JudikaturJustiz6Ob153/08f

6Ob153/08f – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. August 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Erlagssache der Erlegerin R***** S***** OEG, *****, gegen die Erlagsgegner 1. Wolfgang B*****, 2. S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Johannes Honsig Erlenburg, Rechtsanwalt in Salzburg, und 3. S***** Ltd., *****, wegen Hinterlegung, über den Revisionsrekurs der Zweiterlagsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 23. April 2008, GZ 54 R 252/07h 30, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 7. November 2007, GZ 1 Nc 79/05x 26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekurswerberin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Am 7. 11. 2005 erlegte die Erlegerin - gestützt auf § 1425 ABGB - zugunsten dreier Gegner den Betrag von 1.246,80 EUR als Maschinenmietzins für November 2005 beim Erstgericht. Sie habe mit dem Ersterlagsgegner den Mietvertrag geschlossen. Der Ersterlagsgegner und die Dritterlagsgegnerin behaupteten, der Erstantragsgegner habe die gemieteten Maschinen an die Dritterlagsgegnerin verkauft; der Mietzins sei nunmehr auf ein Bankkonto des Geschäftsführers der Dritterlagsgegnerin zu zahlen. Die Dritterlagsgegnerin habe der Erlegerin aber weder einen Registerauszug aus England noch den Kaufvertrag zum Eigentumsnachweis vorgelegt. Die Zweiterlagsgegnerin behaupte, der Mietzins stünde ihr aufgrund von Verpfändung, Pfändung und Zession der Mietzinsforderung des Ersterlagsgegners zu. Der erlegte Betrag könne freigegeben werden, sobald feststehe, wer berechtigt sei, ihn zu erhalten. Die Erlegerin erlegte am 1. 12. 2005 den Mietzins für Dezember 2005 und am 10. 1. 2006 jenen für Jänner 2006 in Höhe von jeweils 1.246,80 EUR zugunsten der drei Gegner.

Das Erstgericht nahm die Erläge mit den in Rechtskraft erwachsenen Beschlüssen vom 15. 11. 2005 und 9. 5. 2006 an, wobei die Ausfolgung von der Einbringung eines einverständlichen Antrags „des Erlegers und der Erlagsgegner bzw sämtlicher Erlagsgegner oder aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung" abhängig gemacht wurde.

Mit Beschluss a) vom 16. 5. 2007 und b) vom 17. 9. 2007 bewilligte das Erstgericht als Exekutionsgericht der Zweiterlagsgegnerin als betreibende Partei

a) zu 7 E 2215/07s, 7 E 3154/07d die Exekution gegen die Dritterlagsgegnerin als Verpflichtete zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von 900,74 EUR samt 4 % Zinsen seit 29. 1. 2007 und der Kosten des Exekutionsantrags durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung des Anspruchs der Dritterlagsgegnerin auf Ausfolgung der erlegten Beträge gegen die Drittschuldnerin Republik Österreich und

b) zu 5 E 3830/07a die Exekution gegen den Ersterlagsgegner als Verpflichteten zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von 2.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 10. 6. 2004, der Kosten aus früheren Exekutionsverfahren und der Kosten des Exekutionsantrags durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung des Anspruchs des Ersterlagsgegners auf Ausfolgung der erlegten Beträge gegen die Drittschuldnerin Republik Österreich.

Unter Vorlage dieser Exekutionsbewilligungen beantragte die Zweiterlagsgegnerin mit Schriftsatz vom 24. 10. 2007 die Ausfolgung der erlegten Beträge bis zur Höhe von 1.123,34 EUR und der Kosten des Ausfolgungsantrags.

Das Erstgericht wies den Antrag ab.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Für die Realisierung des Exekutionsobjekts (des Ausfolgungsanspruchs) bedürfe es eines Anspruchs des Ersterlagsgegners und der Dritterlagsgegnerin auf Ausfolgung. Es sei aber weder ein Anspruch des Ersterlagsgegners auf den hinterlegten Betrag noch ein solcher der Dritterlagsgegnerin geklärt. Im Ausfolgungsverfahren sei aber die materielle Anspruchsberechtigung nicht zu prüfen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einer Fallkonstellation wie sie im Anlassfall gegeben sei, nicht vorliege.

Der von den anderen Parteien unbeantwortet gebliebene Revisionsrekurs der Zweiterlagsgegnerin ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionsrekurswerberin steht auf dem Standpunkt, weil sie den (vermeintlichen) Ausfolgungsanspruch des Ersterlagsgegners und der Dritterlagsgegnerin gepfändet habe, seien alle Ausfolgungsansprüche bei der Zweiterlagsgegnerin zusammengeführt. Deshalb müsse die „effektive" Anspruchsberechtigung des Ersterlagsgegners und der Dritterlagsgegnerin nicht geklärt werden. Selbst wenn einer dieser beiden keinen Ausfolgungsanspruch hätte, würde sich der Ausfolgungsanspruch des jeweils anderen Erlagsgegners entsprechend erhöhen. Letztendlich stünde durch die zugunsten der Rechtsmittelwerberin erfolgte Pfändung/Abtretung der Ausfolgungsanspruch allein ihr zu. Sie beruft sich zur Stützung ihrer Rechtsansicht auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 213/73, 3 Ob 109/88 und 7 Ob 107/02i.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist zu erwidern:

1. Wurde zugunsten mehrerer Gläubiger gemäß § 1425 ABGB hinterlegt, so müssen alle der Ausfolgung an einen von ihnen zustimmen (stRsp zB 9 Ob 521/95 = SZ 68/234; RIS Justiz RS0033517; Koziol in Koziol/Bydlinski/Bollenberger , ABGB² § 1425 Rz 14; Reischauer in Rummel , ABGB³ § 1425 Rz 37). Eine fehlende Zustimmung kann durch ein rechtskräftiges gerichtliches Urteil ersetzt werden (1 Ob 376/98w = SZ 72/30; RIS Justiz RS0033517). Die Zustimmung des Erlegers ist nicht erforderlich (1 Ob 376/98w = SZ 72/30; Koziol aaO mwN). Zwischen mehreren Erlagsgegnern entscheidet das bessere Recht an der erlegten oder auf die erlegte Sache (2 Ob 16/05z mwN; RIS Justiz RS0033512). Welcher der Erlagsgegner das „bessere Recht" hat, ist im Rechtsweg zu entscheiden, nicht aber im außerstreitigen Verfahren, in dem eine Untersuchung der rechtlichen Verhältnisse zwischen den Beteiligten nicht stattfindet (6 Ob 159/00a mwN) und in dem die fehlende Zustimmung der Erlagsgegner nicht erzwungen werden kann (3 Ob 171/01w; RIS Justiz RS0033517 [T 11]).

2. Wird zugunsten mehrerer Gläubiger hinterlegt und schließen - wie im Anlassfall - nach den maßgeblichen Angaben im Erlagsgesuch (4 Ob 218/98g, 219/98d = SZ 71/158; Reischauer aaO § 1425 Rz 17 mwN) die Herausgabeansprüche einander aus, so steht der Ausfolgungsanspruch nur einem der Erlagsgegner zu. Will ein Erlagsgegner einen eigenen Ausfolgungsanspruch geltend machen, so muss er nach den vorstehenden Ausführungen die Zustimmung der anderen außergerichtlich oder gerichtlich erwirken ( Reischauer aaO § 1425 Rz 40).

3. Pfändet in der vorstehenden Konstellation ein Erlagsgegner den Ausfolgungsanspruch eines anderen Erlagsgegners, so gesteht er zu, dass dieser andere den Ausfolgungsanspruch hat. Mit der Geltendmachung des zur Einziehung überwiesenen Ausfolgungsanspruchs in dessen Namen (§ 308 Abs 1 EO) wird dies abermals verdeutlicht. Der Überweisungsgläubiger gibt damit auch den eigenen Ausfolgungsanspruch auf, soweit er mit dem des anderen in Widerspruch steht ( Reischauer aaO § 1425 Rz 40; vgl 3 Ob 109/88; Zechner , Forderungsexekution, § 308 EO Rz 8 aE). Wurde dem betreibenden Gläubiger (Miterlagsgegner) ein Gerichtserlag, auf dessen Ausfolgung der Verpflichtete sonst Anspruch hätte, zur Einziehung überwiesen, so benötigt er somit zur Bewirkung einer Zahlung des Drittschuldners (der Ausfolgung) an ihn weder eine Einwilligung des Verpflichteten noch ein Urteil, das dessen fehlende Einwilligung ersetzen soll (7 Ob 107/02i unter Berufung auf 6 Ob 213/73 = SZ 46/107 = JBl 1974, 625 [ Hoyer ]; Zechner , Forderungsexekution, § 308 EO Rz 8 aE), wenn der Miterlagsgegner also den zur Einziehung überwiesenen Ausfolgungsanspruch des Dritten in dessen Namen geltend macht.

4. Die Formulierung in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 213/73 = SZ 46/107 = JBl 1974, 625 ( Hoyer ), wonach die Überweisung des gepfändeten Ausfolgungsanspruchs zur Einziehung dazu geführt habe, dass das ursprüngliche Recht des Verpflichteten (Zweiterlagsgegner), die Zustimmung zur Ausfolgung des Erlagsbetrags an den Überweisungsgläubiger (Dritterlagsgegner) zu erklären oder zu versagen, auf den Überweisungsgläubiger übergegangen sei, vermag das zutreffende Entscheidungsergebnis (Ausfolgung an den Überweisungsgläubiger in Verfolgung des Anspruchs des Verpflichteten in dessen Namen nach Erklärung des dritten Erlagsgegners, selbst keine Ansprüche auf den Erlagsbetrag zu erheben) nicht zu tragen:

a) Für die Geltendmachung des zur Einziehung überwiesenen Ausfolgungsanspruchs (also des Ausfolgungsanspruchs des Verpflichteten in dessen Namen [§ 308 Abs 1 EO]) bedarf es nicht der Zustimmung des Verpflichteten.

b) Mit der Pfändung und Überweisung zur Einziehung konnte der Überweisungsgläubiger nicht die Zustimmung des Verpflichteten zur Befriedigung seines (nämlich des Überweisungsgläubigers eigenen) Ausfolgungsanspruchs erwirken: Durch die Überweisung zur Einziehung wird der betreibende Gläubiger berechtigt, die Forderung so geltend zu machen, wie sie dem Verpflichteten gegen den Drittschuldner zusteht (§ 308 Abs 1 EO). Sie schafft nur eine zusätzliche Rechtsbeziehung zwischen dem betreibenden Gläubiger und dem Drittschuldner in der Weise, dass der betreibende Gläubiger Rechte des Verpflichteten gegen den Drittschuldner auszuüben berechtigt wird. Sie enthält hingegen keine Ermächtigung des betreibenden Gläubigers, Erklärungen anderen Personen gegenüber abzugeben oder Rechtsbeziehungen zu diesen zu gestalten (1 Ob 510 512/79 = SZ 52/37). Aus letzterem und dem Umstand, dass der Überweisungsgläubiger nicht ermächtigt ist, sich über die überwiesene Forderung zu vergleichen oder auf sie zu verzichten (s § 308 Abs 1 letzter Satz EO; Oberhammer in Angst , EO² § 308 Rz 3) folgt, dass ein Erlagsgegner als Betreibender namens des Verpflichteten die Zustimmung zur Ausfolgung an einen anderen Erlagsgegner, insbesondere an sich selbst zur Befriedigung des eigenen Ausfolgungsanspruchs, nicht wirksam erteilen kann; eine solche Zustimmung kann ja nicht der Einziehung der Forderung dienen (vgl Hoyer , JBl 1974, 627; Reischauer , Einige Gedanken zur Hinterlegung nach § 1425 ABGB, ÖJZ 2001, 453 [461]). Eine Zustimmung des Überweisungsgläubigers namens des Verpflichteten zur Ausfolgung an sich selbst zur Befriedigung des eigenen Ausfolgungsanspruchs macht auch keinen Sinn, weil es keinen Sinn hätte, die eigene titulierte Forderung mit einer einem selbst zustehenden Forderung zu befriedigen ( Reischauer , Einige Gedanken zur Hinterlegung nach § 1425 ABGB, ÖJZ 2001, 453 [461]).

4. Der von der Rechtsmittelwerberin eingeschlagene Weg ist nicht geeignet, die gewollte Ausfolgung zu erreichen, weil sie als Überweisungsgläubigerin die Zustimmung eines der Verpflichteten zur Ausfolgung, sei es an den anderen Verpflichteten, in dessen Namen sie seinen Ausfolgungsanspruch dann geltend macht, sei es an sie selbst zur Geltendmachung des eigenen, durch die Pfändung aber ohnehin aufgegebenen, mit dem anderen in Widerspruch stehenden Anspruch, nicht wirksam geben konnte. Es ist zudem entgegen ihrer Ansicht auch nicht ohne Bedeutung, ob sie den Ausfolgungsanspruch des einen oder des anderen Verpflichteten realisiert, wird doch nur derjenige Verpflichtete von seiner Verbindlichkeit gegenüber der Revisionsrekurswerberin befreit, aufgrund dessen Anspruch sie die Ausfolgung erwirkt.

Da die Ausfolgungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, haben die Vorinstanzen dem Ausfolgungsantrag zu Recht nicht stattgegeben.

5. Mangels Erfolgs hat die Revisionsrekurswerberin die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen (§ 78 AußStrG).

Rechtssätze
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