JudikaturJustiz5Ob530/95

5Ob530/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. September 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Floßmann, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Kinder Bianca (geboren am 6.Juni 1981) und Petra L***** (geboren am 5.April 1983), hier wegen Erhöhung des Unterhalts, infolge Revisionsrekurses der pflegebefohlenen Kinder, vertreten durch ihre Mutter, Edith L*****, diese vertreten durch Dr.Klaus Hirtler, Rechtsanwalt in Leoben, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 19.April 1995, GZ 2 R 241/95-36, womit der von der Mutter namens der Kinder gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Leoben vom 16.November 1994, GZ 1 P 44/93-31, erhobene Rekurs zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird aufgetragen, eine Behebung des Mangels der gesetzlichen Vertretung der Kinder bei der Anfechtung des Beschlusses des Bezirksgerichtes Leoben vom 16.11.1994, 1 P 44/93-31, zu versuchen und sodann neuerlich über dieses Rechtsmittel zu entscheiden.

Text

Begründung:

Den pflegebefohlenen Kindern Bianca und Petra L***** wurde anläßlich der Scheidung ihrer Eltern in einem pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vergleich vom 4.6.1993 ein monatlicher Geldunterhaltsanspruch von je S 1.500,- gegen den Vater zuerkannt. Außerdem sollte der Vater Naturalunterhalt in Form einer vollen Verköstigung der Kinder während der Ausübung seines Besuchsrechtes sowie der Beistellung von Bekleidung leisten.

Am 10.1.1994 stellte die Bezirkshauptmannschaft Leoben namens der Kinder beim Pflegschaftsgericht den Antrag, den Vater zur teilweisen Abdeckung eines Sonderunterhaltsbedarfs für einen Skikurs der mj. Bianca und für Schwimmkurse beider Mädchen zu verpflichten. Der Jugendwohlfahrtsträger berief sich dabei auf ein entsprechendes Ersuchen der Mutter. Am 12.7.1994 wurde dann von der Bezirkshauptmannschaft Leoben beim Pflegschaftsgericht der Antrag gestellt, die monatlichen Geldunterhaltsleistungen des Vaters ab 1.5.1994 auf je S 3.370,- zu erhöhen. Zehn Tage später stellte schließlich die Mutter, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.Klaus Hirtler, selbst namens der Kinder einen gleichlautenden Unterhaltserhöhungsantrag und hielt mit der Maßgabe, den Vater unter diesem Titel zur Zahlung von insgesamt S 10.300,- zu verpflichten, auch den Antrag auf Abdeckung eines (um die Kosten eines Ferienlagers erweiterten) Sonderbedarfs aufrecht.

Mit Beschluß vom 16.11.1994 gab das Erstgericht dem Antrag auf Erhöhung des laufenden Geldunterhalts (unter der Annahme eines gleichzeitigen Entfalls der Verpflichtung des Vaters zu Unterhaltsleistungen in natura) statt, wies jedoch das Begehren auf Zahlung weiterer S 10.300,- zur Deckung des geltend gemachten Sonderbedarfs ab. Auf die Begründung dieses Beschlusses ist hier nicht weiter einzugehen.

Den Beschluß des Erstgerichtes haben sowohl der Vater (hinsichtlich des stattgebenden Teils) als auch - namens der Kinder - die Mutter (hinsichtlich des abweisenden Teils) mit Rekurs angefochten. Der Rekurs der Mutter wurde zurückgewiesen; der Rekurs des Vaters führte dazu, daß der Beschluß des Erstgerichtes aufgehoben und diesem die Ergänzung des Verfahrens sowie eine neuerliche Entscheidung aufgetragen wurde.

Von Bedeutung ist hier nur jener Teil des zweitinstanzlichen Beschlusses, mit dem der Rekurs der Mutter (richtig: der Rekurs der Kinder, vertreten durch ihre Mutter) zurückgewiesen wurde. Dazu führte das Rekursgericht aus:

Seit dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes (BGBl 1989/162) bestehe im Außerstreitverfahren eine konkurrierende Vertretungsbefugnis des gesetzlichen Vertreters und des Unterhaltssachwalters. Wer die erste Verfahrenshandlung setze, sei alleiniger Vertreter (§ 212 Abs 4 ABGB iVm § 154 a Abs 1 ABGB; ÖA 1992, 22). Hier habe die Bezirkshauptmannschaft Leoben die erste Verfahrenshandlung gesetzt und sei damit für die Dauer des Verfahrens alleiniger Vertreter der Kinder geworden. Dem Akt ließen sich keine Anhaltspunkte in der Richtung entnehmen, daß es zwischen der Bezirksverwaltungsbehörde und der Mutter zu einer Einigung betreffend die Vertretung der Kinder in diesem Verfahren gekommen oder daß die Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers durch eine schriftliche Widerrufserklärung der Mutter iSd § 212 Abs 5 ABGB beendet worden sei. Damit liege eine nach dem Gesetz unzulässige Doppelvertretung vor. Die allein vertretungsbefugte Bezirkshauptmannschaft Leoben habe den ihr zugestellten Beschluß des Pflegschaftsgerichtes vom 16.11.1994 unangefochten gelassen.

Der Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs unzulässig sei. Begründet wurde dies mit dem Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anrufung des Obersten Gerichtshofes.

Im jetzt (nach Abweisung eines gleichzeitig gestellten Wiedereinsetzungsantrages) vorliegenden Revisionsrekurs machen die Kinder eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs geltend. Das Rekursgericht hätte sich vor der Zurückweisung ihres Rechtsmittels vergewissern müssen, ob die Vertretungsbefugnis der Bezirkshauptmannschaft Leoben tatsächlich noch aufrecht ist, und bei Einsicht in den betreffenden Akt der Bezirkshauptmannschaft feststellen können, daß diese Behörde mit schriftlicher Erklärung der Mutter vom 5.10.1994 von ihrem Amt als Unterhaltssachwalter enthoben wurde. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den angefochtenen Beschluß entweder iS einer gänzlichen Stattgebung des Unterhaltsbegehrens abzuändern oder aber aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung (offensichtlich an die erste Instanz) zurückzuverweisen; jedenfalls möge die Zurückweisung des Rekurses gegen den erstinstanzlichen Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht die inhaltliche Entscheidung unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund aufgetragen werden.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht eine wesentliche Verfahrensvorschrift unbeachtet ließ; er ist iS einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, um den in § 6 Abs 2 ZPO vorgesehenen Sanierungsversuch zu unternehmen, auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Richtig ist, daß die Bezirkshauptmannschaft Leoben durch ihr Zuvorkommen mit dem Unterhaltserhöhungsantrag gemäß § 212 Abs 4 ABGB iVm § 154 Abs 1 ABGB zur alleinigen Vertreterin der Kinder im dadurch ausgelösten Unterhaltsbemessungsverfahren geworden ist. Diese Alleinvertretungsbefugnis gilt für alle Unterhaltsansprüche der Kinder (ÖA 1992, 165) bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den jeweils gestellten Antrag (SZ 66/63), sofern sie nicht iSd § 212 Abs 5 ABGB widerrufen, zurückgelegt oder durch gerichtliche Enthebung des Sachwalters beendet wird.

Das Gesetz sagt nichts darüber aus, wann ein vom gesetzlichen Vertreter schriftlich erklärter Widerruf seiner Zustimmung zur Vertretung des Kindes durch den Jugendwohlfahrtsträger dem Gericht gegenüber wirksam wird. So wie dem Jugendwohlfahrtsträger die prozeßrechtliche Stellung als Vertreter eines pflegebefohlenen Kindes vor Gericht erst dann zukommt, wenn er die ihm erteilte Vertretungsbefugnis dem Gericht anzeigt (EvBl 1991/51), ist jedoch auch für die verfahrensrechtliche Wirksamkeit des Widerrufs der Vertretungsbefugnis zu fordern, daß er dem Gericht angezeigt werden muß. Anders wäre die durch die Zuvorkommensregel des § 154a Abs 1 ABGB (§ 212 Abs 4 ABGB) beabsichtigte Klarstellung der Vertretungsverhältnisse (durch die verfahrensstörende Doppelvertretungshandlungen vermieden werden sollen: 8 Ob 586/91) nicht zu verwirklichen. Mangels Aktenkundigkeit der nunmehr behaupteten Widerrufserklärung der Mutter mußte daher das Rekursgericht davon ausgehen, daß die Kinder im gegenständlichen Unterhaltsfestsetzungsverfahren weiterhin allein von der Bezirkshauptmannschaft Leoben vertreten werden.

Dennoch hätte der Mangel der Vertretungsmacht der Mutter, namens der Kinder die Teilabweisung ihres Unterhaltsbegehrens anzufechten, nicht zum Anlaß genommen werden dürfen, ihren Rekurs sofort zurückzuweisen. So wie die Nichtigkeitsgründe des § 477 ZPO (und mit ihnen die Sanierungsmöglichkeit nach Abs 2 leg cit: EFSlg 68.584 ua) gelten nämlich auch die Bestimmungen der §§ 6 und 7 ZPO sinngemäß im Verfahren außer Streitsachen (SZ 49/156; SZ 55/24; RZ 1985, 87/24 ua). Kann demnach ein Mangel der gesetzlichen Vertretung beseitigt werden, so hat das Gericht gemäß § 6 Abs 2 ZPO (und zwar zwingend: Fucik in Rechberger, Rz 3 zu § 6 ZPO) einen Sanierungsversuch zu unternehmen. In diesem Sinn wurde bereits judiziert, daß ein rechtzeitiges Rechtsmittel des nach der Zuvorkommensregel von der Vertretung im konkreten Verfahren (Verfahrensabschnitt) ausgeschlossenen Vertreters hinsichtlich des Vertretungsmangels nachträglich dadurch saniert werden kann, daß eine Einigung der gesetzlichen Vertreter über die alleinige Vertretung des anderen erzielt und dem Gericht mitgeteilt wird (SZ 66/63). Im gegenständlichen Fall bietet sich als naheliegender Verbesserungsversuch eine Anfrage an die Bezirkshauptmannschaft Leoben an, ob sie den von der Mutter namens der Kinder erhobenen Rekurs genehmigt. Erst wenn dieser Versuch einer Behebung des Mangels der Vertretungsmacht scheitert, darf der Rekurs (als unwirksame Prozeßhandlung: SZ 45/76 uva) zurückgewiesen werden.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Rechtssätze
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