JudikaturJustiz5Ob56/97i

5Ob56/97i – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. September 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Sailer sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** AG, ***** vertreten durch Dr.Manfred Merlicek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R***** AG, ***** vertreten durch Dr.Peter Gatternig, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 615.300, infolge außerordentlicher Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19. Dezember 1996, GZ 1 R 224/96k-19, mit dem das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 12.Juli 1996, GZ 12 Cg 18/95g-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 21.699,-- (darin S 3.616,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die E***** GmbH Co KG befand sich 1993 in ernsten finanziellen Schwierigkeiten. Neben der beklagten Partei hatten noch weitere vier Banken offene Forderungen aus Kreditverträgen. Sie waren bestrebt, eine Sanierung durchsetzen zu können, wobei ein sofort zu gewährender zusätzlicher Sanierungskredit von 3,000.000 S zur Aufrechterhaltung der Liquidität erforderlich schien.

Die Klägerin stand mit E***** in einem Factor-Verhältnis. Nach diversen Besprechungen der kreditierenden Banken untereinander kamen diese mit der Klägerin überein, den von E***** gewünschten Sanierungskredit zu gewähren. Er sollte von der Klägerin im Rahmen des Factoring-Vertrages ausgezahlt werden. Die Gestaltung der Konditionen wurde der Klägerin überlassen, die übrigen Gläubigerbanken waren weder daran interessiert, die tatsächlichen Kreditkonditionen zu erfahren, noch darauf Einfluß zu nehmen. Sie sollten jedoch eine Ausfallshaftung übernehmen und - sollte die Sanierung scheitern - der Klägerin jeweils in dem Verhältnis haften, in dem ihre zu einem bestimmten Zeitpunkt errechneten Forderungen gegenüber E***** zueinander in Relation standen. Nach Erzielung eines allgemeinen Einverständnisses grundsätzlicher Art und einvernehmlicher ziffernmäßiger Feststellung der die Banken jeweils treffenden Haftungsbeträge forderte die Klägerin die einzelnen Gläubigerbanken zur Abgabe von Garantieerklärungen auf. So forderte sie die Beklagte mit Schreiben vom 6.7.1993 auf, eine Garantie im Ausmaß von S 615.300 zu leisten, und zwar in der Form, daß sie gegenüber der Klägerin für E***** die Haftung als Bürge und Zahler nach § 1357 ABGB übernehme. Und weiter wörtlich: "Sie verpflichten sich aufgrund dieser Haftung im Rahmen des Garantiebetrages nach einfacher Aufforderung ohne Einwendung oder Prüfung des Rechtsgrundes unverzüglich Zahlung zu leisten. Diese Haftung erlischt mit Zahlung des Garantiebetrages bzw Rückstellung der Originalurkunde. Zum Zeichen ihres Einverständnisses ersuchen wir Sie beiliegenden Gegenbrief zu unterfertigen und uns zu retournieren......"

Die Beklagte unterfertigte dieses Schreiben mit dem Zusatz: "Wir erklären unser volles Einverständnis zu oben angeführter Haftungserklärung vorbehaltlich Begleitschreiben vom 14.7.1993".

Dieses gleichzeitig mitübersendete Schreiben lautete: "Beiliegend retournieren wir zum Zeichen unserer Kenntnisnahme und unseres Einverständisses eine unterfertigte Gleichschrift der Haftungserklärung bis zum Betrag von S 615.300 betreffend einen Kreditrahmen für die Firma E***** ***** Gesellschaft mbH Co KG; unsere Haftungsübernahme wird jedoch unter folgendem Vorbehalt der Wirksamkeit abgegeben:

a) Von den übrigen Gläubigerbanken - das sind..... - werden Haftungserklärungen in gleichlautendem Wortlaut (mit Ausnahme des Haftungsbetrages) Ihnen gegenüber abgegeben;

b) Sie geben uns Auskunft über den Stand der sonstigen Verbindlichkeiten aller Art Ihres geschätzten Hauses gegenüber der Firma E***** ***** Gesellschaft mbH Co KG (aufgeschlüsselt nach Kreditobligo und Zinsen)....."

Aufgrund der mißverständlichen Formulierung in lit b telefonierte der Mitarbeiter der Klägerin Dr.Helmut Paris mit dem Verfasser des Schreibens, dieser klärte ihn darüber auf, daß die Beklagte nicht hinsichtlich der Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber E***** Auskunft haben wolle, sondern vielmehr hinsichtlich der Forderungen. Dr.Paris klärte seinen Geschäftspartner darüber auf, daß Forderungen der Klägerin gegenüber E***** nur im Rahmen des Factorvertrages, sowie aus dem nun zu gewährenden zusätzlichen Sanierungskredits von 3,000.000 S bestünden. Der Mitarbeiter der Beklagten gab sich damit zufrieden.

Die Garantieerklärungen dreier Banken wichen vom Wortlaut jener der Beklagten wie folgt ab:

C*****: "......Wir übernehmen über Ersuchen der Firma E*****.....

Ihnen gegenüber diese Garantie bis zum Betrag von S...... indem wir

uns verpflichten, den uns namhaft gemachten Betrag, höchstens

jedoch......ohne Prüfung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses

und ohne Einwendung innerhalb von drei Geschäftstagen ab Erhalt Ihrer

schriftlichen Aufforderung..... zu überweisen. Diese Garantie

erlischt durch die Rückstellung dieses Schreibens an uns, spätestens jedoch am 31.Juli 1994".

G*****: ".......Wir übernehmen für alle Forderungen, die Ihnen aus

diesem Finanzierungsrahmen erwachsen sind oder künftig erwachsen

werden..... die Haftung als Bürge und Zahler zur ungeteilten Hand bis

zum Höchstbetrag von S ..... . Die gegenständliche Bürgschaft ist bis

auf weiteres gültig, kann jedoch von uns unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten jederzeit schriftlich aufgekündigt werden....."

K***** Sparkasse: "Wir übernehmen Ihnen gegenüber die Haftung als Bürge und Zahler gemäß § 1357 ABGB bis zum Höchstbetrag von S ..... Wir sind berechtigt, gegenständliche Haftung unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist mittels eingeschriebenen Briefes aufzukündigen. Wir verpflichten uns, den uns namhaft gemachten Betrag ....ohne Prüfung des Rechtsgrundes binnen drei Tagen nach schriftlicher Aufforderung an Sie zu bezahlen. .... Unsere Haftung erlischt mit Zahlung des Garantiebetrages bzw mit Rückstellung des Originalhaftbriefes an uns und schränkt sich jeweils um den in Anspruch genommenen Betrag ein".

Die Erklärung des Raiffeisenverbandes K***** war wortgleich jener der Beklagten. Das Begleitschreiben an die Klägerin lautete:

".....Beiliegend überreichen wir Ihnen die von uns firmenmäßig

gefertigte Haftungserklärung.... Unsere Haftungsübernahme gilt nur

mit dem Vorbehalt, daß auch alle übrigen Kreditinstitute ihrerseits

die anteilige Haftung mit genau derselben Textierung, mit der wir

unsererseits die Haftungserklärung abgeben, übernommen haben......"

Nach Erhalt der Garantie- bzw Haftungserklärungen der Banken veranlaßte die Klägerin die Auszahlung der vorgesehenen Kreditsumme an E*****.

E***** erwies sich als nicht sanierbar. Nach Eröffnung des Konkurses forderte die Klägerin die Banken zur Zahlung der übernommenen Haftungssummen auf. Alle Banken mit Ausnahme der Beklagten leisteten Zahlung. Die Beklagte stellte sich hingegen auf den Standpunkt, ihre Garantieerklärung sei nicht wirksam zustande gekommen, weil die Bedingung wortgleicher Haftungserklärungen nicht eingehalten worden sei.

Die Klägerin begehrt Zahlung aus der von der Beklagten übernommenen Bankgarantie. Diese sei wirksam. Der Beklagten sei es nicht um den Wortlaut der Haftungserklärung gegangen; Zweck des von der Beklagten abgegebenen Vorbehaltes sei die ursprünglich vereinbarte Übernahme der Haftung der beteiligten Banken im Verhältnis ihres jeweils aushaftenden Kreditobligos. Der E***** gewährte Kredit hätte zur Sanierung dienen sollen und wäre auch unmittelbar für die kreditierenden Banken von Vorteil gewesen. Der von der Beklagten nun vertretene Standpunkt sei sittenwidrig und stelle einen groben Verstoß gegen die Gebote des redlichen Verkehrs zwischen Banken dar.

Die Beklagte beantragt Klagsabweisung.

Sie habe die Haftung unter der ausdrücklichen aufschiebenden Bedingung wortgleicher Haftungserklärungen der übrigen Banken übernommen. Diese Bedingung sei nicht eingetreten, sodaß ihre Haftungserklärung nicht wirksam geworden sei. Die Klägerin habe die im Begleitschreiben angeführten Effektivklauseln auch nicht erfüllt.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung. Ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt sah das Erstgericht die von der Beklagten gesetzte Bedingung gleichartiger Haftungsübernahmen als erfüllt an. Die weitere Bedingung (Auskunft über den Stand von Verbindlichkeiten) sei nicht ausreichend klar formuliert, überdies sei diese Information ohnehin erfolgt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die Beklagte habe eine Bankgarantie eingeräumt. Es sei unstrittig, daß sich die Gläubigerbanken - unter Einschluß der Beklagten - für den dann tatsächlich eingetretenen Fall der erfolglosen Sanierung zur aliquoten Haftung für den der Klägerin durch die Kreditgewährung enstehenden Ausfall verpflichtet haben. Alle übrigen Banken hätten die auf sie entfallenden aliquoten Zahlungen auch geleistet. Die Zahlungsverweigerung der Beklagten verstoße unter diesen Umständen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Der Beklagten sei auch weder durch die unterschiedliche Textierung der Haftungserklärungen noch durch die einseitige Festsetzung von Befristung bzw Kündigungsmöglichkeit der Bankgarantien ein Nachteil erwachsen. Gleiches treffe auf die Information über den Stand der Forderungen der Klägerin gegen E***** zu. Der Schutzzweck beider Bedingungen sei erfüllt, sie seien demnach als eingetreten anzusehen, die Zahlungsverweigerung der Beklagten sei rechtsmißbräuchlich.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig, weil der Auslegung der von der Beklagten abgegebenen Bankgarantie mit Rücksicht auf die gesetzten Bedingungen über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Sie ist aber nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht ist zu Recht vom Vorliegen einer Bankgarantie ausgegangen, hat sich doch die Beklagte verpflichtet, "auf erstes Anfordern" und "ohne Einwendungen oder Prüfung des Rechtsgrundes" zu zahlen und hatten neben dem Begünstigten auch der Hauptschuldner und die Beklagte selbst Interesse an der unbedingten Haftung. Die gleichzeitige Verwendung der Worte "als Bürge und Zahler" spricht hier nicht gegen die Annahme der Bankgarantie (ständige Rechtsprechung RIS-Justiz RS0016992; Rummel in Rummel ABGB2 Rz 5 zu § 880 a mwN; Apathy in Schwimann ABGB2 Rz 7 zu § 880 a mwN).

Wird eine Bankgarantie unter aufschiebender Bedingung erteilt (vgl Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II Rz 3/91), hängt ihre Gültigkeit vom Eintritt der gesetzten Bedingung ab. Wird die Zahlung des Garanten hingegen von in der Garantieerklärung näher bezeichneten Tatsachen abhängig gemacht (Effektivklausel, die der Begünstigte anläßlich seines Abrufes nachzuweisen hat), verhindert ein Nichteintritt dieser Tatsachen zwar nicht die Gültigkeit der Garantievereinbarung, wohl aber den Eintritt des zum Abruf berechtigenden Garantiefalles (Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 3/84).

Ob die Beklagte anläßlich der Unterfertigung der von der Klägerin formulierten Bankgarantie eine aufschiebende Bedingung für das Zustandekommen des Garantievertrages oder eine den Eintritt des Garantiefalles bestimmende Effektivklausel setzen wollte, ist, wie auch die Frage des Inhalts der von der Beklagten gesetzten Bedingung, durch Auslegung nach den §§ 914, 915 ABGB zu ermitteln (RIS-Justiz RS0033002). Dabei ist - ausgehend vom "buchstäblichen Sinn des Ausdrucks" die Absicht der Parteien zu erforschen. Die Auslegung der Erklärung der Beklagten ist am Empfängerhorizont zu messen und die daraus abzuleitenden Rechtsfolgen sind danach zu beurteilen, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen und verständigen Vertragspartner zu verstehen war (JBl 1987, 37, RIS-Justiz RS0017781, Rummel aaO Rz 4 ff zu § 914). Auf konkrete Umstände, namentlich auf den Geschäftszweck und die Interessenlage ist hiebei Rücksicht zu nehmen (SZ 65/109; EvBl 1991/134; ÖBA 1997, 61).

Der Formulierung der Beklagten in ihrem Begleitschreiben (".....Haftungsübernahme wird unter folgendem Vorbehalt der Wirksamkeit abgegeben") ist ihr Anliegen zu entnehmen, daß die gleichzeitig abgegebene Garantieerklärung nur dann wirksam werden sollte, wenn die im Schreiben genannten Voraussetzungen eintreten. Sie wollte damit eine aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit ihrer Erklärung setzen und nicht eine, den Eintritt des Garantiefalles hindernde Effektivklausel, macht sie doch damit nicht die Zahlung aus der Garantie, sondern die Wirksamkeit der Vereinbarung von den im Schreiben näher bezeichneten Umständen abhängig (vgl Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 3/83 und 3/91).

Für den Eintritt der von der Beklagten gesetzten Bedingung ist entscheidend, wie die von ihr gewählte Formulierung, wonach auch alle übrigen Kreditinstitute "Haftungserklärungen in gleichlautendem Wortlaut" abzugeben haben, zu verstehen ist. Es kommt dabei auf den Zweck der Haftungserklärungen und nicht darauf an, wie diese formuliert wurden. Die weitere Bedingung (Auskunft über den Stand der Verbindlichkeiten) wurde nach den vorliegenden Feststellungen erfüllt.

Die Beklagte war gleich den übrigen beteiligten Banken und der

Klägerin als Factoring-Partner an einer Sanierung des Unternehmens

der E***** interessiert, da nur eine Sanierung die Abdeckung der

bereits bestehenden Kreditverbindlichkeiten ermöglichen konnte. Man

kam deshalb überein, daß die Klägerin im Rahmen der bereits

bestehenden Factoring-Vereinbarung den Kredit zuzählen, während die

übrigen Gläubigerbanken der Klägerin gegenüber die Ausfallshaftung in

jenem Verhältnis übernehmen sollten, in dem ihre Forderungen gegen

E***** zueinander in Relation standen. Wäre die Sanierung erfolgreich

verlaufen, hätten alle Beteiligten mit einer Abdeckung ihrer

Forderungen rechnen können. Die Ausfallshaftung wäre dann nicht zum

Tragen gekommen. Die Klägerin wäre ihrerseits aber wohl kaum bereit

gewesen, das alleinige Risiko des Sanierungskredites (der allen

dienen sollte) zu übernehmen, wenn sich die Gläubigerbanken nicht zur

anteiligen Tragung des Ausfallsrisikos bereitgefunden hätten. Sinn

und Zweck der geforderten "gleichlautenden" Haftungs- bzw

Garantieerklärungen war daher der davor mündlich getroffenen

Grundsatzvereinbarung entsprechend - , die Haftung der

Gläubigerbanken für das Kreditausfallsrisiko sicherzustellen und

damit die Klägerin zur Auszahlung des Kredites zu veranlassen. Unter

diesem Blickwinkel ist auch die von der Beklagten bei Unterfertigung gesetzte Bedingung auszulegen. Die gewählte Formulierung ist nach den konkreten Umständen, dem Geschäftszweck und der Interessenlage Ausdruck des der Klägerin als redlicher Vertragspartnerin erkennbaren Anliegens der Beklagten, eine Haftung nur dann begründen zu wollen, wenn auch die übrigen Banken das Kreditausfallsrisiko im vorher besprochenen Umfang verbindlich übernehmen und damit die Klägerin veranlassen, den Sanierungskredit zu gewähren. Dies ist auch geschehen. Die teilweise unterschiedliche Formulierung der einzelnen Haftungserklärungen ist für den Bedingungseintritt daher nicht entscheidend.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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