die dreijährige Verjährungsfrist ab gelaufen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In rechtlicher Beziehung ist davon auszugehen, daß es sich bei dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der ihr aus Anlaß eines Ehescheidungs- und Privatanklageverfahrens entstandenen Detektivkosten um sogenannte vorprozessuale Kosten handelt. Wenn ein solcher Anspruch auch öffentlich-rechtlicher Natur ist, schließt dies nicht aus, daß sich die Parteien darüber vergleichsweise einigen. Damit wird der Anspruch seines öffentlich-rechtlichen Charakters entkleidet und auf Vertragsgrundsätze gestützt. Er kann daher auch selbständig mit Klage geltend gemacht werden (SZ. XXVII 115). Er ist auf Ersatz des Schadens gerichtet, der der Klägerin durch das Verhalten ihres damaligen Ehegatten, den sie durch ein Detektivinstitut überwachen ließ, entstanden ist. Er ist daher ein Entschädigungsanspruch im Sinne des § 1489 ABGB., welche Gesetzesstelle alle derartigen Ansprüche ohne Unterschied des Rechtsgrundes erfaßt (Klang[2] VI 633). Daran ändert auch nichts, daß über den von der Klägerin erhobenen Anspruch eine Vereinbarung der Parteien geschlossen wurde, da diese dessen Rechtsgrund nicht änderte.

Solche Ansprüche verjähren aber in drei Jahren. Im Hinblick darauf, daß die Vertragsteile bei Entstehung dieses Anspruches und bei Abschluß des Vergleiches darüber, Ehegatten waren, konnte die Verjährung nicht vor der am 13. September 1960 erfolgten Ehescheidung beginnen (§ 1495 ABGB.). Ein späterer Beginn dagegen, wie die Revision vermeint, kommt nicht in Frage. Bei den bezüglichen Ausführungen der Klägerin, es sei früher die Fälligkeit der Forderung nicht eingetreten, geht sie nicht von den Feststellungen der Untergerichte aus. Nach diesen wurde die Zahlung bereits bis 10. Dezember 1950 vereinbart. Daraus folgt aber, daß die Fälligkeit der Forderung längst eingetreten ist. In diesem Zusammenhang ist für den Standpunkt der Klägerin auch nichts aus ihrer Behauptung zu gewinnen, auf Ersuchen ihres Schuldners den Zahlungstermin erstreckt zu haben, da sie damit lediglich eine Stundung, die nur eine Hemmung, aber nicht eine Unterbrechung der Verjährung bewirkt (Klang a. a. O. S. 649), geltend macht, ohne daß sie aber eine bestimmte Dauer dieser Stundung behauptet hätte. Gegen den mit der erst am 14. Dezember 1964 eingebrachten Klage geltend gemachten Anspruch wird daher Verjährung eingewendet werden können, sofern nicht, wie die Klägerin behauptet, infolge wiederholter Anerkennung der Schuld Unterbrechung der Verjährung eingetreten ist.

Das Erstgericht nahm nun ein solches wiederholtes Anerkenntnis durch den Schuldner, zuletzt am 1. Jänner 1964, als erwiesen an, nicht dagegen das Berufungsgericht auf Grund der durchgeführten teilweisen Beweiswiederholung. Wenn die Revision in diesem Zusammenhang vermeint, die Ausführungen des Beklagten in seiner Berufung gegen das erstgerichtliche Urteil hätten gar nicht ausgereicht, um das Berufungsgericht zu einer Wiederholung der Beweisaufnahmen zu veranlassen, ist darauf nicht einzugehen. Denn die Würdigung der Beweise obliegt in letzter Instanz dem Berufungsgericht. Hatte es Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, so mußte es die Beweisaufnahmen wiederholen. Die Revision versucht mit diesen Ausführungen in Wahrheit die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes zu bekämpfen. Diese ist jedoch im Revisionsverfahren nicht anfechtbar.

Das Erstgericht grundete seine Feststellung nun auf die Aussage der Zeugin Gisela St. und auf die Parteiaussage der Klägerin. Begnügte sich das Berufungsgericht wegen der Subsidiarität der Parteienvernehmung bei seiner Beweiswiederholung mit der neuerlichen Vernehmung der Zeugin, so übersieht es, daß der in der Rechtsprechung vertretene Grundsatz, daß das Berufungsgericht im Falle einer Beweiswiederholung nicht gehalten ist, auch die Parteienvernehmung zu wiederholen, nur dann gilt, wenn das Berufungsgericht bereits auf Grund der Aussagen der vernommenen Zeugen eine bestimmte Tatsache als erwiesen angenommen und es daher für entbehrlich gehalten hat, über dieselbe Tatsache auch noch die Parteien zu vernehmen. Er kann aber dann nicht gelten, wenn, wie im gegebenen Falle, das Erstgericht eine bestimmte Tatsache auf Grund der Aussage eines Zeugen und der Parteiaussage der Klägerin als erwiesen angenommen hat, das Berufungsgericht jedoch die Zeugenaussage nicht für glaubwürdig hält. Hier bleibt noch die Frage offen, ob diese Tatsache nicht doch auf Grund der Aussage der Klägerin, allenfalls in Verbindung mit der Aussage der Zeugin, als erwiesen anzunehmen wäre. Diese Prüfung kann das Berufungsgericht aber nur verläßlich vornehmen, wenn es auch die Parteienvernehmung wiederholt hat. Im gegebenen Falle kommt dazu noch, daß die Klägerin in ihrer Klage ausführte und das Erstgericht auch als erwiesen annahm, der Vater des Beklagten habe seine Schuld wiederholt, zuletzt am 1. Jänner 1964, anerkannt, und gar nicht behauptet wurde, daß alle diese angeblichen Erklärungen des Gegners in Gegenwart der Zeugin abgegeben worden seien. Über diese behaupteten früheren Erklärungen des Schuldners wurde aber die Klägerin auch in erster Instanz schon sehr unzureichend vernommen. Im Protokoll über die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 8. März 1965 wurde diesbezüglich lediglich festgehalten, daß der Vater des Beklagten das letzte Mal am 1. Jänner 1964 darüber gesprochen habe, ohne daß aber erörtert worden wäre, wann sonst und bei welchen Gelegenheiten und unter welchen Umständen solche Erklärungen angeblich abgegeben worden seien.

Die Unterlassung der Wiederholung der Parteienvernehmung rügte die Revision auch mit ihren Ausführungen, das Berufungsgericht habe nicht alle Beweisergebnisse verwertet. Wegen dieses im Verfahren des Berufungsgerichtes unterlaufenen Mangels mußte daher der Revision Folge gegeben, das Urteil des Berufungsgerichtes aufgehoben und ihm die Ergänzung der Beweisaufnahmen aufgetragen werden.