JudikaturJustiz6Ob109/75

6Ob109/75 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. September 1975

Kopf

SZ 48/98

Spruch

Hat der Erblasser für den Fall des Vortodes des fideikommissarischen Substituten die allfällige Nachkommenschaft des Vorverstorbenen zu Substituten berufen, so ist bei einem von ihm zugunsten des Substituten angeordneten Belastungsverbot eine Pfandrechtsbegründung nur mit Zustimmung des fideikommissarischen Substituten und eines für dessen allfällige Nachkommenschaft zu bestellenden Kurators möglich

OGH 25. September 1975, 6 Ob 109/75 (LG Innsbruck 4 R 147/75; BG Lienz A 314/63)

Text

Der am 25. Oktober 1973 verstorbene Ignaz K setzte in seinem Testament vom 10. August 1962 seine Tochter Katharina S zur Alleinerbin ein. Zum Nachlaß gehörte die Liegenschaft EZ 593 II, KG L samt Inventar. Der Erblasser verfügte wie folgt:

"I. Als Universalerbin meines gesamten Vermögens setze ich meine eheliche Tochter Katharina, verehelichte S, ein, wenn diese früher sterben sollte, deren Kinder Willi und Christa je zur Hälfte.

II. Meiner Tochter Katharina, verehelichte S, substituiere ich bezüglich meiner Liegenschaft EZ 593 II, KG L - Gasthaus Braustübl samt Inventar - deren eheliche Kinder Willi und Christa je zur Hälfte als Erben. Wenn einer dieser Nacherben vorverstirbt, tritt an dessen Stelle dessen Nachkommenschaft gleichteilig, stirbt ein Nacherbe ohne Nachkommenschaft vor, so wächst dessen Anteil dem überlebenden Nacherben bzw. dessen Nachkommenschaft zu.

III. Bezüglich der Liegenschaft EZ 593 II, KG L, verfüge ich auf Lebenszeit meiner Tochter Katharina, verehelichte S, das Belastungs- und Veräußerungsverbot, das grundbücherlich einzuverleiben ist ..."

Mit Beschluß vom 29. Jänner 1965 wurde der Nachlaß des Ignaz K auf Grund des Testamentes vom 10. August 1962 der Tochter Katharina S gegen Erfüllung der Vermächtnisse und der sonstigen Bestimmungen im Sinne des Testamentes vom 10. August 1962 und des Protokolles vom 21. Jänner 1965 eingeantwortet. Unter einem ordnete das Abhandlungsgericht nach Maßgabe der Verlassenschaftsabhandlung die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes für Katharina S mit der Beschränkung durch die fideikommissarische Substitution zugunsten der minderjährigen Christa S, geboren 1953, und des minderjährigen Wilhelm S, geboren 1955, sowie durch das Veräußerungs- und Belastungsverbot auf Lebenszeit der Liegenschaftseigentümerin ob der Liegenschaft EZ 593 II, KG L, an. Die Verlassenschaftssache wurde für beendet erklärt.

Am 25. März 1975 wurde zwischen der Lienzer Sparkassa einerseits, der Katharina S, der Christa und des Wilhelm S sen. und jun. andererseits eine Pfandbestellungsurkunde hinsichtlich aller Forderungen und Ansprüche an Haupt- und Nebenverbindlichkeiten aller Art bis zum Höchstbetrag von 100.000 S errichtet. Die verpfändete Liegenschaft sollte die obgenannte EZ 593 II, KG L, sein. Christa S und Wilhelm S erteilten in einer notariell beglaubigten Urkunde ihre Zustimmung.

Katharina S, Christa S und Wilhelm S beantragen nunmehr unter Vorlage der Pfandbestellungsurkunde und der Zustimmungserklärung die abhandlungs- und substitutionsbehördliche Genehmigung der Pfandbestellungsurkunde vom 25. März 1974.

Das Erstgericht wies den Antrag im wesentlichen mit der Begründung ab, es habe der Erblasser zwar ein Belastungs- und Veräußerungsverbot für die Lebenszeit seiner Tochter Katharina S der Erbin auferlegt, aber ohne jemandem, und insbesondere seinen Enkelkindern Christa und Wilhelm, ein subjektiv daraus entspringendes Recht einzuräumen. Er habe keinen aus diesem Verbot Berechtigten bestimmt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß hob das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichtes auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es führte aus:

Der Rechtsansicht des Erstgerichtes könne insoweit nicht gefolgt werden, als es die Auffassung vertrete, daß der Erblasser seiner Tochter Katharina S für deren Lebzeiten ein Belastungs- und Veräußerungsverbot hinsichtlich der Liegenschaft EZ 593 II, KG L, auferlegt habe, ohne jemandem ein daraus entspringendes subjektives Recht einzuräumen. Es sei allerdings richtig, daß aus dem Wortlaut des Testamentes nicht hervorgehe, zu wessen Gunsten das Veräußerungsverbot verfügt worden sei.

Aus dem Inhalt des Testamentes in seinem Zusammenhang gehe aber hervor, daß der Erblasser das Veräußerungs- und Belastungsverbot hinsichtlich der Liegenschaft EZ 593 II, KG L, nur zugunsten jener Personen angeordnet haben könne, die er seiner Tochter substituiert habe, somit zugunsten der ehelichen Kinder Willi und Christa sowie allenfalls zugunsten der Nachkommenschaft der genannten Nacherben.

Dem Veräußerungs- und Belastungsverbot bezüglich der Liegenschaft EZ 593 II, KG L könne kein anderer Sinn beigelegt werden als der, den Nacherben bezüglich der genannten Liegenschaft noch eine zusätzliche Sicherheit zu verschaffen.

Wenn somit die berechtigten Personen der Aufnahme eines Kredites im Höchstbetrag von 100.000 S zustimmten, bestunden keine Bedenken gegen die Erteilung einer verlaß- und substitutionsbehördlichen Genehmigung. Eine solche Zustimmungserklärung liege aber noch nicht in ausreichender Form vor.

Ignaz K habe in seinem Testament verfügt, daß er seiner Tochter Katharina bezüglich der Liegenschaft EZ 593 II, KG L, deren eheliche Kinder Willi und Christa je zur Hälfte als Erben substituiere. Er habe aber darüber hinaus verfügt, daß im Falle des Vorversterbens eines dieser Nacherben an dessen Stelle dessen Nachkommenschaft gleichteilig trete.

Da derzeit nicht feststehe, ob Willi und Christa S ihre Mutter Katharina S überleben werden und ob allenfalls deren Nachkommen im Sinne des Testamentes an ihre Stelle treten werden, sei es erforderlich, für eine allfällige Nachkommenschaft des Willi und der Christa S einen Kurator nach § 274 ABGB zu bestellen, der zu entscheiden haben werde, ob er im Interesse der erwähnten Nachkommenschaft die Pfandbestellungsurkunde und Zustimmungserklärung allenfalls werde unterfertigen können. Derzeit sei nämlich der Kreis von Berechtigten noch nicht erfaßt, in dessen Rechte durch den aufzunehmenden Kredit eingegriffen werden könnte.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisonsrekurs der Katharina, der Christa und des Wilhelm S nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Mit Recht ist das Rekursgericht davon ausgegangen, daß die fideikommissarischen Substituten die Berechtigten aus dem intabulierten Veräußerungs- und Belastungsverbot hinsichtlich der Liegenschaft EZ 593 II, KG L, sind. Dies wird auch im Revisionsrekurs nicht bezweifelt.

Fraglich ist allein, wessen Zustimmung eine Voraussetzung dafür ist, daß die Liegenschaft trotz des Belastungsverbotes pfandrechtlich belastet wird. Daß es hiezu der Zustimmung der beiden fideikommissarischen Substituten bedarf, ist klar, doch liegt deren Zustimmung vor. Die Antragsteller wenden sich gegen die Ansicht des Rekursgerichtes, daß es überdies der Bestellung eines Kurators nach § 274 ABGB für die allfälligen Nachkommen der Substituten bedarf und daß auch die Zustimmung dieses Kurators eine Voraussetzung der Belastung der Liegenschaft ist. Sie beziehen sich in ihrem Revisionsrekurs auf Weiß in Klang[2] III, 370, wo gesagt wird: "Vor Eintritt des Erbfalles hat der Ersatzerbe überhaupt im Hinblick auf den Nachlaß kein Recht." Daraus leiten die Antragsteller ab, daß kein Kurator zu bestellen sei, weil eben kein von ihm wahrzunehmendes Recht bestehe. Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden.

Der Erblasser hat für den Fall des Vortodes der fideikommissarischen Substituten die allfällige Nachkommenschaft des Vorverstorbenen zu Substituten berufen. Nicht in ihrer Eigenschaft als Erben des Substituten treten die Nachkommen an deren Stelle, sondern kraft ersatzweiser Berufung durch den Erblasser Ignaz K. Von diesem und nicht etwa vom Substituten leiten sie ihre Rechtsstellung ab. Die Nachkommen sind daher Ersatznacherben mit der bedingten Anwartschaft darauf, fideikommissarische Substituten und damit zugleich Berechtigte aus dem Veräußerungs- und Belastungsverbot hinsichtlich der vorgenannten Liegenschaft zu werden. Die im Revisionsrekurs zitierte Literaturquelle ist in dem Sinn zu verstehen, daß der Ersatzerbe und damit auch der Ersatznacherbe vor Eintritt des den Ersatz begrundenden Falles kein Recht hat, an die Stelle des Vorerben zu treten. Damit ist aber für den Standpunkt der Antragsteller nichts gewonnen.

Auch das bedingte Anwartschaftsrecht der Ungeborenen und der Unerzeugten steht gemäß § 274 ABGB unter dem Schutz des Gesetzes und auch für sie ist ein Kurator zur Wahrung ihrer bedingten Rechte zu bestellen. Wenn sogar der Unerzeugte einen Kurator zu bekommen hat, dann ist damit zugleich vollkommen klar, daß dieser Kurator nicht ein schon gegenwärtiges Recht zu wahren hat, sondern für den Fall vorzusorgen hat, daß eine Person zur Welt kommt, die dann Trägerin der Rechte, um die es sich hier handelt, sein wird (Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht, 89). Ein geradezu klassischer Anwendungsfall einer solchen Kuratorbestellung ist die fideikommissarische Substitution (Wentzel und Piegler in Klang[2], I/2, 517). Dies gilt in gleicher Weise für ungeborene und ungezeugte Substituten wie für Ersatzsubstituten.

Dem Rekursgericht ist daher kein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn es den Beschluß erster Instanz aufgehoben und die Bestellung eines Kurators nach § 274 ABGB aufgetragen hat.