JudikaturJustiz6Ob335/00h

6Ob335/00h – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "B*****Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Christian Cerha, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagten Parteien 1. Markus H*****, Chemiearbeiter, 2. Karin H*****, Hausfrau, ***** vertreten durch Achammer, Mennel, Welte Partner, Rechtsanwaltspartnerschaft in Feldkirch, wegen Feststellung (Streitwert im Revisionsverfahren 75.000 S), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. Oktober 2000, GZ 2 R 195/00v-17, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 11. Mai 2000, GZ 6 Cg 34/00p-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagten Parteien haben der klagenden Partei die mit 22.127,77 S (darin 2.474,29 S Umsatzsteuer und 7.282 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zur ungeteilten Hand zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Kaufvertrag vom 30. 4. 1999 kauften die Beklagten von der Klägerin eine Eigentumswohnung um 3,070.000 S. Sie hatten sich davor in einem Vorvertrag zur Einhaltung bestimmter Zahlungsbedingungen verpflichtet, widrigens die Verkäuferin zum Vertragsrücktritt berechtigt sein sollte. Für diesen Fall, wie auch für den Fall des Rücktritts der Käufer vom Vertrag (der mit Einwilligung der Verkäuferin möglich sein sollte), enthält Punkt XII. des Vorvertrags nachstehende Bestimmung:

"Hält die Käuferseite die vereinbarten Vertrags-, insbesondere die Zahlungsbedingungen nicht ein, ist die "B*****" berechtigt, unter Setzung einer Nachfrist von 14 Tagen vom Vertrag zurückzutreten. Vereinbarungsgemäß ist dann eine Pönale in Höhe von 5 % des Gesamtkaufpreises als Entschädigung für die geleisteten Arbeiten zu bezahlen.

Die "B*****" ist weiters berechtigt, darüber hinaus Schadenersatz zu verlangen, das Pönale und den Schadenersatz von den bereits einbezahlten Geldern abzuziehen. .... Ein Vertragsrücktritt durch die Käuferseite ist nur möglich, wenn die "B*****" einwilligt. Auch dann treten die vorerwähnten Folgen ein."

Nachdem es den Beklagten nicht gelungen war, die Mittel für die Finanzierung des Kaufpreises aufzubringen, boten sie der Klägerin den Vertragsrücktritt gegen Zahlung einer Stornogebühr von 150.000 S sowie Kostenersatz von weiteren 30.000 S an. Sie waren nicht bereit, sich einem Feststellungsbegehren hinsichtlich weiterer Schadenersatzansprüche zu unterwerfen. Die Klägerin erklärte daraufhin unter ausdrücklichem Hinweis auf die vereinbarte Pönalebestimmung und unter Vorbehalt der nach Gesetz und Vertrag zustehenden Schadenersatzansprüche, mangels Vertragszuhaltung der Beklagten vom Kaufvertrag zurückzutreten.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Zahlung des vereinbarten Pönales und Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für alle künftigen Schäden und nachteiligen Folgen, die der Klägerin aus dem Vertragsrücktritt entstehen. Die Klägerin habe die von den Beklagten zunächst erworbene Wohnung nach deren Vertragsrücktritt noch nicht veräußern können. Die Wohnung sei im Sinn des Wohnbauförderungsgesetzes nur begrenzte Zeit förderungswürdig. Erfolge ein Verkauf erst nach Ablauf dieser Frist, müsse der Käufer mehr Eigenmittel aufbringen, was sich in entsprechenden Kaufpreiseinbußen niederschlage. Die Antragsfrist für die Wohnbauförderung sei bereits abgelaufen, sodass die Gefahr bestehe, dass die Wohnung aus diesen Gründen nur zu einem geringeren Preis verkauft werden könne. Die Klägerin habe daher berechtigtes Interesse daran, dass die grundsätzliche Haftung der Beklagten für einen ihr daraus allfällig entstehenden Schaden festgestellt werde.

Die Beklagten anerkannten die Pönaleforderung von 153.500 S, worauf über diesen Betrag ein Teilanerkenntnisurteil erging. Im Revisionsverfahren ist nur mehr das Feststellungsbegehren strittig. Die Beklagten beantragten dessen Abweisung und wendeten - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - ein, das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung fehle, weil die Klägerin selbst den Rücktritt vom Vertrag erklärt habe. Die für den Fall des Vertragsrücktritts getroffene Pönalevereinbarung stelle pauschalierten Schadenersatz dar, der allfällige nachteilige Folgen des Rücktritts vollständig abdecke. Mit Anerkenntnis des Pönales stehe der Klägerin ein rechtliches Interesse an der Feststellung nicht mehr zu. Im Übrigen sei die Wohnanlage im Dezember 1995 fertiggestellt und damals auch die Benützungsbewilligung erteilt worden. Die innerhalb von drei Jahren ab diesem Zeitpunkt bestehende Möglichkeit, Wohnbauförderung zu beantragen, sei daher schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem Beklagten verfristet gewesen.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt. Es stellte noch fest, der Klägerin sei ein Verkauf der Eigentumswohnung bisher nicht möglich gewesen. Für sie bestehe das Problem, dass nach Ablauf von über drei Jahren nach Fertigstellung der Wohnung und deren Benützungsbewilligung - dies sei im Dezember 1995 der Fall gewesen - allenfalls keine Wohnbauförderung mehr bewilligt werde. Nach den diesbezüglichen Richtlinien des Landes Vorarlberg bestehe Förderungswürdigkeit nämlich nur dann, wenn die Wohnung innerhalb von drei Jahren nach der ersten Teilbenützungsbewilligung an wohnbauförderungswürdige Käufer verkauft werde. Nach Ablauf dieser Frist könne wohl - wie dies die Beklagten auch getan hätten - ein entsprechendes Ansuchen gestellt werden, seine Bewilligung sei jedoch nicht gesichert. Die Frist für den Antrag auf Bewilligung der Wohnbauförderung sei der Klägerin bisher zweimal, zuletzt bis 31. 3. 2000 verlängert worden, eine Weiterverlängerung der Frist sei nicht sicher. Es könne daher nicht festgestellt werden, ob für die vorliegende Eigentumswohnung noch eine Wohnbauförderung bewilligt wird.

Das Erstgericht bejahte unter Hinweis auf die vereinbarten Vertragsbedingungen ein rechtliches Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung. Nach den vereinbarten Vertragsbedingungen sei die Klägerin berechtigt, über das vereinbarte Pönale hinaus Schadenersatz zu verlangen, sollten die Käufer diese Bedingungen nicht einhalten. Der Eintritt eines derartigen weiteren Schadens könne nicht ausgeschlossen werden, weil mit Verlauf der Zeit eine Wohnbauförderungszusage immer unwahrscheinlicher und damit die Lukrierung eines entsprechenden Kaufpreises für die Klägerin schwerer werde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Feststellungsbegehren ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Vorliegen des Feststellungsinteresses für eine Klage auf Feststellung der Haftung für einen künftigen Schaden aus einem Vertragsrücktritt fehle. Zulässigkeitsvoraussetzung einer Feststellungsklage nach § 228 ZPO sei ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung. Dieses setze eine tatsächliche Gefährdung der Rechtssphäre der Klägerin voraus. Die neuere Rechtsprechung habe unter diesen Voraussetzungen auch Klagen auf Feststellung künftiger Ersatzpflichten unabhängig davon zugelassen, ob schon gegenwärtig ein mit Klage verfolgbarer Schadenersatzanspruch gegeben war und demnach ein rechtliches Interesse schon dann angenommen, wenn durch die Klarstellung der Rechtsverhältnisse künftige Streitigkeiten vermieden oder die Haftungsfrage dem Grunde nach klargestellt werde. Allerdings reiche die bloß theoretische Möglichkeit eines abstrakt-hypothetischen Schadenseintrittes oder der Entstehung allfälliger sonstiger Ansprüche zur Begründung des Feststellungsinteresses nicht aus. Hier stehe keineswegs fest, dass im Falle des Verkaufs der vorliegenden Eigentumswohnung dem Käufer kein Wohnbauförderungsdarlehen gewährt werde und die Klägerin deshalb zu einer Reduzierung des seinerzeit vereinbarten Kaufpreises gezwungen wäre. Es bestehe demnach derzeit nur die rein theoretische Möglichkeit, dass die Klägerin unter diesen Voraussetzungen einen künftigen Schaden erleiden könnte. Die Haftung der Beklagten für den der Klägerin durch den Vertragsrücktritt entstandenen und allenfalls noch entstehenden Schaden stehe aufgrund des Anerkenntnisses der Pönaleforderung der Klägerin ohnehin fest, weshalb allfällige spätere Beweisschwierigkeiten und die noch offene Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach ein Feststellungsinteresse nicht begründen könnten. Auch eine allenfalls drohende Verjährung der von der Klägerin behaupteten Schadenersatzforderung könne das rechtliche Interesse nicht stützen, weil schon der Eintritt eines Schadens als Voraussetzung des Beginns der dreijährigen Verjährungsfrist im vorliegenden Fall fraglich sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Die Revision macht geltend, ein künftiger Schadenseintritt sei keineswegs eine rein theoretische Möglichkeit. Nach den Beweisergebnissen und den Richtlinien der Wohnbauförderung stehe einwandfrei fest, dass ein Anspruch auf Wohnbauförderung nicht mehr bestehe, sodass die Zuweisung eines Darlehens wegen besonders berücksichtigungswürdiger Umstände eine Ausnahme darstelle. Dies bringe aber die Gefahr künftiger finanzieller Nachteile für die Klägerin mit sich. Angesichts der hartnäckigen Bestreitung des Feststellungsanspruches liege auch ein hinreichend aktueller Anlass zur präventiven Klärung vor.

Die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach § 228 ZPO setzt einerseits die Feststellungsfähigkeit des Rechtsverhältnisses und andererseits ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung voraus. Als Rechtsverhältnis wird eine bestimmte, durch den vorgetragenen Sachverhalt konkretisierte rechtlich geregelte privatrechtliche Beziehung zwischen den Streitteilen verstanden, die im Zeitpunkt der Entscheidung bereits bestehen muss, um "gegenwärtig" zu sein (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1089 ff; Rechberger/Frauenberger in Rechberger, ZPO2 Rz 4 zu § 228 mwN aus der Rechtsprechung). Dass auch Klagen auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden selbst dann zugelassen werden, wenn noch kein feststellbarer Schade eingetreten ist und nur die Möglichkeit besteht, dass das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt ermöglichen kann, entspricht ständiger Rechtsprechung (SZ 56/38, MietSlg 44.766; EFSlg 55.030). In diesen Fällen bejaht die Rechtsprechung das Feststellungsinteresse aus prozessökonomischen Gründen, obwohl streng genommen ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis noch nicht vorliegt (Fasching aaO Rz 1093). Lehre und Rechtsprechung bejahen ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung dann, wenn ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses besteht, was insbesondere dann der Fall ist, wenn das Rechtsverhältnis durch eine ernsthafte Unsicherheit gefährdet erscheint, etwa wenn der Beklagte ein Recht des Klägers hartnäckig bestreitet (Fasching aaO Rz 1096, 1098; Rechberger/Frauenberger aaO Rz 7 je mwN aus der Rechtsprechung). Die Feststellungsklage dient nicht nur dem Ausschluss der Gefahr der Anspruchsverjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftungsfrage. Sie soll vorbeugenden Rechtsschutz gewähren und ist daher immer schon dann zulässig, wenn aufgrund des Verhaltens des Beklagten eine erhebliche objektive Ungewissheit über den Bestand des Rechts entstanden ist und diese Ungewissheit durch die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils beseitigt werden kann (RdW 1986, 81; RdW 1990, 407; SZ 70/84).

Die im vorliegenden Fall getroffene Vereinbarung, wonach die Klägerin für den Fall des Vertragsrücktritts eine Pönale von 5 % des Kaufpreises als Entschädigung für die geleisteten Arbeiten erhalten und berechtigt sein soll, "darüber hinaus Schadenersatz zu verlangen", kann im gegebenen Zusammenhang nur so verstanden werden, dass die Konventionalstrafe nur für einen bestimmten Schadensteil vereinbart wurde und die Klägerin berechtigt sein sollte, einen darüberhinaus künftig entstehenden Ersatzanspruch geltend zu machen. Damit besteht aber schon von vornherein die nicht rein theoretische Möglichkeit, dass aus den von der Klägerin bezeichneten Gründen ein allfälliger künftiger Schade aus dem Vertragsrücktritt der Beklagten entstehen könnte. Dass die Haftung der Beklagten für den der Klägerin durch den Vertragsrücktritt entstandenen und allenfalls noch entstehenden Schaden schon aufgrund des Anerkenntnisses der Pönaleforderung durch die Beklagten feststehe - wie das Berufungsgericht meint - ist nicht zu erkennen. Die Beklagten haben nämlich im Gegensatz dazu vorgebracht, die Pönalevereinbarung decke allfällige nachteilige Folgen des Vertragsrücktritts vollständig ab, womit sie wohl zum Ausdruck brachten, zum Ersatz weiterer Vermögensnachteile der Klägerin jedenfalls nicht verpflichtet zu sein. Damit blieb aber bisher ungeklärt, ob der Klägerin bei entsprechender Auslegung ihrer Vereinbarung ein Schadenersatz über das vereinbarte Pönale hinaus zustehen könnte. Das im vorliegenden Fall gestellte Feststellungsbegehren dient somit der Klarstellung der Haftungsfrage. Es bedarf zur Begründung des Feststellungsinteresses keiner Klärung, ob die Klägerin aus den von ihr angeführten Gründen tatsächlich einen Mindererlös aus einem zukünftigen Verkauf der Wohnung erleiden könnte. Die Feststellungsklage ist schon deshalb zulässig, weil sie der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach dient und bei dem hier vorliegenden Sachverhalt die Möglichkeit offen bleibt, dass der Vertragsrücktritt der Beklagten den Eintritt eines künftigen Schadens in Gestalt eines Mindererlöses bei Weiterverkauf der Wohnung verursachen könnte. Ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung ist somit zu bejahen.

Infolge Berechtigung des hier geltend gemachten Feststellungsbegehrens wird die Entscheidung des Berufungsgerichtes abgeändert und das (stattgebende) Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 46 Abs 2 und 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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